Lange haben wir das Thema „Finanzielle Großwetterlage“ aufgeschoben, da es schwierig ist abzuschätzen, wie sich die exorbitante Schuldenaufnahme gesamtwirtschaftlich und damit auch auf den ambulanten Sektor auswirken wird. Mit der Zuleitung des Bundeshaushalts an den Bundestag am 24. Juli lässt sich jedoch ein vorsichtiger Blick riskieren. Vorausgegangen war die Einigung im Bundeskabinett. Vom 8. bis zum 11. Juli wird das Haushaltsgesetz mit seinen Anlagen nun im Bundestag erstmalig beraten. Bis zur Verabschiedung wird es allerdings noch mindestens bis September 2025 dauern (~ mehr dazu). Trotz dem noch einiges offen scheint, gibt es einige volkswirtschaftliche Binsenweisheiten, die aller Voraussicht nach auch hier zutreffen. Die geplanten Staatsausgaben und perspektivisch auch die Reform der Schuldenbremse, werden Auswirkungen auf die Inflation, die Lebenshaltungskosten und damit Lohnerwartungen, Investitions- und Anlagepotentiale und viele andere Faktoren haben, sofern mit dieser Fiskalpolitik nicht auch tiefgreifende Reformen einhergehen. Clemens Fuest, Chef des ifo Instituts, merkte dazu an: „All dieses Geld unterzubringen, ohne dass es Preissteigerungen gibt, ist kaum möglich.“ (~Quelle)
Selbstredend werden diese Entwicklungen auch Auswirkungen auf den ambulanten Sektor haben. Allerdings lässt sich zurzeit keine seriöse Quelle zu konkreten Prophezeiungen hinreißen. Unter den vorsichtigen Abwägungen gibt es aber nur wenige Meinungen, die sich der Hoffnung der Gesundheitsministerin anschließen, dass Deutschland ein derartiges Wirtschaftswachstum beschert wird, das die Sozialsysteme stabilisieren könnte. Diese Hoffnung hatte die Gesundheitsministerin beim diesjährigen Hauptstadtkongress geäußert. Bis dahin sollen Darlehn an Kranken- und Pflegekassen die Sozialsysteme stützen. (~ ÄZ v. 25.06.2025).
Demnach erhält die GKV zunächst 5,6 Milliarden direkt sowie eine Fristverschiebung für die Rückzahlung eines älteren Darlehns. Zusätzlich sind weitere Umverteilungen geplant, wodurch für die gesetzlichen Krankenkassen, wohlwollend gerechnet, noch eine Finanzlücke von 4 Milliarden verbleibt. Die Situation der Pflegekassen ist nicht wirklich besser, auch hier soll eine Darlehnstransfusion die akute Blutung ausgleichen. Im aktuellen Haushaltsentwurf ist zwar eine Steigerung der Etats für das Gesundheitsministerium vorgesehen, allerdings wird ein Großteil für eben jene Darlehn aufgewendet. Der Steuerzuschuss zum Gesundheitsfond bleibt stabil bei 14,5 Milliarden. Die übrigen Anpassungen, also Mehr- oder Minderausgaben in den Bereichen Prävention, Forschungsförderung und Impfstoffbeschaffung etc. bewegen sich im – teils mehrstelligen – Millionenbereich. Angesichts der 2024 angefallenen Gesamtausgaben von 326 Milliarden aus dem Gesundheitsfond verbirgt sich allerdings hinter keinem dieser Rechnungsposten der heilige Gral der Beitragsstabilisierung.
Gesundheitsministerin Warken hatte ebenfalls den Appell fast aller ihrer Vorgänger erneuert, die Beiträge auf Dauer stabilisieren zu wollen und dafür auch die versicherungsfremden Leistungen aus dem Budget des Gesundheitsfonds auszulagern oder entsprechend gegenzufinanzieren – ein hehres Ziel. Erinnern wir uns kurz: Lauterbach scheiterte krachend mit dem Vorhaben, homöopathische Leistungen einzuschränken. Und während keiner der vorangegangenen Legislaturen machte das BMAS ernsthafte Andeutungen, die 9,2 Milliarden (Stand 2024) gegenzufinanzieren, welche die Kassen jährlich aus den Beitragsgeldern für Transferleistungsempfänger stemmen müssen (~ Quelle). Allerdings hat der Bund eine Unterstützung bei den versicherungsfremden Aufwendungen der Krankenhausreform zugesagt. Die hierfür geplanten 50 Milliarden sollten zunächst paritätisch zwischen Krankenkassen und Ländern aufgeteilt werden. Wenn ein Zuschuss erfolgt, dann aus dem kriseninduzierten Sondervermögen. Das BMG schreibt dazu: „Die Finanzierung des Transformationsfonds soll, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, künftig aus Mitteln des Bundes (Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität) statt aus GKV-Mitteln erfolgen.“ (~ Quelle) Das verschafft den Kassen womöglich etwas Spielraum, aber inwieweit deshalb mehr Geld in die Versorgung fließt, wird sich zeigen müssen.
Der ambulante Sektor schaut derweil eigentlich nur zu. Die KBV ist zwar bemüht, den Staffelstab im Rennen um die Krisenmilliarden – quasi den Krisenstab – aufzunehmen, doch sind die Möglichkeiten der Selbstverwaltung begrenzt. Man möchte finanzielle Unterstützung für den Ausbau der Terminservicestellen und, so KBV-Vize Hofmeister, Mittel, um die ambulante Praxen-Landschaft resilient und krisensicher zu machen. (~ Praxen werden auch im Verteidigungsfall gebraucht | änd v. 06.03.2025) Letzteres klingt etwas ambitioniert, stößt aber in das gleiche Horn wie der Nachhall aus der Gesundheitsministerkonferenz der Länder im Juni 2025. Während dieser 98. GMK hatte unter anderem Landesminister Laumann die Relevanz ‚der Widerstandsfähigkeit der Gesundheitsversorgung in Anbetracht geopolitischer Krisen‘ angemahnt. (~ Quelle)
Politisch ein gewiefter Schachzug, da sich das Sondervermögen hinter eben jenen brachialen Schlüsselwörtern versteckt. Abseits dieser Versuche, quer über den Tisch zu langen und einen Teil vom Kuchen abzubekommen, wird sich zeigen, wie sich die Geldströme innerhalb der fiskalischen Großwetterlage – also zwischen Sektoren, Branchen und Ministerien – verschieben. Ein vorsichtiger Blick in die Glaskugel lässt aber vermuten, dass es für den ambulanten Sektor keinen Geldregen geben wird – eher Dürre.