Einrichtungsbezogene Impfpflicht| Neues Ungemach für Arbeitgeber/Arbeitnehmer ab 1. Oktober?
Manche Regeln klingen so fremd (oder befremdlich) – die müssen einfach neu (oder noch gar nicht beschlossen) sein! Aber nein, bereits am 18. März 2022 ist über die Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom Bundestag entschieden worden (~ Volltext des Gesetzes / dort Änderung von § 22a ISfG), dass ab Oktober nicht länger zwei Impfungen ausreichen, um den Status ‘vollständig geimpft’ zu erfüllen, sondern dass es derer dann drei braucht. Dies impliziert auch, dass mit Blick auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die den MVZ und Praxen schon im Frühjahr so viel administrative Freude bereitet hat, im Grunde der Impfstatus aller Mitarbeiter neu zu erheben ist – nämlich ergänzt um die Frage, ob es die dritte Spritze oder – alternativ – eine dokumentierte Covid-Infektion seit dem gegeben hat. Es wird sicher nicht wenige Fälle geben, wo Arbeitgeber hier Überzeugungsarbeit werden leisten müssen, dass die erneute Impfung auch deshalb lohnt, weil sonst selbst bei doppelt geimpften Personal das Thema Meldung an das Gesundheitsamt, Bußgeld, Betretungsverbot ansteht. Insofern scheint es lohnend, mit der Information der Mitarbeiter, bzw. mit der erneuten Statuserfassung nicht erst bis Mitte September zu warten … Welche Fallkonstellationen außer der Dreifachimpfung noch gelten, um den Status ‘grundimmunisiert’ auch über den 1. Oktober 2022 hinaus zu erhalten, erklärt das BMG ins einen Impf-FAQ unter der Zwischenüberschrift Grundimmunisierung: Wie viele Impfungen sind notwendig, um als „vollständig geimpft“ zu gelten?
Medscape v. 17. August 2022
Gelten Sie offiziell als voll geimpft? Ab 1. Oktober ändert sich der Impfstatus – was das für Ärzte und Patienten bedeutet
Biblomed Pflege v. 16. August 2022
Einrichtungsbezogene Impfpflicht: SRH kritisiert aktuelle Gesetzgebung scharf
Apotheke Adhoc vom 22.03.2022
Neues Infektionsschutzgesetz: Ab Oktober: Drei Antigenkontakte für vollständigen Immunschutz
Umsetzungshilfen | Weitere Stufe der IT-Sicherheitsrichtlinie seit Juli 2022 scharf gestellt (MDM-Pflicht)
Da war doch was? Seit mittlerweile 20 Monaten müssen alle Praxen nachweisen können, die Mindestvoraussetzungen gemäß IT-Sicherheitsrichtlinie der KBV, bzw. der KZBV zu erfüllen. Dabei handelt es sich im Prinzip um eine Art Pflicht-Checkliste, zur Selbsthinterfragung, ob grundlegende Maßnahmen von Datenschutz- und Sicherheit im Praxisalltag beachtet werden (~ BMVZ-Arbeitshilfe: IT -Sicherheitsrichtlinie: unüberwindbarer Mehraufwand?). Dass das im Einzelfall so ist, muss dokumentiert werden. Praxen, die entsprechende Nachweise nicht vorlegen können, stehen im Ernstfall schlecht dar, wie der KBV-Vorsitzende Kriedel im Februar 2021 ausführte: “Wir reden hier von einer vertragsärztlichen Verpflichtung. Der Vertragsarzt ist dafür verantwortlich, dass seine Praxis die Sicherheitsrichtlinie umsetzt. Und er unterliegt der Datenschutzgrundverordnung. Das heißt, wer die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umsetzt, haftet, wenn es Probleme gibt.” Zudem hat gerade auch die DSGVO den Behörden die Möglichkeit gegeben, hohe Strafen durchzusetzen und Sanktionen nach dem Straf- und Berufsrecht sind ebenfalls denkbar. ——————————– Für einige Themen gab es Übergangsfristen, von denen am 1. Juli 2022 wieder eine abgelaufen ist. Für alle mittelgroße und große Praxen ist seit dem auch das Vorhalten eines MDM – Mobile Device Management – Pflicht. Und Achtung (!), mittelgroß im Sinne der Richtlinie ist jede Praxis, bei der mindestens sechs Personen regelmäßig mit Datenverarbeitung betraut sind. Sprich mit wenigen Ausnahmen sämtliche MVZ und BAG. Ein guter Zeitpunkt, um noch einmal zu hinterfragen, ob auch alle früheren Punkte im eigenen Haus erfüllt sind ~ Checkliste öffnen | ab Seite 4 im PDF. Eine auch im Vertragsarztbereich nutzbare, sehr gute und vollständige Umsetzungshilfe bietet im Übrigen die KZBV mit ihrem Leitfaden zu Datenschutz und IT-Sicherheit in der Zahnarztpraxis (PDF | 84 Seiten). Auch die Onlineangebote zum Nachschlagen (~ direkt zu) sind bei den Zahnärzten deutlich hilfreicher, als die eher lieblos aufbereiteten Seite der KBV (~ direkt zu). Nützlich war und ist zudem eine Artikelserie im Mitgliederjournal der KV-Schleswig-Holstein, von der jedoch nur noch die letzten Teile im frei zugänglichen Archiv abrufbar sind: Teil 5 Löschen & Vernichten von Informationen – Im PDF Seiten 27ff.| Teil 6 Diesmal wird es amtlich I – im PDF Seiten 25ff.| Teil 7 – Diesmal wird es amtlich II – im PDF Seiten 21ff. Warum das – neben dem, dass es eine Pflichtvorschrift ist, so wichtig ist? “Jeder zweite Arzt, Zahnarzt oder Apotheker [denkt], dass sein Unternehmen zu klein wäre, um in den Fokus von Cyber-Kriminellen zu geraten. (…) 80 Prozent der Teilnehmenden an der Studie denken zudem, dass sie ausreichend gegen Cyberkriminalität geschützt sein würden. Dass das nicht der Realität entspricht, zeigt der Test, der im Zuge des GDV-Branchenreports durchgeführt wurde: Demnach wurden in fast 90 Prozent der getesteten Praxen bei mehreren Benutzern dieselbe Zugangskennung mit sehr einfachen oder gar keinen Passwörtern genutzt.” (~ zur Quelle)
Presseinformation des GDV v. 22.08.2022
Im Mittelstand steigt das Interesse an Cyberversicherungen
Medscape v. 20.07.2022
„Praxen werden erpresst“: IT-Experte gibt Tipps, wie Sie Ihre Praxis vor Hackerangriffen schützen – Drucker sind Schwachstellen
Energiepreispauschale | Lohnabrechnung im September deutlich komplizierter – Unruhe vorbeugen
Es kann an dieser Stelle nicht Ziel sein, die Lohnabrechnung zu erklären – bei der es im September 2022 tatsächlich einige Besonderheiten zu beachten gibt. Vielmehr geht es darum, dafür zu sensibilisieren, dass die sogenannte Energiepreispauschale in vielen Unternehmen und eben auch Praxisteams irgendwie in aller Munde ist; gleichzeitig aber nur wenige wissen, was konkret das für Arbeitnehmer und Arbeitergeber bedeutet. Es geht also darum, durch gezielte Information, unnötige Unruhe im Team zu vermeiden – aber auch darum, gerade im Bereich der tendenziell eher niedrig entlohnten MFA aufzuklären, dass die von der Regierung zugesagten 300 € zumeist eine echte Mehrzahlung sind, die bei vielen Arbeitskräften mit durchschnittlichem Gehalt auch nicht später mit der Steuererklärung wieder einkassiert wird. Regulativer Hintergrund ist das Steuerentlastungsgesetz 2022 vom Mai (~ mehr dazu), mit dem die Einmalzahlung beschlossen wurde. Selbst den Lohnbüros sind aber bis heute viele konkrete Durchführungsdetails unklar. Suchen Sie hier ggf. proaktiv das Gespräch. Klar ist, dass Arbeitgeber mit der Zahlung erst einmal in Vorleistung gehen müssen, d.h. sie bekommen sie rückwirkend über eine entsprechende Summenreduktion mit der Lohnsteueranmeldung erstattet. Im konkreten Betriebsalltag sind es daneben wohl eher die Sonderfälle unter den Anspruchsberechtigten, die Sorgen und Aufwand machen. Minijobber, Mitarbeiter mit Kranken- oder Elterngeldbezug, Mitarbeiter, die irgendwann in 2022 einmal bei Ihnen tätig waren, nicht aber am 1. September … es empfiehlt sich, hier rechtzeitig für Aufklärung im Team zu sorgen. Auch darüber, unter welchen Umständen Mitarbeiter von ihnen zwar Anspruch haben, aber eben keine Zahlung im September erhalten – sondern den Anspruch über ihre Steuererklärung im nächsten Jahr rückwirkend geltend machen müssen. Arbeitgeber, die hier ihr Personal transparent mit Information und ggf. Erinnerung, wenn es soweit ist, unterstützen, können dabei sicher einige Karma-Punkte sammeln.
Haufe.de v. 04.08.2022
Einmalige Energiepreispauschale: Was Arbeitgeber wissen müssen
Ärztezeitung v. 11.08.2022
FAQ zur Energiepreispauschale: Was Ärzte zur Lohnabrechnung wissen sollten
Bundesfinanzministerium v. 20.07.2022
FAQs ‘Energiepreispauschale’
Digitalisierung | eRezept – das neuste Update !?
Die Probleme bei allen anderen eAnwendungen tendenziell ignorierend, gilt das eRezept politisch weiter als Erfolg. Der sogenannte flexible Rollout steht denn auch kurz bevor (~ FAQ der gematik zur Testphase). Berührt sind primär die Regionen Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein, allerdings herrscht auch hier kein Zwang. Eine entsprechende Zusammenfassung hatten wir bereits in der KW29 gegeben: eRezept-Rollout: Was jetzt konkret gilt | Förderprogramm der eRezept-Enthusiasten – daran hat sich bis heute nichts geändert. Es gilt weiterhin, alle können, niemand muss … aber wünschenswert wäre es schon. Gleichzeitig ist allen Beteiligten bewusst, dass das eRezept vorerst eine digitale Scheininnovation ist, denn die ganz überwiegende Mehrheit der Verordnungen wird via Tokenausdruck weiter als Papier von Praxis zu Apotheke übertragen. Davon wollen die Testregionen aber gerade wegkommen, denn, so führt die Kieler KV-Vorsitzende Schliffke aus, “ansonsten [entsteht] kein Mehrwert. Im Gegenteil, Ausdrucke sind zeitaufwendig, teuer und ressourcenverschwendend.“ Während Westfalen-Lippe plant, vor allem den medienbruchfreien Übertragungsweg mittels eGK zu testen, sieht Schleswig-Holstein primär vor, den QR-Code digital zu übermitteln – wohl wissend, dass nur wenige Patienten bisher über eine für den Datentransport technisch geeignete eGK verfügen. Am 16. August titelte die Pharmazeutische Zeitung: “Westfalen-Lippe: Nur 150 Praxen sind bereit für den E-Rezept-Start” – darin der versteckte Vorwurf, dass zum 1. September zwar bundesweit alle Apotheken eRezept-ready sein müssen, aber eben nicht mal alle Ärzte der Testregionen. Die KV WL wird in dem Artikel zitiert, dass sie “derzeit … zum Start am 1. September mit maximal 250 Praxen [plant], um einen direkten und engen Support bei der Einführung leisten zu können.” Bis zum 1. Oktober wolle die KV dann den Kreis der Teilnehmenden höchstens verdoppeln. Dies verdeutlicht, dass auch in den Testregionen wirklich auf Freiwilligkeit und Überzeugungskraft gesetzt wird. Ein Anreizsystem, über das zuletzt in der gematik-Gesellschafterversammlung diskutiert wurde, ist entsprechend nicht vorgesehen.
Ärzteblatt v. 22.08.2022
Elektronisches Rezept: Einführung mit Defiziten
Der Hausarzt v. 16.08.2022
Interview mit Dr. Ozegowski (BMG): “Wir sehen keine Sanktionen für Ärzte vor”
| UPDATE v. 22. August | “Man wolle die Praxen nicht in eine Datenschutz-Falle laufen lassen.” | Die KV Schleswig-Holstein teilt mit, dass sie sich bis auf Weiteres aus der Rollout-Phase des eRezeptes zurückzieht. Allerdings sei dies kein freiwilliger Schritt, weil man KV-seitig mit dem Projekt Probleme hätte. Vielmehr hat der schleswig-holsteinische Landesdatenschützer untersagt, dass Arztpraxen ihren Patienten den eRezept-QR-Code per SMS oder Mail-Anhang zuschicken. “Dies gilt auch für den Fall, dass ein Patient/eine Patientin dem Übermittlungsverfahren persönlich zugestimmt hat und Sie das Einverständnis in Ihrer EDV dokumentiert haben” – zitiert die KV den Datenschützer in ihrer Pressemitteilung (~ direkt zu). Dies aber war der Weg, den Schleswig-Holstein testen wollte, da immer noch viel zu wenig NFC-fähige eGKS im Umlauf seien, um das Rezept auf diesen zu speichern. Die Mitteilung schließt mit den Sätzen: “Die Situation ist außerordentlich bedauerlich, hatten die Praxen doch erstmals Aussicht auf eine nutzbringende TI-Anwendung. (…) Die KVSH wird sich unterstützend wieder einschalten, wenn ggf. durch Gesetzesanpassungen und/oder technische gematik-Aktivitäten eine Entbürokratisierung für Praxen und eine Alltagstauglichkeit absehbar ist.” Was diese Entwicklung insgesamt für den eRezept-Rollout bedeutet, werden die nächsten Tage zeigen.
Konnektorenstreit | Austausch oder Nicht-Austausch?
In einem muss man der KZBV zustimmen, die Kommunikation rund um den anstehenden Konnektorenwechsel ist mit ‘wirklich schlecht’ noch gut beschrieben (~ gematik darf sich nicht hinter Gesellschaftern verstecken!) – allerdings würden wir den Vorwurf nicht nur auf die gematik beziehen. Während die KBV zwei Tage nach der Gesellschafterversammlung vom 2. August noch mitteilte: Der Druck wächst: gematik prüft Alternativen beim Konnektorentausch – Compugroup senkt den Preis, folgte rund eine Woche später, am 11. August, die Meldung durch die KBV: CGM-Konnektoren müssen ausgetauscht werden, denn „die Gesellschafterversammlung der gematik hat unseren Antrag auf eine Neubewertung möglicher Alternativen zum Konnektorentausch leider abgelehnt.“ Offensichtlich hat das BMG als Mehrheitsgesellschafter hier verspätet, also nicht bereits am Tag der Gesellschafterversammlung (2.8.) sein Veto gegen die Alternativenprüfung, die von BÄK und KBV beantragt worden war, eingelegt. Warum, wieso, weshalb? Hierzu gibt es weder seitens des BMG noch der gematik einen Kommentar. Im Ergebnis empfiehlt die KBV am 11. August: „allen Praxen, die von der CGM angeschrieben werden und deren Konnektor-Zertifikat demnächst ausläuft, die Geräte gegen neue – gegebenenfalls auch von einem anderen Hersteller – austauschen zu lassen und sich mit ihrem Dienstleister vor Ort in Verbindung zu setzen.“ Aktuell gebe es zum Konnektorentausch keine Alternative. Nur bei den Anbietern der Konnektoren besteht grundsätzlich eine Auswahlmöglichkeit. Einen ähnlichen Aufruf hatte die KV Westfalen-Lippe bereits am 9. August geschaltet: Konnektoren jetzt austauschen – Refinanzierung ist gesichert!. Die KV Berlin erklärt etwas nachvollziehbarer (~ zur Mitteilung vom 16. August): “Im September läuft bei den ersten Konnektoren die Zertifizierung aus. Inwieweit sich die fünfjährige Zertifizierung ohne Austausch des Konnektors verlängern lässt, ist zum jetzigen Stand nicht geklärt, frühestens Ende August wird hierzu ein neuer Kenntnisstand erwartet …. Deshalb gilt: Betroffene Praxen müssen jetzt handeln, denn Konnektoren ohne Zertifizierung verlieren ihren Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI).” Und ja, das ist das Dilemma der betroffenen Praxen und MVZ: In dem Moment, wo das Zertifikat abläuft, ist eine Verbindung zur Telematikinfrastruktur (und allen damit verbundenen Diensten) nicht mehr möglich. Während das politische Berlin also fröhlich weiter diskutiert, bleibt den Praxen, die im herbst 2017 mit unter den ersten TI-Anwendern waren, wirklich nichts anderes, als ihren Konnektor in Schrott umzuwidmen und sich einen neuen hinstellen zu lassen. Aber hej: Wie die KBV am 11. August auch schreibt: Sie haben immerhin die Freiheit, gegebenenfalls den Hersteller zu wechseln …!?
Ärzteblatt v. 16. August 2022
Gematik dementiert Vermeidbarkeit von Konnektoraustausch
ZM online v. 16.08.2022
Streit um Konnektoraustausch eskaliert
KBV v. 11.08.2022
CGM-Konnektoren müssen ausgetauscht werden
änd v. 02.08.2022
gematik will Alternativprüfung zum Konnektorentausch vorlegen
MVZ als Politikum | Verband der Ersatzkassen mit neuem Ansatz zu “Investoren-MVZ”
Es sind Sommerferien in Süddeutschland … und das merkt man: Auffällig ‘fehlen’ seit einiger Zeit die beständigen Angriffe gegen MVZ und die reflexhafte Aufforderung an den Bundesgesetzgeber, hier doch endlich regulatorische Beschränkungen einzuziehen. (~ KW31| MVZ als Politikum … immer wieder die Bayern). Prompt füllen andere Akteure diese Lücke. Allerdings lässt der aktuelle Aufschlag des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) aufhorchen. Die Überschrift des gemeinsamen Papiers von Barmer, DAK, TK (und weiteren) lautet “MVZ in der Trägerschaft von Finanzinvestoren: Vielfalt sichern – Fehlentwicklungen beseitigen” ~ Volltext als PDF öffnen. Es beginnt – Achtung, hier kommt der wesentliche Unterschied zu den bayrischen Äußerungen – mit der Feststellung, dass MVZ und fachübergreifende BAG als moderne Versorgungsstrukturen gebraucht werden und dass wegen der Notwendigkeit, externes Kapital einzusetzen, “Finanzinvestoren weiter ihren Platz in der ambulanten Versorgung haben.” Allerdings wurde von der Mitgliederversammlung des vdek im Juli, die das Papier verabschiedet hat, deutlich weitergedacht. Als Kernproblem wurden regionale, fachrichtungsbezogene Monopole identifiziert, die man mit Zulassungsbeschränkungen verhindern will, die am prozentualen Anteil, den MVZ-Träger an der Versorgung des Fachs in der Region haben, festgemacht werden sollen. Dabei wird ein doppeltes Kriterium vorgeschlagen, wonach ein Planungsbereich gesperrt würde, wenn ein MVZ-Träger mehr als 40 % der Arztsitze, zwei oder drei Träger mehr als die Hälfte der Sitze oder vier oder fünf Träger zwei Drittel aller Sitze hielte. Angedacht ist auch ein Ermessenspielraum der Zulassungsausschüsse, um etwa in städtischen Bereichen die Prozentzahlen nach unten zu korrigieren oder in unterversorgten Regionen dennoch weitere MVZ zuzulassen. Parallel sollen über regulatorische Vorgaben zum Leistungsumfang, den ein MVZ zu erbringen hat, fehlerhafte Honoraranreize korrigiert werden können sowie die Ärztliche Leitung und die Unabhängigkeit der Therapiefreiheit gestärkt werden. Auch von mehr Transparenz über eine Kennzeichnungspflicht ist die Rede. —————- Alles in allem also ein sehr differenziertes Papier, denn “ein Ausschluss bestimmter MVZ-Träger ist … aus Sicht der Ersatzkassen der falsche Weg. Stattdessen sollten mit den beschriebenen Maßnahmen die potenziell negativen Effekte von Finanzinvestoren … wirksam angegangen werden.” Und wenn all diese Vorgaben gewährleistet sind, sei es auch denkbar, dass “im Gegenzug Kapitalgesellschaften mit steuerlichem Sitz in der EU auch direkt die Möglichkeit erhalten, ein MVZ aufzubauen oder sich an ihm zu beteiligen.” Man muss nun nicht alles an dem Papier sofort begeistert unterschreiben, um zu erkennen, dass hier dennoch ein Debattenbeitrag veröffentlicht wurde, der versucht, konstruktiv die ansonsten hochemotionale MVZ-Debatte anzugehen. Fortsetzung folgt …
Ärzteblatt v. 18.08.2022
Verband der Ersatzkassen für weitergehende Regulation bei MVZ-Investoren
Materialien zum Presseworkshop des vdek v. 18.08.2022
GKV-Finanzen / Effiziente Gesundheitsstrukturen vor Ort
Rechtsprechung | Vertretung eines vakanten MVZ-Sitzes
Der Fall klingt tatsächlich auf den ersten Blick ein wenig kurios: Ein bis dahin angestellter MVZ-Arzt scheidet im August 2017 aus und der deswegen verwaiste Sitz wird durch eben diesen Arzt vertretungsweise für einige Wochen besetzt – und dies der KV natürlich angezeigt. Die zuständige KV Hessen verweigerte später jedoch die Honorarzahlung für diesen Zeitraum mit der Begründung, dass § 32 Abs. 1 S. 5 Ärzte-ZV eine Personenverschiedenheit von Vertreter und Vertretenem vorsähe und somit von einer unzulässigen Vertretung auszugehen sei. Und so ging der Streit um das Honorar für die zehn Wochen – über die Jahre – seinen Gang. Überraschenderweise hat das SG Marburg nun Anfang 2022 geurteilt (~ zum Volltext der Entscheidung), dass die strittige Vertretungssituation rechtmäßig sei. Zwar stimme es, dass es ursprünglich bei den Vertretungsregelungen darum gegangen sei, dass sich (niedergelassene) Ärzte von anderen Kollegen vertreten lassen können. Aber der 2015 eingeführte, und hier maßgebliche § 32b Abs. 6 S. 2 Ärzte-ZV erweitere diese Möglichkeit um die Vertretung angestellter Ärzte, deren Arbeitsverhältnis beendet wurde. Seitdem sei eine Vertretung durch dieselbe Person denklogisch nicht ausgeschlossen, manchmal sogar geboten, sagen die Marburger Richter. Vielmehr sei eine flexiblere Vertretungsregel vor dem Hintergrund der Flexibilisierung der Versorgungslandschaft sogar ” zielführend, wenn flexible Übergangslösungen für das spontane Ausscheiden von ärztlichem Personal möglich sind. So können längere Vakanzen vermieden werden. Wenn es um einen vakanten Angestelltensitz geht und demzufolge überhaupt kein Arzt/keine Ärztin für den Zeitraum bis zur Nachbesetzung eben dieses vakanten Sitzes für die vertragsärztliche Tätigkeit zur Verfügung steht, sind keine Gründe ersichtlich, die gegen eine Vertretung durch einen gerade zuvor ausgeschiedenen Arzt/Ärztin sprechen.”
MedR – Zeitschrift f. Medizinrecht (Springerlink) v. 02.08.2022
Kurzfristige Selbstvertretung durch zuvor angestellten Arzt auf vakant gewordener Angestelltenstelle | PDF-Download (3 Seiten)
PFB – Praxis Freiberufler-Beratung v. 23.05.2022
Vertretung durch ehemals im MVZ angestellten Arzt kann vorübergehend zulässig sein
Christmann Law v. 10.03.2022
Im MVZ kann sich ein (ausgeschiedener) Arzt kurzfristig auch selbst vertreten
Gesetzgebung | Das Projekt der ‘Gesundheitskioske’ und warum sie für Ärzte relevant sind
Im Frühjahr 2022 waren sie plötzlich da als Thema in der öffentlichen Debatte: die Gesundheitskioske. Zusammen mit der Einführung von Community Nurses (zu DDR-Zeiten, aber auch im Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 schnöde ‘Gemeindeschwester’ genannt) dreht sich das Konzepts darum, sozial benachteiligten, häufig migrantischen Bevölkerungsgruppen den Kontakt mit dem Gesundheitswesen durch niederschwellige Vor-Ort-Angebote zu erleichtern. Master sind bereits mehrere Jahren laufende Projekte der AOK Hamburg-Rheinland (~ mehr Information) und weiterer Kassen, denen vom Innovationsfond des G-BA im Februar 2022 (~ KW10: Innovationsfond | Neue Förderbekanntmachung im Bereich der neuen Versorgungsformen ) bescheinigt wurde, es wert zu sein, in die Regelversorgung überführt zu werden. Aus dem BMG kommen seitdem in guter Regelmäßigkeit Ankündigungen, so Lauterbach am 2. Juni im Bundestag: “Ich möchte einfach ein Konzept aufbauen, mit dem wir in den unterversorgten Gebieten aktiv werden, und zwar indem wir mit Gesundheitskiosken, wo Menschen Sprachbarrieren überwinden, wo man sich informieren und Termine besorgen kann, niederschwellige Angebote machen (…) Das wird eine Priorität sein. Dazu werde ich noch vor der Sommerpause einen Vorschlag vorlegen.” Allerdings gibt es diesen Entwurf bis heute, wo die Sommerpause bereits seit Wochen läuft, nicht. Die ZEIT schreibt dazu am 21. August: “Offiziell erfährt man aus dem Gesundheitsministerium nur so viel: Das Papier sei in Arbeit.” —————- Warum ist das für den Praxisalltag relevant? Das Projekt in Billstedt-Horn, berichtet, dass “vor allem die Ärzte … anfangs Konkurrenz gefürchtet [hätten].” Heute, heißt es, werden 3 von 5 Kioskkunden von den Ärzten geschickt. Sie erhalten dafür von diesen einen speziellen Überweisungsschein, den Kiosk also sozusagen verschrieben. Es geht also u.a. um Entlastung der Ärzte von aufwändigen Aufklärungsarbeiten, etwa weil Sprach- oder kulturelle Barrieren bestehen. Hierin liegt auch der eigentliche Mehrwert und der Punkt, weshalb es für Praxen und MVZ lohnend sein kann, sich in solche in ihrer Umgebung entstehende Projekte einzubringen. Allerdings ist der Begriff des ‘Gesundheitskiosk’ nicht geschützt – zumal aus dem BMG – entgegen aller Ankündigungen – konzeptionelle Ideen bisher fehlen. Man stößt daher derzeit beim Googlen auf eine Art Goldgräberstimmung und viele Treffer (bspw. Klara Gesundheitskiosk | Gesundheit für Essen | Wattenscheider Gesundheitsbüro) – von denen nicht immer klar ist, wie viel Substanz wirklich hinter dem jeweiligen Projekt steckt. Und natürlich stehen auch die einschlägigen Beratungsfirmen mit ihren Angeboten bereit … offensichtlich wird trotz fehlender Gesetzgebungsinitiative vermutet, dass es hier vom, bzw. über das BMG künftig Geld geben wird.
Zeit Online v. 21., bzw. 18.08.2022
Gesundheitskiosk: Hilfe an der Ecke | Was die Bundesregierung von Billstedt lernt
ZM Online v. 16.08.2022
Gesundheitskioske lotsen in die passende Versorgung