Einschätzung
Hinter der massiven Kritik der KBV steht daher spürbar der Hauptgedanke, dass die Einführung dieser kriteriengebundenen Vorhaltepauschale eine Umverteilung führt, klar mit der Richtung weg von vergleichsweise wenig Patient:innen versorgenden Praxen hin zu echten Versorgerpraxen. Aber die Frage sollte erlaubt sein, ob diese offensichtlich richtig erkannte Absicht des Ministers per se falsch ist? Oder ob zentral nicht vielmehr die Frage sein wird, wie die Pauschale letztlich im Detail vom Bewertungsausschuss umgesetzt wird. Das BMG hat diesbezüglich erst einmal nur den Weg grob skizziert, den es sich vorstellt.
Was Zi und KBV aber vor allem unterschlagen, ist der Umstand, dass die konkrete Konzipierung dieser neuen Jahrespauschale und auch der Kriterien, an die sie gebunden wird, in die Hände des Bewertungsausschusses (= KBV + GKV-Spitzenverband) gelegt wird. Ausdrücklich enthält der Gesetzesentwurf dabei – an KBV und Kassen als gestaltende Verantwortliche gerichtet – unter anderem die Option, die neue Vorhaltepauschale der Höhe nach zu staffeln, also z.B. einen Abschlag- oder Zuschlagsystem einzuführen, wenn einzelne Kriterien nicht oder besonders viele erfüllt werden. Mit etwas patientenfokussierter Fantasie bietet also der Auftrag aus dieser Änderungsvorschrift durchaus Chancen. Vielleicht wäre es daher sinnvoll, wenn ausnahmsweise im Bewertungsausschuss auf Arztseite die Hausärzte selbst und nicht die KBV die Verhandlungen übernähmen – oder, dass Betroffene zumindest eingebunden werden?
Das Zi analysierte stattdessen erst einmal den Worst Case: „Spielt man die im Gesetzesentwurf genannten Kriterien durch, wären nach aktuellem Stand etwa 2.000 bis 22.000 Praxen davon betroffen, mindestens ein Kriterium für die Vorhaltepauschale nicht zu erfüllen.“ Dazu dürften, vermuten wir, auch zahlreiche leistungsstarke Hausarztpraxen gehören, die eigentlich als Facharztpraxen z.B. der diabetologischen oder rheumatologischen Versorgung aufgestellt sind – ein auf die 90er Jahre zurückgehendes Spezifikum der neuen Bundesländer. Denn ein ebenfalls vom BMG genanntes Kriterium ist, dass die Versorgung von geriatrischen und palliativen Patienten als hausärztliche Kernleistungen eine Rolle spielen sollen.
Umständehalber verkappte Facharztpraxen, die in Fallzahl, Patientengut und Abrechnungsverhalten eben nicht einer typischen Hausarztpraxis ähneln, könnten hier tatsächlich große Probleme bekommen, sollten ihre Spezifika vom Bewertungsausschuss nicht besondere Berücksichtigung finden.