Mitarbeiterrechte & -pflichten bei Masken & Testen | Vorschriften durch Gesetz- oder Arbeitsgeber
Vorweg ein paar Worte zur allgemeinen Maskenpflicht in Arztpraxen: Ob und inwieweit diese als gesetzgeberische Vorgabe bei Ihnen noch gilt, liegt in der Entscheidungshoheit der Bundesländer. Eine Antwort hängt daher davon ab, was die regionale SARS-CoV-2-Basisschutzmaßnahmenverordnung (oder ähnliche Bezeichnungen) vorgibt. Hintergrund ist die Weiter- bzw. Rückgabe dieser Verantwortung ab dem 20. März 2022 vom Bund an die Länder (~ mehr Information). Meist wurde hier in den Ländern die Maskenpflicht im ÖPNV zusammen mit der in Kliniken und Arztpraxen beschlossen – wobei die Länder teils FFP2-Masken vorschreiben, teils auch einfache MNS zulassen. Als Faustregel kann daher gelten, dass dort, wo Sie im Bus heute noch eine (FFP2-)Maske aufziehen müssen, dies auch für alle Ärzte, Mitarbeiter und Patienten in Praxis und MVZ gilt. ——————————– Konkret gilt die Maskenpflicht in Arztpraxen derzeit fort in: Baden-Württemberg (bis mind. 25.07.) | Berlin (bis mind. 27.07.) | Thüringen (mind. bis 21.07.) | Hessen (mind. Bis 19.07.) | Saarland (mind. bis 23.07.) | Brandenburg (mind. bis 20.07.) | Niedersachsen (mind. bis 31.08.) | NRW (mind. bis 28.07.) | Sachsen (mind. bis 16.07.) | Bremen (mind. bis 15.08.) | Sachsen-Anhalt (mind. bis 23.07.) und Bayern (mind. bis 30.07.). Abweichende Regelungen haben Rheinland Pfalz, wo die Maskenpflicht in der Praxis ausdrücklich nur in ‚Wartesituationen gemeinsam mit anderen Personen‘ gilt (mind. bis 23.07.) | Hamburg, das FFP2-Masken für Patienten, für Ärzte & Mitarbeiter aber nur medizinische Masken vorschreibt (mind. bis 20.07.) | Schleswig-Holstein, das Arztpraxen (anders als Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen) von der Maskenpflicht komplett ausgenommen hat | Mecklenburg-Vorpommern, wo die Maskenpflicht in Arztpraxen und Kliniken nur ‚für Besucherinnen und Besucher‚ gilt (mind. bis 23.07.). ——————————– Davon völlig unabhängig liegt es in der Hand eines jeden Praxis- oder MVZ-Chefs über das Hausrecht (ggü. Patienten) sowie über das Direktionsrecht (ggü. Mitarbeiter) eine Maskenpflicht anzuordnen. Die Weigerung, einen vom Arbeitgeber angeordneten Mund-Nasen-Schutz während der Arbeitszeit zu tragen, rechtfertigt ggf. arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zu einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses – haben zumindest die Arbeitsgerichte Köln und Cottbus in zwei Kündigungsschutzverfahren (ArbG Köln, Urt. v. 17.06.2021, 12 Ca 450/21 und ArbG Cottbus, Urt. v. 17.06.2021, 11 Ca 10390/20) entschieden. Auch für einseitig vom Arbeitgeber angeordnete Testpflichten liegen Entscheidungen vor. Dies hat mit Urteil vom 1. Juni 2022 abschließend das Bundesarbeitsgericht entschieden. Ein Arbeitgeber könne demnach den Zutritt auf negativ getestete Mitarbeiter beschränken, um seine arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen umzusetzen. Voraussetzung ist jedoch ein betriebliches Schutz- und Hygienekonzept, dass die Testpflicht beschreibt und begründet. Anlaß der Entscheidung war ein Fall aus dem Herbst 2021 – Experten weisen daher darauf hin, dass Arbeitgeber stets das Pandemiegeschehen, das Infektionsrisiko und die betrieblichen Gegebenheiten gegen den Rechten ihrer Mitarbeiter abwägen müssten, bevor sie mit ihren Schutzanordnungen über das aktuell geforderte Maß hinausgehen.
Chef Easy v. 27.06.2022
Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst auch das Tragen von Masken am Arbeitsplatz
Ärztezeitung v. 02.06.2022
Bundesarbeitsgericht: Corona-Testpflicht für Beschäftigte ist Arbeitsschutz
KBV-Mitteilung v. 01.04.2022
Ärzte entscheiden für ihre Praxis über Maskenpflicht
Masern-Impfpflicht wird zum 1. August scharf gestellt | Arbeitgeber müssen Status erfassen
Vor dem Corona-Hintergrund etwas untergegangen, ist bei vielen sicherlich die im März 2020 bereits eingeführte Masernimpfpflicht. Sie stammt aus der Ära Spahn (~ FAQ des BMG zum Masernschutzgesetz), war aber corona-bedingt mehrfach nach hinten verschoben worden – zuletzt mit der ISFG-Änderung vom 10.12.2021, wonach die Regelung für Bestandsmitarbeiter nun ab 1. August 2022 ‚scharf gestellt‘ wird. Sie betrifft Beschäftigte, ‚die nach 1970 geboren wurden und in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen tätig sind.‘ Dagegen durften bereits seit März 2020 Mitarbeiter nur noch dann neu eingestellt werden, wenn sie den Impfschutz nachweisen konnten. Die Vorschriften zu den Nachweisen, den Kontrollmechanismen sowie zu den Sanktionsmaßnahmen rund um die Masernimpfung sind dabei mit der letzten Verschiebung mit denen der Corona-Pflichtimpfung harmonisiert worden. D.h. die Konsequenzen bezüglich der Masernimpfung sind präzisiert und gegenüber 2020 auch verschärft worden. Sie sind ab August identisch zu denen bei der Corona-Impfung. D.h., jeden Arbeitgeber in Praxis und MVZ trifft die Pflicht der Erhebung und Dokumentation von Impfnachweisen, die formal bereits am 31. Juli 2022 für jeden betroffenen Beschäftigten vorliegen müssten. Nichtgeimpfte Mitarbeiter sind den zuständigen Gesundheitsämtern zu melden. Jeden Arbeitnehmer, der jünger als 52 Jahre ist, trifft damit die Pflicht, einen entsprechenden Impfnachweis vorzulegen, bzw. die verlangte Auskunft zu erteilen. Verstöße gegen Nachweis- oder Meldepflichten sind für Arbeitgeber und Arbeitnehmer bußgeldbewährt. Alle Personen, die in nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Infektionsschutzgesetz tätig sind, müssen die Impfungen nachweisen – auch wenn sie keinen direkten Kontakt zu Patienten haben. Patienten selbst sind nicht erfasst – sehr wohl dagegen bspw. Außendienst-Mitarbeiter von Dienstleistern, die in Kliniken eingesetzt werden (~ Masernschutz-Impfpflicht gilt auch für MedTech-Branche) oder externe Gebäudereiniger und Hausmeister, die dort tätig werden (~ Masern-Impfpflicht: Auch das Handwerk ist betroffen). “Ob jemand unter die Impfpflicht fällt, hängt davon ab, ob diese Person regelmäßig (nicht nur für wenige Tage) und nicht nur zeitlich vorübergehend (nicht nur jeweils wenige Minuten, sondern über einen längeren Zeitraum) in der Einrichtung tätig ist.” Grundsätzliche Informationen zu allen Aspekten des Masernschutzgesetztes bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) unter einen eigenen Homepage: www.masernschutz.de
Arzt+Wirtschaft v. 19.04.2022
Masern: die übersehene Impfpflicht
KBV-Praxisinfo v. Dezember 2021
Masern-Schutzimpfung – Was sich durch das Masernschutzgesetz ändert (PDF)
eAU seit 1. Juli Pflicht | Ersatzverfahren, Verstöße & sonstiges Wissenswertes
Die Verwirrung darüber, wie verpflichtend die digitale Übermittlung der AU seit 1. Juli nun tatsächlich ist, ist bei vielen Praxen groß. Die Informationspolitik der Player, einschließlich der meisten KVen lässt auch wirklich zu wünschen übrig. Am ehesten findet man noch Meldungen, wonach klar nach dem 30. Juni 2022 das Muster 1 grundsätzlich nicht mehr verwendet werden darf (bspw. R-Pfalz | Bremen | Niedersachsen). Doch ganz so klar, was das jetzt konkret bedeutet, ist das alles nicht. Eindeutig ist nur – wie bereits in der Ausgabe der KW 22 aufbereitet (~ zur Ausgabe der KW22), dass das Muster 1 schon lange nicht mehr Bestandteil der Mustervereinbarung ist, weswegen in den meisten Praxen die nicht mehr (oder nur noch in kleinen Mengen) nachbestellbaren gelben AU-Vordrucke ausgehen dürften. Theoretisch sollte es in jeden Fall möglich sein, diese amtlichen Vordrucke auch noch aufzubrauchen – obwohl der GKV-Spitzenverband auf entsprechende Nachfragen erklärt hat, dass Verweigerer nach dem 1. Juli mit einer (nicht weiter spezifizierten) Reaktion der Kassen rechnen müssten, „weil das Verfahren zu den Arbeitgebern sichergestellt werden müsse.“ Dies müsste (theoretisch) auch für diejenigen Praxen gelten, die alternativ den Gedanken verfolgen, auf die Blankoformularbedruckung zurückgreifen – sprich das alte Muster 1 auf dem gesonderten Sicherheitspapier zu drucken – obwohl dort in der ab 1. Juli 2022 geltenden Fassung die AU als Anwendungsfall noch erwähnt und beschrieben ist (~ Anlage 2a zum BMV-Ärzte). Es scheint aber, dass hier die Vorgaben bei der Blankoformularbedruckung mit denen des eigentlich als Ersatzverfahren vorgesehenen Stylesheets synchronisiert wurden. Das eAU-Stylesheet gilt als das rechtskonforme Papier-Verfahren und entspricht praktisch dem analogen Ausdruck der digitalen AU – vergleichbar mit dem Tokenausdruck beim eRezept. Sprich in der Praxissoftware wird auf die eAU umgestellt – was einige Hersteller im Übrigen als Automatismus eingerichtet haben – und dann gegebenenfalls statt dem tatsächlichen digitalen Versand ein Ausdruck inkl. Barcode erzeugt, den die Kasse dann bei sich digital verarbeiten kann. Das passiert automatisch, wenn im Praxissystem auf eAu umgestellt wurde, die Praxis aber noch nicht über eine KIM-Adresse verfügt. Formaler Unterschied gegenüber der Blankoformularbedruckung ist, dass hierbei erlaubt ist, auf ganz normales Papier zurückzugreifen. Insgesamt heißt es, sind gut die Hälfte aller Praxen und MVZ eAU-ready. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass hier bis Ende des Jahres noch recht viele mehr oder weniger analoge Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Umlauf sein dürften. Es ist daher mit einem bunten Durcheinander und tendenziell eher (noch) nicht mit scharfen Reaktionen der Kassen zu rechnen (~ so auch Frau Dr. Ozegowski für das BMG). Ohnehin ist ein Verstoß gegen die eAU-Digitalisierungspflicht nicht sanktionsbewährt – anders als bei der ePA gibt es damit auch keinen Honorarabzug. Mit Blick auf den Jahreswechsel 22/23, werden jedoch hier ganz sicher die Daumenschrauben angezogen, da dann vorgesehen ist auch die Übermittlung des Durchschlages für den Arbeitgeber neu und über die Krankenkassen rein digital zu gestalten – das aber, ist noch mal ein ganz eigenes, mit weiteren spezifischen Problemen behaftetes Kapitel des Themas eAU (~ ein Ausblick aus der Arbeitgeberperspektive).
ÄrzteZeitung v. 27.06.2022
So funktioniert die eAU auch ohne TI
Medscape v. 29.06.2022
Vorsicht Mehrarbeit! Am 1. Juli wird´s ernst, die elektronische AU-Bescheinigung startet – was jetzt zu beachten ist
KBV-Praxisnachrichten v. 30.06.2022
So läuft die eAU in der Praxis – Ärztin schildert im Video ihre Erfahrungen
Einrichtungsbezogene Impfpflicht | Update zur Umsetzung
Während viele betroffene Einrichtungen und Mitarbeiter selbiger derzeit noch rätseln, was jetzt eigentlich praktisch mit den seit 15. März erfolgten Meldungen passiert, denkt der Gesetzgeber bereits darüber nach, die bisher bis Jahresende befristete Teilimpfpflicht, darüber hinaus zu verlängern (Ärzteblatt v. 28.06.2022). Basis dieser Meldung ist eine umfängliche parlamentarische Anfrage der Opposition im Bundestag (~ im Volltext öffnen), die vor allem offenlegt, dass auf Bundesebene keinerlei Informationen dazu vorliegen, wie der Umsetzungsstand der Impfpflicht ist und wie viele Mitarbeiter aus Klinik und Praxis als Impfverweigerer meldepflichtig waren, bzw. welche Maßnahmen diesbezüglich ergriffen wurden. Bei allen Antworten wird vom BMG auf die Länderhoheit verwiesen. Die Länder wiederum agieren weiterhin höchst unterschiedlich. Brandenburg melden 8.000 ungeimpfte Mitarbeiter (~ Quelle) und Berlin 7.800 (~ Quelle) – beide Länder aber noch keine Maßnahmen (Update v. 11. Juli: Brandenburg wendet erstmals Betretungsverbot für Gesundheitspersonal an) . In Baden -Württemberg sind dagegen bereits 450 Bußgeldverfahren anhängig, bei insgesamt 37.000 Beschäftigten fehlen Nachweise (~ Quelle). In Thüringen wurden 11.000 Medizin- und Pflegemitarbeiter gemeldet, aber bis einschließlich August laufen noch die Anhörungsverfahren. Die Bußgeldandrohung wurde – wie auch schon in Bayern von den maximal möglichen 2.500 € auf ein Zehntel der Summe reduziert (~ Quelle). Furore machte vor allem der Landkreis Mittelsachsen, dessen Gesundheitsamt nach eigener Angabe bereits über 1.000 Angestellten bescheinigt hat, dass sie auch ohne fehlende Impfung ‚wegen Unabkömmlichkeit zur Aufrechterhaltung der Versorgungsicherheit‘ weiterarbeiten dürfen (~ Quelle). Mecklenburg-Vorpommern mahnt dementgegen die Arbeitgeber an, überhaupt ihrer Meldepflicht nachzukommen (~ Quelle). ———————————— Alles in allem bleibt also regionales Chaos, bei dem weder betroffene Arbeitnehmer noch deren Arbeitgeber klar absehen können, was auf sie zu kommt. Derweil hat das Arbeitsgericht Bonn klargestellt (AZ. 2 Ca 2082/21), dass die Nichtvorlage eines Impfnachweises bei Bestandsmitarbeitern keinen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt: Kein automatisches Beschäftigungsverbot für ungeimpftes Praxispersonal. Das Portal Pflege-Online verweist auf bundesweit gut eine Handvoll bisher bereits ausgesprochener Betretungsverbote und schlußfolgert: „Wahrscheinlich wird es bundesweit so ablaufen, wie es ein Berliner Bezirksstadtrat gegenüber dem „Tagesspiegel“ kundtat: „Wir verschleppen es. Sie können davon ausgehen, dass das Ding tot ist.“ Auf eine ergänzende, aber wirklich relevante ‚Nickligkeit‘ weist jedoch aktuell der bayrische Gesundheitsminister Holetschek hin. Dass sich nämlich ab 1. Oktober die Definition dessen ändert, was als vollständig geimpft gilt (~ mehr Details) – da die Hürde dann bei drei Impfungen statt bei zwei liegen wird. Zu Recht ‚droht‘ er mit der bürokratielastigen Aussicht, dass dann für alle Personen, die der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterliegen, ergänzende Nachweise vorzulegen sind, aus denen hervorgeht, dass sie auch die neuen Voraussetzungen an den vollständigen Impfschutz erfüllen.
Pflegen Online v. 27.06.2022
Die Impfpflicht verpufft
Altenheim.net v. 05.07.2022
Holetschek: Impfpflicht vorzeitig aufheben
WDR v. 01.07.2022
Impfpflicht für Gesundheitspersonal noch nicht durchgesetzt
GKV-Sparankündigungen erzürnen … (eigentlich alle) | BMG plant Neupatientenregelung zu streichen
Lange angekündigt und seit dem Monatswechsel nun auch als erster Referentenentwurf da: das GKV-Finanzierungsgesetz aus dem Hause Lauterbach. Da es dabei ums Sparen geht, war von vornherein klar, dass sich Lorbeeren damit nicht ernten lassen. Dass die Kritik aber so umfassend und vor allem von allen Seiten gleichmäßig über das BMG hereinbrechen würde, das war nicht unbedingt zu erwarten. Ganz unverblümt schreibt das Portal Apotheke Adhoc: „Mittlerweile ist klar, dass es sich erneut um einen inoffiziellen Entwurf handelte. Und dass es in der Bundesregierung ernsthafte rechtliche Bedenken gibt. Vor allem den Solidaritätsbeitrag der Pharmaindustrie sieht man bei der FDP kritisch.“ (~ Quelle) Und das Ärzteblatt sekundiert, in dem es vor allem der Kritik des anderen Regierungspartners viel Raum gibt: „Erste Reaktionen aus dem Bundestag vom Koalitionspartner zeigen, dass noch viel Arbeit auf Lauterbach wartet. Man nehme die vorgestellten Eckpunkte „mit vielen offenen Fragen und einigem Diskussionsbedarf zur Kenntnis“, sagte [die] stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen.“ (~ Quelle). Not amused ist natürlich die Pharma- und Apothekenbranche, zu deren Lasten der Hauptanteil der ausgabenseitigen Sparmaßnahmen gehen soll. Noch viel lauter tönen dagegen die Krankenhäuser und Vertragsärzte, von denen der AOK-Gesetzgebungskalender jedoch nicht ganz zu Unrecht schreibt, dass beide Gruppen „von den vorgesehenen Maßnahmen weitgehend ausgenommen werden.“ (~ Quelle) Bei den Kliniken soll die Doppelfinanzierung von Pflegekosten künftig ausgeschlossen werden, wodurch das von Spahn eingeführte recht freizügige Verfahren, wonach die Pflegepersonalkosten beinah bedingungslos entbudgetiert an die Kliniken überwiesen werden, unter Kontroll- und Rechtfertigungsdruck gerät. Von der ambulanten Ärzteschaft wird erwartet, auf die rund 300 Millionen € Gesamtsumme zu verzichten, die seit 2020 jährlich unbudgetiert für die TSVG-Neupatienten-Regelung (10 € automatisiert je Neupatient) fließen. Psychologisch ein schwerer Brocken, da etwas konkret Bezifferbares, das derzeit da ist, einfach ersatzlos ab 2023 entfallen soll. Wie viel (oder wenig) das aber wirklich in der eigenen Praxis ausmacht, kann jeder leicht anhand der letzten Honorarbescheide selbst berechnen. ———————— So oder so, den Großteil der 17 Mrd.-Lücke, die für 2023 erwartet werden, soll der Steuerzahler, respektive der Patient tragen: Geplant ist ein Steuerzuschuss von zwei Milliarden Euro, ein Bundesdarlehen in Höhe von einer Milliarde Euro sowie eine Erhöhung des Zusatzbeitrages um 0,3 Beitragspunkte – im Weiteren soll die Reserve der GKV um 4 Mrd. € weiter abgeschmolzen werden. So nachvollziehbar daher die Sorge der Ärzteschaft um ihre 300 Mill. € ist – das wirklich aufgeregt und in der Tonalität sehr bissig vorgetragene Getöse von KBV und Ärztevertretern wirkt angesichts der allgemeinen Lage irgendwie auch ein wenig befremdlich. Eine Übersicht dazu, welcher Sparbeitrag von welchen Akteuren erwartet wird, bietet dieses TK-Interview, wenn man ganz nach unten scrollt: Nachgefragt: GKV-Finanzierungsgesetz.
Apotheke Adhoc v. 07.07.2022
Rechtliche Bedenken: Hängepartie im Kabinett
Ärztezeitung v. 29.06.2022
Ärzte warnen vor Rücknahme der Neupatienten-Regelung im TSVG
KBV-Mitteilung v. 30.06.2022
Lauterbach will Neupatientenregelung streichen – Scharfe Kritik aus der Ärzteschaft
MVZ als Politikum | Wer im Juni was gesagt und gefordert hat
Seit im April 2022 die MVZ-Debatte einen neuen Schub, ausgelöst durch die KV Bayerns und ihre so betitelte ‚Versorgungsanalyse zu MVZ in Eigentum von Finanzinvestoren‘ (~ mehr dazu), erhalten hat, häufen sich die Wortmeldungen und diesbezüglich scheint auch kein Ende in Sicht. Mit Vehemenz wird seit dem aus diversen Richtungen gefordert, dass der Bundesgesetzgeber endlich nachregeln und nichtärztliche Träger weiter beschränken müsse. Dieser hatte jedoch Anfang Mai im Bundestag mitteilen lassen (~ mehr in der Ausgabe der KW 20), dass zumindest ‚kurzfristig‘ weder die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur MVZ-Frage geplant sei, noch das Thema als solches konkret auf der Gesetzgebungsagenda stünde. Dennoch hat sich die Gesundheitsministerkonferenz als fachliches Sprachrohr der Bundesländer auch auf ihrer jüngsten Sitzung vom 22./23. Juni erneut ausführlich mit dem ‚Regulationsobjekt MVZ‘ befasst und in Beschluss zu TOP 15.2. wiederholt auf die Einrichtung einer ‚länderoffenen Arbeitsgruppe, die die erforderliche weitere Regulierung von Gründung und Betrieb Medizinischer Versorgungszentren prüfen und weiterentwickeln‘ soll, gedrängt. Konkret wurde gefordert, Fremdinvestoren mit ausschließlichem Kapitalinteresse auszuschließen und die Trägereigenschaft bei Neugründungen räumlich auf den KV-Bezirk zu beschränken. Ein zweiter Beschluss forderte dazu komplementär für die KVen und deren Eigeneinrichtungen nach § 105 Ic SGB V das Recht, MVZ zu gründen – u.a. auch deshalb, um den KVen direkt zu ermöglichen, der ‚Versorgung durch investorengesteuerte MVZ Einhalt bieten‘ zu können. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch diese jüngsten GMK-Beschlüsse beim Bundesgesetzgeber erst einmal auf Halde gelegt werden. In dem Kontext ist es umso bemerkenswerter, dass sich der für MVZ zuständige und gerade erst im Mai 2022 in den Ruhestand verabschiedete langjährige BSG-Vorsitzende Prof. Ulrich Wenner öffentlich mit der Ansage zu Wort gemeldet hat, dass ein ‚Verbot von Investoren-MVZ kaum Bestand hätte‘. Davon unabhängig haben die Grünen sowohl im Landtag von Sachsen-Anhalt (~ Drucksache 8/1275) als auch in der Hamburger Bürgerschaft (~ Drucksache 23/8331) parlamentarische Anfragen zu MVZ auf den Weg gebracht, die sich vorwiegend mit Transparenzaspekten befassen. Außerdem haben sich im Laufe des Juni diverse Verbände zu Wort gemeldet: SpiFa – Medi – KZBV, um nur einige anzuführen. Um die Debatte einordnen zu können, lohnt zudem auch noch einmal ein Rückblick auf den Ärztetag von Ende Mai 2022 (~ mehr dazu), bzgl. dessen die ÄrzteZeitung – unten verlinkt – sehr pointiert noch einmal alle MVZ-Beschlüsse zusammengefasst hat. Alles in allem wird von vielen Seiten daran gearbeitet, den öffentlichen Druck auf den Gesetzgeber, das MVZ-Thema erneut anzugehen, deutlich zu erhöhen. Nicht vorhersagbar ist vor diesem Hintergrund, wie dieser sich in der weiteren Legislatur dazu positionieren wird.
ZM Online v. 24.06.2022
Länder fordern Initiative gegen iMVZ – auch in der Zahnmedizin
ÄrzteZeitung v. 07.06.2022
Hitzige Diskussion: Debatte um Investoren als MVZ-Gesellschafter: Die Angst vor dem großen Geld
KV-Wahljahr hat begonnen | Auch angestellte Ärzte & Psychotherapeuten sind zur Beteiligung aufgerufen
Selbstverwaltung ist ein Privileg. Nutzen Sie es – auch als MVZ-Arzt, denn seit 2017 sind wirklich fast alle alle angestellten Ärzte ebenfalls wahlberechtigt! Für die Welt der ambulanten Versorgung sind die KVen maßgeblich bestimmend. Doch obwohl sie Selbstverwaltungsorgane der Ärzteschaft sind, ist gerade vielen angestellten Ärzten und Ärztinnen dieser Zusammenhang sowie die Tragweite der KV-Hoheit, aber auch die Möglichkeit zur eigenen Mitbestimmung nicht klar. Diese Unkenntnis ist nicht nur theoretisch zu beklagen, sondern stellt insbesondere auch eine fahrlässig versäumte Chance dar, über die Rahmenbedingungen der ambulanten Leistungserbringung mitzubestimmen und zu entscheiden. Möglichkeiten dazu gäbe es viele. Die am wenigsten zeitaufwändige ist die Abgabe der eigenen Stimme bei den im Sommer/Herbst 2022 stattfindenden Wahlen der 17 Vertreterversammlungen. Wahlberechtigt sind dabei neben den niedergelassenen und ermächtigen Ärzten und Psychotherapeuten, alle angestellten Kollegen, die mindestens 10 Wochenstunden Arbeitsumfang haben – d.h. auch die allermeisten Viertelärzte. Leicht zugängliche Informationen zu den Wahlregularien hat der BMVZ auf einer gesonderten Webseite für alle 17 KV-Regionen zusammengetragen (www.KV-wahlen-2022.de), und um allgemeine Informationen für MVZ als Arbeitgeber sowie speziell für interessierte angestellte Ärzte ergänzt. In Meck-Pom, Saarland, Thüringen, Hamburg und Sachsen ist die Wahl bereits beendet – in Nordrhein läuft sie gerade und in Baden- Württemberg beginnt sie am 18. Juli. Die anderen elf KVen haben den Wahlzeitraum erst nach den Sommerferien angesetzt. Genug Zeit also für die meisten, sich noch zu informieren. Denn wer nicht mitbestimmt, der wird bestimmt!
Bundesverband MVZ v. 10.06.2022
KV-Wahlen: Aufruf zur Beteiligung | www.KV-wahlen-2022.de
änd v. 08.06.2022
„Nur wer auch selbst aktiv ist, kann verändern“
Medical Tribune v. 09.06.2022
KV-Wahlen: Mehr Frauen in Führungspositionen gewünscht
Pharmazeutische Dienstleistungen | Apotheker, Kassen & Ärzte ringen um Bedeutung und Honorare bei medizinischen Beratungsangeboten
Wie die Masernpflicht, die ab 1. August greift (~ Reiter Praxisorganisation) ist auch die Auseinandersetzung um die sogenannten Pharmazeutischen Dienstleistungen ein Erbe der Spahn-Ära, auf das Karl Lauterbach im Grunde zu gut wie keinen Einfluss hat(te). Ursprung ist das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken, das im November 2020 in Kraft getreten ist und u.a. im Wettstreit mit den Onlineapotheken als Geschenk an die Vor-Ort-Apotheker vorsah, dass besondere Beratungsleistungen rund um Volkskrankenheiten und Medikamentenwechselwirkungen künftig auch gesondert honoriert werden sollen (~ mehr zu den Inhalten). Da Kassen und Apothekerschaft sich bei der Ausgestaltung nicht einigen konnten (~ Bericht der DAZ v. 9.9.2021), wurde im Herbst 2021 das Schiedsamt angerufen (~ Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 SGB V), das nun Anfang Juni entschieden hat. Zum Beispiel, dass Apotheker künftig 90 € Honorar für die „erweiterten Medikationsberatung bei Polymedikation“ erhalten – oder 11,20 € für das dreimalige Blutdruckmessen bei Hypertoniepatienten (~ Das sind die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen). Schnell war die Ärzteschaft an der Stelle dabei, einerseits zu monieren, dass ambulante Ärzte für dieselben Leistungen deutlich weniger Honorar bekommen, und andererseits, dass nach dem Impfen hier nun noch in einem weiteren Bereich die fachliche Kompetenz der Ärzteschaft untergraben wird. Nicht zu Unrecht wird befürchtet, dass – wenn etwa ein Apotheker bei der Beratung ggü. dem Patienten Bedenken gegen eine bestimmte Medikation äußert – vor allem Verwirrung und Vertrauensschäden beim Arzt-Patienten-Verhältnis sowie dort auch neuer Erklärungsbedarf entstünden. Aber die Messen sind hier gesungen – der Schiedsspruch gilt und ist im Grunde von den Apotheken auch sofort umsetzbar. Was das praktisch im Apothekenalltag bedeutet, hat etwa die Pharmazeutische Zeitung in einem FAQ aufgelistet (~ direkt zu). Während die KBV sich ‚nur‘ lautstark beschwert hat (~ „Fundamentaler Angriff auf hausärztliche Versorgung“), hat die KV Hessen in Reaktion darauf einen Mitgliederrundbrief veröffentlicht (~ zum Volltext), in dem sie dazu aufruft, Apothekern ggf. das Leben möglichst schwer zu machen (U.A.: „Sprechen Sie mit Ihren Apothekerinnen und Apothekern vor Ort und signalisieren Sie, dass es insbesondere beim Bezug des Sprechstunden- und Praxisbedarfs immer Alternativen gibt.“) und gezielt auch „inkompetente Beratungen“ zu dokumentieren. Allerdings findet dieser Streit mindestens derzeit nur auf der Funktionärsebene statt – inwieweit Ärzte und Apotheker vor Ort hier künftig wirklich zueinander konträr stehen oder nicht sogar Wege eines Miteinanders mit Mehrwert finden, steht auf einem anderen Blatt. Ein anderer Ansatz – ebenfalls in der Debatte schon geäußert – ist im Übrigen, anzuerkennen, dass das für die Apotheker vom Schiedsamt als angemessen erklärte Honorar ja durch genau das sei: angemessen. Dass folglich also, dieser Schiedsspruch ein guter Ausgangspunkt sei, die Messlatte für die künftigen ärztlichen Honorarverhandlungen deutlich höher zu hängen.
ZM Online v. 16.06.2022
Kritik der Ärzte: „Apotheken sind keine Arztpraxen-to-go”
Apotheke Adhoc v. 15.06.2022
Wovor hast du Angst, Doc?
Ärztezeitung v. 10.06.2022
Beratungshonorar für Apotheker empört Ärzte
Allgemeines Transparenzregister | Übergangsfristen für (MVZ) GmbHs & (Ärzte) Partnerschaften abgelaufen
Völlig losgelöst von der speziellen Transparenzdebatte rund um MVZ gibt es seit 2017 ein allgemeines Transparenzregister (~ mehr Informationen), dessen Regeln mit dem Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz (~ TraFinG -Volltext) vom Sommer 2021 noch einmal deutlich nachgeschärft wurden und das grundsätzlich alle registerpflichtigen Unternehmen in Deutschland gemeinsam erfasst. Während bis zu der Änderung jedoch für alle Gesellschaften, deren Strukturen sich bereits aus anderen öffentlich zugänglichen Registern (z.B. Handels- oder Partnerschaftsregister) ergaben, von einer sogenannten Mitteilungsfiktion ausgegangen wurde, bestehen seit August 2021 aktive Mitteilungspflichten. Dies adressieren auch MVZ-Strukturen, die als GMBH oder Partnerschaftsgesellschaft firmieren. Als das Gesetz im Sommer 2021 in Kraft trat wurden abgestufte Übergangsfristen vereinbart. Für GmbHs und Partnerschaften ist selbige am 30. Juni 2022 abgelaufen – d.h. MVZ GmbHs, die bisher noch keine aktive Meldung abgegeben haben, begehen ab sofort eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 100.000 € Bußgeld sanktioniert ist. Für MVZ, die in der Rechtsform der Genossenschaft geführt werden, läuft die Übergangsfrist Ende 2022 ab. GbRs und Einzelunternehmen werden von den Vorschriften dagegen, weil sie nicht eintragungspflichtig sind, nicht erfasst und sind somit auch nicht meldepflichtig. Fragen Sie aber auch hier in Zweifelsfällen aktiv bei Ihrer IHK oder Ihrem Steuerberater nach. Grundsätzlich sollten alle betroffenen MVZ GmbHs (egal ob klein, groß oder verschachtelt) von ihrem Steuerberater informiert worden sein – fragen Sie, wenn Sie sich nicht sicher sind, gegebenenfalls dort nach, ob die Meldung erfolgt ist. Bei diesen Vorschriften handelt es sich nicht um spezielle Anforderungen für MVZ – sie betreffen schlichtweg jede rechtlich eingetragene Unternehmung in Deutschland. Das Register ist eingeschränkt öffentlich zugänglich – d.h. jeder registrierte Nutzer darf die Angaben zu jedem Unternehmen einsehen – allerdings ist der Abruf kostenpflichtig, kann nur einzelfallbezogen erfolgen und wird personengenau dokumentiert. Primäres Ziel des Transparenzregisters ist es daher, den zuständigen staatlichen Stellen Auskunft über die wirtschaftlich Berechtigten einer Gesellschaft zu gewähren. ‘Wirtschaftlich Berechtigter’ (~ zur gesetzlichen Definition) ist grundsätzlich jede natürliche Person, die unmittelbar oder mittelbar mehr als 25 Prozent der Kapitalanteile oder Stimmrechte einer Gesellschaft hält oder auf vergleichbare Weise Kontrolle über die Gesellschaft ausübt. Gibt es bei einer AG oder GmbH keine solche Person, gelten grundsätzlich die Mitglieder des Vorstands bzw. der Geschäftsführung als fiktiv wirtschaftlich Berechtigte.
Haufe.de v. 28.06.2022
Transparenzregister: Übergangsfrist für GmbHs endet am 30.06.2022
IHK Düsseldorf v. Herbst 2021
FAQ: Transparenzregister wird verschärft – Unternehmen müssen nachmelden
IHK Halle v. Januar 2022
Transparenzregister: Diese Meldepflichten gelten für Betriebe