Wie auch im vorstehenden Beitrag ‚MVZ als Politikum II‘ angeführt, leben wir in einer Zeit, wo gefühlt jeden Tag neue Meinungen und Debattenbeiträge zu MVZ erscheinen. Auf eine programmatische Veröffentlichung des BMVZ bereits aus April 2023 möchten wir an dieser Stelle noch einmal verweisen: Krankenhaus-MVZ im Fokus des Gesetzgebers: Marktbeschränkung vs. Marktöffnung. Gedankenspiele. (Volltext-PDF) und natürlich auf den aktuellen Tagungsbericht im Reiter ‚Nachrichten‘. Doch was ist außerdem passiert? Der in der letzten Ausgabe kommentierte Entschließungsantrag der Länder Bayern, R-Pfalz und S-Holstein im Sinne einer erneuten, an die Bundesregierung gerichteten Aufforderung, die MVZ massiv zu regulieren, fand – wenig überraschend Beifall bei Bundesärztekammer (BÄK) und KZBV.
Die KBV selbst aber, als höchstzuständige Organisation, schweigt dagegen weiter. Allerdings hat sie in der Mai-Ausgabe ihrer Online-Zeitschrift ‚Klartext‘ mit einem vorgegebenen Fragenkatalog alle regionalen KV-Vorsitzenden einmal zu Wort kommen lassen. Offensichtlich haben nur elf der Regionen von dem Angebot Gebrauch gemacht – jedenfalls fehlen sechs Antworten in der unten verlinkten Übersicht. Das MVZ-Thema haben dabei lediglich zwei KV-Vorsitzende angesprochen, John Afful aus Hamburg (~ Fragebogen KVHH öffnen) und Christian Pfeiffer aus Bayern (~ Fragebogen KVB öffnen). Letzterer hat diese Außenseiterposition innerhalb der KV-Welt wohl auch wahrgenommen und bezeichnet es als „Spezialthema,“ das man in Bayern auf der Agenda habe, „das in anderen KVen wohl noch keine so große Rolle spielt: Den Einfluss von Finanzinvestoren auf die ambulante Versorgung. Einfallstor sind dabei die investorengetragenen Medizinischen Versorgungzentren.“ Der Hamburger Kollege ergänzt: „Leidtragende sind die Patientinnen und Patienten. Hier muss – soweit dies überhaupt noch möglich ist – dringend gesetzlich gegengesteuert werden. (…) Werden entsprechende Voraussetzungen vom Gesetzgeber nicht geschaffen, (…) würde [dies] zu einem Versorgungsmodell führen, das nicht mehr gemeinwohlgebunden, solidarisch und patientenzentriert, sondern verstärkt an wirtschaftlichem Profitdenken orientiert wäre.“
Bei den anderen KV-Antworten zur Frage der drängenden Probleme dominieren dagegen der Wunsch nach Entbudgetierung und besserer Honorierung, das Problem des Fachkräftemangels, fehlende Wertschätzung und das unpraktikable Vorgehen bei der Digitalisierung. Bemerkenswert und ungewöhnlich ist der Vorstoß der KV Nordrhein zur Teampraxis, die sie als ‚hausärztliche und fachärztliche Behandlungszentren, die ausgebaut und gefördert werden sollen,‘ definiert. (~ mehr auch hier). Die Frage, was hier der Unterschied zum MVZ sein soll, drängt sich auf. Immerhin wurde das Abrechnungsproblem solch fachübergreifender Kooperationen erkannt, denn: „Das bedingt regulatorische Änderungen, nicht zuletzt auch in den Abrechnungsfragen.“ (~ Fragebogen KVNO öffnen) Insgesamt ist die Rolle der KV-Welt in der MVZ-Debatte eine sehr ambivalente. Der bayrisch getriebene Vorstoß gegen MVZ scheint nicht nur Unterstützer zu finden. So gab der hessische KV-Vorsitzende Dastych auf dem Podium der BBMV-Tagung (~ Reiter ‚Nachrichten‘) zu Protokoll, dass es seiner KV trotz entsprechender Bemühungen nicht gelungen sei, die Mehr-Abrechnungs-Vorwürfe gegen MVZ mit Investorenbezug, wie sie die KV Bayerns mit dem IGES-Gutachten im April 2022 in die Welt gesetzt hatte, zu validieren. Eine Aussage, der man unterstellen darf, dass sie nicht zufällig in einem so öffentlichen ‚Pro-MVZ-Forum‘ getätigt wurde.
Was ist noch passiert? Die angesichts früherer Lauterbach-Äußerungen zu MVZ vergleichsweise entspannte BMG-Position, wie am 24. Mai von Staatsekretär Weller vorgetragen, brachte die Bundesärztekammer in Gestalt ihres neu gewählten Präsidenten Reinhardt dazu, noch am selben Abend mit einer Presseerklärung nachzulegen, dass ihre Vorschläge sehr wohl mit Verfassung und EU-Recht verträglich und vor allem dringlich zur Umsetzung geboten seien: „Die Einschränkung des Gründerkreises für Medizinische Versorgungszentren darf nicht weiter dadurch unterlaufen werden, dass ein Krankenhaus nur mit dem Zweck betrieben wird, eine Kette von MVZ zu gründen und an der stationären Versorgung eigentlich gar kein Interesse hat.“ Als Motiv für seinen Einsatz beim Thema gibt Reinhardt an anderer Stelle jüngst an: „Gerade für junge Ärztinnen und Ärzte ist es eine große persönliche Herausforderung, sich den Vorgaben zum Beispiel der kaufmännischen Geschäftsführung entgegenzustellen. Hier sind wir als ärztliche Selbstverwaltung gefragt und auch intensiv tätig. … um die dynamische Entwicklung bei Investoren-betriebenen MVZ zu stoppen.“ (~ Quelle)
Nicht als Kommentar darauf, aber inhaltlich dennoch passend, hatte jedoch der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Prof. Ullmann zeitgleich erklärt, dass er „dort keine Heuschrecken fliegen [sehe], auch wenn es – wie überall – schwarze Schafe gibt. Gewinne zu erwirtschaften, egal, ob jetzt als niedergelassene Praxis oder was auch immer, ist nichts Verwerfliches.“ Zur Registerproblematik ergänzt er: „Die Register existieren ja, die sind ja über die KVen angemeldet. Mit Transparenz meine ich, dass die Patientin, der Patient sehen kann, in was für eine Praxis geht sie oder geht er, wer ist der Besitzer, der Inhaber, der Direktor dort.“ D.h. als Teil der Regierungskoalition verkörpert Ullmann und seine FDP eine vergleichsweise moderate Haltung. Allerdings kommt auch bei ihm zum Ausdruck, dass es eine MVZ-Regulierung wohl auf jeden Fall gegeben werde, unklar ist derzeit eben nur weiterhin die Stoßrichtung und Regelungstiefe.