KW 14

Wie bereits informiert, gehört auch die Corona-Ausnahme, wonach Videosprechstunden in unbegrenzter Zahl angerechnet werden dürfen, zu den Regelungen, die am 31. März 2022 auslaufen. Während aber letzte Woche noch die Rede davon war, dass ab 1. April die alte Mengengrenze von 20 % aller Fälle einer Praxis wieder angewendet wird, präsentiert jetzt die KBV als Verhandlungsergebnis mit den Kassen die Anhebung um 10 auf 30 Prozent. Diese Obergrenze gilt je GOP (hier: Grund- und Konsiliarpauschalen) und Quartal; sie wird also je Praxis, bzw. MVZ gebildet. Da bei ausschließlicher Behandlung per Video zur Grundpauschale jeweils die Pseudo-GOP 88220 hinzugesetzt werden muss, gilt im Grunde, dass eben diese Pseudo-GOP nun nicht mehr in bis zu 20 sondern in bis zu 30 % aller Fälle angesetzt werden darf. Damit könn(t)en mehr ausschließlich videobehandelte Patienten abgerechnet werden. Allerdings sagen Experten, dass kaum einer bisher bezüglich der Videosprechstunde überhaupt auf 20 Prozent aller Fälle gekommen ist. Die Anhebung der Grenze ist somit vor allem ein psychologischer Sieg der KBV. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in vielen KVen aktuell auch die vereinfachten Regeln bezüglich der Genehmigungspflicht für die Durchführung von Videosprechstunden beendet werden. Es ist davon auszugehen, dass die Standardverfahren wieder eingesetzt werden. Wie diese gestaltet wurden, hat die KBV in einer Übersicht zu allen KVen mit nützlichen regionalen Links und Telefonnummern zusammengestellt: KV-Verfahren Videosprechstunde (PDF).

Wie in der vergangenen Woche berichtet, gilt seit dem 20. März – und befristet bis 25. Mai – eine neue, angepasste Corona-Arbeitsschutzverordnung (~ mehr dazu). Danach besteht die bis 19. März geltende Vorschrift für alle Arbeitgeber, jedem Mitarbeiter wöchentlich zwei Test kostenlos anzubieten, nicht mehr. Maßgeblich ist vielmehr das individuelle Hygienekonzept, das jeder Betrieb erstellen muss. Vor diesem Hintergrund kann es sinnvoll sein, die nun ebenfalls geänderte Corona-Testverordnung in die eigene Hygienestrategie einzubeziehen. Lange wurde beraten, ob die allgemeinen, kostenfreien Bürgertests vom BMG fortgeführt werden. Am 29. März wurde nun die maßgebliche Testverordnung angepasst – die Änderungen treten zum 31. März in Kraft. Danach haben alle Bürger und Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland bis zum 30. Juni Anspruch auf wöchentlich einen kostenlosen Antigenschnelltest. Die geplanten Einschränkungen auf anlassbezogene Testungen und bestimmte Personengruppen, wie zuvor diskutiert, wurden nicht umgesetzt. Die aktuelle Testsituation wurde also unverändert fortgeschrieben. Dies hat Geltung für das gesamte Quartal (bis 30. Juni 2022). Insoweit ist es grundsätzlich möglich, Mitarbeiter auch weiterhin aufzufordern, die öffentlichen Testangebote – ggf. zusätzlich zu den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Tests –  zu nutzen.

Wie ausführlich bereits in KW 5 berichtet (~ zur Ausgabe | Reiter Nachrichten) hat das Bundessozialgericht in einer Entscheidung vom 26. Januar 2022 festgestellt, dass vertragsärztliche MVZ-Gründer, die in der MVZ-Gesellschaft eine beherrschende Stellung einnehmen, nicht gleichzeitig angestellte Ärzte ihres MVZ sein können. Die ÄrzteZeitung zitiert hierzu den BMVZ mit seiner Einschätzung: „Insgesamt glauben wir, dass der Gesetzgeber seine Absichten zugunsten der MVZ-Gründung und der MVZ-Nachfolgeregelungen klarstellen muss.“ Denn, da seit Längerem darüber diskutiert wird, dass sich (zu) viele nicht-ärztliche MVZ in der ambulanten Versorgung engagieren, könne es nicht sein, dass ausgerechnet den ärztlichen Gründern die Option der MVZ-Gründung verbaut wird. Solche Konstrukte, wie nun vom BSG als unzulässig verneint, wurden in der Vergangenheit problemlos genehmigt und stellen den Regelfall der MVZ-Gründung durch Vertragsärzte dar. Nach dem BMVZ hat sich Anfang März auch die KBV öffentlich dafür ausgesprochen, die vom Gericht geöffnete Lücke bei der MVZ-gestaltung schnellstmöglich gesetzgeberisch zu schließen. Wörtlich sagte KBV-Vorstand Hofmeister: “Wir als Vorstand haben deshalb Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach schriftlich um eine gesetzliche Klarstellung in Paragraf 95, Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) gebeten, wonach eine gleichzeitige Stellung als Angestellter und Gesellschafter eines MVZ unabhängig von der Rechtsmacht als Gesellschafter weiterhin zulässig sein muss.” Grundsätzlich kann ein Gesetzgebungsverfahren jedoch erst in Gang kommen, wenn das BSG die ausführliche Begründung zur Entscheidung vorlegt. Wann das passiert, ist derzeit offen.

Die für Kliniken, Arztpraxen und Co. zuständige Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) vermeldete, zum Jahresende 2021 seit Pandemiebeginn gut 132.000 Verdachtsmeldungen auf eine beruflich bedingte COVID-19-Erkrankung erhalten zu haben (Covid-19-Erkrankungen: Hilfe von der BGW). Davon wurden knapp 87.000 als Berufskrankheit anerkannt – dies entspricht einer Anerkennungsquote von 65,6 %. Der Großteil der anerkannten Fälle entfällt auf Mitarbeiter von Kliniken (32.158) und Pflegeheimen (33.195). Aus MVZ und Arztpraxen gab es 2020 und `21 insgesamt 4.159 Meldungen wegen Covid-19, von denen 2.516 auch anerkannt wurden. Grundsätzlich wird empfohlen, dass, wer den Verdacht hat, sich bei der Arbeit mit SARS-CoV-2 angesteckt zu haben, und typische Symptome zeigt, die Infektion anzeigen sollte (~ BGW: Berufskrankheiten-Anzeige und Kostenübernahme von Testungen bei Covid-19-Verdacht). Entsprechend hatte das BMG bei Änderung der Corona-Testverordnung von Februar (Priorisierung von PCR-Tests) klargestellt, dass Personen, bei denen der Verdacht auf eine berufsbedingte Infektion besteht, weiterhin Anspruch auf einen PCR-Test haben. Voraussetzung hierfür ist ein positiver Antigentest sowie Hinweise darauf, dass die Infektion (wahrscheinlich) bei der Arbeit erfolgt ist. Die BGW rät zudem, positive Testergebnisse auch bei zunächst symptomlosen Infizierten aufzubewahren, denn – wenn initial keine Symptome vorliegen, sondern erst später auftreten, ist auch nachträglich eine Meldung als Berufskrankheit möglich.

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch (30. März) den von Gesundheitsminister vorgelegten Gesetzentwurf für einen Corona-Bonus in der Pflege abgesegnet. Der Entscheidung waren – wie mehrfach berichtet – seit Januar Diskussionen vorangegangen, ob nicht auch ambulante Medizinfachkräfte bei dieser staatlichen Sonderzahlung einbezogen werden sollten. Allerdings standen die Zeichen dafür von Anfang an schlecht – da die jetzt allein auf Klinik und Pflege fokussierte Regelung, mit der dortiges Pflegepersonal bis zu 2.500 Euro erhält, genau so auch im Koalitionsvertrag verankert war. Allerdings ist selbst bei Heimen und Kliniken Ärger vorprogrammiert, denn auch innerhalb dieser Einrichtungen gilt: Lauterbach lässt viele leer ausgehen. Dass in dem Kontext von der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zuletzt vehement für die Ausweitung auf den ambulanten Sektor eingetreten wurde, darf getrost ihrer Oppositionsrolle zugeschrieben werden. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Union in Regierungsverantwortung einen solchen Bonus verantwortet hätte. Dennoch gilt: Der parlamentarische Prozess beginnt jetzt erst – lassen wir uns also überraschen. —————————– Davon unabhängig ist im Übrigen die Debatte um die steuerfreien Bonuszahlungen an Mitarbeiter durch ihre Arbeitgeber zu betrachten. Diesbezüglich liegt aus dem Bundesfinanzministerium (BMF) ein Entwurf für ein Viertes Corona-Steuerhilfegesetz vor, der am 21. März dem Bundestag zur Beratung übermittelt wurde. Dieser sieht vor, die bis 31.März 2022 für alle Betriebe geltende Möglichkeit, abgabenfrei Boni zu zahlen, zeitlich bis Ende 2022 und zahlenmäßig bis zum doppelten der bisherigen Grenze (3.000 statt 1.500 €) auszuweiten. Allerdings auch hier sollen nur Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen einbezogen werden. Explizit ausgenommen sind Praxen, MVZ und ähnliche ambulante Dienstleister. Mal sehen, ob und wie diese Steilvorlage für das vertragsärztliche Verbandswesen, vehement für den Einschluss der ambulanten Einrichtungen in diese für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer sehr vorteilhafte Steuerbevorzugung einzutreten, im Laufe der Bundestagsberatungen genutzt wird.

Bereits Anfang März hat der Bundesärztekammerpräsident dem Ärztlichen Nachrichtendienst anlässlich der 100-Tage-Amtsmarke von Karl Lauterbach und Co. ein ausführliches Interview gegeben. Dies begann Reinhardt direkt mit dem Eingangsstatement, dass er sich im Koalitionsvertrag “beim Thema Privat Equity im Gesundheitswesen schon ein paar Sätze mehr gewünscht [hätte].” Auf die konkrete Nachfrage führt er aus, dass man zunächst einmal festhalten müsse, dass es nicht verboten sein könne, dass medizinferne Investoren in das Gesundheitssystem investieren. Und dass es versorgungsschwache Regionen gäbe, wo Kommunen froh seien, wenn es überhaupt private Investoren gäbe, da es dort sonst bestimmte Versorgungsangebote gar nicht mehr gäbe. “Was aber nicht geht: Wenn ein Investor mit unrealistischen Gewinnerwartungen oder gar kurzfristigen Gewinnerzielungsabsichten in das Gesundheitswesen investiert und dann danach die Strukturen ausrichtet – zulasten der Ärzte und Patienten.” Das müsse man begrenzen. Reinhardt benennt dabei die Klassiker regulativer Beschränkungen für MVZ: Verhinderung marktbeherrschender Stellungen, fachlich-räumlicher Bezug für MVZ-Gründungen von Kliniken, Verhinderung von Rosinenpickerei bei den Leistungen, Begrenzung der Trägerzulassung auf den jeweiligen KV-Bezirk. “Auch wäre ein Transparenzregister im Hinblick auf den Eigentümerstatus hilfreich, damit sich die Menschen informieren können, mit wem sie es zu tun haben.” Insgesamt also eine komprimierte Wiederholung bereits bekannter BÄK-Positionen. Hilfreich ist es jedoch für die Bewertung, die von Reinhardt bereits im Sommer 2020 beschriebene Unterscheidung zwischen Ökonomisierung und Kommerzialisierung zu beachten (~ Podcast der BÄK ‘Sprechende Medizin): Die Ärzteschaft habe sich lange schwer getan, die Wirksamkeit und Notwendig ökonomischer Regeln anzuerkennen. Die Ökonomisierung sei für ihn als solche „kein Widerspruch zu denkbar gutem ärztlichen Handeln.“ Anders sei das bei der Kommerzialisierung oder Industrialisierung. Dabei gehe es darum, dass sich Fremdkapital im Gesundheitswesen breit mache, das aus einem regulierten Markt – der gesetzlichen Krankenversicherung – versuche, möglichst viel Rendite abzuschöpfen, berichtete damals das Ärzteblatt über die Podcastfolge (~ 31.7.2020 | Reinhardt: Spahn bei Kommerzialisierung „zu gelassen“).