Bringt ein Arzt seine Zulassung in ein MVZ ein, um auf diesem angestellt weiter tätig zu sein, muss er – so eine BSG-Entscheidung aus 2016 – diese Tätigkeit regelhaft mindestens drei Jahre ausüben. Andernfalls kann das MVZ den Arztsitz im Anschluss nicht weiterbetreiben.
Zu diesem Grundsatz hat das Sozialgericht Berlin Ende 2020 ein gegenteiliges Urteil gefällt: Obwohl eine Ärztin bereits nach einem Jahr aus dem MVZ ausgeschieden ist, konnte der Arztsitz nachbesetzt werden. Das Gericht entschied damit gegen die Zulassungssgremien.
Worum es im Detail geht, und was das für ähnliche Fälle in anderen MVZ und KV-Regionen bedeutet, erläutern wir in einer kurzen Fallbesprechung.
Der Beitrag wurde von Rechtsanwalt Jörn Schroeder-Printzen verfasst. Mitglieder können ihn hier als PDF-Fassung (3 Seiten) herunterladen.
Kontext zur Problematik:
Bericht v. 13.05.2016 | Ankündigung des BSG: Änderungen bei Rechtspraxis der Sitzeinbringung ins MVZ? Pressemitteilung vom 16.10.2016 | BMVZ fordert Gesetzgeber auf, wieder Rechtssicherheit herzustellen. Praxisfrage v. 17.03.2017 | Abgeberarzt muss nun doch nicht zwingend 3 Jahre weiter arbeiten?
Die Umsetzung in der Praxis
Dem Grunde nach war die Entscheidung des BSG geeignet, eine Welle von Prozessen gegen die Zulassungsgremien zu verursachen. In der Praxis ist jedoch festzustellen, dass in Umsetzung der Entscheidung bisher keinerlei weitergehende Rechtsprechung zu finden ist. Es zeigt sich damit, dass praktikable Lösungen in der Praxis gefunden wurden.
Der Sachverhalt
Nun aber hatte sich das SG Berlin in seinem wohl rechtskräftigen Urteil vom 30.09.2020 – S 87 KA 155/18 erstmalig mit der praktischen Umsetzung dieser Entscheidung auseinanderzusetzen gehabt. Der hier etwas vereinfacht dargestellte Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:
Position des SG Berlin
Das Sozialgericht verwarf die Auffassung des Berufungsausschusses und stellte die grundsätzliche Nachbesetzungsfähigkeit des Sitzes fest. Hierbei war für das Gericht maßgeblich, dass im Zeitpunkt der Genehmigung der Anstellung der Internistin sehr wohl geplant gewesen sei, längerfristig als Angestellte Ärztin im MVZ zu arbeiten. Sie habe sich auch nicht aktiv um eine neue Stelle beworben, sondern das Endokrinologikum habe sich an sie gewandt, um sie “abzuwerben”. Die Möglichkeit in einem breiteren Spektrum vollzeitig zu beschäftigen, ist auch ein anerkennenswerter Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.
Da damit zum einen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht geplant gewesen war und nachvollziehbare Gründe vorlägen, warum die Internistin gekündigt habe, muss der Arbeitsgeberin die Möglichkeit gewährt werden, die Stelle nach zu besetzen.
Politische Beurteilung des Urteils
Es wird in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, die Frist von drei Jahren führe zu komplizierten Praxiskaufverträgen bzw. zur arbeitsrechtlich schwierigen Vertragsgestaltungen, mit denen sich die Arbeitsgerichtsbarkeit noch nicht auseinandergesetzt habe. Auch halten die Gutachter es für erforderlich, dass, sollte der Gesetzgeber diese Rechtsprechung antizipieren wollen, entsprechende Regelungen in § 103 SGB V aufgenommen werden müssen.
Um eine möglichst hohe Akzeptanz in der Arbeitsgerichtsbarkeit bezüglich der Gestaltung der Arbeitsverträge zu erreichen, wird innerhalb des Gutachtens ausdrücklich vorgeschlagen, dass die Frist von drei Jahren auf ein Jahr reduziert wird. Damit soll gewährleitstet werden, dass auch die arbeitsrechtlichen Überlegungen außerhalb des Vertragsarztrechtes zur Flexibilisierung der Beschäftigung vertragsarztrechtlich umgesetzt werden können. Grundsätzlich ist auch eine entsprechende Regelung beschränkt auf ein1 Jahr für die praktische Umsetzung akzeptabel.
Spannende Frage in diesem Zusammenhang ist, ob in der sich in den Endzügen befindlichen Legislaturperiode diese Regelung noch mit aufgenommen wird oder möglicherweise auf die nächste Legislaturperiode, beginnend im Herbst 2021, verschoben wird. Zu hoffen ist zumindest, dass diese Überlegungen nicht sang- und klanglos untergehen werden.
RA Jörn Schroeder-Printzen
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
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