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Es gibt seit Langem und anhaltend zahlreiche Missverständnisse, die den Umgang mit kooperativen Strukturen prägen. Insbesondere ergeben sich systematische Nachteile durch die auf Einzel- und Kleinstpraxis orientierten Vorgaben von EBM und Honorarverteilung. Größere Kooperationen unterliegen hier vielfältigen, nicht sachgerechten Ausschlüssen und geraten schneller in die Abstaffelung, was ihre Wirtschaftlichkeit gefährdet.Vor diesem Hintergrund belegt der Beitrag, dass das Schubladendenken, wonach MVZ groß und Niederlassungspraxen kleinteilig organisiert sind, nicht der Realität entspricht. Dass also das Phänomen der Großpraxen weder eine Randerscheinung, noch nur auf die MVZ beschränkt ist. Allerdings fehlt es diesbezüglich an Bewusstsein in Politik und Selbstverwaltung. Folge ist die honorar- und leistungsrechtliche Diskriminierung insbesonderer fachübergreifender Kooperationen. Hier braucht es einen neuen Fokus.
Dieser Tage gab es in Berlin gleich drei Ereignisse, bei denen öffentlichkeitswirksam die Frage erörtert wurde, wann denn nun mit dem GVSG zu rechnen sei und welche Inhalte dies beträfe. Obwohl die konkretesten Angaben wohl auf der Juristentagung gemacht wurden, über die es wiederum keine Presseberichte gibt. Dort hat u.a. die Leiterin der Unterabteilung 22 des BMG über den Stand der aktuellen Gesetzgebungsaktivitäten und über das GVSG referiert. Eine ihrer Aussagen war, so ist zu hören, dass ein zweites Versorgungstärkungsgesetz, das ja lange angekündigt wurde, tatsächlich nicht mehr kommen werde, dass aber geplant sei, weiterführende MVZ-Regelungen in den bestehenden GVSG-Entwurf noch einzuarbeiten.
Das ZDF hat am 23. Juli erneut die MVZ-Debatte aufgegriffen und dabei ohne Neuigkeitswert berichtet, dass es nach wie vor keine konkret erkennbare Regulierungsabsicht aus dem BMG gebe. Im Mittelpunkt stand daher der Versuch, aufzuzeigen, wie sehr Investoren als MVZ-Träger die Versorgung gefährden. Ausgangspunkt ist – am Beispiel der Augen-Untersuchung von Kindern – die auch im Sendungsbegleittext zentral formulierte Feststellung: „Untersuchungen und Behandlungen, die finanziell nicht lukrativ genug sind, werden auf die lange Bank geschoben oder ganz unterlassen.” Die Kritik richtet sich jedoch ausschließlich gegen MVZ, nicht aber gegen die etwa 6.000 Augenärzte in Niederlassung, die ebenfalls kaum Termine für Kinder anbieten, wie im Bericht selbst auch klar wird. Dabei wäre eine Recherche zur Frage, warum gerade der Mehraufwand für Kinder nicht adäquat honoriert wird, wirklich spannend und wichtig.
Da es rund um den Betrieb von MVZ und BAG immer viel zu beachten gibt und gleichzeitig meist kaum Zeit vorhanden ist, sich ausführlich zu informieren, bündeln und kommentieren wir für Sie – regelmäßig im 14-Tage-Rhythmus neu – relevante Informationen für den Praxisbetrieb. Dafür sammeln wir aus den verschiedensten, zuverlässigen Quellen Informationen und Beschlüsse für den ambulanten Praxisbetrieb und fassen sie samt weiterführender Links kompakt zusammen.
Themen der aktuellen Ausgabe:
NIS2-Umsetzung verzögert sich: Folgen und Handlungsempfehlungen für MVZ und Praxis + Betroffenheitsprüfung | Der angestellte Arzt, der MB und das Gehalt + ‘Last Call’ Inflationsbonus | Positions-Papier des GKV-Spitzenverbandes: Ein Wunschzettel für die Zukunft | Blankoverordnung Physiotherapie kommt in Praxis + MVZ an: Wissenswertes für ausstellende Ärzt:innen | Das fachliche und disziplinarische Weisungsrecht zwischen Ärzten: Ein Spagat nicht nur, aber besonders für die Ärztliche Leitung im MVZ | Krankenhausgesetz passiert den Bundestag: Disruption des ambulanten Systems
Das Team von PRAXIS.KOMPAKT macht derzeit Redaktionspause. Allen Lesern steht bis zur neuen regulären Ausgabe die letzte Veröffentlichung zur Verfügung – BMVZ-Mitglieder können darüber hinaus mit ihrem Mitgliederzugang auch in den Ausgaben des Archivs stöbern. Selbstverständlich bleiben wir auch während der Redaktionspause wie gewohnt für Sie erreichbar.
Ab dem 1. November wird es möglich sein, auch Blankoverordnungen für die Physiotherapie auszustellen. Wie bei der bereits seit April 2024 gültigen Blankoverordnung für die Ergotherapie werden die möglichen Anwendungsfälle schrittweise ausgebaut. Für die Physiotherapie ist eine Verordnung zunächst für die Diagnosegruppe "EX" möglich, also den Schulterbereich. Unter die Diagnosegruppe EX fallen insgesamt 114 ICD-10-Codes. Aufgelistet sind diese im ‚Anhang 1 zur Anlage 1 des Vertrages nach § 125a SGB V in der Physiotherapie‘ (~ Link dazu | öffnet als PDF). Das Ausstellen der Blankoverordnung Physio ist den Vertragsärzten vorbehalten. Krankenhausärzte können dies nicht. Im Gegensatz zur Ergotherapie wird es bei der Physiotherapie kein neues Formular geben. Es bleibt also beim Muster 13 – Heilmittelverordnung. Wer an dieser Stelle noch einmal die Regelungen zur Blankoverordnung Ergotherapie auffrischen will, dem sei unser Artikel aus der 22. KW empfohlen. (~ PRAXIS.KOMPAKT)
Die Entscheidung, ob eine Blankoverordnung nach 125a SGB V oder eine herkömmliche Heilmittelverordnung ausgestellt wird, obliegt weiterhin dem ausstellenden Arzt. In medizinisch relevanten Fällen kann der Arzt auf das herkömmliche Prozedere zurückgreifen, bspw. wenn die Therapie engmaschig überwacht werden soll. Es sei jedoch angemerkt, dass eine Blankoverordnung, nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106b SGB V unterliegt, also durchaus attraktiv ist. „Die Kosten für Blankoverordnungen werden im Falle einer Wirtschaftlichkeitsprüfung aus dem ärztlichen beziehungsweise psychotherapeutischen Verordnungsvolumen herausgerechnet.“ (KBV Heilmittel Diagnoseliste | öffnet als PDF) Im Rahmen der Patientenberatung ist darauf zu achten, dass Krankenhausambulanzen (124 Abs.5 SGB V) und Praxen, die ausschließlich als Massagepraxen zugelassen sind, eine Annahme von Blankoverordnungen nicht möglich ist.
Das PVS System sollte bei der Eintragung ausgewählter IDC-10-Codes sofort die Blankoverordnung vorschlagen. Für das Ausfüllen der Blankoverordnung gilt: zukünftig muss das Feld ICD-10-Code mit der entsprechenden Diagnose und das Feld ‚Diagnosegruppe‘ ausgefüllt werden. Im Feld ‚Heilmittel nach Maßgabe des Kataloges‘ wird der Text „BLANKOVERORDUNG“ eingetragen. Die Angaben in den Feldern ‚Heilmittel, Anzahl der Behandlungseinheiten und Frequenz‘ sind naturgemäß bei der Blankoverordnung überflüssig und werden nicht ausgefüllt. Bis dato gibt es, wie beschrieben, zunächst nur die Diagnosegruppe ‚EX‘. Die Verhandlungen über das Einbeziehen weiterer Indikationen sollen ab dem 31.12.2025 erfolgen.
Der ‚Deutsche Verband für Physiotherapie‘ weist darauf hin, dass aus Sicht der Physiotherapie-Praxen auf die Einschränkungen bei einer Doppelverordnung zu achten ist. Das Szenario lässt sich auch umdrehen und auf die ausstellenden Ärzte beziehen. Da nicht klar ist, ob alle PVS-Systeme rechtzeitig so eingestellt sind, dass sie vor einer Doppelverordnung warnen, haben wir den Sachverhalt zusammengefasst: Während der Gültigkeit der Blankoverordnung darf dem Patienten keine weitere Heilmittelverordnung oder Blankoverordnung – also sowohl nach §125 und §125a SGB V – mit einer Diagnose gem. Anlage 1 in der gleichen Diagnosegruppe ausgestellt werden. CAVE! Entscheidend ist dabei die Diagnosegruppe, unter der die 114 ICD-Codes aufgeführt sind. Wurde also eine ICD-10 Diagnose aus der Anlage 1 unter der Diagnosegruppe EX ausgestellt, verbietet sich das Ausstellen für eine andere ICD-10 Diagnose aus der Anlage 1 im Rahmen der gleichen Diagnosegruppe. Eine Ausnahme besteht, wenn es sich um eine unterschiedliche Lokalisation oder um Lymphdrainagen handelt. Diagnosen außerhalb der Diagnosegruppe oder eine Diagnose in einer anderen Diagnosegruppe sind möglich. Zum Webinar des Physio-Verbandes gibt es ein PDF, das wir unten verlinkt haben. Der beschriebene Sachverhalt wird auf Folie 27 noch einmal ausgeführt. Das Webinar mit informativen, ergänzenden Erörterungen auf der Tonspur kann auf der Themenseite des Verbandes abgerufen werden. Oben genannter Aspekt wird ab Minute 26:00 erörtert.
KBV 05.09.2024
Blankoverordnung ab November auch für Physiotherapie möglich
Deutscher Verband für Physiotherapie | Physio Deutschland
FAQ, Downloads und Webinarmitschnitte für die Praxis
PDF zum Webinar: Die Blankoverordnung in der Physiotherapie
Der Marburger Bund (MB) ist als Gewerkschaft der Klinikärzte weit bekannt. Dass er aber über die letzten Jahre zunehmend Aktivitäten entfaltet(e), explizit auf die ambulant tätigen Ärzte zuzugehen, findet vielfach unter dem Radar der MVZ-Verantwortlichen statt. Einen schnellen Einblick, insbesondere auch zu den für angestellte Ärzte vorgehaltenen Informationsangeboten, bietet die Homepage des MB-Bundesverbandes: MB Ambulant. Zusätzlich gibt es in allen MB-Landesverbänden mittlerweile auch Arbeitsgruppen für die vertragsärztliche Versorgung. Deren Aktivitäten werden vielfach von MB-sozialisierten Klinikärzten getragen, die ganz oder in Teilzeit ins MVZ gewechselt sind. Entsprechend liegt ein Schwerpunkt ihrer Arbeit darin, die Vertrags- und Tarifbedingungen, die sie aus dem stationären Bereich kennen, auf den ambulanten Bereich zu übertragen. Für den Vertragsarztbereich mit seinen komplett anderen Bedingungen ist das natürlich eine komplexe Herausforderung.
Ein Beispiel ist die im August 2024 veröffentlichte Erhebung des MB-Landesverbandes Sachsen zu den Lohn- und Gehaltsbedingungen im MVZ. Eingeflossen sind hier 105 Antworten von 25 ambulant angestellten Ärzten sowie 80 Ärztinnen. Als Hauptergebnis wird die enorme Bandbreite der vertraglichen Bedingungen herausgestellt und kritisiert, dass die Hälfte der antwortenden angestellten Hausärzte und ein gutes Drittel der Fachärzte Gehälter unterhalb des Tarifs 'leitender Oberarzt TV-Ärzte/VKA' erhält und, dass außerdem zu wenige der MB-Mitglieder davon Gebrauch machen würden, sich vor der MVZ-Anstellung arbeitsvertraglich beraten zu lassen. Die Sachsen kommentieren weiter: „Bei einer Vollzeitstelle könnte ein Facharzt im MVZ demnach ein Brutto-Grundgehalt zwischen 8.742,54 und 9.991,49 Euro pro Monat fordern.“ Eine – je nach Region und Fach – hehre Forderung, die zusätzlich mit der Ansage verbunden wird, dass den im MVZ angestellten Ärzten auch die Gehaltssteigerungen von zuletzt knapp 9 % im ambulanten Sektor zustünden, was durch eine Kopplung des Arbeitsvertrags an die Tariflohnentwicklung eingefordert werden solle. Der MB würde dem einzelnen Angestellten bei der Durchsetzung solcher Ansprüche gern behilflich sein.
Eine grundsätzlich nachvollziehbare und mehr als legitime Sache. Personaler und Geschäftsführer in MVZ sollten solche Entwicklungen auf dem Schirm haben. Hierbei hilft, dass die Sachsen ihre Umfrageergebnisse sehr detailliert veröffentlicht haben. Unterhalb des unten verlinkten Artikels lässt sich die vollständige Ergebnisdokumentation einsehen, darunter z.B. Infos zur Anzahl der Fortbildungstage oder konkret zur Einkommenshöhe der Teilmenge der 49 antwortenden MVZ-Ärzte in Leitungsfunktion. Ein guter Ausgangspunkt für einen vergleichenden Selbstcheck.
Um die MB-Angaben, bei denen im Übrigen jegliche Information fehlt, inwieweit es sich eventuell auch um Teilzeitstellen handelt, einschätzen, bzw. auf breitere Füsse stellen zu können, sei ergänzend auf die mit 700 Befragten recht solide aufgestellte Gehaltsumfrage der apoBank aus dem Jahr 2021 hingewiesen. Zusammenfassende Ergebnisse sind über das unten verlinkte Stellenmarktportal des deutschen Ärzteblattes abrufbar; deutlich detailliertere Informationen und Grafiken gibt es aber direkt bei der Bank: Was verdienen angestellte Ärzte in der ambulanten Medizin? Zwei der Hauptergebnisse sind, dass den Angestellten in MVZ höhere Gehälter gezahlt werden als in Niederlassungspraxen und dass, „Fachärzte mit 87.600 € brutto pro Jahr im Durchschnitt ca. 15 % mehr als Hausärzte [verdienen].“ Auf dem ersten Blick ist dabei erkennbar, dass die apoBank-Studie bestätigt, dass die ambulanten Arztgehälter im Schnitt deutlich unter dem vom MB Sachsen eingeforderten Tarifgehalt für leitende Oberärzte liegen. Eine normale Konsequenz der im Vertragsarztbereich völlig anders gearteten Rahmenbedingungen.
Ein weiterer Kritikpunkt der MB-Umfrage entbehrt dagegen nicht der Grundlage. Wenn nämlich kritisiert wird, dass nur 30 der 97 Ärzt:innnen, die diesen Punkt beantwortet haben, angeben, Sonderzahlungen in Form des Inflationsbonus erhalten zu haben. Dass also bei mehr als zwei Dritteln der MVZ der jeweilige Arbeitgeber bisher nicht von der gleichermaßen arbeitnehmer- wie arbeitgeberfreundlichen Option Gebrauch gemacht hat, komplett abgabenfreie Zusatzzahlungen (Brutto = Netto) zu leisten. Es handelt sich hierbei um ein Sonderrecht (ohne arbeitnehmerseitigen Anspruch), das am 25. Oktober 2022 in Kraft gesetzt wurde (~ mehr Infos) und zum 31.12.2024 ausläuft – also noch rund zehn Wochen genutzt werden kann.
Da auf die als Inflationsbonus gekennzeichneten Lohnanteile, die zwischen 10/2022 und 12/2024 je Arbeitnehmer bis zu 3.000 € betragen dürfen, und auch aus mehreren kleineren Einzelzahlungen bestehen können, weder Steuern noch SV-Beiträge anfallen, können Arbeitgeber mit vglw. geringem Mitteleinsatz gerade auch bei den unteren Lohngruppen der Nicht-Ärzte einen großen Mehrwert beim Mitarbeiter erreichen. Tatsächlich ist das Wissen um diese Prämienoption, die vom Staat mit dem Ausgleich inflationsbedingter Kosteneffekte begründet wurde, vor allem bei kleineren Betrieben, etwas verschütt gegangen. Einen kurzen und bündigen Überblick zu allen wichtigen Aspekten bietet das Personalwissensportal haufe.de: Inflationsausgleichsprämie zahlbar bis Ende 2024.
Marburger Bund Landesverband Sachsen v. 12.08.2024
Arbeitsbedingungen im MVZ dürfen kein Glücksspiel sein!
Die Bundesregierung v. 12.03.2024
Einkommensteuergesetz | Inflationsausgleichsprämie: Bis zu 3.000 Euro steuerfrei
Ärztestellen | Arzt und Karriere – Stellenmarkt des Dt. Ärzteblattes | v. 21.03.2022
Gehalt in MVZ und Praxis: Das können Sie verdienen
Sucht man online nach dem Stichwort NIS2, ist die Trefferliste derzeit immens groß und umfasst zahlreiche Artikel, die dringliches Handeln zum 17. Oktober anmahnen, sowie mindestens ebenso viele (seriöse und unseriöse) Angebote von Firmen, die den Betroffenen bei 'diesem Handeln' – natürlich nicht unentgeltlich – behilflich sein wollen. Resilienz gegen IT-Vorfälle und Cyberangriffe ist das Thema, und der am 14. Oktober bekannt gewordene Hackerangriff auf die Kliniken und Einrichtungen eines in mehreren Bundesländern aktiven Trägers bietet den dazu passenden, hochaktuellen Trigger: Johannesstift-Diakonie Berlin: Cyber-Angriff legt Rettungsstellen lahm. Und ja, neben den Kliniken sind zahlreiche MVZ und Gemeinschaftspraxen von der NIS2-Gesetzgebung betroffen und daher neuen Pflichten unterworfen. ABER: Richtig ist auch, dass die EU-Richtlinie zu NIS2 nach wie vor noch nicht in deutsches Recht überführt ist.
Denn erst am 11. Oktober hat der Bundestag über das NIS2-Umsetzungsgesetz erstmalig beraten (~ hib-Bericht zur Lesung) – für die finale Beschlussfassung wird derzeit ein Termin Anfang Dezember avisiert. Damit ist zu 100% verbindlich klar, dass Deutschland den eigentlich in der zugrundeliegenden EU-Richtlinie genannten Umsetzungsstichtag – 17. Oktober 2024 – nicht einhält. Die Frage ist, was das für die betroffenen MVZ und BAG bedeutet. Zu Erinnerung: Diese neue Cybersicherheitsrichtlinie in der deutschen Umsetzung stuft in elf Branchen – darunter das Gesundheitswesen – alle Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von 10 Millionen € neu als 'kritische Infrastruktur' ein und legt diesen daher weiterführende Registrier- und Präventionspflichten auf. (~ Da kommt was auf (so manches) größere MVZ zu: NIS2-Umsetzungs- und Cybersicherheitsstärkungsgesetz). Verstöße gegen die neuen Pflichten sollen mit empfindlich hohen Geldbußen sanktioniert werden.
Die EU-Richtlinie entfaltet allerdings keine direkte Bindungswirkung. Vielmehr gilt: „Eine Richtlinie ist ein Rechtsakt, in dem ein von den EU-Ländern zu erreichendes Ziel festgelegt wird. Es ist jedoch Sache der einzelnen Länder, eigene Rechtsvorschriften zur Verwirklichung dieses Ziels zu erlassen.“ (~ Quelle). So lange also das zugehörige Gesetz nicht per Unterschrift des Bundespräsidenten in Kraft gesetzt ist, gelten die Vorschriften noch nicht. Der 17. Oktober 2024 ist diesbezüglich somit für deutsche Unternehmen kein relevanter Stichtag. Allerdings muss die deutsche Regierung mit einem Vertragsverletzungsverfahren, in dem Deutschland erhebliche Strafgelder auferlegt werden könnten, rechnen. Das tangiert Sie, als betroffenes Unternehmen, aber nicht.
Nach Plänen der Bundesregierung wird aktuell mit einem tatsächlichen Inkraftsetzen der NIS2-Richtlinie für deutsche Unternehmen zu März 2025 gerechnet. Von da an soll es z.B. eine der neuen Pflichten sein, dass alle betroffenen Firmen sich binnen nur dreier Monate aktiv und selbsttätig als 'kritische Einrichtung' beim Bundesamt für Informationssicherheit (BSI) registrieren müssen. Das BSI schreibt dazu logischerweise derzeit: „Das NIS2UmsuCG befindet sich derzeit noch im Gesetzgebungsverfahren. …. Aus diesem Grund kann sich das BSI derzeit nur in begrenztem Umfang zu den voraussichtlichen Inhalten des Gesetzes äußern.“ (~ mehr Infos).
Heißt das jetzt, dass die anhand des Mitarbeiter- und/oder des Umsatzkriteriums betroffenen MVZ und BAG sich noch einmal zurücklehnen und einfach abwarten können? Die klare Antwort lautet: Besser nicht! Unabhängig von den konkreten Fristen, die sich wirklich erst mit Ende des Gesetzgebungsverfahrens ergeben werden, ist eine zeitnahe Befassung mit den Inhalten der neuen Anforderungen dringend zu empfehlen. Und wenn nur deswegen, um den eingangs angesprochenen, heuschreckenartig auftretenden Beraterangeboten auf Basis einer fundierten Einschätzung der firmenspezifischen Bedarfe sinnvoll begegnen zu können. Dabei hilft es zu wissen: „Die NIS2-Regulierung erfindet die IT-Sicherheit nicht neu: Es gibt viele Überschneidungen mit etablierten Sicherheitskonzepten wie ISO 27001 und IT-Grundschutz.“ (~ NIS2 und andere Sicherheitskonzepte erklärt). Oder nutzen Sie eine der derzeit vielen Online-Fortbildungsformate für einen Schnelleinstieg: Tipp 1 (heise)| Tipp 2 (BSI) | Tipp 3 (Tüv Nord) | Tipp 4 (Bitkom).
Sollten Sie im Übrigen überhaupt erst an dem Punkt stehen, dass Sie überlegen, ob Sie als Unternehmen betroffen sind, nutzen Sie sinnvollerweise die Betroffenheitsprüfung des BSI. Obwohl nach unserer Einschätzung gerade das angebotene Online-Tool bei viel Buchstabensalat wirklich wenig Mehrwert bietet. Viel schneller und präziser hilft u.E. ein Blick auf den ebenfalls vom BSI bereitgestellten NIS2-Betroffenheitsbaum (PDF mit ergänzenden Markierungen des BMVZ). Vorraussetzung ist allerdings das Wissen, dass die Gesundheitsbranche und damit alle Gesundheitsdienstleister laut Anhang 1 der NIS-Richtlinie vollständig zu den "Sektoren mit hoher Kritikalität" zählen. Gesundheitsdienstleister meint dabei gemäß dieser zugrundliegenden EU-Richtlinie (im PDF § 3 | Seite 11) "jede natürliche oder juristische Person oder sonstige Einrichtung, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats rechtmäßig Gesundheitsdienstleistungen erbringt." - adressiert also klar auch Arztpraxen und MVZ.
Deutsche Industrie- & Handelskammer
Cybersicher – kurz und knapp: DIHK-Kampagne vermittelt Basics für Betriebe
Heise.de v. 11.10.2024
"Cyberresilienz muss in die Köpfe kommen": Bundestag berät über NIS2
ÄrzteZeitung v. 22.08. und 03.09.2024
Podcast | NIS-2: Was müssen Praxen und Kliniken in Sachen IT-Sicherheit tun, Dr. Grosmann?
Cybersicherheit im Gesundheitswesen: Über 1.000 Praxen und MVZ könnten vom NIS-2-Gesetz betroffen sein
Am 17.10.2024 hat das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) den Bundestag passiert. Ob das Gesetz in dieser Form in Kraft treten wird, steht allerdings noch in den Sternen, denn die Vorbehalte sind so zahlreich, wie der Gesetzes-Titel lang ist. In letzter Minute wurden in das Gesetz zudem einige Passagen aufgenommen, die auch für den ambulanten Sektor von großer Bedeutung werden könnten. Denn nun wird offensichtlich, was das BMG unter ‚Ambulantisierung‘ versteht, nämlich die rapide Vereinfachung für Krankenhäuser, ambulant tätig werden zu können. In Kombination mit den anderen Änderungen im KHVVG ergeben sich dadurch bisher nicht klar absehbare Konsequenzen auch und vielleicht insbesondere für MVZ. Wir haben uns dazu einen Blick in die Glaskugel erlaubt, doch zunächst ist klarzustellen, welche Perspektive dieses Gesetz in seiner jetzigen Form hat.
Ursprünglich hatte Lauterbach das Gesetz als zustimmungspflichtig angepriesen und wollte mit den Ländern im Schulterschluss die Reform angehen. Dies erwies sich allerdings im Laufe des Gesetzgebungsprozesses als schwierig, objektiv betrachtet auch wegen der Haltung der Länder, weshalb das Gesetz vom BMG zu einem Einspruchsgesetz umgeformt wurde. Das ist insoweit relevant, als dass der Bundesrat, in dem die für die Krankenhäuser verantwortlichen Länder nun einmal das Sagen haben, das Gesetz nur noch billigen kann, oder aber den Vermittlungsausschuss anrufen. Und Letzteres hatten die Länder schon länger angekündigt. Diese Drohung wurde durch die Parlamentarier im Bundestag bei der Diskussion am 17.10. erneut bekräftigt. Durch das Anrufen des Vermittlungsausschusses ergeben sich im Gesetzgebungsverfahren unterschiedliche Pfade, die unter Umständen einen erneuten Durchlauf im Bundestag mit mindestens einer 2/3 Mehrheit zur Folge hätten. Dies führt in Konsequenz zu einem Patt, denn die Länder könnten versuchen, Änderungen im KHVVG zu erzwingen. Lauterbach hingegen bekräftigte in seiner Verteidigung des Gesetzes, dass ein Anrufen des Vermittlungsausschusses zu einer erheblichen Verzögerung führen würde und somit die Solvenz gefährdeter Krankenhäuser weiter gefährde. Somit stehen alle Seiten maßgeblich unter Druck. (~ ÄZ v. 17.10.2024)
Warum ist das KHVVG für den MVZ-Alltag nun so wichtig? Bisher hatten wir des Öfteren auf die disruptive Wirkung der Level1i-Krankenhäuser verwiesen, die ganz bewusst auf die Systemgrenze zwischen ambulantem und stationärem Sektor gesetzt werden. Die Möglichkeit dieser Häuser, an der ambulanten Versorgung teilzunehmen, wird Auswirkungen auf die langfristige Bedarfsplanung haben. Ökonomisch betrachtet kommt ein neuer Player hinzu, der in Konkurrenz mit den herkömmlichen ambulanten Versorgern tritt, nicht zuletzt auch auf dem Arbeitnehmerbeschaffungsmarkt. Durch die Personalbrille könnte die Ähnlichkeit der Arbeitsbedingungen von großen kooperativen Strukturen – wie MVZ – zu den Level-1i Krankenhäusern ein ernsthaftes Problem werden. Frei nach dem Motto: Warum im ambulanten Sektor arbeiten, wenn im Krankenhaus für die fast gleichen Bedingungen Tarifgehälter winken? Die Ausführungen des Marburger Bundes Sachsen zu den Tarifgehältern, denen wir in dieser Ausgabe einen Artikel gewidmet haben, machen jedem Personalverantwortlichen die potenziellen Schwierigkeiten deutlich.
Neben diesen Level 1i-Einrichtungen haben nun aber auch die sogenannten ‚Sicherstellungskrankenhäuser‘ den finalen Einzug in das Gesetz gefunden, welche „fachärztliche Leistungen anbieten können. Statt zum niedergelassenen Facharzt können Patientinnen und Patienten ins Krankenhaus. Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen können dort, wo Hausärztinnen und Hausärzte fehlen, auch allgemeinmedizinische Behandlungen anbieten. Die Klinik wird dafür innerhalb des KV-Systems wie eine Praxis bezahlt.“ (~ BMG v. 17.10.2024) Die Details und möglichen Auswirkungen werden ‚uns‘ – gemeint sind damit die Leistungserbringer in Gänze – längerfristig beschäftigen. Der ‚Bund deutscher Internisten‘ (BDI) formuliert die möglichen Folgen kurz und prägnant: „[…] Denn für uns Klinikärztinnen und -ärzte bedeutet das zusätzliche Belastung, für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen eine deutliche Schwächung der vertragsärztlichen Versorgung“ (~ BDI v. 17.10.2024) Die KV Niedersachsen wird ebenfalls deutlich: „Kliniken sollen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten Konkurrenz machen“ (~ KVN 08.10.2024). Die KBV scheint derweil im Verhältnis zu ihrer üblichen Missfallens-Kommunikation eher zurückhaltend. Ohne die Gedanken hinter dieser Strategie deuten zu wollen, ließe sich vermuten, dass sich durch die Beteiligung der Krankenhäuser an der Bedarfsplanung der Sicherstellungsauftrag der KVen womöglich ‚leichter‘ umsetzen lässt. Zumindest müsste man so keine Krankenhausärztinnen und -Ärzte in den ambulanten Sektor locken. Dennoch erkennt auch KBV-Chef Gassen den Paradigmenwechsel an, der sich in der Auslegung der ‚politisch gewollten Ambulantisierung‘ abzeichnet. Die KBV sieht insbesondere den Transformationsfonds als kritisch. „Dieser soll zur Hälfte mit Krankenkassenbeiträgen in Höhe von bis zu 25 Milliarden Euro ausgestattet werden. Die KBV sieht hierdurch eine Wettbewerbsverzerrung, denn Haus- und Fachärzte erhalten diese Förderung nicht. Einem Gutachten zufolge ist es sogar ein Verstoß gegen das Beihilferecht der Europäischen Union.“ Die KBV erwägt darum, vor Gericht zu ziehen.
Wie geht es weiter? Zunächst sollen die Bundesländer in den kommenden Tagen die Basisschlüssel für die Auswirkungsanalyse erhalten, die eigentlich vor dem Beschluss hätte fertig sein sollen. Somit können die Länder abwägen, welche Konsequenzen sich durch die Vorhaltepauschalen und neuen Grouper für die Krankenhäuser ergeben. Alles darüber hinaus ist Kaffeesatzleserei: Vermutlich wird der Aufschrei nach den Auswirkungsanalysen laut, denn die Länder versprechen sich nach wie vor eine separate Soforthilfe vom Bund für ihre Kliniken. Nur wird sich besagter Aufschrei nicht auf die klinikseitige Ambulantisierung beziehen. Vermutlich erhoffen sich die Länder durch die ambulant tätigen Krankenhäuser einen kleinen Beitrag zur Konsolidierung ihrer 'kranken' Häuser über den EBM. Allerdings ist die Gesamt-Situation noch komplexer und komplizierter als das KHVVG selbst. Welche Auswirkungen das Ganze mittel- und langfristig wirklich hat, ist zum jetzigen Zeitpunkt kaum abzuschätzen. Der beigefügte Bericht aus dem Ärzteblatt stellt noch einmal ausführlich die Kritikpunkte von Opposition und Ländern am KHVVG dar. Der Artikel von Bibliomed bietet eine Kurzfassung.
Ärzteblatt v. 17.10.2024
Bundestag beschließt Krankenhausreform
bibliomed v. 17.10.2024
Bundestag beschließt Krankenhausreform
ÄrzteZeitung v. 17.10.2024
Klinikreform: Laumann kündigt im Bundestag Gang zum Vermittlungsausschuss an
Mit seinem Positionspapier zur „Verbesserung und Stärkung der ambulanten Versorgung“ hat der GKV-Spitzenverband für reichlich Unmut gesorgt. Auch wenn solche Papiere die marginale Wirkmacht eines Wunschzettels haben, so offenbaren Sie dennoch genau dies: die Vorstellungen und Wünsche. Darum ergibt es durchaus Sinn, dem Papier etwas Aufmerksamkeit zu widmen. Zu Recht hatte ein Kommentar aus der ÄrzteZeitung darauf verwiesen, dass die Veröffentlichungen des GKV-Spitzenverbandes zu prophylaktischen Beißreflexen einiger Interessenverbände führen, unabhängig vom Inhalt. Man möge sich doch zumindest mit den Vorschlägen auseinandersetzen. (Das Positionspapier der GKV: Pragmatismus und Provokation, ÄZ v. 08.10.2024) Im Bewusstsein um die politische und ökonomische Großwetterlage, unter der sich die Krankenkassen befinden, ist eine ausdifferenzierte Betrachtung in der Tat angebracht. Im Kern überrascht der Inhalt des Positions-Papiers wenig: Die Kassen fordern mehr Qualität in der Versorgung und das ohne Kostensteigerung. Und weil die Kassen (Achtung: Blasphemie) ‚behördenähnliche‘ Strukturen sind, verspricht man sich vonseiten des GKV-Spitzenverbandes diesen ‚Wunsch‘ durch mehr Controlling und dem Heben von Effizienzreserven zu erreichen.
Dem Positionspapier ist zumindest zugute zu halten, dass der GKV-Spitzenverband konkrete ‚Wünsche‘ äußert und sich somit etwas von den Universalfloskeln ‚mehr Geld‘ und ‚viel mehr Geld‘ abhebt. (GKV Positionspapier: Verbesserung und Stärkung der ambulanten Versorgung | öffnet als PDF) So kritisiert das Papier den Zeitverzug zwischen Behandlung und Rechnungseingang bei den Kassen. Die Zukunftsvision der Kassen stützt sich unter anderem auf fortschreitende Automatisierung der Abrechnung, zum Beispiel durch KI. Dann sollen „auf Basis eines gesetzlichen Auftrags Vertragsärztinnen und Vertragsärzte verpflichtet werden, Daten zu definierten Leistungen taggleich an die Krankenkassen zu übermitteln.“ (Seite 13) Krankenkassen könnten Versicherte somit zeitnah und proaktiv beraten. Ob die Übermittlung der Daten durch die Praxen, dann auch einer Rechnungsstellung an die Kasse gleichkommt und damit auch die normativen Fristsetzungen (zum Beispiel für Widersprüche) einhergehen, führt das Papier nicht aus. Auch durch wen, wie und unter welchen Umständen die Patienten zu ärztlichen Entscheidungen beraten werden sollen, bleibt offen.
Ferner konstatiert der GKV-SV „es [sei] nunmehr erforderlich, einen konkreten Leistungsrahmen für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte je nach Fachgebiet vorzugeben.“ Zu häufig würde von Arztseite durch die „gezielte Auswahl von attraktiven Leistungen“ (Seite 10) die medizinische Notwendigkeit hinter den monetären Interessen zurückstehen. Weiter wird gefordert, dass eine Nichteinhaltung des Leistungsrahmens bestraft werden sollte. Der sozialökonomische Hintergrund dieser Forderung ist nachvollziehbar und wird von mehreren Seiten als ein potenzielles Mittel gegen die ‚Rosinenpickerei‘ gesehen. Etwas befremdlich wirkt die Aussage der Kassen trotzdem, denn die als Grund angeführten Fehlanreize im EBM wurden ja von der Selbstverwaltung beschlossen. Im Grunde erfolgt zwischen den Zeilen das Eingeständnis, dass die Kassen seit Jahrzehnten nicht in der Lage sind, durch die Preissetzung im EBM die Allokation der Versorgung zu steuern. Als Lösung sieht der GKV-SV nun noch ein Controlling-Werkzeug vor, denn der angedachte Leistungsrahmen müsste schließlich regelmäßig ausformuliert, gegengeprüft und sanktioniert werden.
Ferner schlagen die Kassen vor, dass die Erreichbarkeit der Praxen durch angepasste Öffnungszeiten verbessert werden sollte. Als Blaupause dient ihnen hier die Regelung der Apotheken. Diese sind verpflichtet, ihre Bereitschaft rund um die Uhr zu gewährleisten. Diese Pflicht wird eingeschränkt durch die Vorgaben der jeweiligen Apothekerverbände und das (Landes-)Ladenschlussgesetz. Im Gegensatz zur Sprechstundenverpflichtung also eine von hinten gedachte vollumfängliche Bereitschaft mit Einschränkungen. Außerdem möchten die Kassen zukünftig auch Zugriff auf die Terminvergabe haben. „Alle Vertragsärztinnen und Vertragsärzte melden anteilig freie Termine an dieses Verzeichnis als Basis der digitalen Terminvereinbarung. Insbesondere Krankenkassen, aber auch Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) oder privatwirtschaftliche Anbieter haben hierauf Zugriff, um Versicherten eine direkte digitale Terminbuchung zu ermöglichen.“
Nachvollziehbar führten solche Vorschläge der Kassen zur Schnappatmung. So ließ die SpiFa verlauten „Weder Krankenkassen noch andere sonstige Institutionen haben zu entscheiden, wem Ärztinnen und Ärzte wann einen Termin geben und wen Ärztinnen und Ärzte wann behandeln.“ Sowohl die Vorschläge des GKV-SV, als auch die Reaktionen darauf sind nicht neu. Doch ein Satz, ebenfalls von der SpiFa, fasst den diesjährigen Disput hervorragend zusammen: „Ärztinnen und Ärzte sind keine Beamten der Krankenkassen“ (SpiFa 27.09.2024) Wenn Ärzten zukünftig der Arbeitsort, der Zeitrahmen, die Patienten und Umfang der Arbeit vorgeschrieben ist, dann sprechen wir in der Tat von den Bedingungen, die sozialrechtlich an ein Anstellungsverhältnis gestellt werden. Und dahingehend gibt es bereits einen dedizierten juristischen Standpunkt. „[…] Das Verhältnis zwischen Gesetzlicher Krankenkasse und Kassenarzt [ist] keine rechtsgeschäftliche oder quasi-rechtsgeschäftliche Auftragsbeziehung“ (~ J.Isensee | aekno v. 02.04.2011).
Es gibt darüber hinaus noch etliche weitere Forderungen, die dem Grunde nach aber in das gleiche Horn stoßen. Eine Kostenanalyse der eigenen Kassen-Strukturen ist allerdings nicht darunter. Was man den Kassen zugestehen müsste, wäre, dass die momentane finanzielle Schieflage in der Tat auf das Ausbleiben von politischen Reformen in den letzten Dekaden zurückzuführen ist, worauf die Kassen auch unermüdlich hingewiesen haben und es noch tun. So war in dieser Legislaturperiode die Kostenübernahme für Empfänger von Transferleistungen eigentlich im Koalitionsvertrag vereinbart worden – geschehen ist allerdings nichts. Auch die Preisgestaltung der Arzneimittel wurde von der Politik über die Köpfe der Kassen hinweg entschieden, ebenso der Strukturfonds für die Krankenhausreform und die Abschöpfung der finanziellen Reserven der Kassen etc. etc.. Der Gestaltungsspielraum der Kassen ist strukturbedingt nun mal begrenzt, weshalb wohl auch die zukünftigen Wunschzettel vornehmlich an die Leistungserbringer adressiert werden.
KV Baden-Württemberg v. 27.09.2024
An Zynismus nicht zu überbieten
ÄrzteZeitung 26.09.2024
GKV präsentiert Ideen zur Weiterentwicklung der ambulanten Versorgung
Ärzteblatt v. 26.06.2024
Ambulante Versorgung GKV-Spitzenverband legt Positionspapier vor
Im Deutschen Ärzteblatt hat der Medizinrechtler Torsten Nölling vor Kurzem ein Schlaglicht auf Fragen des Weisungsrechtes zwischen Ärzten geworfen. Zwar bezieht sich der (unter dem Artikel verlinkte) Aufsatz vornehmlich auf Krankenhausstrukturen und das dortige innerärztliche Hierarchieverhältnis. Im Kontext der MVZ kommt jedoch dieser ohnehin schon diffizilen Frage durch die unscharfe Definition der Aufgaben der Ärztlichen Leitung eine weitere Komplexitätsstufe hinzu. Aber der Reihe nach:
Zur Auffrischung der Grundlagen geht der Autor auf den Unterschied ein zwischen dem disziplinarischen Weisungsrecht für angestellte Ärztinnen und Ärzte gemäß § 106 Gewerbeordnung (GewO) und dem fachlichen Weisungsrecht nach § 1 Bundesärzteordnung. Nach dem allgemeinen Verständnis umfasst das disziplinarische Weisungsrecht, welches durch die Geschäftsführung oder ihre Vertretung ausgeübt wird, solche Aspekte „die unabhängig von der beruflichen Qualifikation und Tätigkeit sind und auch bei allen nichtärztlichen Tätigen gelten.“ Als Beispiele zählt der Autor das Weisungsrecht für Erholungsurlaub, die Arbeitszeitenregelung und auch generelle betriebliche Abläufe auf. Zu Letzterem würde das Einhalten von Sicherheitsmaßnahmen (bspw. bei der Cybersicherheit), Kleidungsvorschriften oder auch das Verhalten im Rahmen der Außenwahrnehmung gehören. Im Kontext dieser Lesart zeigen sich allerdings bereits leichte Verwerfungen zur Auslegung der Aufgaben der Ärztlichen Leitung und der Geschäftsführung im MVZ – dazu später mehr.
Das fachliche Weisungsrecht definiert sich aus dem Grundsatz, dass der ärztliche Beruf der Natur nach ein freier Beruf ist. Demnach müssen Ärzte in Bezug auf ihre fachliche Berufsausübung keine Weisungen von Nicht-Ärzten entgegennehmen. Soweit bekannt – doch wie steht es um das Weisungsrecht zwischen zwei Ärzten? Wer erfolgreich approbiert hat, ist der Definition nach Arzt und darf Patienten behandeln. Die Behandlung selbst hat dem medizinischen Facharztstandards zu entsprechen, also einer Behandlung „wie sie ein durchschnittlich qualifizierter, gewissenhafter und aufmerksamer Behandler des jeweiligen Fachgebietes nach dem jeweiligen Stand von medizinischer Wissenschaft und Praxis an Kenntnissen, Wissen, Können und Aufmerksamkeit zu erbringen in der Lage ist.“ (~ Quelle) Für angehende Fachärzte (Assistenzärzte/Weiterbildungsassistenten) gilt daher, dass sie sich mit zunehmender Erfahrung dem Facharztstandard annähern, weshalb sich die Aufsichtspflicht des auszubildenden Arztes zu Gunsten der Eigenständigkeit und ‚freien Berufsausübung‘ verschiebt.
Jurist Nölling macht im Ergebnis darauf aufmerksam, dass – zumindest im Klinikkontext – der Rangstellung eines Oberarztes keine Weisungsbefugnis im fachlichen Sinne innewohnt, wenn ein dem Oberarzt unterstellter Arzt nach den Facharztstandards vorgeht, selbst wenn dieses Vorgehen von den ‚Präferenzen‘ des Oberarztes abweicht. Anders ausgedrückt: Die Weisungsbefugnis im fachlichen Sinne zwischen den Ärztinnen und Ärzten ist ein Kontinuum, dass sich am Können des Einzelnen, eine spezifische Behandlung nach den Vorgaben der Facharztordnung der jeweiligen Landesärztekammer durchzuführen, bemisst. Im normalen Arbeitsalltag schleicht sich mitunter dennoch eine Weisungshierarchie ein, oft im Einvernehmen und als normaler organisationsdynamischer Prozess. Es scheint demnach gerade auch für erfahrenen Ärzt:innen ratsam, sich gelegentlich selbst zu evaluieren, inwiefern Ratschläge an jüngere Kollegen deren fachliche Autonomie einschränken.
Im Gegensatz zu den im Artikel beschriebenen Klinikstrukturen stellt sich im Praxisalltag der MVZ das Dilemma um die Pflichten des ärztlichen Leiters, im Rahmen der organisatorischen Betriebsangelegenheiten, als nochmal komplexere Herausforderung dar. Denn die Grenzziehung zwischen disziplinarischen und fachlichen Weisungsbefugnissen ist hier noch viel weniger offensichtlich, als im Klinikumfeld. Gleichwohl im MVZ zwischen Ärztlicher Leitung und angestelltem Arzt oft eine Fachverschiedenheit besteht, die – auf das Fach bezogen – eine quasi 'natürliche' Weisungsbeschränkung darstellt.
Allerdings kann die Verantwortung der Ärztlichen Leitung neben der ‚Gesamtverantwortung ggü. der KV‘ durchaus auch Elemente der Steuerung der Betriebsabläufe und damit der Steuerung des Personaleinsatzes umfassen. Letzteres bis hin zur Sicherstellung des Bereitschaftsdienstes und der Kontrolle der Einhaltung der Fortbildungsordnung. Darüber hinaus gibt es weitere Steuerungs- und Prüfpflichten, die häufig der Ärztlichen Leitung zugeordnet werden; doch die beschriebenen stehen bereits exemplarisch dafür, dass die Ärztliche Leitung sehr wohl die organisatorischen Prozesse derart mitgestaltet, wie dies im § 106 GewO dem Arbeitgeber zugestanden wird. Und da sich aus eben jenem Paragraphen auch das disziplinarische Weisungsrecht ableitet, ergibt sich eine diffuse Schnittmenge zwischen dem disziplinarischen und fachlichen Weisungsrecht in MVZ.
Im Großen und Ganzen liegen die Aufgaben der Ärztlichen Leitung in der Verantwortung, Gestaltung und Kontrolle der medizinischen Abläufe im MVZ – wobei unbedingt auf die Notwendigkeit hingewiesen werden muss, wegen fehlender allgemeiner Vorgaben für jedes MVZ eine individuelle Gestaltung der Verantwortlichkeiten zu verabreden. Typische Obliegenheiten und Weisungskompetenzen der Ärztlichen Leitung finden sich in den Bereichen Behandlungspfade und Leitlinien sowie der Hygienemaßnahmen. Im Hintergrund steht eine gewisse Gesamtverantwortung für die Einhaltung der berufsrechtlichen Vorschriften durch die Kollegen, die der Ärztlichen Leitung gemeinhin zugeordnet wird. Im Ergebnis lässt sich grob sagen, dass die Ärztliche Leitung für die kontinuierliche Steuerung der medizinischen und medizinorganisatorischen Prozesse innerhalb des von der MVZ-Geschäftsführung vorgegebenen betriebsorganisatorischen Rahmens ist und dabei – natürlich – sowohl über entsprechende disziplinarische als auch über fachliche Weisungsrechte ggü. den ärztlichen Kollegen verfügt. Oder, wie Medizinrechtler Nölling es ausdrückt: „Das fachliche Weisungsrecht gegenüber Fachärztinnen und Fachärzten ist darauf reduziert, ihnen bestimmte Tätigkeiten und Aufgaben zu übertragen, die sie eigenständig erledigen. Vorausgesetzt, sie bieten die Gewähr, den Facharztstandard einzuhalten.“ Klare Grenze ist zudem – auch im MVZ – immer die eigentliche und konkrete Therapie- und Behandlungsentscheidung.
Hannes Hasselbach | Vortragsdokumentation v. 20.09.2024 (18. BMVZ PRAKTIKERKONGRESS)
Risikoprävention bzgl. der Unbestimmtheit der Verantwortung der Ärztlichen Leitung im MVZ
Arztstellen | Stellenmarkt des dt. Ärzteblattes v. 06.09.2024
Fachliche Weisungen unter Ärztinnen und Ärzten – wer darf was?
Anwalt.de | Dr. Alexander Dorn v. 23.01.2024
Verantwortung der ärztlichen Leiter und Geschäftsführer von MVZ-Träger-GmbHs
Die MVZ-Debatte lebt an vielen Stellen von gefühlten Wahrheiten. Allerdings gilt dasselbe auch für alle anderen Fragen der vertragsärztlichen Versorgungsstrukturen. Denn es gibt kein systematisch abrufbares Wissen dazu, wie viele üBAG bestehen und welche Größe sie haben, oder dazu, wie viel Versorgungsumfang das durchschnittliche MVZ hat, wie Nebenbetriebstätten organisiert sind, oder darüber, dass in mehreren tausend Einzelpraxen zusätzlich Ärzt:innen angestellt sind. Es gibt zwar immer wieder einzelne Auswertungen von – ein systematischer Ansatz, Vergleichbarkeit oder die Option, Zeitreihen zu bilden, besteht jedoch nicht.
Das hat auch damit zu tun, dass die Vorschriften zum ambulanten Registerwesen auf Regeln des vorigen Jahrhunderts beruhen, die weder die digitalen Möglichkeiten berücksichtigen, noch Antworten auf Fragen bieten, die heutzutage relevant sind. Vor diesem Hintergrund wurde die BMG-Initiative von November 2022, alle bestehenden Register zu einem Gesamt-Arztregister zu verschmelzen und zusätzlich weiterführende Strukturdaten aufzunehmen, auch von Kassen und KVen begrüßt. Mehrwertstiftendes Ziel ist es, die bisherigen Angaben zu einzelnen LANR gleichförmig über alle K(Z)Ven mit den BSNR-Daten des Leistungsortes, respektive des MVZ, zu verknüpfen. Ergebnis wäre bei vergleichsweise geringem Aufwand eine umfassende Transparenz.
Dieses Projekt schlummert jedoch seit 22 Monaten in den Schubladen des BMG, obwohl in dem Verordnungsentwurf neben dem Ziel, Strukturtransparenz zu schaffen, auch zahlreiche weitere und wichtige Maßnahmen, das KV-System zu entlasten, enthalten sind. Warum diese eigentlich fertige Verordnung nicht weiter bearbeitet und beschlossen wird, erschließt sich uns nicht. Obwohl damals ein Stellungnahmeverfahren der Fachverbände durchgeführt wurde, ist im Anschluss nichts weiter passiert. Die so wichtige Ärzte-/Zahnärzte-ZV-Modernisierung ist vielmehr 'der Priorisierung' anderer Vorhaben des BMG zum Opfer gefallen.
Vor diesem Hintergrund fordern wir das BMG auf, das Modernisierungsprojekt zur (zahn)ärztlichen Zulassungsverordnung dringlich zu einem konstruktiven Ende zu bringen. Wir, d.h. Politik und Gesellschaft, brauchen Strukturtransparenz als Basis aller weiteren Reformbemühungen.
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