Elektronische Ersatzbescheinigung: App-Option wird wieder freigegeben | eEB-Pflicht ab 1. Juli 2025
Wenn Patienten ihre elektronische Gesundheitskarte nicht vorzeigen können, gibt es bekannterweise zwei Verfahren für die elektronische Ersatzbescheinigung. Auf die Grundlagen und einige Details zum Nachweis des Versicherungsschutzes mittels eEB waren wir bereits im vergangenen Jahr eingegangen (~ Praxiswissen zur Elektronischen Ersatzbescheinigung (eEB) | Exkurs: Säuglinge ohne eGK | PRAXIS.KOMPAKT KW 48/2024) Das vom Patienten ausgelöste Verfahren wird ab dem 1. Juli 2025 für Praxen, MVZ und Kassen verpflichtend. Die Frist wurde mit dem Digital-Gesetz in die Anlage 4a des BMV-Ä aufgenommen (~S. 7f. unter Pos. 2.9 BMV-Ä Anlage 4 | PDF). Konkret geht es um den Prozess, nach dem Patienten ihr eGK nicht vorzeigen können und daraufhin selbstständig(!) in ihrer Krankenkassen-App die KIM-Adresse der Praxis eingeben. Die Kassen senden daraufhin den FHIR-Datensatz an die Praxis. Zuletzt wurde diese eEB-Funktion ausgesetzt, nachdem der ChaosComputerClub auf gravierende Sicherheitsmängel hingewiesen hatte. Ein Schlaglicht auf die Hintergründe der Sicherheitsdebatte hatten wir im Mai geworfen. (~ Update zum ePA-Rollout | Konfrontation mit der Praxis & Überblick zur Sicherheitsdebatte | PRAXIS.KOMPAKT KW 19/2025)
Nach Recherchen der ÄrzteZeitung stellen die Kassen die Funktion zeitnah nun wieder zur Verfügung. Allerdings wird dies von den Kassen, gemäß der formvollendeten Umschreibung des GKV-Spitzenverbandes, „terminlich individuell umgesetzt“. (~ ÄZ v. 25.06.2025) Im Klartext ignorieren die Kassen also die normative Fristsetzung zum 1. Juli. Momentan werde das neue Sicherheitsverfahren noch getestet. Zukünftig soll ein Limit an Anfragen an die Server der Krankenkassen verhindern, dass die Systeme bewusst von Hackern überlastet werden können. Ob sich diese Limitierung am Praxistresen bemerkbar macht, weil Patienten beispielsweise mehrmals mit der App anfragen müssen, wird sich zeigen. Die KBV war gemäß des obigen Berichtes der ÄZ ‚überrascht‘ und man habe die gematik „um Veröffentlichung entsprechender aktueller Informationen gebeten“. Bis Redaktionsschluss hat die KBV allerdings noch keine News veröffentlicht, weshalb wir empfehlen, sich an den bereits bekannten Eckpunkten zu orientieren. Auf das gleiche Privileg wie die Kassen zu pochen, die normative Fristsetzung einfach zu ignorieren, halten wir für nicht empfehlenswert. Als kompakter Reminder fürs Teammeeting bietet sich unsere damalige Quintessenz an:
„Als Praxistipp lässt sich zweierlei festhalten: 1) Weisen Sie Patienten darauf hin, dass dieses Ersatzverfahren nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Die Pflicht zum Vorzeigen der eGK als Standardverfahren bleibt bestehen. 2) Sollten Patienten in Ausnahmefällen diese neue Option in Anspruch nehmen, bietet es sich an, sich über die Webseite der Gematik den KIM-Code des eigenen MVZ/der Praxis auszudrucken. Somit können Patienten einfacher den richtigen Empfänger, also MVZ oder Praxis über das Handy eingeben (~ Link zur Gematik | Ihre eigene KIM-Adresse).“ Mehr dazu: ~ Fehlende eGK | Elektronische Ersatzbescheinigungen (eEB) als neue Ausnahmeoption | KW 36/2024.
Die zweite Möglichkeit, eine elektronische Ersatzbescheinigung zu erlangen, wäre, dass die Praxis selbst eine Anfrage via KIM stellt. Das Verfahren ist vermutlich schneller, solange Patienten noch mit den Kassen Apps hadern. Allerdings benötigt dieses Vorgehen stets die Einwilligung des Patienten. „Die KBV empfiehlt in diesen Fällen, die Einwilligung des Patienten zum Einholen der elektronischen Ersatzbescheinigung im PVS zu dokumentieren, um sie auf Nachfrage vorlegen zu können. Die Einwilligung muss freiwillig nach einer Information des Patienten über die Datenverarbeitung erteilt worden sein.“ (~ KBV v. 02.10.2024) Diese Option, dass Praxen selbst tätig werden, ist auch ab dem 1. Juli 2025 weiterhin freiwillig.
Für die erst beschriebene Pflichtanwendung konnten wir bis dato keine Anhaltspunkte zu möglichen Sanktionen finden. Es liegt aber im Bereich des Möglichen, dass die KBV, sofern sie sich denn äußert, eine Schnittstelle zu den sanktionsbewehrten TI-Anwendungen sieht.
KV Hamburg v. 10.06.2025
Elektronische Ersatzbescheinigung als Versichertennachweis ab Juli 2025 verpflichtend
Deutsches Ärzteblatt v. 16.05.2025
Verfahren zur elektronischen Ersatzbescheinigung teilweise ausgesetzt
Hausärztliche Praxis v. 08.10.2024
Ersatzbescheinigung auf digitalem Weg: Vorteile für Praxen
Zertifikatsende zwingt zu vorzeitigem Kartenwechsel (eHBA, SMC-B & SMB-K)
Herausforderung für MVZ + Praxen mit angestellten (Zahn-)Ärzt:innen
Wir hatten bereits berichtet, dass ein Zertifikatswechsel, der aufgrund übergeordneter Sicherheitsvorgaben von der gematik umgesetzt werden muss, zig-tausende Karten der Telematikinfrastruktur zum 31.12.2025 noch vor Ablauf ihres regulären 5-Jahreszeitraums ungültig werden lässt. Da ohne SMC-B und eHBA in Praxis, Apotheke und MVZ dank ePA, eAU und eRezept nichts mehr geht, kann das zum Jahreswechsel ein großes Problem werden, sollten betroffene Karten nicht rechtzeitig identifiziert werden. (~ KW 21: Sicherheitszertifikate, die Fortsetzung: Unfreiwillige Komödie oder Drama?) Zwar versichern die Karten-Hersteller, dass jeder betroffene Arzt angeschrieben wird: Aber können Sie sich darauf verlassen, dass Ihre angestellten Ärzt:innen diese Nachricht 1) sehen, 2) ernst nehmen und 3) ggf. die Praxisleitung informieren? Und selbst wenn, kommen 4) dann auch noch die organisatorischen Hürden des Antragsprozesses hinzu. Die KV Westfalen-Lippe gibt auf ihren Bereich runtergebrochen an, dass – bei 16 Tsd. Mitgliedern – rund 8.000 eHBA und 1.800 SMC-B betroffen sind. Das ist beinah jede zweite Praxis!
Fakt ist, alle Karten der Generation 2.0, die lediglich über eine RSA-Verschlüsselung (anstelle der komplexeren ECC-Verschlüsselung) verfügen, verlieren wegen der dann ausgemusterten Zertifikatstechnik ihre Funktionalität. Im worst case rätselt also der Arzt am 2. Januar 2026 demotiviert, warum die TI mal wieder nicht funktioniert, dabei ist ‚nur‘ sein Zugangsmedium ausgesperrt worden. Im Hintergrund handelt es sich im Übrigen um exakt dasselbe Thema, wegen dem vor zwei Jahren plötzlich zahlreiche Konnektoren aufwändig ausgetauscht werden mussten. (~ Ein Blick zurück: Wichtige Infos zur Laufzeitverlängerung). Es geht also im Grunde nicht um eine plötzlich auftretende Herausforderung, sondern um eine vorhersehbare Problematik – jedenfalls für gematik & Co. Für viele Praxen und Ärzte dürfte sich die Thematik dagegen wirklich als spontan auftauchendes Hindernis entpuppen. Zumal gilt: „Wenn nur eine der drei Kartentypen SMC-B, verbaute SMC-K oder der eHBA noch keine ECC-Verschlüsselung kann, dann funktionieren in der Praxis weder eRezept noch eAU.“
Daher muss es den Verantwortlichen gerade in den komplexen Praxisstrukturen darum gehen, so viel Unvorhersehbares abzufedern, wie es nur geht. Dabei ist zwischen SMC-B und den zugehörigen SMC-K einerseits und den eHBAs andererseits zu unterscheiden. Erstere sind in den Geräten fest verbaut und oft auch versiegelt, d.h. der Austausch erfordert einen Technikereinsatz vor Ort. Für die eHBAs haben dagegen die Anbieter vereinfachte Wege des Austausches angekündigt. Der Pferdefuß sind hier aber vor allem die anstehenden Sommerferien, die schlichtweg Zeitverzug bedeuten, sowie in Richtung Jahresende die kapazitätsbedingten Engpässe der Hersteller. Auch ohne, dass jetzt noch die vermuteten 100.000 eHBA des Vertragsarztbereiches neu ausgestellt werden müssen, sind die Lieferzeiten teils lang. So hätten zum 1. Juli eigentlich auch alle Pflegeheime an die TI angeschlossen sein müssen, aber laut der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege haben zwar „fast 90 Prozent der Einrichtungen eine für den TI-Anschluss notwendige SMC-B beantragt, doch nur ein kleiner Teil sei tatsächlich angeschlossen. Die Gründe dafür liegen … insbesondere bei überlasteten Softwarefirmen, langen Wartezeiten auf den elektronischen Heilberufsausweis (eHBA), die für die Beantragung der SMC-B Voraussetzung sind.“ (~ TI-Pflicht für die Pflege: Bürokratie und langen Wartezeiten sorgen für Frust)
Optisch unterscheiden sich die eHBAs der Generation 2.0 von denen der Generation 2.1 vor allem am verbauten Chip. Sprich, in Abhängigkeit davon, ob dieser eine quadratische Form hat (alt / RSA-Zertifikat) oder rechteckig aussieht (neue Generation / ECC-Zertifikat) ist ein eHBA betroffen oder nicht. Bei den Ausweisen der neuen Generation 2.1 ist das auch auf der Rückseite angegeben. Steht da nur 2 oder gar keine Versionsangabe, dann ist der eHBA ein alter. Natürlich sind diese Angaben auch beim Hersteller in Erfahrung zu bringen: Aber ganz sicher taugt in der nächsten Teambesprechung auch diese einfache Abfrage, um im Team Problembewusstsein und sich selbst einen Überblick über die praxisindividuelle Dimension des Problems zu verschaffen.
Die Hersteller bieten alle spezifische Informationen, und teils auch vereinfachte Austauschoptionen und/oder Sonderrabatte im Kontext des Wechsels an: medisign | T-Systems (PDF) | D-Trust. Eine Ausnahme bildet SHC Stolle, die erst 2021 in den Kartenmarkt eingestiegen und daher von vornherein ausschließlich eHBAs mit der neuen Verschlüsselung ausgegeben haben. Deren Claim: Das Unternehmen setzt wohl auf genervte Wechselwillige der drei Mitbewerber. Fett prangt gleich auf der Startseite der Schriftzug: Elektronischer Arztausweis G2.1 NUR 10 Tage Produktionszeit! (~ direkt zu) Spannend ist für Praxen mit angestellten Ärzten auch dieses – von uns nicht geprüfte – Werbeversprechen: „Durch Sammelabrechnungen für Kliniken und weitere medizinische Institutionen haben Sie … einen Überblick über die durch Ihre angestellten Heilberufler*innen bestellten eHBAs. Für die Buchhaltungsabteilung ist der geregelte Zahlungsverkehr zu definierten Konditionen transparent und alle wichtigen Rechnungen jederzeit einsehbar.“ D-Trust bietet dagegen als Spezifikum weiterhin an, in Kliniken und größeren Praxen mit vielen Karten die nötige Identifikation bei einem Sammeltermin inhäusig durchzuführen: ~ Vor-Ort-Identifizierung für eHBA- / eBA- und SMC-B-Anträge.
Ein aktueller Vergleich der Anbieter kann somit – auch über die Preisdetails hinaus – gerade für Arbeitgeber angestellter Ärzte – geboten sein. Schließlich ist die anstehende Austauschaktion vor allem auch eine logistische und mitarbeiterpsychologische Herkulesaufgabe für die Praxisleitung. Sich darauf zu verlassen, dass alle angestellten Kolleg:innen selbsttätig und angemessen auf die Warnmitteilung der Hersteller reagieren, ist dabei sicherlich nicht der vielversprechendste Weg. Auch bezüglich der Institutskarten haben die Hersteller angekündigt, alle betroffenen BSNR automatisch per Mail zu informieren. Dies soll im Sinne einer Warnkaskade aber erst ab August erfolgen. Momentan stünden die eHBAs im Fokus.
ÄrzteZeitung v. 30.06.2025
Umstellung der Verschlüsselung: Ablaufdaten bei eHBA und SMC-B-Karte prüfen
ZM Online v. 06.06.2025
Austausch der eHBAs von D-Trust und Medisign bis Jahresende
Apotheke Adhoc v. 30.04.2025
eHBA & SMC-B: Rechtzeitig um Folgekarten kümmern
Komprimierter Wissens- & Erfahrungstransfer: Einladung zum 19. BMVZ PRAKTIKERKONGRESS
Am Dienstag, den 7. Oktober 2025, lädt der Bundesverband MVZ vor allem die Praktiker:innen aus MVZ und BAG zu seinem jährlichen Fachforum für die kooperative Versorgung und deren Akteure ein. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt dabei – wie immer – auf dem Themenkompass rund um Wirtschaftlichkeit, Netzwerk, Organisation und Strategie des Betriebs komplexer vertragsärztlicher Praxisstrukturen. Für BMVZ-Mitglieder kann die Anreise auch in diesem Jahr wieder mit der Teilnahme am Mitgliedertreffen und -erfahrungsaustausch am Kongressvortag verknüpft werden, so dass sich die BMVZ-Angebote zu einem zweitägigen Event zusammensetzen, das am Nachmittag des 6. Oktober beginnt.
Dabei sein macht schlau! | Inhaltliche Schwerpunkte:
Der Koalitionsvertrag kündigt für das Gesundheitswesen weitere Reformen an. Vieles davon steht unter dem Eindruck der schlechten Kassenlage. Andere Aspekte, wie der Wunsch nach MVZ-Regulierung oder der Plan, die Aufsichtsbehörden in den Zulassungsverfahren regelhaft zu beteiligen, stellen dagegen Eingriffe mit politisch intendierter Steuerungswirkung dar. Was bedeutet das konkret? Worauf müssen sich MVZ und BAG sowie die Akteure an der Schnittstelle ambulant-stationär in den nächsten Jahren einstellen? Welche Rolle spielt die Selbstverwaltung? Und in welchem Tempo wird die neue Regierung vorgehen? Am 7. Oktober geben wir zu diesen Fragen strategische Einblicke in den Berliner Politikbetrieb.
Außerdem befassen wir uns mit den großen Umbrüchen dieser Zeit; sprich: mit Digitalisierung und KI – und deren Folgen und Nutzen für den Praxisalltag. Nicht zu kurz kommen auch wirtschaftliche und betriebsorganisatorische Fragen – wobei der Fokus auf effizienten Lösungen und praktischen Ansätzen liegt, die vielfältigen Herausforderungen im Betrieb komplexer Praxisstrukturen zu meistern. Zielgruppe ist daher insbesondere ärztliches wie kaufmännisches Leitungspersonal der ambulant-kooperativen Versorgung, dem wir mit dem Kongress eine Plattform geben, sich zu vernetzen, voneinander zu lernen und Erfahrungen auszutauschen.
19. BMVZ PRAKTIKERKONGRESS (7. Oktober)
www.bmvz-kongress.de | Referenten- & Themenübersicht
BMVZ VerbandsTAG (6. Oktober)
Programmdetails + Anmeldung | Organisationsflyer: 2Tage – 2Events (PDF)
Das BMG und die ambulante Versorgung: Alle Scheinwerfer auf die Modernisierung der ZV-Ärzte
Schaut man auf die BMG-offizielle Übersicht zu den aktuellen, schon gestarteten Normsetzungsvorhaben, sind für die laufende Legislatur fünf Posten notiert (~ BMG: Gesetze + Verordnungen). Nicht mitgezählt ist dabei die Krankenhausreform, da hier bisher nur geredet, aber noch kein offizielles Verfahren gestartet wurde. Zusätzlich gibt es für die Pflege- und die Apothekenreform konkret angekündigte Aktivitäten. Das BMG ist also durchaus geschäftig – jedoch steht der ambulante Sektor dabei offensichtlich bisher nicht im Fokus. Was das für die MVZ-Frage bedeutet, haben wir vor Kurzem beleuchtet (~ Ein Update unter neuen Vorzeichen). Allerdings hat der BMVZ ja auch zahlreiche andere Themen auf der Agenda. Unter anderem engagieren wir uns für die Modernisierung der Zulassungsverordnung, die wir zuletzt am 4. November 2024 – also zwei Tage vor dem Ampel-Aus unter der Überschrift ‚Die ambulante Versorgung braucht Strukturtransparenz‘ (~ BMVZ-Position | 04.11.2024) aktiv eingefordert hatten. Wegen des Koalitionsbruchs blieb die Initiative in der Sache erfolglos. Nun wurde ein neuer Versuch gestartet, die Dringlichkeit für eine Überarbeitung der ZV-Ärzte sichtbar zu machen, sekundiert vom Geschäftsführer der FALK-KVen (~ mehr über), der in der ÄrzteZeitung fordert: „Die neue Ärzte-ZV muss so schnell wie möglich kommen“. Denn man wolle bei den Zulassungen digitaler und deutlich schneller werden. Dafür benötigten die KVen neue regulatorische Grundlagen. (~ Quelle)
Worum es bei diesem bereits im November 2022 gestarteten und inhaltlich sehr umfänglichen Projekt geht, umreißen in aller Kürze diese beiden Artikel: (Etwas) mehr Spielraum bei der Vertretung von Ärzten und BMG will Zulassungsverordnung für Vertragsärzte modernisieren. Ergänzend lohnt ein Blick auf die Kommentierung des Vorhabens durch den AOK-Bundesverband in seiner förmlichen Stellungnahme v. 16.12.2022: „Mit dem vorliegenden Referentenentwurf werden die rechtlichen und tatsächlichen Entwicklungen der letzten Jahre in den Zulassungsverordnungen für Ärzte und Zahnärzte nachvollzogen. Allen voran werden die Änderungen in der ärztlichen Berufsausübung besser abgebildet und es findet eine rechtliche Annäherung zwischen angestellten Ärztinnen und Ärzten und Vertragsärztinnen und Ärzten statt. Die Erweiterung des Arztregisters und eine verbesserte Abbildung der kooperativen Strukturen sind aus Sicht der AOK-Gemeinschaft dringend geboten“. Ganz ehrlich: Selten konnten wir beim BMVZ als Vertreter der Akteursseite Kassenworten so uneingeschränkt beipflichten wie im Fall der ZV-Modernisierung. Auch die KBV nahm in ihrer Stellungnahme eine im Wesentlichen positive Perspektive ein, so dass sich im Winter 2022/23 die eher seltene Konstellation ergab, dass Leistungszahler und Leistungserbringer (bei Abweichungen im Detail) einhellig dem Entwurf zustimmten. Verrückterweise wurde er trotzdem von Lauterbauch die nächsten zwei Jahre hintenangestellt: Novellierung der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte verzögert sich (Ärzteblatt v. 14.10.2024). Von daher ist umso spannender, was das neue BMG nun aus diesem fertig in der Schublade liegenden Projekt macht.
Anno Fricke, Journalist der ÄrzteZeitung gibt der Ministerin in der unten verlinkten Kolumne kurz und pointiert mit auf den Weg: „Worauf wartet Nina Warken? Wenig Risiko, hohe Gewinnchance.“ Und in der Tat: Nimmt man alle Fakten zusammen, drängt sich die Frage einfach auf, warum dieses so sinnvolle Regulierungsprojekt bisher auf der Strecke geblieben ist. Offensichtlich fragt sich das – nachdem die Glaskuppel-Kolumne am 26. Juni passend zum Hauptstadtkongress erschienen war – auch die KV Westfalen-Lippe. Diese legte am 1. Juli mit der Meldung nach, einen eigenen Vorschlag erarbeitet zu haben. Auch hier mit der offensichtlichen Begründung: „Die Norm ist bereits sehr alt und muss dringend überarbeitet werden“. Die NRW-Lokalredaktion der ÄrzteZeitung führt weiter aus: „Für die Umsetzung brauche die KVWL Verbündete und habe sie in der KBV und dem nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium (MAGS) auch gefunden,(…) Man sei „sehr zuversichtlich, dass wir in Kürze positive Signale hören und die in der KVWL angestrebte Gesetzesinitiative den gewünschten Erfolg bringt.“
Vor so viel Breitschultrigkeit des KV-Vorsitzenden muss man natürlich Respekt haben (hüstl, hüstl) … andererseits geht es ja um die Sache. Und, dass eine breite Allianz von Akteuren hier Druck und Öffentlichkeit in dieselbe Richtung erzeugt, ist auf jeden Fall gut. Mal sehen, was das BMG und der Bundesrat, den die KVWL dem Bericht nach ebenfalls einspannen will, daraus machen. Der BMVZ jedenfalls steht als fachlich versierter wie konstruktiver Gesprächspartner mehr als bereit.
ÄrzteZeitung v. 01.07.2025
Modernisierung angemahnt: KV Westfalen-Lippe will Reform der Zulassungsverordnung
ÄrzteZeitung v. 26.06.2025
Kolumne zur Arztsitz-Nachfolge: Frau Ministerin, einfach mal zulassen
BMVZ | BMG-Kommentierungsverfahren v. 05.01.2023
Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung zur Änderung der ZV-Ärzte und der ZV-Zahnärzte (PDF | 8 Seiten)
Hauptstadtkongress: Ein Schlaglicht auf die Zukunft mit KI und Realitäten der Kooperation
Das Wort ‚MVZ‘ fiel beim diesjährigen Hauptstadtkongress selten. Lediglich während einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Von MVZ lernen: Nur Heuschrecken oder der ideale Arbeitsort für die Gesundheitsprofessionen?“ wurden MVZ-Beschränkungen thematisiert. Dabei stießen allerdings die bekannten und mühsam hochgehaltenen Kritikpunkte an MVZ auf faktisch belegbare Argumente. Die BMVZ Geschäftsführerin Susanne Müller ordnete die Landschaft ambulanter kooperativer Strukturen anhand von Zahlen ein, um wiederholt der Fehlannahme entgegenzutreten, MVZ seien stets in riesigen Konzernstrukturen firmiert. Auch das Contra-MVZ-Argument einer minderen Versorgungsqualität, lässt sich inzwischen geübt entkräften, da die Zahlen für sich sprechen. ‚Patienten und Ärzte würden im Endeffekt mit den Füßen abstimmen‘. In der Gesamtbetrachtung des Kongresses ist es als positives Signal zu werten, dass MVZ nicht mehr als Universalsündenbock herhalten muss. Dieser verlagerte Fokus ist insoweit auch kongruent mit den Signalen aus der Politik. Inwiefern das ‚Nicht-Gesagte‘ dennoch relevant sein kann, hatten wir hier beleuchtet (~ Das MVZ als Politikum: Ein Update unter neuen Vorzeichen).
Obwohl der Begriff ‚MVZ‘ selten fiel, gab es jedoch viele Diskussionen, die – sofern man sie weiterdenkt – eine Kooperation nahezu unvermeidlich machen. Seien es die absehbaren Auswirkungen der ‚KI‘, der Umgang mit dem Richtlinien- Dschungel, Delegation und Weiterbildung – ‚Kooperation‘ ist das Gebot der Stunde. Auch wenn viele Redner es nicht direkt aussprachen, wurde viel über kooperative Strukturen – ergo MVZ – gesprochen. Eine Kooperation wurde im Übrigen auch mit Blick auf die Bundespolitik angemahnt. Das Grußwort des Kongresspräsidenten Prof. Einhäupl hat die Erwartungen treffend zusammengefasst. „Da es nicht absehbar ist, ob, wann und in welcher Form die noch ausstehenden Gesetzesvorhaben und Verordnungen umgesetzt werden, müssen wir es sein, […] die maßgebliche Impulse geben.“ Das Vertrauen in die Politik ist begrenzt, auch weil – selbst mit viel Wohlwollen – keine Vision in Sicht ist, welche die vielen Partikularinteressen über eine bundeseinheitliche Gesetzgebung vereint.
Dafür kann die neue Gesundheitsministerin per se erst einmal nichts. Wie so oft von Seiten der Unionsfraktion betont, ist Warken fachfremd und unvoreingenommen. Neben der Ankündigung diverser Vorhaben war ihre Rede darum auch eher eine unverbindliche Einladung zum Dialog. Eine bemühte Abgrenzung zum Vorgänger – quasi die Methode Anti-Lauterbach. Wer den weiteren Reden am Kongresstag lauschte, konnte sich aber mitunter dem flüchtigen Gedanken nicht erwehren, dass die Dialog-Aversion Lauterbachs womöglich reiner Selbstschutz war. Um es noch einmal mit den Worten von Prof. Einhäupl zu sagen: „Die Verantwortlichkeiten im deutschen Gesundheitssystem sind stark zergliedert und von so zahlreichen Partikularinteressen getrieben, dass nur eine konzertierte Aktion – eben jenes Sachverstandes – Schaden abzuwenden vermag.“ (~ Quelle)
Momentan erscheint es aber so, als dass die konzertierte Aktion allein darin bestünde, allenthalben das Thema „KI“ als Universal-Argument zu nutzen. Prozessprobleme – KI wird’s lösen, das Heben von Reserven (welcher Form auch immer) – KI wird’s lösen, Abbau von Normen und Richtlinien – KI wird’s …. schön wär’s. Allem Anschein nach werden die Regularien um die KI den potenziellen Mehrwert aufheben. Außerdem läuft das Gesundheitssystem Gefahr, sich auf eine unvorhersehbare Entwicklung der KI-Integration zu stützen und damit Verantwortung im Hier und Jetzt wegzuschieben. Zwischen den Kongress-Ausstellern gab es zwar mitunter auch ganz interessante Angebote für größere kooperative Strukturen, aber im Großen und Ganzen ist die Industrie – im Hinblick auf die KI-Entwicklung anderen Orts – zaghaft. Nicht zuletzt ist das auf die aktuellen und kommenden EU-Regularien zurückzuführen, aber auch auf die Tatsache, dass es keinen Konsens, keinen Fahrplan in der Gesundheitspolitik gibt, mit KI zukünftig umzugehen.
Im Bereich der Forschung mag es womöglich die ersten Benefits der neuen Technologien geben. Insbesondere in Kombination mit den Gesundheitsdaten der ePA und in einigen Jahren mit denen des EHDS. Zum Thema Forschung hatte Bernhard Landers seine ärztliche Expertise in die Diskussion „Forschung aus der Praxis für die Praxis: Wie Niedergelassene zu Forschenden werden“ eingebracht (~ siehe auch BMVZ LinkedIn). Unabhängig von seiner Rolle als Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes des BMVZ war der Allgemeinmediziner und Diabetologe auf die Vorzüge eingegangen, die sich natürlicherweise im Rahmen der Arbeitsteilung, Kooperation und Vernetzung für die Forschung ergeben.
Und im Grunde ist das die Quintessenz des Kongresses. Ob Krankenkassen, Krankenhäuser, die Pflege oder Vertreter aus dem ambulanten Sektor, nahezu alle wichtigen Player kommen zu dem Schluss, dass das Modell Einzelkämpfer immer anspruchsvoller wird. Sei es im Alltag der Patientenversorgung oder im Widerstand gegen Regulierungsversuche der Selbstverwaltung durch die Politik. Allerdings bräuchte es dafür wahrhaftige Dialogbereitschaft innerhalb und zwischen den Sektoren – weiterhin ein zähes Unterfangen und eine Problemstellung, welche die KI mit Sicherheit nicht lösen wird.
ÄrzteZeitung v. 26.06.2025
Diskussion beim Hauptstadtkongress: MVZ, Investoren und junge Ärzte: Nötig ist eine differenzierte Debatte
ÄrzteZeitung v. 26.06.2025
Hauptstadtkongress: Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sollen Forschende werden
Ärzteblatt v. 25.06.2025
Warken setzt Prioritäten: Fünf Reformen für die Zukunft des Gesundheitswesens
GKV Finanzen | Aussicht auf die finanzielle Großwetterlage
Lange haben wir das Thema „Finanzielle Großwetterlage“ aufgeschoben, da es schwierig ist abzuschätzen, wie sich die exorbitante Schuldenaufnahme gesamtwirtschaftlich und damit auch auf den ambulanten Sektor auswirken wird. Mit der Zuleitung des Bundeshaushalts an den Bundestag am 24. Juli lässt sich jedoch ein vorsichtiger Blick riskieren. Vorausgegangen war die Einigung im Bundeskabinett. Vom 8. bis zum 11. Juli wird das Haushaltsgesetz mit seinen Anlagen nun im Bundestag erstmalig beraten. Bis zur Verabschiedung wird es allerdings noch mindestens bis September 2025 dauern (~ mehr dazu). Trotz dem noch einiges offen scheint, gibt es einige volkswirtschaftliche Binsenweisheiten, die aller Voraussicht nach auch hier zutreffen. Die geplanten Staatsausgaben und perspektivisch auch die Reform der Schuldenbremse, werden Auswirkungen auf die Inflation, die Lebenshaltungskosten und damit Lohnerwartungen, Investitions- und Anlagepotentiale und viele andere Faktoren haben, sofern mit dieser Fiskalpolitik nicht auch tiefgreifende Reformen einhergehen. Clemens Fuest, Chef des ifo Instituts, merkte dazu an: „All dieses Geld unterzubringen, ohne dass es Preissteigerungen gibt, ist kaum möglich.“ (~Quelle)
Selbstredend werden diese Entwicklungen auch Auswirkungen auf den ambulanten Sektor haben. Allerdings lässt sich zurzeit keine seriöse Quelle zu konkreten Prophezeiungen hinreißen. Unter den vorsichtigen Abwägungen gibt es aber nur wenige Meinungen, die sich der Hoffnung der Gesundheitsministerin anschließen, dass Deutschland ein derartiges Wirtschaftswachstum beschert wird, das die Sozialsysteme stabilisieren könnte. Diese Hoffnung hatte die Gesundheitsministerin beim diesjährigen Hauptstadtkongress geäußert. Bis dahin sollen Darlehn an Kranken- und Pflegekassen die Sozialsysteme stützen. (~ ÄZ v. 25.06.2025).
Demnach erhält die GKV zunächst 5,6 Milliarden direkt sowie eine Fristverschiebung für die Rückzahlung eines älteren Darlehns. Zusätzlich sind weitere Umverteilungen geplant, wodurch für die gesetzlichen Krankenkassen, wohlwollend gerechnet, noch eine Finanzlücke von 4 Milliarden verbleibt. Die Situation der Pflegekassen ist nicht wirklich besser, auch hier soll eine Darlehnstransfusion die akute Blutung ausgleichen. Im aktuellen Haushaltsentwurf ist zwar eine Steigerung der Etats für das Gesundheitsministerium vorgesehen, allerdings wird ein Großteil für eben jene Darlehn aufgewendet. Der Steuerzuschuss zum Gesundheitsfond bleibt stabil bei 14,5 Milliarden. Die übrigen Anpassungen, also Mehr- oder Minderausgaben in den Bereichen Prävention, Forschungsförderung und Impfstoffbeschaffung etc. bewegen sich im – teils mehrstelligen – Millionenbereich. Angesichts der 2024 angefallenen Gesamtausgaben von 326 Milliarden aus dem Gesundheitsfond verbirgt sich allerdings hinter keinem dieser Rechnungsposten der heilige Gral der Beitragsstabilisierung.
Gesundheitsministerin Warken hatte ebenfalls den Appell fast aller ihrer Vorgänger erneuert, die Beiträge auf Dauer stabilisieren zu wollen und dafür auch die versicherungsfremden Leistungen aus dem Budget des Gesundheitsfonds auszulagern oder entsprechend gegenzufinanzieren – ein hehres Ziel. Erinnern wir uns kurz: Lauterbach scheiterte krachend mit dem Vorhaben, homöopathische Leistungen einzuschränken. Und während keiner der vorangegangenen Legislaturen machte das BMAS ernsthafte Andeutungen, die 9,2 Milliarden (Stand 2024) gegenzufinanzieren, welche die Kassen jährlich aus den Beitragsgeldern für Transferleistungsempfänger stemmen müssen (~ Quelle). Allerdings hat der Bund eine Unterstützung bei den versicherungsfremden Aufwendungen der Krankenhausreform zugesagt. Die hierfür geplanten 50 Milliarden sollten zunächst paritätisch zwischen Krankenkassen und Ländern aufgeteilt werden. Wenn ein Zuschuss erfolgt, dann aus dem kriseninduzierten Sondervermögen. Das BMG schreibt dazu: „Die Finanzierung des Transformationsfonds soll, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, künftig aus Mitteln des Bundes (Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität) statt aus GKV-Mitteln erfolgen.“ (~ Quelle) Das verschafft den Kassen womöglich etwas Spielraum, aber inwieweit deshalb mehr Geld in die Versorgung fließt, wird sich zeigen müssen.
Der ambulante Sektor schaut derweil eigentlich nur zu. Die KBV ist zwar bemüht, den Staffelstab im Rennen um die Krisenmilliarden – quasi den Krisenstab – aufzunehmen, doch sind die Möglichkeiten der Selbstverwaltung begrenzt. Man möchte finanzielle Unterstützung für den Ausbau der Terminservicestellen und, so KBV-Vize Hofmeister, Mittel, um die ambulante Praxen-Landschaft resilient und krisensicher zu machen. (~ Praxen werden auch im Verteidigungsfall gebraucht | änd v. 06.03.2025) Letzteres klingt etwas ambitioniert, stößt aber in das gleiche Horn wie der Nachhall aus der Gesundheitsministerkonferenz der Länder im Juni 2025. Während dieser 98. GMK hatte unter anderem Landesminister Laumann die Relevanz ‚der Widerstandsfähigkeit der Gesundheitsversorgung in Anbetracht geopolitischer Krisen‘ angemahnt. (~ Quelle)
Politisch ein gewiefter Schachzug, da sich das Sondervermögen hinter eben jenen brachialen Schlüsselwörtern versteckt. Abseits dieser Versuche, quer über den Tisch zu langen und einen Teil vom Kuchen abzubekommen, wird sich zeigen, wie sich die Geldströme innerhalb der fiskalischen Großwetterlage – also zwischen Sektoren, Branchen und Ministerien – verschieben. Ein vorsichtiger Blick in die Glaskugel lässt aber vermuten, dass es für den ambulanten Sektor keinen Geldregen geben wird – eher Dürre.
ÄrzteZeitung v. 04.07.2025
Die Glaskuppel zum Bundeshaushalt: Ministerin Warken zwischen Zeit- und Geldnot
Ärztenachrichtendienst v. 30.06.2025
Haushaltsentwurf für 2025: Mehr Geld für den Gesundheitsetat
NDR v. 05.03.2025
500 Milliarden Euro Sondervermögen: Wer soll das bezahlen?