Die oft sehr kritische, politische Debatte zu MVZ und zu dem durch sie exemplarisch verkörperten allgemeinen Wandel der ambulanten Leistungserbringung, begleitet die Entwicklung seit 2004. Dabei wird oft zwischen ‘guten’ und ‘schlechten’ MVZ anhand des Trägermerkmals unterschieden. Diese Perspektive blendet jedoch aus, dass das Trägerkriterium noch nie geeignet war, als Maßstab zur Messung von Versorgungsqualität zu dienen. So standen in den MVZ-Anfangsjahren allgemein alle Klinik-MVZ in der Kritik. Mit denselben Argumenten, die heute den investorengeführten MVZ entgegengebracht werden – während das klassische MVZ regionaler Kliniken inzwischen wahrnehmungstechnisch von der ‚schlechten‘ auf die ‚gute‘ Seite gewechselt hat. Insofern muss die Frage gestellt werden, wie viel der Debatte der reflexartigen Ablehnung von Veränderungen geschuldet, und wie viel Sorge bezüglich der Folgen für die Patientenversorgung wirklich berechtigt ist.
Eine Antwort auf diese Frage bietet die aktuelle, in der Tendenz gegen einzelne Trägergruppen gerichtete Medienarbeit gerade nicht. Dabei gilt, dass die MVZ schon deshalb kontrovers betrachtet werden, weil ihre markantestes Merkmal die Durchbrechung des bisherigen Grundsatzes ist, dass nur Vertragsärzte ambulante Leistungen erbringen dürfen. Wobei eine kritische Perspektive vor allem von Akteuren der ärztlichen Selbstverwaltung eingenommen wird. Von Patienten sowie von den inzwischen mehr als 20 Tsd. Ärzten, die in den MVZ arbeiten, gibt es dagegen kaum negative Äußerungen. Gerade letztere hätten auch, angesichts des Arbeitnehmermarktes, den die ambulante Versorgung darstellt, problemlos die Möglichkeit, mit den Füssen abzustimmen und andere Arbeitsstellen zu wählen.
Von daher muss in der aktuellen Debatte zwingend einerseits für mehr Sachlichkeit und andererseits strukturübergreifend für eine Verbesserung der Datengrundlage eingetreten werden. Klar ist, dass innerhalb dieser Diskussion dem Thema der nicht-ärztlichen MVZ-Träger als ärztliche Arbeitgeber eine besondere Aufmerksamkeit sicher ist. Schon deshalb, weil solche MVZ-Strukturen in einer Art symbolhafter Zuspitzung schlichtweg alle Elemente vereinen, die das heutige Gesundheitswesen von dem der ‚guten, alten Zeit‘ unterscheiden. Gleichzeitig sollte aber die Relation gewahrt bleiben, denn die Dynamik der MVZ-Entwicklung ist keine Bedrohung für die Vielfalt der Versorgungslandschaft. Das Stapeln von Prozenten [1] – wie auch in der IGES-Darstellung teilweise als Methode angewandt – überdeckt, dass die Versorgungsrelevanz der MVZ nur ausgesprochen langsam, um einzelne Zehntel-Prozent jährlich steigt und derzeit bundesweit bei 12 % bei den Humanmedizinern und 5 % bei den Zahnärzten liegt. Der Cluster der Investoren-MVZ, den das IGES für Bayern untersucht hat, hat dort eine Versorgungsrelevanz von 0,67 Prozent. Debattengröße und tatsächliches ‘Problem’ stehen entsprechend zueinander in einem auffälligen Mißverhältnis.
[1] 8,9 % alls bayrischen Versorgungsaufträge sind einem MVZ zugeordnet, davon wiederum 10 % einem Investor als Träger, ein Prozentsatz der zuletzt mit einer Dynamik von 78 % gestiegen ist. Das ändert nichts daran, dass deutlich weniger als 1 % der bayrischen Ärzte und Artsitze zu einem Investoren-MVZ gehören.