Kurz gesagt | Service-Heft Geriatrische-Reha, Hilfsmittel per Videosprechstunde, CAVE! bei Dosierung in Medikationsplänen
Immer mal wieder etwas Neues: Ständig gibt es für die vertragsärztliche Versorgung im Detail Regeländerungen, über die Ärzt:innen und Verantwortliche in den Praxen Kenntnis haben sollten – auch wenn es bisweilen um Kleinigkeiten zu gehen scheint. Nachfolgend haben wir einige solche Details in Form von Kurz-Häppchen, die reinen Informationscharakter haben, bedarfsorientiert zusammengefasst. Besonderes Augenmerk möchten wir auf die Warnung des BfArM lenken, bezüglich teils fehlerhafter Dosierungsangaben in Medikationsplänen. Ferner haben wir zwei Erleichterungen für die Patientenversorgung zusammengetragen. Zum einen das Service-Heft Reha, mit Hinweisen für Ärzte und Psychotherapeuten. Zum anderen die neue Möglichkeit, Hilfsmittel per Videosprechstunde oder Telefonkontakt zu verschreiben.
Serviceheft Reha-Verordnung
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat ihr Service-Heft „Medizinische Rehabilitation“ umfassend überarbeitet und um den Schwerpunkt geriatrische Rehabilitation erweitert. Die aktualisierte Ausgabe ist online verfügbar und kann kostenfrei bestellt werden (~ Medizinische Rehabilitation: Serviceheft jetzt mit neuen Inhalten). Das Heft bietet praxisnahe Informationen zur Reha-Verordnung bei älteren Menschen, einschließlich ausführlicher Beschreibungen von Funktionstests, die den Zugang zur Rehabilitation erleichtern sollen.
Es dient also auch als Arbeitshilfe und kann Ärztinnen und Ärzte dabei unterstützen, geriatrische Reha gezielt zu verordnen. Es ist Teil der Reihe PraxisWissen und wurde angesichts der großen Nachfrage inhaltlich aktualisiert sowie erweitert. Ergänzend stehen drei CME-zertifizierte Online-Fortbildungen zur Verfügung, die das Thema vertiefen.
Hilfsmittel via Videosprechstunde
Ab sofort dürfen Hilfsmittel in der Videosprechstunde verordnet werden. (~ KBV v. 22.05.2025) Allerdings hat der gemeinsame Bundesausschuss dies an folgende Bedingung geknüpft: Die behandelnden Ärzte müssen den Patienten und dessen Gesundheitszustand aus persönlicher Behandlung kennen. Die Verordnung per Video oder Telefon ist nun auch als Erstverordnung erlaubt und kann auch von ärztlichen Kollegen erfolgen, wenn gemeinsam auf die Patientendokumentation zugegriffen wird. Die Patienten-Authentifizierung ist immer sicherzustellen. Eine Verordnung nach Telefonkontakt ist grundsätzlich auch zulässig. Allerdings mit der Einschränkung, dass der Gesundheitszustand des Patienten bereits persönlich oder per Video ermittelt wurde und keine weiteren Informationen benötigt werden. Die Hürden an eine Telefonverordnung sind also auch in diesem Fall höher – wie bereits bei der Arbeitsunfähigkeit. Dem Patienten muss das Muster 16 im Anschluss an die Fernbehandlung zugesendet werden, damit eine Abrechnung erfolgen kann. Abgerechnet wird ab dem 1. Juni dann über die Kostenpauschale 40128 (Kostenpauschale für die postalische Versendung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder einer Verordnung an den Patienten | ~ direkt zum EBM-Online). Mehr Details und weitere Ausführungen zu Patienten mit komplexen Behinderungen hat die KBV auf ihrer Webseite aufgeführt.
Praxen sollen laut BfArM Medikationspläne auf Plausibilität prüfen
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weist darauf hin, dass die für Patienten formulierte Wirkstoffbezeichnung im bundeseinheitlichen Medikationsplan (BMP) in einigen Fällen von der rechnerischen Wirkstärke abweicht. Bei Fertigarzneimitteln sind der Handelsname des Medikaments, die Darreichungsform, die Wirkstoffbezeichnung und -stärke anzugeben. Diese Daten werden in einer Referenzdatenbank aufbereitet. Diese Referenzdatenbank, auf die der BMP zurückgreift, war jedoch nicht als Grundlage für Dosierungen oder Therapiepläne gedacht, wodurch Übertragungsfehler entstehen können. Ärzte sollten daher die Angaben im BMP sorgfältig prüfen, um Medikationsfehler zu vermeiden (~ änd v. 04.06.2025).
Seit 2016 haben Versicherte mit mindestens drei verordneten Medikamenten Anspruch auf einen BMP, entweder in Papierform oder elektronisch (eMP). Ziel ist eine übersichtliche Darstellung der Gesamtmedikation zur Vermeidung von Verwechslungen. Hinweise auf eine Unstimmigkeit bei der Darstellung im Medikationsplan gab es bereits Anfang des Jahres. Das Ausmaß tatsächlicher Gefährdungen durch eine Fehleinnahme ist bis dato nicht bekannt. Um künftig mehr Klarheit zu schaffen, wird die Datenbank derzeit schrittweise angepasst; eine Regeländerung wurde am 13. Mai 2025 beschlossen und soll bis Ende Juni 2025 umgesetzt sein. Unstimmigkeiten sollen an das BfArM gemeldet werden.
KV Bayern v. 16.05.2025
PDF: Verordnung Aktuell Hilfsmittelverordnungen in Videosprechstunden
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und klinische Immunologie v. 23.01.2025
PDF: Potenziell folgenschwere Schwachstelle im Bundeseinheitlichen Medikationsplan
Gemeinsamer Bundesausschuss | aktuelle Ausführung der Richtlinie v. 20.09.2024
PDF: Richtlinie über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
KV-Connect wird abgeschaltet. KIM gewinnt an Bedeutung.
Auf der Webseite KV.digital prangt ein großer Zähler, der die Tage herunterzählt, bis KV-Connect am 20.Oktober 2025 endgültig abgeschaltet wird (~ KV-digital) . Von da an werden alle KV-Connect Anwendungen auf KIM umgestellt. Eine Liste mit den betroffenen Anwendungen haben wir unter dem Artikel verlinkt. Neben dem Fokus auf das To-Do bezüglich der Umstellung, lohnt es sich auch noch einmal ein Schlaglicht auf die übrigen KIM-Prozesse, wie die KIM-Kollegensuche zu werfen.
Was ist bei der Umstellung zu tun: MVZ und Praxen, die bereits bei KIM nutzen, müssen nach Aussagen von KV-digital nicht tätig werden. Die Umstellung der Anwendung soll im Hintergrund geschehen. Praxen und MVZ, die KIM noch gar nicht nutzen, müssten sich jedoch rechtzeitig mit ihrem PVS-Systemhersteller bzw. TI-Dienstleister in Verbindung setzen und KIM bestellen. KIM wird eine zunehmend große Rolle im Praxisbetrieb einnehmen. Ein Zeichen, dass die KV bemüht sind, das Potenzial von KIM auszubauen, ist die Werbung der KV-Rheinland-Pfalz, KIM für die Abwicklung von Honorarbelangen zu nutzen. (~ KV-RLP) Damit reiht sich die KV zu den übrigen 15 KVen, die das Einklick-Abrechnungssystem anbieten.
Insbesondere für größere MVZ bleibt eine Herausforderung, KIM-Anwendungen an ihre komplexen Strukturen anzupassen. Im vergangenen Jahr hatten wir in einem Artikel auf die Hürden verwiesen, mit denen sich Standorte mit mehr als zwei Ärzten oder gar verschiedenen Fachabteilungen konfrontiert sehen. (PRAXIS.KOMPAKT KW. 18.2024 | KBV-Kollegensuche mit KIM-VZD verbunden | Hintergrundwissen zu KIM-Adressen + Ti-Verzeichnisdienst) Interessierten legen wir den Artikel in Gänze ans Herz, da er die Problematik ausführlich beschreibt. Als Kurzfassung lässt sich festhalten, dass es für komplexere Strukturen sinnvoll erscheint, einen Mix aus KIM-Funktionspostfächern und personalisierten, eHBA bezogenen KIM-Adressen zu nutzen. Insbesondere Krankenhäuser haben sich durch ihre strukturellen Gegebenheiten mit der Problematik komplexer KIM-Adressen-Verwaltung auseinandersetzen müssen. Ein Artikel im KTM-Journal beleuchtet die beispielhafte Etablierung der KIM-Anwendung bei den Sana-Kliniken. (~ KTM v. Mai 2024)
Durch eine sinnvolle Adressenverteilung wird auf der einen Seite der Zugriff auf die diversen KIM-Anwendungen sichergestellt, auch wenn ein Arzt beispielsweise im Urlaub sein sollte, zum anderen wird auch die Adresssuche für Kollegen vereinfacht. Bei dynamisch wachsenden MVZ scheint es sinnvoll, die hauseigene KIM-Adressenstruktur rechtzeitig zu überdenken. Denn Änderungen, beispielsweise die Übertragung einer arztbezogenen Adresse (verbunden mit dem eHBA) auf eine praxisbezogene KIM-Adresse (SMC-B Karte) ist zwar möglich, jedoch sind derartige Umstellungen mit weiteren Maßnahmen verbunden. So beschreibt es die KBV bezogen auf ihr eigenes KIM-Angebot KV.dox. (~ FAQ KV.dox) Vieles aus dem FAQ lässt sich aber auch auf die anderen Anbieter übertragen, da die Struktur hinter den ‚xyz@anbieter.KIM.telematik‘ Adressen ähnlich ist.
Am kryptischen Erscheinungsbild der KIM-Adresse wird sich langfristig wenig ändern, durchaus aber an der Relevanz, denn auch die neue Koalition meint, in der Digitalisierung die erhofften Einsparpotenziale zu erkennen. Welche Potenziale tatsächlich zu erwarten sind, hatte ein iGES-Studienbericht zur TI-Anwendung bereits 2024 analysiert. Im verlinkten PDF wird ab Seite 36 auf die zeitlichen und monetären Einsparungen der KIM-Anwendungen – wie dem e-Arztbrief – eingegangen (~ iGES v. Spet. 2024).
KBV v. 07.05.2025 | Liste der Anwendungen im grauen Kasten
KV-Connect wird Ende Oktober abgeschaltet | Liste mit Anwendungen
KV Sachsen v. August.2024
KIM-Adressen leichter mit der Kollegensuche finden
BMVZ | PRAXIS.KOMPAKT v. KW.14
KBV aktualisiert IT-Sicherheitsrichtlinie | Ein Überblick zu alten + neuen Pflichten
NIS-2 Update | Trotz unklarem Zeithorizont: Das Gesetz kommt. Und wenn es da ist, gilt es gleich.
In unserem letzten Update zu NIS-2 hatten wir noch einmal auf die weitreichenden Konsequenzen für viele MVZ und größere Praxen hingewiesen, die das Gesetz mit sich bringen wird. Allerdings hatten wir den Zeithorizont offenlassen müssen. Dieser ist hochinteressant, da es keine Übergangsfristen geben wird. Tritt das Gesetz in Kraft, dann gilt es auch sogleich. Einen kurzen Abriss zu NIS-2 haben wir im 2. Absatz angefügt. In einem Artikel, hinter der Paywall, berichtete der Tagesspiegel-Online über die möglichen Erfolgsaussichten des Innenministeriums, das Gesetz noch vor der Sommerpause durch den Bundestag zu bringen. (~ Tagesspiegel Online v. 05.06.2025) Es gibt aber auch zunehmend Quellen, die davon ausgehen, dass dieser ambitionierte Zeitplan nicht eingehalten werden kann und das Gesetz erst Ende 2025 oder gar erst Anfang 2026 verkündet wird. (~ noerr.com | ~ Nis2-umsetzung.com)
Eine konkrete Voraussage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens ist schwer zu treffen. Einerseits liegt der Gesetzesentwurf aus der Vorgängerregierung schon vor. Zusätzlich drängt das EU-Strafverfahren, wegen der verspäteten Umsetzung der Richtlinie, mit horrenden Strafen gegen den Bund. Andererseits war der damals vorgelegte Gesetzesentwurf umstritten. Unabhängig davon bedarf es durch den Regierungswechsel einen neuen Anlauf des Gesetzgebungsverfahrens mit den diversen Lesungen im Bundestag, samt Expertenanhörung im Innenausschuss, und auch der Bundesrat muss das Gesetz letztlich abnicken. Zwar handelt es sich nicht um ein zustimmungspflichtiges Umsetzungs-Gesetz, doch der Bundesrat muss eine Stellungnahme abgeben und könnte zudem Einspruch einlegen. Der Weg ist also noch lang. Was im ersten Moment wie Aufatmen klingt, die rigiden Vorschriften nicht sofort umsetzen zu müssen, birgt auch die Gefahr, die Dringlichkeit zu weit absinken zu lassen. Denn hinter dem knappen Dringlichkeiten-Stakkato: ‚Das Gesetz kommt. Und wenn es da ist, gilt es.‘, verbirgt sich ein erheblicher Aufwand für MVZ und Praxen. Für alle betroffenen Einrichtungen bedarf es einiger Vorbereitungen, wie Mitarbeiterschulungen und Prüfung der eigenen IT-Infrastruktur.
Als kurze Erinnerung: Hinter dem Kürzel NIS (= Netz- & Informationssicherheit) verbirgt sich eine EU-Richtlinie zur Sicherung der IT-Infrastruktur gegen Angriffe und Störungen. NIS-2 ist ein Update der ursprünglichen Richtlinie und hätte seinerseits bereits in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Diese neue Cybersicherheitsrichtlinie in der deutschen Umsetzung stuft in elf Branchen – darunter das Gesundheitswesen – alle Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von 10 Millionen € neu als ‚kritische Infrastruktur‘ ein und legt diesen daher weiterführende Registrier- und Präventionspflichten auf. Verstöße gegen die neuen Pflichten sollen mit empfindlichen Geldbußen sanktioniert werden. Zudem ist vorgesehen, das Management in eine persönliche Haftung zu nehmen, falls eklatante Sicherheitsverstöße registriert werden. Die Konsequenzen sind also nicht von der Hand zu weisen.
Und selbst dann, wenn das eigene MVZ unterhalb der Grenzwerte liegt, also nicht direkt verpflichtet wird, sollte dennoch davon ausgegangen werden, dass das Thema der Cyberbedrohungen zukünftig stetig mehr Priorität bekommt. Für einen detaillierten Überblick empfehlen wir unsere MVZ-spezifische Arbeitshilfe „NIS2 + vertragsärztliche Praxisstrukturen“.
Heise v. 07.05.2025
NIS2 nicht umgesetzt: EU-Strafe für Deutschland rückt einen Schritt näher
PWC v. 05.05.2025
Anforderungen der NIS-2 an die Gesundheitseinrichtungen
BMVZ-Arbeitshilfe v. Dez. 2024 | öffnet als PDF
NIS2 + vertragsärztliche Praxisstrukturen
GOÄ-Reform angestoßen. Aber vom Abpfiff weit entfernt.
Mit überraschend großer Mehrheit hat der 129. Ärztetag in Leipzig den Antrag zum GOÄ-Entwurf bestätigt. Aufatmen bei der BÄK, Glücksgefühle bei den Hausärzten, zahlreiche Sportmetaphern und ominöse Flugblätter-Kampagnen haben die Abstimmung begleitet. Während der Reden der Abgesandten aus den Länder-Ärztekammern vor der Abstimmung hieß es – vonseiten der Befürworter – der Ball würde auf dem Elfmeterpunkt liegen und die GOÄ müsse nur noch ins Tor geschossen werden. Das Sinnbild ist allerdings irreführend. Die Abstimmung, mit nur 19 Gegen- und 212 Dafür-Stimmen, scheint zwar eindeutig, ist aber eigentlich erst der Anpfiff für das Gesetzgebungsverfahren, dessen uneingeschränkten Erfolgsaussichten bereits kurz nach dem Ärztetag vom BMG relativiert wurden. Der Eindruck eines großen Sieges kommt aber womöglich vom ewig währenden ‚GOÄ-Aufwärmspiel‘.
Im Vorfeld des Ärztetags hatte es zahlreiche lautstarke Gegenstimmen zum GOÄneu Entwurf gegeben. Unter anderem auch die Kampagne „GOÄneu-so nicht!“ (~ Link) . Einige Tage nach der Abstimmung ist die Webseite der Kampagne immer noch online und versprüht den Flair von Schockstarre. Das Relikt wird in Zukunft allerdings noch eine wichtige Rolle spielen. Denn während Frau Warken in ihrer Rede beim Ärztetag noch vorsichtig optimistisch einräumte, das BMG werde den GOÄ-neu Antrag prüfen, hatte ihr Staatssekretär Tino Sorge bei der Jahrestagung des PKV-Verbandes, fünf Tage nach dem Ärztetag am 5. Juni, auf eben den Widerstand zur GOÄ-neu verwiesen. „Wir könnten ja sagen, dass wir das Ding nun über die Rampe schieben – und alle sind glücklich. Aber ganz so glücklich sind dann ja alle auch nicht. Selbst beim Ärztetag war es ja nicht so, dass es komplett ohne jegliche Kritik ablief.“ (~ änd v. 05.06.2025). Das BMG öffnet sich mit dieser ungewöhnlichen Rückschau ein Hintertürchen. Denn wie schon unter Karl Lauterbach werden sich die Verantwortlichen nicht darum reißen, mit den Ländern in Verhandlung zu treten. Diese sind über die Beihilfe der Beamten auch Kostenträger und da die GOÄ-neu eine Rechtsverordnung ist, welche nur mit Zustimmung der Länder erlassen werden kann, eröffnet sich reichlich Spielraum für politische Relativierungen. Staatssekretär Sorge heftet auch sogleich ein Namensschild an besagtes Hintertürchen: „die Beihilfe-Problematik“.
Im Großen und Ganzen ist aber davon auszugehen, dass die GOÄ verabschiedet wird. Die großen Pläne des BMG – Stichwort: Primärarztsystem – lassen eigentlich wenig Raum für zusätzliche Zwistigkeiten mit der Ärzteschaft. Ob die GOÄ jedoch gegen alle Widerstände schnellstmöglich durch das Gesetzgebungsverfahren getrieben wird, darf stark bezweifelt werden. Während die BÄK selbstredend eine zügige Umsetzung fordert, halten sich unabhängige Quellen noch mit der Einschätzung eines Zeithorizonts zurück. Angesicht der Tatsache, dass die Hälfte von 2025 bereits rum ist, wäre eine Umsetzung noch in diesem Jahr ambitioniert. Der Ruf, welcher dem Ärztetag jedenfalls nachhallt – ‚der Ball liege nun bei der Politik‘ – lässt die Frage offen, was denn mit dem Ball nach dem metaphorisch propagierten Elfmeterstoß geschehen ist? Hat der Torwart den Ball gefangen? Oder gab es einen Lattenpraller und der Ball liegt nun vor dem eigenen Tor?
Ärzteblatt v. 13.06.2025
Gebührenordnung für Ärzte: Ärztetag gibt grünes Licht für neue Gebührenordnung
ÄrzteZeitung v. 20.05.2025
GOÄneu: Für die Politik „gibt es jetzt keine Ausreden mehr“
Quintessenz Publishing Deutschland v. 02.06.2025
Zahnärzteschaft bleibt kritisch: GOÄneu mit großer Mehrheit verabschiedet
Top -Ten-Ranking der Regresskassen wirft Schlaglicht auf die Neuauflage der Bagatellgrenze
Top-Ten-Listen stehen in der modernen Aufmerksamkeitsökonomie hoch im Kurs. Diesem Tenor folgend, hat die KV-Rheinland-Pfalz ein Top 10 Ranking der regressfreudigsten Kassen herausgebracht. Die Daten beziehen sich auf das erste Quartal 2025. Der Informationsmehrwert dieser Nachricht mag für den Praxisalltag gering sein, unter anderem, da die Auswertung KV spezifisch ist. Dennoch gibt das Ranking Anlass, zwei altbekannte Themen aufzugreifen.Zum einen wäre dies die Bagatellgrenze bei Regressen und zum anderen die Verantwortung der Kassen für den Aufwand, der bei fehlerhaften Regressen entsteht aufzukommen. Die KV-RLP nutzt das Ranking jedenfalls publikumswirksam, um auf die „Flut“ an Regressen und die häufige Fehlerhaftigkeit aufmerksam zu machen. Wer sich einen Überblick zur Top 10 machen möchte, und sei es für ein Gefühl des ‚Nicht alleine betroffen Seins‘ kann dies hier tun. (~ KV-RLP: Regress Ranking)
Obwohl die Bagatellgrenze nicht im Koalitionsvertrag der vergangenen Regierung angedacht war, hatte Lauterbach sich hinreißen lassen, eine 300 EUR Bagatellgrenze in Aussicht zu stellen. Die Begründung war neben dem obligatorischen Anprangern der Misstrauenskultur aber kühl kalkulatorisch; denn die Bearbeitung kleiner Regresse würde oft mehr kosten als sie den Kassen einbringen. Durch das Ampel-Aus hatte es die Norm aber nicht ins finale GVSG geschafft. Allerdings wurde die 300 Euro Grenze im jetzigen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD aufgenommen: „Wir führen eine Bagatellgrenze von 300 Euro bei der Regressprüfung niedergelassener Ärztinnen und Ärzte ein.“ (Rz. 3503 Koalitionsvertrag | öffnet als PDF)
Nur gab es auch schon unter Lauterbach Bedenken, welche realen Konsequenzen die Reform hätte. Im vergangenen Jahr hatte der VirchowBund vor den Plänen Lauterbachs kritisch angemerkt: „Die neue Antragsgrenze bezieht sich auf je eine Betriebsstättennummer je Quartal und je Krankenkasse. Die Krankenkassen werden daher zukünftig nicht mehr jede einzelne Verordnung gesondert beanstanden. Sie werden stattdessen einfach die Prüfanträge sammeln, bis diese die Bagatellgrenze überschreiten.“ ( ~ VirchowBund v. 29.04.2024) Bei der KBV zeigt man sich aktuell hingegen positiv erwartungsvoll. In einem Interview zu den Vorhaben der neuen Bundesregierung hatte KBV-Vorstands-Vize Stephan Hofmeister die Bagatellgrenze als „großen Schritt“ bezeichnet (~ KBV v. 15.05.2025). Hofmeister hatte aber auch sogleich hinterhergeschoben, dass dies nur ein Teil der geforderten Entbürokratisierung sein könnte. Vielleicht auch ein Wink auf das Selbstversprechen, das sich die amtierende Regierung gegeben hat.
Im Koalitionsvertrag steht nämlich auch, dass man Kassen verpflichten wird, gemeinsame Verwaltungsprozesse zu entwickeln. In einem Utopia könnte man annehmen, dass das BMG hier gleich einen Regress-Regress-Dualismus einführt, der Kassen dafür bestraft, sofern sie fehlerhafte Forderungen stellen. Nach der Logik ‚Strafe schützt vor Missbrauch‘ ließen sich somit einer, nun wieder im Top 10 Ranking der KV-RLP bestätigten, Leichtfertigkeit der Regressforderungen durch die Kassen entgegentreten. Die KV-RLP hatte solch eine Forderung von der KV Hessen aufgenommen, welche Letztere noch knapp vor der Bundestagswahl 2025 postuliert hatte: „Ferner müssten falsche und/oder unwirtschaftlich gestellte Prüfanträge angemahnt werden, für entstandene Aufwände bei falschen Prüfanträgen die Krankenkassen finanziell aufkommen.“ (~ ÄZ v. 03.02.2025)
Es wird sich zeigen, inwieweit Frau Warken diese Forderungen mitträgt. Bezogen auf die Erfahrungen der letzten Jahre scheint es aber utopisch zu bleiben und es stellt sich ohnehin die Frage, ob ein zusätzliches Prüfverfahren eines Regress-Regress-Dualismus nicht dem Bürokratieabbau widerspräche und es bei einer Bagatellregelung bleibt. Als Kompromiss womöglich mit verkürzten Fristen der Regressfähigkeit oder einem Sammelverbot durch die Kassen.
ÄrzteZeitung v. 02.06.2025
KV Rheinland-Pfalz präsentiert „Top Ten“ der regressfreudigsten Kassen
Arzt und Wirtschaft v. 15.05.2025
Regressversicherung: Was sie bringt, was sie kostet
Ärztenachrichtendienst v. 28.02.2025
Unbürokratische Bagatellgrenze für Regresse als Sofortmaßnahme
Praxen faxen … immer noch viel | Mind Up zur Datenschutzproblematik beim Faxversand
Von knapp 6.800 Ärzt:innen, die im Herbst 2024 dazu explizit befragt worden waren, haben 71 % geantwortet, dass sie für ihren beruflichen Alltag das Fax weiterhin benötigen würden. Diese Zahl veröffentlichte das Nachrichtenportal Focus (~ Quelle) und bestätigte damit das Gefühl, dass sich insbesondere im Gesundheitswesen die Fax-Technologie – trotz der digitalen KIM-Alternative – einer anhaltend großen Beliebtheit erfreut. KBV-Vorstand Steiner erklärt dazu korrekterweise, dass ein Grund wäre, dass wichtige Partner der Ärzte, z.B. Pflegeheime, teils aber auch Krankenhäuser noch nicht über die TI erreichbar, bzw. deren KIM-Adressen unbekannt seien. Bis vor Kurzem war beispielsweise auch die Meldepflicht von Infektionskrankheiten komplett an den Papierweg, respektive das Fax gebunden (KW14: DEMIS-Portal für Praxis+MVZ geöffnet | Meldepflicht nach § 6 IfSG wird neu organisiert). Soweit so nachvollziehbar – allerdings gibt es auch zwischen den Praxen sowie in Kommunikation mit Therapieberufen und Kassen durchaus noch (unnötig) viele Faxe. Dabei muss klar sein, dass der Faxversand die heutigen Anforderungen an den Datenschutz keineswegs mehr erfüllt.
Im Nachbarland Österreich ist das Faxen seit Januar 2025 daher explizit verboten. Da es gleichzeitig aber an einer einheitlichen Kommunikationsplattform fehlt, schrieb die Süddeutsche im Februar: „Das Verbot trifft Krankenhäuser, Arztpraxen und Gesundheitsämter besonders hart […]. Die Folgen könnten aus einem Roman von Franz Kafka stammen. […] Mancherorts wurden Befunde stattdessen mit dem Rettungsdienst hin- und hergeschickt.“ (~ Quelle) Die ÄrzteZeitung konstatiert: „An dieser Stelle sind die Ärztinnen und Ärzte [mit KIM] ihren Kolleginnen und Kollegen der Alpenrepublik tatsächlich in der Digitalisierung ein Stückchen voraus.“ (~ Quelle) Umso irritierender ist es daher, dass die Rundschreiben der KV Saarland immer noch als Fax erfolgen. Erst seit Anfang 2025 wird hier überhaupt die Möglichkeit angeboten, diese stattdessen als Mail zugesandt zu bekommen. (~ KVS Fax-News)
Andere sind da weiter: Die KV Bremen beispielsweise ging durch die Presse, als sie bereits „zum 31. Juli 2022 … die unsichere Kommunikation über Fax für immer abschaltete.“ (~ mehr dazu) Die Begründung dafür ist dieselbe wie in Österreich und lässt sich in ausführlicher Darstellung als Paper des BayLfD (Datenschutz bei der Nutzung von Telefaxdiensten, PDF | 12 Seiten) oder bei den hessischen Datenschützern nachlesen (Handreichung: Übermittlung personenbezogener Daten per Fax). Für Leser mit wenig Zeit bietet das LDI NRW eine komprimierte Erläuterung: Der Faxversand ist in Bezug auf den Datenschutz nicht mehr als uneingeschränkt sicheres Kommunikationsmittel anzusehen.
Praxen, die Befunde, Rezepte und Überweisungen faxen, sollten sich daher dieser ‚Schwachstelle‘ zunehmend bewusst werden und aktiv auf Alternativen umstellen. Natürlich ist hier auf die Kommunikation über KIM und TIM, sprich über die TI zu verweisen. Die eingangs zitierte Focus-Erhebung verweist darauf, dass 42 % der Ärzt:innen ‚Datenschutz und -sicherheit als größte Hürde der Digitalisierung‘ benennen, gefolgt von dem Aufwand für die technologische Implementierung der Alternativen (34%). KBV-Vorstand Steiner kommentiert: „Beim Faxgerät wissen Ärzte und Praxispersonal, dass es (in der Regel) tut, was es soll. Und sie wissen, wie es zu bedienen ist. Dem neuen System der Telematikinfrastruktur stehen [dementgegen] manche Ärzte und Angestellte in Praxen und Kliniken noch skeptisch gegenüber und vertrauen ihm nicht.“ An dieser Stelle hilft es, sich klarzumachen, dass die Datensicherheit beim Faxen tatsächlich eine reine Illusion ist. Zum einen, weil unklar ist, wer das Fax auf der Gegenseite in Empfang nimmt. Zum anderen, weil Faxe in der Regel eben nicht mehr als Papier ausgespuckt werden, sondern zumeist irgendwo durch einen Dienstleister digitalisiert und dann als schnöde Mail zum eigentlichen Empfänger geschickt werden. Durch diese Unklarheiten in der Handhabung leidet nicht zuletzt die Nachvollziehbarkeit, ein wichtiges Merkmal der Revisionssicherheit.
Wie nötig es sein kann, hier im eigenen Team sowie bei dem medizinischen Partnern Bewusstsein zu schaffen und nach Lösungen zu suchen, mag die merkwürdige Tonalität dieses Zitats aus einem Physiotherapie-Aprilscherz vom 1. April 2025 verdeutlichen: „Besonders Physiotherapiepraxen, die seit Langem die vertraute Kommunikation per Fax mit Arztpraxen pflegen, werden sich vor große Herausforderungen gestellt sehen. Wie künftig Rezeptkorrekturen oder Befunde ohne Fax an Ärzte übermittelt werden sollen, erschließt sich derzeit niemandem.“ (~ Quelle) Scherzhaft, mit einem Hauch von Wehmut behauptet der Artikel, dass zum 1. Juli 2025 ein Faxverbot für Deutschland kommt, analog zu dem in Österreich. Faxen zu machen, über die realen Unzulänglichkeiten des Faxes als Kommunikationsmedium, amüsiert zwar, wird dem ganzen Drama um den verpassten ‚digitalen-Anschluss‘ allerdings nur schwerlich gerecht.
Focus.de v. 22.05.2025
71% der deutschen Ärzte nutzen noch Faxgeräte: Scheitert die Digitalisierung im Gesundheitswesen?
KVS Mitteilungen – Hefte 1/2 + 3/4-2025
Altbewährt und datensicher? Warum das Fax längst keine Alternative mehr ist
Die Notwendigkeit der Digitalisierung in ambulanten Praxen – KIM versus FAX
Ärztezeitung v. 29.03.2025
Faxverbot stürzt Praxen in Österreich ins Chaos – und was gilt in Deutschland?