Schnelle Terminvermittlung nach dem GKV-FinStG | Worauf sich MVZ + Praxen ab Januar einstellen müssen
Am 10. November ist das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz in Kraft getreten – und damit endgültig das Ende der erst seit 2019 geltenden TSVG-Neupatientenregelung besiegelt worden. Sie läuft am 31.12.2022 aus – was im Umkehrschluss jedoch auch bedeutet, dass besagte extrabudgetäre Boni, solange das aktuelle Quartal noch läuft, weiter wie gehabt von den KVen automatisch angesetzt werden. Gleichwohl ist schon jetzt auch die Frage relevant, was die ab Januar 2023 geltenden Änderungen [Details: vgl. Bericht der KW43] für den Praxisbetrieb bedeuten, und ob die Teams sich hier gegebenenfalls organisatorisch umstellen müssen. Eine klare Antwort zu geben, fällt schwer, da wesentliche Weichenstellungen erst noch vom Bewertungsausschuss festgelegt werden, der hierzu jedoch – wie man hört – erst Mitte Dezember tagen wird. Eine allgemeine Folgenabschätzung ist dagegen bereits möglich, die der BMVZ als Arbeitshilfe – unten verlinkt – seinen Mitgliedern zur Verfügung stellt. Eines wird dabei klar: Die neuen Boni für die schnelle Terminvermittlung bedeuten auf der Ebene der Gesamtvergütung kaum mehr Geld für die Ärzteschaft, denn zur Entlastung der Kassen finden hier künftig weitgehende Bereinigungen inkl. Wechselwirkung mit den Zusatzzahlungen für die offene Sprechstunde statt. D.h. die Frage, ob über die neuen Vermittlungsboni Honorarverluste, die auf der Einzelarztebene durch das Ende des automatischen Neupatientenbonus entstehen, kompensiert werden können, hängt maßgeblich vom Agieren der konkreten Praxis ab. Praxen, die sich optimiert zu den neuen Anreizen verhalten, können hier sicher einiges bewegen. Praxen, die dagegen Patienten wie gehabt einbestellen, werden ungewollt zu Verlierern, da die Boni der anderen aus dem Gesamttopf entnommen werden. Insgesamt wird also das innerärztliche Hamsterrad wieder angeworfen – in vielen Fällen dürfte dabei der eigentliche Zweck, Patienten den zeitnahen Zugang zu Ärzten zu sichern, verloren gehen. Denn eine Praxis verliert oder ‘verzichtet’ künftig aus dem wirtschaftlichen Blickwinkel quasi auf Honorar, wenn Patienten innerhalb eines 5-Wochen-Zeitraumes ganz normal selbst ihre Termine vereinbaren. Man muss nicht viel um die Ecke denken, um vorherzusagen, dass der ein oder andere Facharzt hier direkt auf die zuweisenden Hausärzte zukommen und um die finanziell geförderte Terminvereinbarung von Praxis zu Praxis bitten wird – auch wenn die Terminlage durchaus die Selbstbetätigung des Patienten erlauben würde. Und, eine weitere Frage scheint auch jetzt schon klar: Der Terminbonus ist an die formale Überweisung geknüpft, setzt folglich eine betriebsstätten-verschiedene Behandlung voraus. MVZ mit Haus- und Fachärzten unter demselben Dach erbringen daher wohl auch künftig die terminliche Koordinationsleistung zugunsten ihrer Patienten just for free – während die ärztlichen Kollegen das oben beschriebene Hamsterrad anwerfen. Ein Aspekt, der umso relevanter ist, betrachtet man parallel die politisch motivierte Debatte zum ‘MVZ als Politikum’, die auch das Label trägt, dass Behandlungen in MVZ der Versichertengemeinschaft Honorarmehrkosten verursachen würden.
BMVZ-Arbeitshilfe v. 08.11.2022
Neuregelung der TSVG-Fälle zum 1.1.2023
KV Nordrhein v. 26.10.2022
Wegfall der Neupatientenregelung ab Januar 2023: Praxen sollten offene Sprechstunde ab sofort kennzeichnen
Verlängerung der Telefonischen AU
Mit Wirkung zum 01. Dezember wird die Möglichkeit der telefonischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 31. März 2023 verlängert. Dies teilte der G-BA am 17. November mit. Als Begründung gab der Vorsitzende Prof. Josef Hecken an: „Wir stehen vor der Erkältungs- und Grippesaison. Beide Punkte sprechen dafür, auf Sicherheit für Patientinnen und Patienten sowie für das Praxispersonal zu setzen und die telefonische Krankschreibung zu verlängern.” Faktisch wurden einfach alle zuletzt schon geltenden Vorschriften verlängert. Weiterhin gilt somit, dass sich Ärzte durch eine hinlängliche telefonische Befragung persönlich vom Zustand des Patienten überzeugen müssen und dann eine AU für maximal eine Woche ausstellen können. Eine Verlängerung ist einmalig via Telefon für sieben weitere Kalendertage möglich. Die TK weist zudem darauf hin, dass die AU grundsätzlich und unabhängig von den Pandemie Bestimmungen auch über Videosprechstunden erteilt werden kann, sofern für die Untersuchung keine körperliche Untersuchung notwendig ist. In diesem Fall sind Folgebescheinigungen jedoch nur zulässig, sofern die Erstuntersuchung persönlich stattfand.
Pressemitteilung des GBA v. 17.11.2022
Corona-Sonderregelung: Telefonische Krankschreibung bei leichten Atemwegserkrankungen weiter bis Ende März 2023 möglich
Techniker Krankenkasse v. 18.11.22.
Sonderregelung wegen Corona und Grippesaison: Krankschreibung per Telefon bis Ende März 2023 möglich
Isolationspflicht aus Arbeitgebersicht: Der föderale Flickenteppich ist zurück | Ausnahmen für Praxen sind zu beachten
Mit dem Vorstoß zur Abschaffung der Isolationspflicht bei nachgewiesenen Covid-19-Infektionen – zunächst durch die Bundesländer Bayern, BaWü, Hessen und S-Holstein – ist die Zeit weitgehend bundeseinheitlicher Regeln nun wieder vorbei. Arbeitgebermüssen daher ab sofort wieder regional prüfen, was für sie gilt. Dies gilt für das gesundheitswesen sogar doppelt, da gerade für den Medizinbereich in einigen Bundesländern dann doch wieder Ausnahmen von der Aufhebung der Isolationsflicht bestehen. In Schleswig-Holstein erfasst die Ausnahme jedoch lediglich Pflegeeinrichtungen, während die drei anderen Länder auch für das Personal von Praxis und MVZ weiter Beschäftigungs- bzw. Betretungsverbote vorsehen. Auch die begleitenden Vorschriften zur Absonderung infizierter Personen unterscheiden sich im Detail. An den Ländergrenzen entstehen dabei neue Fragen, wenn etwa an Wohn- und Arbeitsort verschieden strenge Vorgaben gelten. Was in solchen Konstellationen zu beachten ist, beleuchtet der unten verlinkte impulse-Beitrag ausführlich [dort im unteren Teil]. Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass sich auch andere Bundesländer mit der konzeptionellen Aufweichung der Regeln befassen, dass also auch anderswo Änderungen der Corona-Schutzverordnungen zu erwarten sind. So hat sich etwa Sachsen offen dafür gezeigt, jedoch auf ein einheitliches Vorgehen der Länder gedrängt. [~ Zeit-Online v. 11.11.2022]. ———— UPDATE: Seit dem 26. November hat sich Rheinland-Pfalz in den Reigen der Bundesländer, in denen keine allgemeinen Isolationspflichten mehr gelten, eingereiht [~ Isolationspflicht wird zum Wochenende aufgehoben].
impulse: Netzwerk & Know How für Unternehmer c v. 16.11.2022
Neue Corona-Regeln: Das sollten Arbeitgeber jetzt tun
Übersichtsichte der Bundesregierung
Corona-Schutzmaßnahmen – was seit Oktober 2022 gilt
Linkverweise zu den 16 Länderregelungen
Hinweise & Verlinkungen zu den regionalen Vorschriften
Corona Test Verordnung wird verlängert, die 3€-Regel abgeschafft und die Honorare reduziert
Da am 25. November die aktuelle Corona-Testverordnung ausläuft, hat das BMG Mitte November eine Anschlussregelung getroffen, die die Erbringung und Honorierung von Corona-Tests bis zum 28. Februar 2023 regelt [~ BMG: zusammenfassende Information | Fragen und Antworten zu COVID-19 Tests | Volltext der Verordnung v. 24.11.2022]. Als wesentliche Neuerung gilt, dass die Bürgertests für drei Euro weggefallen. Allerdings können Bürger sich weiterhin im Kontext von Pflegeheim- oder Krankenhausbesuchen kostenlos testen lassen. Dies gilt auch für Infizierte, die sich in Isolation befinden (jedenfalls in den Bundesländern, wo diese noch gilt) und sich freitesten lassen wollen. Aus Sicht der Praxen und MVZ, die Bürgertests anbieten, ist vor allem auch die absinkende Vergütung (von 7 auf 6 €) relevant. Die Sachkostenpauschale wurde von 2,50 € auf 2 € reduziert. Auch der überwachte Eigentest sinkt beim Honorar um einen Euro (von 5 auf 4). Die KBV hatte Informationen & Schaubild [Stand 28.11.- 13 Uhr] – noch nicht aktualisiert, damit ist aber demnächst zu rechnen: Schaubild Corona-Testung in den Praxen. Weiterhin gilt, dass als Teil der praxisindividuellen Arbeitsschutzmaßnahmen, Testungen der Praxismitarbeiter vom Arbeitgeber angeordnet und als sogenannte überwachte Selbsttests über die Testverordnung abgerechnet werden können (~ In welchen Situationen können überwachte Selbsttests über die Testverordnung abgerechnet werden?). Anspruch auf Honorar besteht in diesen Fällen weiterhin nicht – allerdings kann der (ab 1. Dezember auf 2 € reduzierte) Sachkostenanteil über die Testverordnung abgerechnet werden. Dies gilt jedoch ausschließlich für Tests, die zum Zeitpunkt des Erwerbs, was nachgewiesen und dokumentiert werden muss, gemäß Paul-Ehrlich-Institut (~ SARS-CoV-2-Testsysteme) auf der EU-weiten gemeinsamen Liste der Corona-Antigen-Schnelltests (Aktuelle Fassung | Stand 11.11.2022), standen. Und wer mehr wissen will, kann sich hier informieren: Wie verlässlich sind Corona-Schnelltests bei der Omikron-Variante?
KV Baden-Württemberg – Schaubild (Stand 25.11.2022)
Übersicht Corona-Tests: Behalten Sie den Durchblick! (PDF | 2 Seiten)
WDR – Westdeutscher Rundfunk v. 26.11.2022
Schluss mit Corona-Tests für drei Euro: Für wen sind sie noch kostenlos?
Pharmazeutische Zeitung v. 24.11.2022
Ab 1. Dezember gibt es weniger Geld für Bürgertests
Modernisierung der Zulassungsverordnung Ärzte + Zahnärzte | BMG legt Entwurf vor
Vielen dürfte die Nachricht durchgerutscht sein: Bereits Mitte November 2022 hat das BMG einen Referentenentwurf zur Modernisierung von ärztlicher, bzw. zahnärztlicher Zulassungsverordnung (ZV-Ärzte|ZV-Zahnärzte) vorgelegt. Da es sich dabei formal nicht um ein Gesetzgebungsprojekt, sondern um ein Rechtsordnungsverfahren handelt, tauchte es vorab auch nicht bei den Ankündigungen des Bundesgesundheitsministers auf. Hintergrund ist der Umstand, dass es sich bei der Zulassungsverordnung, wie der Name schon sagt, nicht um ein Gesetz handelt, und dass es in § 98 SGB V eine Kompetenzermächtigung gibt, wonach die Zulassungsverordnungen “vom Bundesministerium für Gesundheit mit Zustimmung des Bundesrates als Rechtsverordnung erlassen” werden. Dennoch dürften die geplanten Änderungen für alle vertrags(zahn)ärztlichen Teilnehmer höchst relevant sein – die zentrale Rolle, die die ZV-Ärzte, bzw. ZV-Zahnärzte spielt, ist wohl jedem Praxisinhaber:in, bzw. MVZ-Geschäftsführer:in klar. Im Kern handelt es sich dabei um ein lang geplantes Projekt des BMG, dessen Realisierung durch das Pandemiegeschehen verzögert worden war, und das darauf abzielt, die historisch an vielen Stellen von der Gegenwart längst überholten Vorschriften der Verordnung zu aktualisieren. Das betrifft vor allem die Vorgaben zum Registerwesen und zur Führung der arztindividuellen Registerakten, die entbürokratisiert und vor allem an die neuen digitalen Möglichkeiten angepasst werden sollen. Der Modernisierungsentwurf geht jedoch weiter: Zum einen sollen die Assistenz- & Vertretungsregelungen für niedergelassene und angestellte Ärzte noch einmal angepasst und systematisch neu geordnet werden. Inhaltlich geht es dabei – neben mehr regulatorischer Klarheit – um die Einführung des humanitären Einsatzes als zusätzlichen Vertretungsgrund, um die rechtssichere Verankerung der sogenannten Witwenquartale und um die Verdopplung der genehmigungsfrei möglichen Vertretungszeit bei Krankheit von drei auf sechs Monate. Politisch spannend, und im Übrigen eine langjährige Forderung des BMVZ aufgreifend, ist zudem die geplante Zusammenführung des originären Arztregisters mit den (theoretisch) bisher eigenständigen Registern der angestellten und ermächtigen Ärzte sowie die Registererweiterung um eine Strukturkomponente für MVZ und BAG. Und – ganz nebenbei – ist vorgesehen, sämtliche ZA-Gebühren künftig um 10 % anzuheben, quasi als Inflationsausgleich für die Ausschüsse. —————– Das Verfahren wird insgesamt sicher auch öffentlich noch diskutiert werden. Zunächst sind jedoch bis Jahresende erst einmal die Fachverbände aufgefordert, Stellung zu nehmen, bevor anschließend das BMG vermutlich eine Überarbeitung des Entwurfs vornehmen wird, und die neue Fassung dann der Länderkammer zur Beratung übergibt. Da der Bundestag nicht zu beteiligen ist, wäre im Gesamten ein Inkrafttreten bereits im Frühjahr 2023 denkbar. Das hängt sicherlich davon ab, wie kritisch die einzelnen Modernisierungsschritte während der Verbändeanhörung diskutiert werden.
Ärzteblatt v. 15.11.2022
Bundesgesundheitsministerium will Zulassungsverordnung für Vertragsärzte modernisieren
Rechtsanwaltskanzlei Meyer-Köring v. 14.11.2022
(Etwas) mehr Spielraum bei Vertretung? BMG legt Referentenentwurf zur Änderung der Zulassungsverordnungen vor
Covid-19: Einrichtungsbezogene Impfpflicht läuft aus| Mind-Up zur Masern-Impfpflicht
Der Beschluss zu der seit Mitte März 2022 geltenden Teilimpfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen hatte von Anfang an einen eingebauten ‘Endknopf’ am Jahresende – vorgesehen war eine Verlängerung, wenn das Pandemiegeschehen es erfordere. Diesbezüglich stand Minister Karl Lauterbauch bereits seit einiger Zeit recht einsam auf der Befürworterseite. Nun – so heißt es übereinstimmend im politischen Berlin – kommen auch aus dem BMG Signale, die als belastbar gelten, dass man auch im BMG von einer Verlängerung absehen wolle. [~ Lauterbach: Wunderliche Wende bei einrichtungsbezogener Impfpflicht]. Damit ist das Kapitel Impfbürokratie für Arbeitgeber und Angestellte der Praxen, Kliniken, Heime und MVZ wohl erst einmal beendet – wobei es angesichts dieser Entwicklung vermutlich neuen Streit um die Frage, ob die Ämter dann jetzt überhaupt eingeleitete Bußgeldverfahren weiterfolgen sollen, geben wird [~ bspw. Impfpflicht im Gesundheitswesen: Kritik an Bußgeldbescheiden in Jena].Insbesondere heißt das Auslaufen aber auch, das ab Januar 2023 wieder Neueinstellungen von un- oder teilgeimpften MFA, Pflegekräften, ect. vorgenommen werden dürfen, bzw. – dieser formale Unterschied ist wichtig: Als Arbeitgeber dürfen Sie künftig gar nicht mehr nach dem Corona-Impfstatus fragen – denn dieser Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter war nur durch die bestehende Pflicht legitimiert. ————————————— ABER ACHTUNG: Im Zuge der Covid-19-Impfpflicht-Debatte sind per Änderung des ISfG die Vorschriften, mit der die schon vor Corona eingeführte, aber erst zum 1.8.2022 in Kraft getretene Masernimpfpflicht durchgesetzt werden soll, deutlich verschärft worden[~ BMG: Warum impfen gegen Masern Pflicht ist | Rechtliche Aspekte]. Sprich: Die Vorgaben an die Gesundheitsämter bezüglich der Masernimpfung wurden an diejenigen zur Covid-19-Impfung angepasst. Es ist von daher damit zu rechnen, dass die im Corona-Kontext von den Ämtern entwickelten Prüfroutinen künftig genutzt werden, um sie auf die Masernimpfung zu übertragen. Es gilt im Grunde alles, was bei der Covid-Impfung auch galt: Ungeimpfte dürften nicht neu eingestellt werden, der Impfstatus aller Mitarbeiter (inkl. Reinigungskräfte, Dienstleister, die regelhaft vor Ort sind, ect.) muss erfasst und dokumentiert werden, Personal ohne Impfung muss aktiv ans Gesundheitsamt gemeldet werden, dieses kann ggf. Betretungsverbote aussprechen, Bußgelder bei Verstößen sind gegen Arbeitnehmer und Arbeitgeber denkbar [~ Archiv der KW27: Masern-Impfpflicht wird zum 1. August scharf gestellt | Arbeitgeber müssen Status erfassen]. Sollte in Ihrer Praxis/MVZ die die Masernimpfung bisher nicht aktiv als ‘Personalthema’ behandelt worden sein, wird es höchste Zeit, dies nachzuholen.
Arzt+Wirtschaft v. 19.04.2022
Masern: die übersehene Impfpflicht
Tagesschau v. 21.11.2022
Ministerium will keine Verlängerung Teil-Impfpflicht soll auslaufen
Achtung! Praxiswebseite: Abmahnwelle zu Google Fonts erreicht Arztpraxen
Dass Unternehmen Abmahnungen und Zahlungsaufforderungen erhalten, die sich auf formale Fehler ihrer Website beziehen, ist nichts Neues. Allerdings scheinen aktuell, wie die Computerzeitschrift c’t berichtet [Dreiste Forderungen: Massenhaft Abmahnungen wegen Nutzung von Google-Fonts] zwei Anwälte das DSGVO-Thema ‘Google Fonts’ derzeit zu einem lohnenden Massengeschäft auszubauen. Vor diesem Hintergrund sah sich auch der Hausärzteverband genötigt, zu warnen [Hausarzt online v. 08.11.2022]. Deutschlandweit leisten die Industrie- und Handelskammern bereits seit Monaten Aufklärung und Hilfestellung. Erstere ist zuweilen notwendig, um überhaupt zu verstehen, worum es geht. Kurzum: Es gibt auf Webseiten die Option, Informationen für die Schriftdarstellung lokal zu hinterlegen. Viele Homepages – sowohl hochkomplexe, als auch ganz einfach gehaltene – rufen jedoch stattdessen die Schriftart für die Seitenausgabe einfach auf Google Servern ab. Dafür greift Google auf die IP-Adresse des Webseitenbesuchers zurück. Diese IP-Abfrage war Anfang 2022 Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, das zugunsten des Klägers ausging, der sich in seinen Rechten gemäß DSGVO beeinträchtigt sah. Dem Kläger wurden vom Landgericht München 100 € Schmerzensgeld zugesprochen. Das ist, in der Regel, auch die Summe, zu deren Zahlung die betroffenen Webseitenbetreiber aktuell aufgefordert werden. Und grundsätzlich können diese Forderungen rechtens sein. Es ist daher sinnvoll, sich diesem Geschäftsmodell der Abmahnanwälte präventiv zu entziehen, denn nicht nur die geforderte Gebühr schmerzt, sondern auch der durch die Abmahnung verursachte Aufwand – zumal auch in dem Fall das Datenschutzproblem behoben werden muss. Um herauszufinden, ob die eigene Homepage überhaupt betroffen ist, hilft der Webdesigner/Programmierer. Alternativ erscheinen bei der Stichwortsuche „Google-Fonts-Checker“ zahlreiche Webseiten und Tools, die Klarheit verschaffen. Sollte die Website Google Fonts nutzen, lässt sich dies – je nach Größe der Website – mit kleinem bis mittleren Aufwand beheben. Für Computer-affine stellt c’t eine Erklärung bereit. Im Zweifelsfall muss aber ein Profi ran. Ähnliches gilt für den Umgang mit der Abmahnung selbst. Hier hat die IHK Siegen einen hilfreichen ‚Was passiert, wenn Unterstützungsleitfaden‘ aufgestellt [~ IHK Siegen: Abmahnwelle Google Fonts]. Auch wenn man geneigt sein sollte, das Ganze als bösen Streich abzutun, verursachen diese Abmahnungen so oder so leider Aufwand, unabhängig davon, ob die Angelegenheit dem Anwalt übergeben, weiter beobachtet, oder zügig geklärt wird. Im Übrigen gilt das gesagte gleichermaßen für ähnliche Dienste wie Adobe Fonts oder MyFonts – auch wenn diese nicht im Fokus der berichteten Abmahnwelle stehen.
Medscape v. 23.11.2022
Gefährliche Google-Schriftarten auf Ihrer Homepage? Praxen stehen wegen Abmahnungen unter Druck – was zu beachten ist
Hausärzteverband v. 19.10.2022.
Informationsschreiben zur Abmahnwelle Google Fonts (PDF | 3 Seiten)
Pharmazeutische Dienstleistungen im Aufwind | AOK-BV sieht die Verantwortung jedoch bei den Kassen
„Derzeit bieten erste Apotheken die Dienstleistungen an, viele weitere starten in den nächsten Monaten.“ So zitiert der änd die ABDA-Präsidentin Overwiening. Der Apothekerverband geht ferner davon aus, dass binnen eines Jahres ca. drei Viertel der Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) anbieten werden. [~ änd v. 04.11.2022] Nicht ohne Grund titelt das Fachportal Apotheke Adhoc am 10.11.2022: Ran an die Millionen!, während das Kundenmagazin Apothekenumschau [~ unten verlinkt] seinen Teil zur zielgruppengenauen Nachfragesteigerung beiträgt. Diese Aussichten bieten weiteren Sprengstoff für das kollegiale Verhältnis zwischen Praxis und Vor-Ort-Apotheke. Bereits in der Ausgabe der KW 27 [~ Praxis.KOMPAKT-Archiv] hatten wir den Ärger vor allem der Hausärzte darüber dokumentiert, dass Apotheker über die pDL für die urärztlich und honoratechnisch in der Versichterpauschale versteckte Leistung des Medikationschecks bis zu 90 € Honorar erhalten sollen [~ Entscheidung zu pharmazeutischen Dienstleistungen macht Versorgungsprozesse chaotischer]. Dieses Ungleichgewicht hatte teils zu sehr heftiger Gegenreaktion aus dem Bereich der KVen geführt. Ambivalent war die Reaktion jedoch deshalb, da andere Stimmen der Ärzteseite hierin eine valide Verhandlungsbasis mit den Kassen sahen und sehen. Interessanterweise schlägt nun jedoch einer der großen Kassenakteure einen weiteren Haken. Anlass war die Vorstellung des Arzneimittelreports 2022 (~ Arzneimittelausgaben: WIdO sieht Einsparpotenzial]. Der AOK-Bundesverband meinte auf der Pressekonferenz, wie Apotheke Adhoc berichtet, dass ein Teil der Leistung noch besser bei der Kasse aufgehoben sei. Zwar könne “die Medikationsberatung in der Apotheke einen Beitrag leisten, aber es gebe keine Gewähr für eine Umsetzung. Daher lautet eine Forderung … sich die pDL noch einmal genau anzusehen: … Wo müssen wir nachsteuern?“ Im Mittelpunkt steht auch hier die Medikationsanalyse respektive der Wechselwirkungscheck. Der Geschäftsführer des wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) schlug konkret vor, dass “die Krankenkassen …. die Pharmakotherapieberatung übernehmen[sollten]. Denn bis auf den OTC-Bereich lägen den Kassen alle Daten vor.” Erwartbar sieht er in der Übertragung der Analyse und Beratungskompetenzen auf die Kassen einen deutlichen Mehrwert für die Patientenversorgung. Die Ergebnisse der Analyse wolle man dann mit den Behandelnden teilen. „Unser Wunsch ist es, dass wir in die Verwaltungssysteme der Praxen und Apotheken kommen. […] Wir müssen stärker in den Austausch mit den Patienten gehen und dabei die Digitalisierung nutzen.“ Das ist ein nachvollziehbarer Wunsch der Kassen, der – so viel ist sicher – viel Gegenwind auf sich ziehen wird und derzeit keine relevanten ‘Fans’ hat. Nachdem sich aber die Apotheken dank des Spahn’schen Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (~ mehr Informationen) mit den pDL neue Märkte erschließen, und die ambulante Ärzteschaft sich deswegen immer noch fragend und konsterniert bis planlos umsieht, ist der jüngste Vorstoß der AOK mindestens interessant. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die KBV Potenzial aus dieser Entwicklung abschöpfen kann.
Apotheken-Umschau v. 23.11.2022
Neu: Beratungstermin zu Medikamenten in der Apotheke
Apotheke Adhoc, vom 17.11.22.
Medikationsanalyse: AOK will Apotheken ersetzen
Der folgende Beitrag wurde bereits in der Praxis.KOMPAKT-Ausgabe der KW45 veröffentlicht.
Wegen fortgesetzer Relevanz veröffentlichen wir ihn in dieser Ausgabe erneut.
MVZ als Politikum | Die politische Debatte braucht mehr Sachlichkeit – Ein dringender Appell des BMVZ
Manch einem Arzt, Träger oder Verwaltungsmitarbeiter, der morgens sein Rüstzeug schnürt, um die Arbeit in seinem MVZ anzutreten, mag die erhitzte Debatte um die Unzulänglichkeiten der MVZ als Praxisform mehr als sauer aufstoßen. Völlig zu Recht hatten sich daher kürzlich erst Ärztinnen und Ärzte aus sogenannten ‘Investoren-MVZ’ in einem offenen Brief gegen die beständige Verunglimpfung ihrer persönlichen Integrität als Mediziner verwahrt. Der BMVZ legt nun mit einem ‘Appell zu mehr Sachlichkeit’ nach. Besonderer Ansatzpunkt des Aufrufes ist die Aufarbeitung der Pressearbeit der KV Bayerns und des IGES-Institut zur Veröffentlichung ihrer ‘Versorgungsanalyse zu MVZ mit Schwerpunkt auf Finanzinvestoren als Träger’ (~ zur inhaltlichen Kritik des BMVZ v. 22.04.2022). Die Meinungsmanipulation hat jedoch noch viele weitere Ebenen. Vor allem gelingt es den Medien derzeit allzu leicht – auch weil leicht zugängliche, bzw. verständliche Fakten zu fehlen scheinen, die MVZ-Debatte mit aufmerksamkeitsheischenden Überschriften zu dramatisieren. Es war daher ein Schwerpunkt des Vortrages der BMVZ-Geschäftsführerin im Rahmen des Praktikerkongresses 2022 faktenbasiert gängigen Stereotypen und Phrasen der MVZ-Debatte zu begegnen. Die Medical Tribune hat darauf basierend im Nachgang einen Kongressbericht veröffentlicht, der die Beweisführung selbst ohne Blick auf die Folien gut nachvollziehbar macht: “Auch ohne dieses [MVZ-]Register lassen sich aus den Statistiken mehr Informationen zu MVZ holen, als das bislang passiert. Das bewies [die Referentin] … Ihre Quellen: die MVZ-Statistik der Kassenärztlichen und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, das Bundesarztregister und das Statistische Jahrbuch. Ihr Anliegen: Bezugsgrößen und Gruppenbezüge geradezurücken, um die öffentliche Debatte auf eine reale Grundlage zu stellen. Im Endeffekt – so das gleichlautende Plädoyer des Vortrags wie der aktuellen Pressearbeit des BMVZ – muss es darum gehen, eine Entdramatisierung der Debatte durch das konsequente Arbeiten mit belastbaren Zahlen und Fakten zu erreichen – auch wenn das eine mühselige Kärrneraufgabe für den Verband bleibt. Aber nur so ergibt sich der dringend benötigte Raum für die Diskussion des Wesentlichen, nämlich der Frage, wie die ambulante Versorgung langfristig und flächendeckend sichergestellt werden kann, gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Herausforderungen.
Medical Tribune v. 18.10.2022
MVZ Statistiken zu oberflächlich interpretiert?
BMVZ-Position v. 08.11.2022
MVZ-Debatte: Ein Anschlag auf die Sachlichkeit oder Wenn gezielte Täuschung Ausgangspunkt der Pressearbeit ist