Mitarbeiter-Boni | Steuerfreie Prämien Alt & Neu
Seit 26. Oktober ist das “Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz” – bestehend aus nur einer Seite (~ Volltext öffnen) – in Kraft. Neben den titelgebenden Steuersenkungen enthält es auch eine sämtliche Arbeitgeber/Arbeitnehmer betreffende Regelung, nach der als ‘Geschenk des Staates’ erneut steuerfrei Mitarbeiterboni als Lohnzuschuss oder Sachbezüge gewährt werden können. Die amtliche Bezeichnung lautet Inflationsprämie oder auch Inflationsbonus – verankert ist diese im neuen Absatz 11 c des § 3 EStG. Der Funktionsmechanismus ist praktisch identisch mit dem des 2020 ausgelobten Corona-Bonus’. D.h. der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, nach freiem Ermessen jedem Angestellten abgabenfrei einen Bonus von bis zu 3.000 € zukommen zu lassen – dies muss im Lohnjournal als Sonderprämie angegeben werden. Ein Anspruch besteht seitens des Arbeitnehmers jedoch nicht. Das Geltungszeitfenster reicht bis Ende 2024, umfasst also etwas mehr als zwei Jahre. Für alle im Gesundheitswesen Beschäftigten, bzw. deren Arbeitgeber kommt es hier zu einer Überschneidung mit dem sogenannten Pflegebonus (§ 3 Absatz 11b EStG) – vgl. den Bericht in KW22: MFA-Prämien I Kompromiss beschlossen: Kein Bonus, aber Steuererleichterungen. Diesen können Einrichtungen des Gesundheitswesens, darunter auch Arzt- und Zahnarztpraxen, respektive MVZ allen Praxismitarbeiter inkl. der Ärzte zuzüglich zum Lohn abgabenfrei in einer Höhe von bis zu 4.500 € gewähren. Die zeitliche Grenze ist hier jedoch der 31.12.2022. D.h. MVZ und Praxen, die im laufenden Jahr Kapazitäten haben und willens sind, ihren Mitarbeitern entsprechende Sonderzahlungen zukommen zu lassen, sollten sorgfältig auf die korrekte Zuordnung achten und sinnvollerweise Zahlungen primär nach Ausnahme 11b im Einkommenssteuergesetz (= Pflegebonus) gewähren. Denn die Zahlungsoption nach Absatz 11 c (= Inflationsbonus) kann dementgegen noch die nächsten zwei Jahre genutzt und auch gestückelt, bzw. auf mehrere kleinere Beträge verteilt werden. D.h. gerade für Berufsgruppen mit niedrigen Gehältern kann durch eine achtsame Nutzung und Kombination der steuerlichen Ausnahmen verhältnismäßig viel Bonus, bei dem für beide Seiten komfortablerweise Netto = Brutto gilt, gezahlt werden. Auch wenn klar ist, dass in einigen Unternehmen/Praxen der Spielraum für solche Leistungen momentan eher gering sein dürfte.
Medical Tribune v. 21.10.2022
Steuerfreie Prämie: Team in der Inflation unterstützen
Haufe.de v. 25.10.2022
Arbeitgeber können Inflationsausgleichsprämie gewähren
Maskenpflicht | Anpassung der Corona-ArbSchV – ‚BAuA’rbeiten bei den Handlungsempfehlungen zum Arbeitsschutz
Bereits seit 1. Oktober gilt die bundesweite Regelung zur Maskenpflicht in Praxen und Pflegeeinrichtungen. Wie berichtet [~ Archiv KW 39), umfassen die Regelungen einige einheitliche Maßstäbe. Regional werden diese jedoch durch entsprechende Verordnungen der Länderparlamente, die Anfang Oktober meist nur auf wenige Wochen befristete Regelungen erlassen haben, ergänzt. Daher werden aktuell vielerorts auslaufende Verordnungen verlängert oder angepasst. (~ Linkliste mit Schnellzugriff auf die 16 Länderverordnungen) Grundsätzlich gilt aber: Wer als Patient oder Besucher eine Praxis betritt, muss eigenverantwortlich mindestens eine FFP-2 Maske tragen (~ § 28b Absatz 5 ISfG) – von der rheinlandpfälzischen KV wird diesbezüglich ein neutraler Informationsflyer im A4-Format zum Download angeboten. Die KV Nordrhein weist in dem Kontext darauf hin, dass bei Patienten, die ohne Maske die Praxis betreten, „eine Verpflichtung zur Aushändigung einer Maske durch die Praxis nicht besteht (…) FFP2-Masken, die die Praxis [solchen] Personen … freiwillig anbietet, können nicht über den Sprechstundenbedarf abgerechnet werden, sondern müssen … ggf. privat vergütet werden.“ (~ Quelle). Für Ärzte und Mitarbeiter in MVZ und Praxis gilt die Maskenpflicht im Übrigen nicht – Ausnahme NRW, dessen gerade verlängerte CoronaSchVO in § 3 Absatz 2 einen MNS fürs Personal vorschreibt. Bundesweit gilt jedoch, dass zeitgleich zur Änderung des ISfG mit der parallelen Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung auch die sogenannte Verordnungsermächtigung aus dem Arbeitsschutzgesetz (§18 ArbSchG) bis zum 07. April 2023 verlängert wurde. Ergänzend sind daher auch weiterhin die branchenspezifischen Regelungen und Handlungsempfehlung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin – kurz BAuA – zu beachten. Ende Oktober gibt diese jedoch an, dass sich: „die neue SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel […] aktuell noch in Bearbeitung“ befindet. Somit steht weiterhin vorerst die Handlungsempfehlung vom 29.03.22 als Orientierung zur Verfügung. (~ 4. Auflage der BAuA-Handlungsempfehlung). Das Bundesarbeitsministerium fasst dazu passend die Neuregelung der Maßnahmen gemäß Arbeitsschutzverordnung (~ Volltext als PDF) wie folgt zusammen: „Die künftige SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung enthält die bekannten, im Verlauf der Pandemie bewährten Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes.“ Kernelement ist die Anforderung an den Arbeitgeber, ein betriebsspezifisches Hygienekonzept im Sinne einer Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. —————————————————— Unter Umständen kann es vor dem Hintergrund der Maskenvorschriften in den nächsten Monaten zu einem erneuten ‚Run‘ auf Atteste kommen, die von einer Maskenpflicht entbinden. Daher sei an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal auf die harschen rechtlichen Konsequenzen beim Ausstellen von Gefälligkeitsbescheinigungen verwiesen (~ Ärztekammer Berlin | Covid 19-Recht – dort: Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske).
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand 01.10.2022)
Aktuelle Fassung der Corona-Arbeits-Schutz-Verordnung
Berufsgenossenschaft Wohlfahrtspflege + Gesundheitsdienste v. 19.10.2022
Infektionsschutz im Betrieb für den Herbst und Winter
Gesetzgebung | Neupatientenregelung abgeschafft – Ersatzregelung zur schnellen Terminvergabe mit Fragezeichen
Als TOP 38 hat am vergangenen Freitag das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz nun auch den Bundesrat passiert (~ Bericht zur Sitzung) – d.h. sein Inkrafttreten dürfte kurz bevorstehen. Aus ambulanter Sicht ist dabei vor allem die Neuregelung der extrabudgetären Vergütung bei schneller Terminvergabe von Interesse, denn die erst vor drei Jahren eingeführte Neupatientenregelung wurde – trotz aller Proteste – mit Geltung ab Januar 2023 gestrichen. Allerdings wird die Regelung zur extrabudgetären Vergütung bei Neupatienten – anders als ursprünglich im Regierungsentwurf geplant – nicht gänzlich abgeschafft, sondern ersetzt. Vorgesehen sind neu weniger streubüchsenartige Anreize für Vermittlung und schnelle Behandlung von Patienten – ein Vorgehen, dem zumindest der Kommentator der ÄrzteZeitung einiges abgewinnen kann: Zielgenaue Förderung statt Neupatienten. Kern ist eine Fokussierung darauf, dass Patienten ohne (Fach-)Arzt tatsächlich innerhalb weniger Tage einen Termin erhalten – vermittelt entweder durch die TSS oder überweisende Hausärzte. Hier soll es Zuschläge auf die Versichertenpauschalen geben, die zwischen 40 und 100 % liegen, und bei Terminumsetzung direkt am Folgetag sogar 200 % betragen sollen. Parallel soll – augenscheinlich aus Sorge vor einer kompensatorischen Ausdehnung der offenen Sprechstunden – diese künftig “weitestgehend” aus der gedeckelten morbiditätsbedingten Gesamtvergütung bezahlt werden. An dem Punkt gibt es besonders viel Unklarheiten, was den KVen in der Umsetzung einen weiten Spielraum gibt. Dr. Gunther Werthmann, der kürzlich erst auf dem BMVZ-Praktikerkongress Praxiswissen zu den TSVG-Fällen vermittelt hat, ist sich sicher, “dass die Praxen und MVZ-Fachbereiche sich auf die geänderte Situation neu ausrichten werden müssen. Die zukünftige Umsetzung der offenen Sprechstunde kann dabei, je nach Umsetzung der Beschlüsse durch die jeweilige KV regelrecht zur Farce werden. Wenn die Abrechnung der pflichtschuldig angebotenen offenen Zeiten der Fachbereiche durch eine Bereinigung auf Arztebene zu einer subjektiven “Bestrafung” der Praxis im Sinne einer Kürzung des RLV führt, werden alte Diskussion, wie bei der Einführung des TSVG wiederaufbrechen.” Zudem sieht er jede Menge offene Fragen durch die beschossene Neuregelung, aber die zentrale Fragestellung sei für die Fortführung der offenen Sprechstunde deren zukünftige Finanzierung: “Nachdem die Pflicht zur offenen Sprechstunde bleibt, die extrabudgetäre Finanzierung aber gekippt wird, macht sich hier nachvollziehbar der von den Ärzten formulierte “Vertrauensbruch” fest.” Quelle der Aussagen ist eine Arbeitshilfe zur Neuregelung der TSVG-Fälle, die der BMVZ zeitnah veröffentlichen wird. Vor dem Hintergrund der drohenden Honorarkürzung bei den TSVG-Fällen hat im Übrigen die Medical Tribune bereits Anfang Oktober – quasi mit Galgenhumor, gleichzeitig aber auch mit viel Faktenwissen – eine Übersicht erstellt, in welchen anderen Bereichen Ärzt:innen extrabudgetäre Honorare generieren können: Extrabudgetäre Leistungen – Fester Preis und ohne Mengenschranke. Der Gesundheitsminister selbst sieht dagegen keinen Anlass zur Klage: “Was es definitiv nicht gebe, seien Leistungskürzungen, so Lauterbach. Die Neupatientenregelung sei ersatzlos gestrichen worden, weil sie nicht funktioniert habe, sondern ein reiner Mitnahmeeffekt gewesen sei. Dagegen habe die Überweisung von Hausärzten und Terminservicestellen an Fachärzte die gewünschten Effekte gebracht, daher habe man hier die Anreize auch verdoppelt.”(~ Quelle).
Der Hausarzt.digital v. 20.10.2022
GKV-Finanzstabilisierungsgesetz GKV-Reform: Das steckt für Ärzte drin
Pressemitteilung der KBV v. 20.10.2022
Aus für Neupatientenregelung: „Beschluss macht Kürzung von Leistungen unvermeidlich und ist ein weiteres fatales Signal in Richtung Praxen“
Konnektorentausch | Wenig Neues, aber noch mehr Durcheinander | gematik veröffentlicht Spezifikation für softwarebasierte Verlängerung
Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (~ BSI) war kürzlich durch eine Fernsehrecherche in den öffentlichen Fokus geraten, in Folge derer dessen Chef, Arne Schönbohm, seinen Platz räumen musste – was indes nur ein Bauernopfer einer größeren politischen Verwicklung zu sein scheint. (~ heise.de v. 26.10.2022). Warum das hier Erwähnung findet? Weil eben jenes BSI auch ein relevanter Player im Konnektorenstreit ist und erneut (wie auch schon in KW31 ~ zur Ausgabe), diesmals hochoffiziell die Frage beantworten musste, ob eine rein softwarebasierte Laufzeitverlängerung tragfähig sei. Der BSI-Vize gab als vorübergehend ranghöchster Amtsvertreter folgende Einschätzung ab: „Einer Verlängerung der Nutzungsdauer von bis zu maximal drei Jahren kann das BSI zustimmen, wenn sich alle beteiligten Akteure bewusst sind, dass sich dadurch das Sicherheitsniveau auf ein zwar grundsätzlich noch tragbares, aber geringeres Sicherheitsniveau absenkt … Eine Verlängerung der Gültigkeit könne durch eine Softwarelösung, die die Betreibergesellschaft Gematik spezifiziert habe, umgesetzt werden.“ Die gematik ihrerseits reagierte (endlich) mit der Veröffentlichung von Spezifikationen, darunter auch – man höre und staune – das ‚Feature Laufzeitverlängerung‘ (als Teil der Konnektor-Änderungsliste Maintenance 22.6 – Stand: 25.10.2022). Man hört quasi das kollektive ‚Hä?‘ vor allem in den Reihen der KBV. Hieß es bisher zumindest offiziell in den gematik-Gremien stets, eine solche Softwarelösung sei wahlweise nicht umsetzbar oder mindestens nicht sicher. Von daher war sie offenkundig den Gesellschaftern der gematik, zu den auch die KBV gehört, bisher auch nicht als realistische Option vorgestellt worden. Vielmehr gründeten alle bisherigen Gesellschafterbeschlüsse, die zumeist auch die KBV mitgetragen hat, darauf, dass der Hardwareaustausch aller 300 Tausend Konnektoren als alternativlos dargestellt wurde. Die KBV reagierte in einer Pressemeldung vom 20. Oktober entsprechend schroff: Marktmodell hat versagt – Sanktionen für Praxen müssen weg – „So müssen unverzüglich und konsequent die Alternativen zum Konnektorentausch geprüft und zeitnah umgesetzt werden. Das Agieren der Industrie ist so nicht mehr tragbar. Es … führt zu enormen Ausgaben von weit über 300 Millionen Euro, bei denen niemand wirklich sicher sagen kann, ob sie notwendig sind.“ ———————————— Praktisch hat das jedoch weiterhin wohl keine Konsequenzen für diejenigen Praxen, deren 5-Jahres-Zertifikat aktuell abläuft. Hier gilt, was wir schon in der letzten Ausgabe an dieser Stelle geschrieben haben: ‚Für die ganz aktuell vom Zertifikatsablauf betroffenen Praxen heißt das, dass ihnen die aktuellen Veröffentlichungen nichts nützten. Perspektivisch ist allerdings denkbar, dass die Aktivitäten der c’t und des CCC genügend Sprengstoff enthalten, um das gematik-System nachhaltig zur Erneuerung zu zwingen. Wie aber gematik und Konnektor-Hersteller konkret agieren werden, hängt nicht zuletzt vom politischen und öffentlichen Druck ab, den die Ärzteschaft, bzw. die gematik-Gesellschafter jetzt aufbauen.‘
Redaktionsnetzwerk Deutschland v. 26.10.2022
Konnektoren in Arztpraxen: BSI hält kompletten Austausch nicht für notwendig
Heise.de v. 26.10.2022
Konnektortausch: Gematik bringt Laufzeitverlängerung wieder ins Spiel
Medical Tribune v. 24.10.2022
KBV schießt gegen Industrie, CCC attackiert Gematik und Konnektorenhersteller | Interview mit dem Hacker
Impfpflicht im Gesundheitswesen | Länder treten gegen die Verlängerung ein, einige lassen die Kontrollen teilweise schleifen
Einige werden sich erinnern: Seit 1. Oktober ist das Impfpflichtthema eigentlich von neuer Relevanz (~ Bericht der KW 37), denn seit dem müssen für jeden neu drei Impfungen/Erkrankungen nachgewiesen werden, um im Sinne des ISfG als vollständig geimpft zu gelten. Praxismitarbeiter:innen mit lediglich zwei Nachweisen drohen dieselben Bußgelder und Tätigkeitsverbote wie Ungeimpften. Allerdings hat das ZDF bereits Ende September in einer Recherche zusammengetragen, dass ‘die Impfpflicht zur Nullnummer wird’ – ZDF Heute v. 22.09.2022, denn ‘die ersten Bundesländer beginnen, sie nicht mehr vollständig umzusetzen.‘ Namentlich Baden-Württemberg und Bayern erklärten schon zu dem Zeitpunkt, dass “daher bei Personen, die bereits in den Einrichtungen tätig sind, keine erneute Vorlage eines Immunitätsnachweises verlang[t wird].” Vor einigen Tagen haben die beiden Länder im Verbund mit Sachsen und Thüringen nun einen offenen Brief ans BMG geschickt, mit dem das Ende der Impfpflicht im Gesundheitswesen gefordert wird – welches, würde der Gesetzgeber nicht nachsteuern, am Jahresende ansteht. Die parteiübergreifende Länderinitiative ist daher der Anstoß zu einer Kampagne gegen die Verlängerung, die sich Minister Lauterbach jedoch ‘in Abhängigkeit der Verlaufs der Herbst-/Winterwelle’ noch offen hält. Die vier Südländer unterstützende Wortmeldungen kamen in der Folge auch aus Bremen (~ Bericht v. 24.10.), Saarland (~ Bericht v. 28.10.), Hamburg (~ Bericht v. 24.10.) oder Mecklenburg-Vorpommern (~ Bericht v. 30.10.). Doch obwohl sich selbst die die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung – Claudia Moll (SPD) | ZDF Heute v. 24. Oktober – wie auch schon DKG und KBV gegen die Verlängerung der Impfpflicht ausgesprochen haben, muss es derzeit als offen gelten, was hier an Anforderungen auf die Einrichtungen ab 1. Januar zukommt. Fakt ist dagegen, dass in den mit der Prüfung betrauten Gesundheitsämtern augenscheinlich nach wie vor die ganze Bandbreite zwischen Laissez-Faire und Bürokratismus zu finden ist – soll heißen, in Abhängigkeit von den regionalen Vorgaben, die teilweise von Landkreis zu Landkreis abweichen, wird entweder kaum geprüft oder es werden gerade jetzt diverse Betretungs- oder Tätigkeitsverbote verhängt, weil die im Frühjahr eingezogenen komplexen Prüfhürden zeitlich zu ihrem Abschluss kommen – siehe bspw. die Meldung v. 23. Oktober: Erstmals im Saarland: Regionalverband Saarbrücken verhängt Arbeitsverbote für Ungeimpfte. Aus Sicht der betroffenen Arbeitgeber wie Arbeitnehmer zeigt sich darin fortgesetzt die von Beginn an kritisierte Unberechenbarkeit des Verfahrens. Der Ausgang über den Jahreswechsel hinaus muss aktuell als offen gelten.
Ärzteblatt v. 21.10.2022
KBV sieht Impfpflicht im Gesundheitswesen als drohende Belastung
Bayrischer Rundfunk v. 20.10.2022
“Mehr Schaden als Nutzen”: Länder für Ende der Teil-Impfpflicht
ÄrzteZeitung v. 17.10.2022
Bundesregierung: Laufzeit der Corona-Impfpflicht wird weiterhin geprüft
Belastung durch steigende Energiekosten | Viel Geld und noch viel mehr Fragen
Mit der Genehmigung des hunderte-Milliarden-Euro ‚breiten Schutzschirmes‘ ist der Bundestag am 21. Oktober 2022 einer Empfehlung aus dem Zwischenbericht der „ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme“ nachgekommen und hat die entsprechende Finanzierung von Entlastung bei Gas und Strom freigegeben. Bezahlt werden sollen damit neben der Gaspreisbremse auch Teile der gleichfalls geplanten Strompreisbremse sowie Hilfen für Unternehmen und die Stabilisierung von Gasimporteuren, die durch die Energiekrise in Schieflage geraten sind. Allerdings ist weiterhin völlig unklar, wer, was und wie eigentlich konkret finanziert werden soll. Nur eines steht fest: Arztpraxen und MVZ stehen diesbezüglich – anders als etwa Krankenhäuser – weiterhin nicht in einem besonderen Fokus, obwohl deren Hilferuf lauter wird – Kassenärzte: Strompreisbremse für Praxen. Immerhin hat auch der bayrische Gesundheitsminister die ambulante Versorgung bei dem Thema zuletzt gleichberechtigt mitgedacht: „Es brauche daher “jetzt dringend” einen Rettungsschirm, unter dem sich Krankenhäuser, Vorsorge- und Reha- sowie Pflegeeinrichtungen und weitere medizinische Einrichtungen wie niedergelassene Arztpraxen gleichermaßen versammeln könnten.“ (~ DPA-Meldung vom 16.10.2022). Die Regierung berät derweil die Details der Maßnahmen, die Entlastung bringen sollen und hat dabei wesentliche Empfehlungen der Kommission auch direkt wieder über den Haufen geschmissen. Der Vorschlag der Expertenkommission sah vor, dass ab Januar 2023 Unternehmenshilfen fließen sollen und es ab März 2023 eine Preisdeckelung für Gas und Fernwärme gibt (~ Bericht der Kommission) – im Dezember sollten zudem für alle betroffenen Endverbraucher inkl. ‚kleinerer Firmen‘ die Gaskosten in Höhe des Septemberabschlages übernommen werden. Von diesem Bezugspunkt ist die Regierung aber inzwischen ebenso wieder abgerückt, wie in Frage gestellt wird, ob man nicht-industrielle Verbraucher nicht auch bereits am Januar entlasten müsste und könnte. Einen vorläufigen Erkenntnisgewinn wird in dieser Causa für 02. November erwartet – dann soll die Ressortabstimmung abgeschlossen sein und ein gemeinsamer Kabinettsentwurf von Rot-Gelb-Grün vorgelegt werden. Allerdings beginnt dann ja erst das parlamentarische Verfahren, das seinerseits noch viel Diskussionsstoff und Änderungspotential bieten dürfte. —————————————- Es steht also derzeit überhaupt nichts fest. Insbesondere bleibt bisher auch die Frage unterbelichtet, inwiefern in der Abgrenzung zwischen Industrie/Gewerbe einerseits und Privatverbrauchern andererseits die Arztpraxen und MVZ Berücksichtigung finden. Die Gaspreisbremse für die Industrie soll ‚für etwa 25.000 Unternehmen gelten – für große industrielle Verbraucher (mehr als jährlich 1,5 Mio. kWh ), die über eine geregelte Lastgangmessung (RLM) verfügen.‘ Hier findet sich die ambulante Versorgung naturgemäß schon einmal nicht wieder. Andererseits ist im Kontext der Privatverbraucher stets nur von ‚sehr kleinen Unternehmen‘ die Rede, d.h. hier gibt es vermutlich mit Blick auf den Mittelstand eine auffällige Lücke, in die auch viele MVZ, bzw. MVZ-Träger gehören dürften. Einen kleinen Lichtblick gibt es aber: Denn die Kommission empfiehlt auch, dass von Finanzämtern „ohne strenge Nachweispflichten … im Einzelfall auf Antrag fällige Steuern gestundet, Vorauszahlungen zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer angepasst sowie Vollstreckungsaufschub gewährt werden [sollen].“ Zumindest dies scheint auch schon fix zwischen den Ländern abgestimmt zu sein. Ganz aktuell und für betroffene Gaskunden unmittelbar zahlungsrelevant, verweist zudem die Verbraucherzentrale auf den Fakt, dass eine Verrechnung der bisherigen Gasumlage mit den Preiserhöhungen durch den Zulieferer nicht zulässig ist. (~Verbraucherzentrale | Gaspreisbremse)
[Update v. 3. November]
Die Bund-Länder-Konferenz vom Dienstag (02.11.2022) hat zahlreiche relevante Detaileinigungen zu Gas- und Strompreisbremse gebracht (~ Beschlusspapier öffnen). Bei der Lektüre der Berichterstattung dazu ist jedoch zu beachten, dass ihr keinerlei Normsetzungsmacht zukommt. Auch wenn wahrscheinlich viele Einigungen Bestand haben dürften, gelten die Beschlüsse erst, wenn sie Bundestag und Bundesrat passiert haben. Mit Änderungen im Detail ist daher weiterhin zu rechnen.
ZDF heute v. 26.10.2022
Gas-Hilfe kommt wohl im Dezember
BR24 v. 20.10.2022
Mittelstand: Energiepreis-Schock schlimmer als Corona-Pandemie
Hausärztliche Präventionsleistung | Mind-Up zum Gesundheits-Check-Up
Anderthalb Jahre ist es jetzt her, dass der GBA beim sogenannten präventiven Check-Up die Regeln verändert hat (~ GBA: Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinie) – insbesondere wurde der Anspruchszeitraum von bis dato alle zwei Jahre auf einen 3-Jahresrhythmus verlängert. Zu September 2021 sind dann mit dem Screening auf Hepatitis ganz neue Präventationsleistungen einbezogen worden, wie auch schon im Sommer 2020 mit dem Check auf Bauchaortenaneurysmen bei Ü65-Patienten. Da zur Pandemiezeit jedoch Präventationstermine in vielen Praxen nachweislich einen geringeren Stellenwert hatten, ist davon auszugehen, dass hier viel Nachholbedarf besteht. Zur Erinnerung: „Die Gesundheitsuntersuchung wird ohne Mengenbegrenzung zum festen Preis honoriert. Die Vergütung erfolgt extrabudgetär. Für die Abrechnung gibt es im EBM die GOP 01732 (= 36,73 €). Diese darf von allen zugelassenen Allgemeinmedizinern, Hausarztinternisten und praktisch tätigen Ärzten abgerechnet werden.“ Laborleistungen sind gesondert berechnungsfähig. Die KV-Hessen hat diese Umstände in der Oktoberausgabe ihres Mitgliederjournals (unten verlinkt) zum Anlass genommen, bezüglich der Abrechnungsmöglichkeiten sowie zu umschiffender Stolpferfallen aufzuklären und übersichtlich darzustellen. Ergänzend sei auf die sechsseitige Praxis-Info der KBV zu verweisen (Check-Up | Neu: Screening auf Hepatitis B und C Stand 9/2021). Je nach Kapazitäten kann es lohnen, im eigenen Patientenstamm das Check-Up-Angebot zu Lasten der Kassen aktiv anzusprechen. Nützlich sind dafür sowohl die Information des BMG (Vorsorgen mit dem Gesundheits-Check-up), als auch der Wartezimmerflyer der KBV (PDF). Es gilt: Erwachsene Versicherte bis 34 Jahre haben einmalig Anspruch. Ab Vollendung des 35. Lebensjahres kann die ärztliche Gesundheitsuntersuchung je Patient:in alle drei Jahre erbracht und abgerechnet werden. Ob sich die Untersuchung in der Makroperspektive lohnt – wie der Bayrische Rundfunk (Beitrag v. 18.07.2022) aus medizinischer Sicht hinterfragt, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt.
Auf den Punkt | Mitgliederzeitschrift der KV Hessen (Heft 9/2022)
Gesundheits-Check-Up richtig abrechnen (im PDF Seiten 32ff)
Ärzteblatt v. 23.09.2022
Neuer Check-up für die Leber: Warum Hepatitis-Tests so sinnvoll sind
Das MVZ als Politikum | Wer im Herbst 2022 Was, Wie und Warum gesagt hat
Mehrfach wurde es an dieser Stelle bereits thematisiert: Das MVZ als politisch-ideologisches Streitobjekt der verschiedensten Ebenen von Gesundheitspolitik und Selbstverwaltung im Gesundheitswesen ist fortgesetzt höchstpräsent in der fachspezifischen, aber auch in der allgemeinen Medienlandschaft. Tatsächlich steht dieses hohe Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit jedoch in einem augenfälligen Missverhältnis zu den tatsächlichen Tat- bzw. Reformabsichten des zuständigen Gesetzgebers. Es scheint daher nicht zu weit hergeholt zu vermuten, dass die öffentliche Debatte auch gerade deshalb so laut und vehement ‚am Köcheln‘ gehalten wird, weil es aus Bundestag und BMG derzeit keine Signale gibt, beim MVZ-Thema aktiv zu werden. In der Befragung der Bundesregierung vom 12. Oktober erklärte Dr. Lauterbach: „Wir sind am Vorabend wichtiger Gesetze. Ich will hier nur numerisch ganz kurz zusammenfassen, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten insgesamt zwölf Gesetze ans Netz bringen werden, über die wir dann mit Ihnen diskutieren werden.“ – welche 12 das sind, können Interessierte im Plenarprotokoll (~ als PDF öffnen, dort Seite 11 unten, bzw. Seite 12 linke Spalte) im Wortlaut nachlesen. Spoiler: Die ambulante Versorgung findet darin nur in Form der drei Stichworte e-Rezept, e-Patientenakte und Gesundheitskiosk Erwähnung. Umso relevanter ist es zu beobachten, dass es innerhalb der außer-parlarmentarisch geführten MVZ-Diskussion zunehmend konstruktive Debattenbeiträge gibt. Hierzu zählt etwa der Text des bis vor kurzem beim BSG (auch) für MVZ zuständigen Richters Prof. Ulrich Wenner im Politik-Magazin der KBV: Lassen sich investorbetriebene MVZ verbieten? – ein Kurzaufsatz, der für juristische Laien verständlich beleuchtet, welche Hürden einem (Teil-)Verbot einzelner Trägergruppen entgegenstehen. Konstruktiv war auch das MVZ-Papier des vdek vom Sommer 2022 (~ zum Archiv – Bericht der KW 33), das Reformvorschläge von der These aus entwickelt, dass “Finanzinvestoren weiter ihren Platz in der ambulanten Versorgung haben.” – und das das Ärzteblatt Anfang Oktober zum Ausgangspunkt einer analytischen Zusammenfassung des gegenwärtigen Debattenstandes – inkl. Kommentierung durch den BMVZ – nahm (Link unten). Daneben gibt es diverse Wortmeldungen, die – unter Verwendung zahlreicher Konjunktive, da Basis weiterhin vor allem gefühlte, nicht belegbare Sorgen/Bedrohungen sind – Beschränkungen fordern: Augenärzte-Verband fordert Maßnahmen gegen Monopolbildung | Hausärzte-Chef Beier gegen Rosinenpickerei durch MVZ | Landtag will Investoren beim Kauf von Arztpraxen bremsen | Delegierte wollen Vorrang für Vertragsärzte vor Investoren. Nach wie vor steht auch die von der Gesundheitsministerkonferenz geforderte, aber bisher nicht eingerichtete Bund-Länder-Arbeitsgruppe quasi als unsichtbarer Elefant im Raum (~ Konferenz- Beschluss vom 22./23. Juni 2022).
Die Debatte bleibt also virulent. Sie hat jedoch jüngst auch eine neue Farbe bekommen, als sich auf Initiative des BBMV, ein Zusammenschlusses von aktuell 16 humanmedizinischen MVZ-Betreibern mit Investorenbezug (~ Eintrag im Lobbyregister des Bundestages), knapp hundert namentlich unterzeichnende und in diesen Zentren angestellt tätige Ärzte dagegen wehren, ständig durch die unbelegten Anwürfe in ihrer ethischen und beruflichen Integrität verunglimpft zu werden: „Wir stehen dafür ein, dass die ärztliche Unabhängigkeit in medizinischen Entscheidungen gewahrt ist – unabhängig davon, ob der Träger oder Inhaber des MVZ eine Gruppe von Ärztinnen und Ärzten, ein Krankenhaus oder eine Beteiligungsgesellschaft ist. Wir verwahren uns gegen Äußerungen, die den Anschein erwecken, wir würden dieser Aufgabe nicht nachkommen.“ Eingefordert wird von Politik und Standesvertretern ein Gespräch mit diesen Ärzt:innen, statt über sie. Anders konstruktiv hat sich schon im Juli der Koordinator der Bundes-AG Gesundheit der FDP geäußert (~ mehr zur Person) – was natürlich wegen der Regierungsbeteiligung der FDP bemerkenswert ist: „Falsch wäre es, MVZ-Strukturen … grundsätzlich zu hinterfragen und Investitionen der Privatwirtschaft zu verteufeln. (…) Wichtig … ist jedoch: Versorgungsqualität, Wettbewerb und nicht zuletzt ärztliche Weisungsfreiheit …“ Viele aktuell diskutierte Vorschläge seien diesbezüglich aber „erkennbar wenig zielführend.“ Der Gesundheitspolitiker macht daher drei Vorschläge, um den Auswüchsen arztfremder MVZ-Investments vorzubeugen, die sich abseits der gewohnten Bahnen der MVZ-Kritiker bewegen. Einer dieser Vorschläge ist es, die 2015 eingeführte Option des fachgleichen MVZ wieder zurückzunehmen.
Alles in allem zeigt der Sommer/Herbst 2022 damit, dass die Debatte zum ‚MVZ als Politikum‘ im wahrsten Sinne des Wortes ‚lebt‘, dass nicht nur Polemiken gegen MVZ Gehör finden, sondern dass auch Raum entsteht, sich differenziert(er) über notwendige oder wünschenswerte Optimierungspotentiale auszutauschen und dass neue Akteure, wie etwa der Ersatzkassenverband, auf den Plan treten. Was das freilich für die Frage bedeutet, ob und wie der Gesetzgeber hier eventuell eine MVZ-Novellierung in 2023/24 angeht, lässt sich aus diesem Befund nicht ableiten. Als Bundesverband der MVZ werden wir daher weiter aufklären, sensibilisieren und ent-dramatisieren. Grundsätzlich geht es uns darum, aufzuzeigen, dass jedes MVZ mit der ‘Lizenz zur Versorgung’, die es über die Zulassung erhält, Rechte- und Pflichtenträger im vertragsärztlichen System ist, und dass regelhaft die MVZ – gleich welchen Trägers – diese Verantwortung auch in beide Richtungen ernst nehmen. Die unverhältnismäßig stark auf die kleine Gruppe so genannter medizinferner Investoren als MVZ-Träger fokussierte aktuelle Debatte verstellt hier unserer Überzeugung nach den Blick darauf, welchen Versorgungsbeitrag MVZ im ambulanten Alltag vor Ort in den Praxen tagtäglich leisten.
Ärzteblatt v. 06.10.2022 (Heft 40/2022)
MVZ: Vielfältige Versorgungslandschaft mit klaren Regeln sichern
ÄrzteZeitung v. 20.10.2022
MVZ-Ärztinnen und -Ärzte sehen sich durch Standesvertreter „verunglimpft“