oder Wenn gezielte Täuschung Ausgangspunkt der Pressearbeit ist

PLÄDOYER ZU MEHR SACHLICHKEIT

Heuschreckenbefall“, “Investorenschlacht” und “Profitgier
Die Versorgungsform MVZ steht in der Presse seit einigen Monaten wieder am Pranger, wobei auffällig vor allem – bei gleichzeitig dünner Faktenlage – die breite Verwendung einer vergleichsweise aggressiven Rhetorik ist. Im Fokus stehen die sogenannten Private-Equity-Investoren als MVZ-Träger, die damit den MVZ insgesamt viel negative Aufmerksamkeit verschaffen. Und das völlig unabhängig davon, dass von den derzeit rund 5.500 zahn- und humanmedizinischen MVZ nur ein kleiner Bruchteil von der Diskussion um medizinferne Träger als Akteure der ambulanten Versorgung konkret berührt ist.

Einen nicht unerheblichen Beitrag spielt hier die Presse. Das hohe Maß an reißerisch wirkenden Überschriften propagiert in beständiger Wiederholung die „feindliche Übernahme“ niedergelassener Arztpraxen durch „MVZ-Ketten“ und – nicht zuletzt – die massive Gefährdung von Patienten. Fraglos entsteht hier bei vielen Lesern der Eindruck, MVZ beherrschen längst die Versorgung – was falsch ist, da in der Humanmedizin alle Träger zusammen Ende 2021 gut 12 % aller ärztlichen und psychotherapeutischen Sitze betrieben; einzelne Trägergruppen entsprechend deutlich weniger.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass knapp 88 % aller Sitze, bzw. Bedarfsplanungsgewichte in Händen von Einzel- und Gemeinschaftspraxen liegen. Eine Verschiebung zugunsten der Kooperationsform MVZ findet hier jährlich im Bereich von Zehntel-Prozentpunkten statt. D.h. selbst wenn sich der Trend ungebremst fortsetzte, würden auch in der Perspektive des Jahres 2030 vier von fünf Arztsitzen weiterhin von Vertragsärzt:innen, bzw. -psychotherapeut:innen betrieben. In der Zahnmedizin ist im Übrigen die Versorgungsrelevanz aller MVZ zusammen nur etwa halb so hoch, d.h. knapp 6 % aller Zahnarztsitze sind einem MVZ-Träger – darunter wiederum 75 % Vertragszahnärzte – zuzurechnen.

Runtergebrochen auf das Segement der häufig als iMVZ betitelten Gruppe von MVZ mit Kapitalbeteiligung im Hintergrund, das wiederum ein recht kleines Untersegment des Clusters Krankenhaus-MVZ darstellt, sprechen wir von einem Versorgungsanteil, der bundesweit  – je nach Region – zwischen 0,2 und 0,6 % liegt. Allerdings kann bei der Lektüre der unzähligen Artikel rund um das MVZ-Thema schon heute ein anderer Eindruck entstehen. Seitens der Presse geht es bei den dramatisierenden Überschriften um das Ringen um Leser – doch für MVZ-Träger und die ambulante Versorgung entsteht so medialer Zündstoff in einer ohnehin schon nicht sehr sachlich geführten Diskussion.

Fragen müssen daher vor allem auch zur Motivlage gestellt werden, wenn anerkannte Institutionen wie eine KV oder das IGES-Institut, bewusste Falschmeldungen oder Fehlinterpretationen in ihren Pressemeldungen platzieren – die dann wiederum zum Ausgangspunkt der Arbeit der Journalisten und Redaktionen werden.

Es sollte klar sein, dass das wenig hilfreiche Schlagwort des Investoren-MVZ oder auch i-MVZ letztlich nur dazu dient, in bester Schwarz-Weiß-Manier eine Trennung zwischen guten und schlechten MVZ zu ziehen: Wenn Begriffe nur verwirren sollen.

Dass es sich hier um eine Taktik der Debattenführung handelt, wird auch dadurch unterstrichen, dass sich – bei gleichbleibenden Argumenten – die Grenze zwischen dem, was als ‘gut’ oder ‘böse’ gilt, im Verlauf der Jahre auffällig verschoben hat. 2004/05 ging es um die Praxisform an sich, die sich irgendwie „sozialistisch” anfühlte. Später, etwa 2008 – 2013 standen alle Krankenhaus-MVZ im besonderen Fokus. Und etwa seit 2018 sind es eben Private-Equity-Investoren als MVZ-Träger, die im Mittelpunkt der Kritik stehen, und damit den MVZ insgesamt ein globales Negativ-Image verpassen.