KBV aktualisiert IT-Sicherheitsrichtlinie | Ein Überblick zu alten + neuen Pflichten
Nach vier Jahren wurde zum 1. April 2025 erstmals die IT-Sicherheitsrichtlinie der KBV erneuert. Damit kommen zu der seit Januar 2021 bestehenden Pflicht bezüglich der IT-Grundsicherheit, die ausnahmslos jede Praxis, BAG oder MVZ erfüllen muss, mit einer Übergangsfrist von sechs Monaten weitere Vorgaben hinzu. Diese betreffen das Cloudcomputing, aber vor allem den Bereich der Mitarbeiterschulung und -sensibilisierung. Hintergrund ist die frisch veröffentlichte Feststellung des BSI, dass „weniger die technische Ausstattung als vielmehr Informationen der Schlüssel zur erfolgreichen Etablierung von Informationssicherheit in der ambulanten Versorgung“ seien (~ Prägende Entwicklungen im eHealth-Bereich 2024 | PDF – 28 Seiten). Grundsätzlich können aber alle, die bisher bei der IT-Sicherheit im Sinne der Anlagen 1 und 5 zur Richtlinie, bzw. je nach Praxisgröße auch der Anlagen 2 und 3, bisher gut aufgestellt sind, entspannt bleiben, da – anders als beim verwandten NIS2-Thema (~ Update in Ausgabe KW10) – nicht wirklich neue Anforderungen eingeführt werden.
Vielmehr geht es insgesamt bei der IT-Sicherheitsrichtlinie des vertrags(zahn)ärztlichen Bereiches um die bloße Systematisierung von digitalen Schutzmaßnahmen, die ohnehin dem gesunden Menschenverstand entsprechen. Auch deshalb sollte der (bestmögliche) Schutz von Cyberangriffen nicht als reine Pflicht betrachtet werden, sondern von allem als Eigeninteresse von Praxis und MVZ. Für den zahnärztlichen Bereich besteht im Übrigen – unter Verantwortung der KZBV – ebenfalls seit Anfang 2021 eine eigenständige, jedoch inhaltlich weitgehend ähnliche Richtlinie, weswegen auch hier ein zeitnahes, inhaltsgleiches Update zu erwarten ist. Daher können sich auch alle Zahnärzt:innen bereits jetzt an den KBV-Vorgaben orientieren.
Alt wie neu sind diese Richtlinien vor allem als Checkliste konstruiert, die jede Praxis als Routine bewusst und wiederholt durchgehen sollte. Dabei geht es darum, dass Verantwortliche strukturiert und regelmäßig neu die bestehenden Sichersheitsroutinen sowie den praxisinternen Umgang damit hinterfragen. Viele der ab Oktober neuen Checkpunkte sind dabei mitarbeiterbezogen, wie z.B.: „Die Praxis regelt den Umgang mit Spam bei E-Mails. Grundsätzlich sollten alle, die in der Praxis mit E-Mails arbeiten, Spam ignorieren und löschen.” Und: „Gehen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise in Rente, müssen sie beispielsweise Arbeitsunterlagen, Schlüssel, Geräte, Ausweise und Zutrittsberechtigungen zurückgeben. Bekannte und verwendete Passwörter sowie andere Zugangsdaten muss die Praxisleitung ändern oder vernichten.” Beispiele, die gut belegen, dass es wirklich nicht um Weltbewegendes geht. Hauptziel ist es vielmehr, Bewusstsein und Sensibilität gegenüber den mannigfaltigen Cyberbedrohungen zu steigern, sowie Struktur und Wiederholung bei eigentlichen Selbstverständlichkeiten zu etablieren und die Dokumentation entsprechender Maßnahmen zu erzwingen.
Sehr gut hat das auch der Berufsverband der Orthopäden und Unfallchirurgen in seinem Infobrief herausgearbeitet, und die Checklisten in einen gut lesbaren Prosatext verpackt. Mit Blick auf die bisherige Richtlinienfassung wird dort zusammengefasst: „Für kleinere Praxen sind also 41 [neu: 50] Anforderungen zu befolgen, im ’worst case‘ für große Praxen mit mehr als 20 Personen und Großgeräten steigt die numerische Anzahl auf einen Wert von 70 [neu: 80].“ (~ IT-Sicherheitsrichtlinie in der vertragsärztlichen Praxis | Heft 1 | 2025 – Seiten 54ff). Die dort zu Wort kommenden Juristen verweisen zudem darauf, dass die Nichteinhaltung der Richtlinie zwar nicht direkt sanktioniert wird, aber im Falle des Falles erhebliche Folgen auf Basis des DSGVO-Bußgeldkataloges sowie in strafrechtlicher Perspektive mit sich bringen kann. Hier steht direkt die Praxisleitung, bzw. die MVZ-Geschäftsführung, in Verantwortung und Haftung.
Die Checklisten selbst sowie einiges an weiterführenden Praxismaterialien stellt die KBV auf einer gesonderten Webseite bereit, die gegenüber ihrer Etablierung von 2021 inzwischen deutlich nutzbringender ist. Dort finden sich zum einen die tabellenartigen Anlagen 1 bis 5 der Sicherheitsrichtlinie im Schnellzugriff. Zum anderen aber auch ein FAQ mit relevanten Fragen und tatsächlich nützlichen Antworten sowie Querverweise zum BSI. Außerdem werden explizit zu den neu hinzugefügten Checkpunkten rund um die Mitarbeiterbelehrung und -schulung auch direkt einsetzbare Mustervordrucke zum Download angeboten.
Die Pflichterfüllung kann im Übrigen vollständig in Eigenregie von Praxis und MVZ erfolgen. Weder braucht es dafür Zertifikate, noch ist die Einbindung von Dienstleistern zwingend vorgesehen. Allerdings kann insbesondere Letzteres praxisindividuell natürlich zwecks Entlastung sinnvoll sein. Hierfür hat die KBV mit Stand vom 2. April eine aktualisierte Übersicht von Anbietern herausgegeben, die sich speziell für diese Aufgabe haben zertifizieren lassen: Verzeichnis zertifizierter Dienstleister nach § 390 SGB V.
KBV-Praxisnachrichten v. 03.04.2025
Besserer Schutz vor Cyberkriminalität – IT-Sicherheitsrichtlinie für Praxen mit neuen Anforderungen
Heise.de v. 02.04.2025
Vertragsärztliche Versorgung: Neue IT-Sicherheitsrichtlinie veröffentlicht
Gesundheitswesen: BSI bewertet IT-Sicherheitsniveau grundsätzlich als positiv
KBV | Juli 2024
IT-Sicherheit: Praxen im Visier von Hackern und Trojanern | Beispiele + Tipps zur Prävention (PDF – 7 Seiten)
DEMIS-Portal für Praxis+MVZ geöffnet | Meldepflicht nach § 6 IfSG wird neu organisiert
Das RKI hat das DEMIS-Portal (~ mehr Infos) nun auch für die Meldung von Infektionskrankheiten gemäß § 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG) durch MVZ und Arztpraxen freigeschaltet. Bisher konnten lediglich Erregernachweise nach § 7 IfSG über das Portal gemeldet werden, was vor allem Labore betraf. Meldepflichtige Erkrankungen wie Masern, Keuchhusten, Mumps & Co. wurden dagegen bisher per Onlineformular direkt an das lokale Gesundheitsamt gemeldet. Dies kann und soll ab sofort aber primär über DEMIS geschehen. Zwingende Voraussetzung ist jedoch das Durchlaufen eines Authentifikationsprozesses, der offensichtlich nicht ganz trivial ist. Daher teilte die KBV am 3. April mit, dass kurzfristig am 9. April eine Online-Veranstaltung zum gematik-Authenticator durchgeführt wird. Leider gibt es dazu keinen abrufbaren Stream. Verwiesen wird stattdessen auf die DEMIS-Wissensdatenbank: Authentisierungsmethoden. Insgesamt ist allerdings erklärte Absicht, durch den neuen Meldeweg den Aufwand für das Absetzen der Meldung und für deren Verarbeitung in den Gesundheitsämtern zu reduzieren und eine sichere Übertragung personenbezogener Daten (als bspw. per Fax-Meldung an das gesundheitsamt) zu gewährleisten.
Inhaltlich hat sich nichts geändert: Nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtige Krankheiten und Erregernachweise sind unverzüglich, jedoch spätestens nach 24 Stunden, zu melden. Das gilt für alle Anlässe, die unter die §§ 6 oder 7 IfSG fallen. Das DEMIS-Portal lässt sich entweder über das Internet ansteuern (unter https://meldung.demis.rki.de/), oder aus der TI heraus (unter https://portal.demis.rki.de/). Zukünftig soll es auch möglich sein, eine Meldung via FHIR-Schnittstelle direkt aus dem Praxisverwaltungssystem abzugeben. Laut gematik ist dieses Modul aber noch in der Vorbereitung. Die Datenübernahme aus dem PVS in die Formularseiten des DEMIS-Meldeportals ist dennoch bereits möglich.
Derzeit gibt es für die Praxen-Anmeldung bei DEMIS zwei Optionen: 1) Die Authentifizierung mittels SMC-B und gematik Authentifikator und 2) mittels der BundID. Letztere Option ist für jene interessant, die dauerhaft oder temporär keinen Zugriff auf die TI haben. Die gematik stellt einen sehr ausführlichen Guide zur Verfügung, in dem unter anderem auf die Installation des gematik Authenticator eingegangen wird. (~ Link dazu). Dagegen gibt es leider, nach unserem Kenntnisstand, keinen Klick-Dummie, anhand dessen man z.B. eine Meldung probehalber absetzen könnte. Generell kommen die von der gematik und dem RKI sehr zahlreich zur Verfügung gestellten Informationen eher unübersichtlich und suboptimal strukturiert daher. Mitten im Konvolut dieser DEMIS Wissensdatenbank wird z.B. darauf verwiesen, dass beim Ausfüllen der Meldung alle zur Verfügung stehenden Angaben eingetragen werden müssen. Wie bisher sind Nachtragungen, bei neuer Kenntnislage, zum Beispiel über den Verbleib einer infizierten Person, aber möglich und umgehend nachzureichen. Die im Meldeformular mit einem Kreuz versehenen Felder sind technische Pflichtfelder, was bedeutet, dass diese ausgefüllt werden müssen. Ferner beschreibt die gematik: „DEMIS ermittelt automatisiert, an welches Gesundheitsamt die Meldung adressiert wird. In der DEMIS-Meldungsquittung finden Sie die Kontaktinformation des zuständigen/empfangenden Gesundheitsamtes.“ (~ Infopaket zur Meldung gemäß § 6 IfSG)
Angesichts des nötigen Aufwandes für die Authentifikation sowie der allgemeinen Unübersichtlichkeit der bereitgestellten Hilfsmaterialien, kann es möglicherweise für Praxen Sinn machen, dass das bisherige lokale Meldeverfahren, das derzeit parallel aufrecht erhalten wird, zunächst beizubehalten. Um erst dann den Meldeweg zu wechseln, wenn die momentanen Kinderkrankenheiten behoben wurden. Generell gilt aber: Das 2020 in Betrieb genommene DEMIS-Portal soll auch künftig weiterentwickelt werden und wird somit über den jetzigen Zweck hinaus zunehmend Bedeutung erlangen. Perspektivisch sollen dort auch Antibiotikaresistenzen und syndromische Surveillance-Daten für respiratorische Infektionen (SARI) erfasst werden.
KBV-Praxisinfo v. 03.04. bzw. 06.03.2025
DEMIS-Meldeportal: Online-Veranstaltung zum gematik-Authenticator am 9. April
Meldepflicht bei Infektionen: RKI schaltet Portal für Arztpraxen frei und stellt Infos bereit
Hausärztliche Praxis v. 07.03.2025
Meldepflichtige Infektionskrankheiten: Meldeportal DEMIS für Praxen freigeschaltet
Das Ergebnispapier der AG Gesundheit + Pflege | Alles versprechen – dann zurückrudern?
Seit am 26. März das finale Zwischenergebnis der Koalitionsberatungen zum Thema Gesundheit und Pflege öffentlich wurde, lässt sich überall nachlesen, was Schwarz-Rot vorgeblich regeln will. In Variationen übertitelt mit: Das will die Koalition oder Das ist geplant. Doch klar muss sein: Beide Aussagen stimmen nicht. Derzeitig tagt die 19-köpfige Hauptverhandlergruppe der Spitzen aus CDU, CSU und SPD, und die werden alle Papiere der insgesamt sechszehn Arbeitsgruppen vermutlich noch einmal deutlich zusammenstreichen. Dies schon deshalb, weil über allem übergroß die Finanzierungsfrage steht. Die ÄrzteZeitung bezeichnet die bisherigen Ergebnisse daher treffend als „reine Luftbuchungen.” Und kommentiert: „Ob ihre Vorschläge sinnvoll sind oder nicht, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Fest steht dagegen eines: Das Ergebnispapier der AG wird so nie Bestand haben. Dafür ist es schlicht zu teuer.” (~ Quelle)
Wer das Papier der Gesundheits- und Pflege-AG gelesen hat (~ Volltext öffnen), wird ohnehin über die zahlreichen erstaunlich detaillierten Regelungsansätze gestolpert sein. So gibt es nicht nur einen kurzen Satz dazu, dass man die Wartezeiten in der ambulanten Versorgung verringern und dafür Patienten künftig über ein „verbindliches Primärarztsystem bei freier Arztwahl” steuern will. Vielmehr werden direkt auch Ausnahmen für Frauen- und Augenärzte, und ebenso für chronisch kranke Patienten angeschlossen, sowie als Alternative die Möglichkeit ausgeführt, dass Patienten die Primärarztsteuerung durch ein Ersteinschätzungverfahren über die 116117 umgehen können. Als Sanktion wird zudem direkt festgelegt, dass, wenn Arzttermine nicht ausreichend zeitnah von der KV vermittelt werden können, Patienten der Facharztzugang im Krankenhaus eröffnet wird. Parallel soll weiter an der Ablösung der vom EBM vorgegebenen Quartalslogik gearbeitet werden. So dass diese Passagen insgesamt eher wie ein ganzes Eckpunktepapier zur Thematik klingen. Bedenkt man zusätzlich, dass die Debatte um die Patientensteuerung gerade erst Fahrt aufgenommen hat und dass dabei inhaltlich stark verschiedene Ansätze präsentiert und diskutiert werden, scheint es einfach verfrüht und vor allem unnötig, dass sich die Koalition hier derartig konkret einengt.
Zum Vergleich lohnt ein Blick in den Koalitionsvertrag von Dezember 2021: Hier gab es im finalen Text genau nur vier Sätze zur ambulanten Versorgung, während allein dieses Thema im AG-Papier ca. zwei Seiten füllt. Erwähnung finden dabei auch Ideen zur fachärztlichen Entbudgetierung in (drohend) unterversorgten Gebieten, die als Umverteilung aus überversorgten Gebieten kostenneutral daherkommen soll … seufz, hust, ächz … Wir wagen einmal die Prognose, dass es diese Passage ganz sicher nicht in den eigentlichen Koalitionsvertrag schafft. Daneben wird der Lauterbachsche Ansatz wiederholt und sogar konkretisiert, „die Länderbeteiligung in den Zulassungsausschüssen über eine ausschlaggebende Stimme [zu stärken].” Spannend scheint in dem Kontext auch, dass über die Wiedereinführung der zahnärztlichen Bedarfslanung fabuliert wird. Außerdem soll innerhalb eines halben Jahres das bisher schon versprochene, aber nicht gekommene Bürokratieentlastungsgesetz verabschiedet werden, um ‚Dokumentationspflichten und Kontrolldichten bei allen Heilberufen zu verringern‚. Enthalten darin als Wunsch der AG auch der Ausschluss von Bagatellregressen unter 300 €.
Überhaupt finden sich viele unvollendete Projekte des Lauterbach-BMGs auf der Agenda der AG wieder: Notfall- und Rettungsdienstreform, Suizidprävention und die Vorbeugung gegen Volkskrankheiten. Optimierung der psychosomatischen und psychotherapeutischen Grundversorgung sowie Verbesserung der zugehörigen Finanzierungsregeln. Organspendegesetz. Erhöhung der Apothekerhonorare. Verpflichtung der PVS-Hersteller zu einer einheitlichen Datenaustausch-Schnittstelle … und natürlich das Bekenntnis, „eine praxistaugliche Krankenhauslandschaft aufbauend auf der Krankenhausreform der letzten Legislaturperiode … bis zum Sommer [fortzuentwickeln].” Und hier wird es spannend: Während alle bisher genannten Punkte quasi den Geist Lauterbachs atmen, spürt man bei den Ausführungen zum stationären Sektor schnell, was die CDU/CSU als Tauschmasse für die Zustimmung der ambulanten Projekte eingefordert hat. Denn hier gibt das Papier ziemlich genau jene Punkte als Koalitionsabsicht wieder, die die Christdemokraten im Herbst als Opposition eingefordert hatten: weitreichende Ausnahmen für die Länder, Überarbeitung der Definition des ‚Fachkrankenhauses‘, Leistungsgruppenzuweisung auf Basis des NRW-Katalogs [statt der BMG-eigenen Planungen] und zeitliche Streckung des Umsetzungsprozesses.
Insgesamt ist damit zu rechnen, dass die dreiköpfige Runde der Chefverhandler – bei diesem Thema bestehend aus Bärbel Bas (SPD), Carsten Linnemann (CDU) und Martin Huber (CSU) – das sechsseitige AG-Papier in vielen Details deutlich zusammenstreichen wird. Dafür spricht allein die Tatsache, dass in dieser Dreierrunde Frau Bas die einzige Sozial- und Gesundheitsexpertin ist. Welche Bedeutung daher am Ende die ambulante Versorgung einnimmt, ist – vor allem hinsichtliche der Detailtiefe – weiter offen. Ergebnisse sind noch für vor Ostern angekündigt. Dass das aber auch wirklich klappt, ist nicht sicher. Zu groß sind die mannigfaltigen und teils gegenläufigen Herausforderungen, die die Koalition angesichts der klammen Kassen angehen muss.
Ärzteblatt v. 04.04.2025
Zähe Verhandlungen: Koalitionsgespräche von Union und SPD dauern an
Apotheke Adhoc v. 27.03.2025
AG Gesundheit: Wer bekommt was?
Hausärztliche Praxis v. 27.03.2025
Pläne der neuen Koalition: Einführung eines Primärarztsystem
GKV-PKV-Verwirrspiele | Polizisten erhalten ab 1. April eGK & wie funktioniert die ePA bei Privatpatienten?
Während rund 70 Millionen GKV-Versicherte aller Kassen bereits über eine ePA verfügen, stellt sich der PKV-Bereich in dieser Frage ausgesprochen uneinheitlich dar. Grundsätzlich ist die ePA ein GKV-Angebot, zu dem die persönliche eGK der Versicherten quasi die Zugangsberechtigung darstellt. Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Mitteilung, dass seit 1. April an alle 45 Tausend Polizeivollzugsbeamt:innen der Bundespolizei eGKs ausgegeben wurden, besonders spannend. Denn Ziel dieser Maßnahme ist es explizit, dieser besonderen Gruppe von Privatpatienten (‚Heilfürsorge Polizei‘) den Zugang zu den TI-Mehrwertleistungen zu ermöglichen. Allerdings fällt darunter zunächst noch nicht die ePA – sehr wohl aber das dann auch über den EBM abrechenbare VSDM und NFDM (~ Bundespolizei: Einführung der eGK). Für alle anderen PKV-Patienten – und damit auch für die MFA am Praxistresen – bleibt die Lage allerdings anhaltend unübersichtlich.
Einige große Player der Branche haben das ePA-Angebot für ihre Versicherten schon adaptiert. Das Handelsblatt verwies im Frühsommer 2024 auf entsprechende Pläne mehrerer Unternehmen. (~ Quelle). Allerdings sind – unseres Wissens – bisher lediglich vier PKV-Unternehmen mit eigener ePA-App TI-ready: Hallesche | Allianz | Gothaer | Signal Iduna. Andere, teils große Player wie bspw. ARAG, Debeka, DKV und HUK Coburg warten dagegen noch. Dabei gibt es – trotz aller versicherungsindividuellen Unterschiede – einige erwähnenswerte Gemeinsamkeiten: (1) Im Gegensatz zur GKV-Landschaft ist die ePA für die PKV nicht verpflichtend. Deshalb handelt es sich grundsätzlich um ein Opt-In Verfahren, d.h. PKV-Versicherte mit ePA haben sich bewusst dafür entschieden. (2) Die privaten Krankenversicherungen stellen keine Abrechnungsdaten in die ePA ein. Auch ist (3) bislang nicht vorgesehen, dass Versichertendaten, wie bei der GKV, zu Forschungszwecken aus der ePA abgeleitet werden.
Um die ePA überhaupt nutzen zu können, benötigen Privatversicherte eine persönliche ‚Krankenversicherungsnummer‘ (KVNR). Wobei klarzustellen ist, dass es sich bei dieser KVNR nicht um die Versicherungsnummer – also nicht um die Vertragsnummer – handelt (~ Hinweis der Signal-Iduna). Vielfach wurden die Antragsunterlagen für die KVNR bereits im vergangenen Jahr von den PKVen an ihre Versicherten versendet. Ergänzend können sie aber zumeist auch von den jeweiligen Webseiten heruntergeladen werden. Das Antragsverfahren läuft, nach dem Ausfüllen der Unterlagen, ohne das Zutun der Patienten, über die Rentenversicherung und die Vertrauensstelle Krankenversicherungsnummer, welche jeder Person eine zehnstellige Nummer zuordnet. Wer hierzu im stressigen Arbeits-Alltag einen ironischen Schmunzler benötigt, kann sich auf Wikipedia die ‚sehr deutschen‘ Ausführungen zum Aufbau einer ‚vollen‘ KVNR samt Prüfziffern anschauen (~ Link dazu).
Auch Patienten, die von der GKV in die PKV gewechselt sind und somit eigentlich bereits eine KVNR haben, müssen das PKV-KVNR Antragsverfahren durchlaufen. Der Grund dafür: „Die privaten Krankenversicherungen dürfen die KVNR nämlich nicht bei ihren Versicherten erfragen und aus deren Selbstauskunft übernehmen.“ (~ Quelle) Im Hintergrund läuft in solchen Fällen ein KVNR-Clearingverfahren, bei dem entschieden wird, ob der PKV-Patient eine neue KVNR bekommt. Aufgrund all dieser Umstände drängt der PKV-Verband darauf, dass die persönliche KVNR auch für PKV-Patienten obligatorisch angelegt wird und nicht erst nach einem extra Einwilligungsverfahren. Dies bisher aber erfolglos. (~ mehr Infos)
Sofern PKV-Patienten dann ihre KVNR erhalten haben, können sie sich auf der individuellen ePA-App ihres Versicherers anmelden. Voraussetzung ist allerdings, dass sie unmittelbar selbst Versicherungsnehmer sind. Wieviele PKVen bereits einen ePA-Zugang auch für Mitversicherte anbieten, konnten wir nicht abschließend ermitteln. Privatpatienten können die ePA selbstredend nur in Praxen nutzen, die an die TI angeschlossen sind. Privatärzte, die sich dem bislang verweigert haben, müssten demnach ihre Haltung zur TI künftig je nach Nachfrage der Patienten anpassen. Wie sich das tatsächlich niederschlägt, ist aber ungewiss, da bisher keine Daten der PKV veröffentlicht wurden, wie viele ihrer Versicherten die ePA nutzen wollen.
Praxen ihrerseits müssen den Online Check-in (OCI) anbieten, um die KVNR des PKV-Versicherten auf sicherem Weg zu erhalten. Nur wenn diese im PVS hinterlegt ist, können TI-Anwendungen wie die ePA für den Versicherten genutzt werden. Zudem müssen Privatversicherte der jeweiligen Praxis per ePA-App die Zugriffsberechtigung erteilen. Das Verständnis, dass es hierbei um einen zweiteiligen Prozess geht (a: OCI zur KVNR-Übermittlung | b: Erteilung der Zugrifsserlaubnis pr App), ist für Praxen und Versicherte essenziell. (~ Online Check-in in der Praxis für Ihre Privatversicherten). Wohl dem, der jemanden aus der Generation ‚digital natives‘ zur Unterstützung an den Praxistresen setzen kann. Denn an diesem Punkt ergeben sich unseres Erachtens eine Reihe potenzieller Hürden. Sei es bei der Bedienung der App durch die Versicherten, schlechte Verbindung, oder dass die Praxis in der App-Auswahl nicht gefunden wird. Für letzteren Fall weist der PKV-Verband z.B. leicht lakonisch darauf hin: „Wenn der Eintrag für Ihre Einrichtung im Verzeichnisdienst der gematik nicht mehr aktuell ist oder stark vom Praxisnamen abweicht, ist Ihre Praxis eventuell nur schwer zu finden. Wenden Sie sich in diesem Fall an Ihren Kartenherausgeber um den Eintrag anpassen zu lassen.“ (~ PKV-Verband | Was Leistungserbringer zur ePA wissen müssen). Um dieses Punkt präventiv zu umgehen, sollten Praxen mit dem QR-Code-Generator der gematik einen praxisindividuellen QR-Code erzeugen und bereit halten, der die korrekte KIM-Adresse beinhaltet.
Aus jetziger Sicht scheint es angesichts der vielen Unklarheiten und der vielleicht nur wenigen Anwendungsfälle ratsam, dass sich Praxen zumindest für das laufende Jahr intern einen Modus-Operandi überlegen, wie die MFA am Tresen mit PKV-Patienten umgehen sollen, die sich bewusst für die ePA entschieden haben. Oder – andersherum – mit Polizisten, die neu mit einer eGK daherkommen, über die sich auch bei dieser privat versicherten Klientel plötzlich die Anlage des Notfalldatensatzes über EBM abrechnen lässt. Zusammengefasst lässt sich sagen: Die ePA in der PKV bietet durchaus Potential – was sie die Praxen an zusätzlichem Aufwand kostet, wird sich allerdings erst noch zeigen.
Hausärztliche Praxis v. 27.03.2025
Bundespolizei wird ab 1. April mit eGK ausgestattet
PKV-Verband | Praxisinformation zur ePA für alle
So erhalten Sie Zugriff auf die ePA von Privatversicherten (PDF)
Landesverwaltungsamt Berlin v. 24.11.2024
Informationen der Beihilfe zum Thema elektronische Patientenakte
Hintergrundwissen zur Labor-Reform | Verschiebung von Anreizsystemen mit weitreichenden Folgen
Die zum Januar 2025 in Kraft getretene Labor-Reform stößt seit Langem auf Widerstand der betroffenen Ärzte. Im März 2025 hat der Verband der akkreditierten Labore (ALM e.V.) nun eine ausführliche Wirtschaftlichkeitsberechnung der geänderten GKV-Leistungsabrechnung vorgelegt und warnt – anhand der Ergebnisse – vor größeren Verwerfungen in der Versorgungslandschaft. Nach den Ableitungen des Laborverbandes wird sich in der Folge des Kostendrucks auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den veranlassenden Ärzten und den Laboren ändern. Die ÄrzteZeitung fragt dazu ketzerisch: Kommt der Abholdienst der Labore in Zukunft seltener in Arztpraxen? Um die Zusammenhänge zu verstehen, lohnt es nicht nur, den ÄZ-Podcast anzuhören, sondern auch für Ärzte und MVZ anderer Fachrichtungen einen Blick auf die laborspezifischen Dynamiken zu werfen. Nicht zuletzt, weil auch der Laborwirtschaftlichkeitsbonus, von deren Anpassung wir letzte Ausgabe berichteten (~ Beitrag öffnen), mit dieser Reform zusammenhängt.
Hintergrund: Die Vergütungsvolumina für die Laborleistungen werden, wie alle anderen Grundbeträge auch, im Honorarverteilungsmaßstab festgelegt. Eine Über- oder Unterdeckung des Laborleistungsvolumens wird bei Bedarf anteilig von den Haus- und Facharztbudgetvolumina ausgeglichen. Michael Müller vom ALM e.V. weist darauf hin, dass die Labor-Reform darauf hinauslaufe, dass – obwohl die Hausärzte rund 40 % der Laborleistungen veranlassen – zukünftig lediglich 15 Prozent aus dem „Topf“ der Hausärzte zum Ausgleich der Laborleistungen stammt. Im Rahmen der anstehenden Hausarzt-Entbudgetierung scheint dies zunächst fragwürdig, bis man die Perspektive der Kassen einnimmt. Für das eigene Erwartungsmanagement ist es daher sinnvoll anzuerkennen, dass es sich um ein – böse Zungen könnten sagen – Hütchenspiel handelt, bei dem lediglich Anreizsysteme im Rahmen fixer Ressourcen verschoben werden.
Den stetig steigenden Laborkosten möchte die Reform 2025 mit einer Umverteilung der Anreizsysteme entgegentreten. Dazu werden, grob gesagt, die GOPs abgewertet und durch Pauschalen ersetzt. Die wichtigsten sind die Pauschalen für Entnahmematerial, Transportkosten bei Laboraufträgen sowie für die Softwaremodule zum eAuftrag. Eine Liste aller neuen Pauschalen stellt bspw. die KV-RLP übersichtlich zur Verfügung (~ direkt zu). Die Abwertung der GOPs liegt zwischen -8 % bei ‚Aktives Protein C‘ bis hin zu -56,3 % bei ‚Glukose im Plasma‘. Einige Leistungen wurden noch darüber hinaus abgewertet (Seite 13 | ALM Aktuell Spezial Laborreform). Die erwähnte Anpassung des Laborwirtschaftlichkeitsbonus für die Ärzte ist auch auf die Umverteilung dieser Anreizsysteme zurückzuführen. Denn im Anreizgefüge der neuen Laborhonorare hätten die alten ‚unteren Quoten‘ des Wirtschaftlichkeitsbonus‘ zu viel Geld aus dem Laborbudget an die Praxen übertragen, argumentiert der ALM. Ohnehin gibt dieser zu Protokoll, dass er von der Steuerwirkung des Laborwirtschaftlichkeitsbonus nicht überzeugt sei.
Die Diskussion, ob sich die Pauschalen mit den Abwertungen wirklich aufwiegen, reicht über ein Jahr zurück. Naturgemäß begrüßten die Labore die Pauschalen und kritisierten die Abwertung, zumal vom Bewertungsauschuss keine betriebswirtschaftliche Berechnungsgrundlage vorgelegt wurde. Die KBV zeigt sich nach Aussage des ALM zwar gesprächsbereit, wolle zunächst jedoch die Auswirkungen der Reform abwarten. Außerdem sieht man bei der KBV zusätzlich die Notwendigkeit die Vergütung der perianalytischen Leistungen transparenter zu gestalten. Die bisherige Verrechnung durch eine Querfinanzierung sei undurchsichtig und somit, in Hinblick auf den Anti-Korruptionsparagraphen, nicht rechtssicher. (~ ÄrzteZeitung v. 22.10.2024)
Zum Missmut der Labore haben die einzelnen KVen bereits vorgegeben, wie viel sie von den neuen Grund- und Kostenpauschalen auszahlen wollen. Im Falle der KV-Thüringen sind dies durch die Bank fix nur 85 Prozent. Die KV Mecklenburg-Vorpommern behält sich für die Grundpauschalen eine rechnerische Quote vor. Hier hat es in der Tat „ein Geschmäckle“, dass die GOP um den Faktor X gekürzt werden, um sie in die Pauschalen zu übertragen, während diese Pauschalen dann postwendend reduziert werden.
Doch was hat die Laborreform für Folgen? Mit Sicherheit kann das wohl noch keiner zum jetzigen Zeitpunkt sagen. Momentan laufen mehrere ‚Trends‘ gleichzeitig, aber mitnichten parallel. Nach einer Erhebungen des ALM e.V. ist eine Verschiebung von praxiseigenen Laborleistungen hin zur Abgabe der Leistung an fachärztliche Labore zu beobachten. Dies gelte, nach Aussage des Verbandes, auch für den stationären Bereich. In Anbetracht des medizinischen Fortschritts und der Morbidität sind Verschiebungen hin zur Laborindustrie nachvollziehbar, da sich Laborleistung mit niedriger oder defizitärer Marge, kostenintensive Geräte und Personal leichter über Skaleneffekte querfinanzieren lassen. Spezialisierte Labore, die maßgeblich auch die Behandlung von Chronikern mitbegleiten, werden zukünftig zwar die Pauschalen abrechnen können, bei mehrmaligen Untersuchungen des gleichen Behandlungsfalls im selben Quartal jedoch, durch die Herabsenkung der GOPs, defizitär sein. In dem eingangs bereits verlinktem Podcast der ÄrzteZeitung v. 15.03.2025 wird zudem darauf verwiesen, dass Labore, insbesondere auf dem Land, ihre defizitäre Situation durch die Einschränkung des Leistungsangebotes ausgleichen werden. Somit könnte beispielsweise der Labor-Fahrdienst seltener kommen, oder Leistungen werden an größere Einrichtungen abgegeben, was zu längeren Wartezeiten auf die Ergebnisse führt.
Ergo: Die Laborreform 2025 wird das Angebotsspektrum der Labore verändern; dies in einem sich ohnehin ändernden Markt. Wo sich praxiseigene Labore in diesem Umbruch wiederfinden, hängt maßgeblich von der Ausrichtung und Auslastung des Labors ab. Für MVZ und Praxen, die regelmäßig Laborleistungen extern veranlassen, wird es relevant sein, ein Augenmerk auf die Evaluation der KBV und den daraus folgenden Anpassungen für die Labore zu haben, um abzuschätzen, inwieweit die eigenen Labor-Kooperationspartner betroffen sind und in der Folge ihr Leistungsangebot reduzieren/anpassen.
Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) v. März 2025
Umsetzung der Laborreform 2025:
Für die fachärztlichen Labore kommt es so schlecht wie erwartet
(PDF | 40 Seiten)
Ärzteblatt v. 11.03.2025
Verbände für Anpassungen der Laborreform
ÄrzteZeitung v. 13.01.2025
Labormediziner warnen: Weniger Einnahmen bei steigenden Kosten
„Wir erlassen ein iMVZ-Regulierungsgesetz.” | Update zur MVZ-Debatte
Das AG-Papier der schwarz-roten Verhandlungsgruppe zu Gesundheit und Pflege enthält unter vielem anderen den in der Überschrift zitierten Satz zur MVZ-Regulierung. Allerdings ohne weitere Ausführungen; leicht zusammenhangslos positionert nach dem Bekenntnis zur ambulant-stationären Angebotsverschränkung und vor der Absichtserklärung, durch Jahrespauschalen unnötige Arzt-Patientenkontakte zu reduzieren. Es ist ein typischer Koalitionsvertragssatz: Hinreichend lang, damit die Absicht deutlich wird, aber auch so kurz, dass sich letztlich alles und nichts darunter verstehen lässt. Daher ist durchaus vorstellbar, dass gerade dieser Satz die Bereinigung der Chefverhandler, die derzeit – wie unter ‘Nachrichten‘ näher ausgeführt (~ direkt öffnen) – stattfindet, überlebt. Im Bericht des zahnärztlichen Standesblattes über die AG-Ergebnisse (~ ZM Online v. 27. März) wird dieser Punkt zentral herausgestellt und mit Bedeutung aufgeladen: „Gleich auf der ersten Seite des Papiers befassen sich die Mitglieder der 16-köpfigen Arbeitsgruppe mit der ambulanten Versorgung. „Wir erlassen ein iMVZ-Regulierungsgesetz“, kündigen sie dort an.“ Bei den meisten anderen Kommentierungen zum Papier läuft der Punkt dagegen unter ferner liefen, was vermutlich auch eher dem Themenranking der AG entsprechend dürfte.
Nicht sicher genug, dass die Koalition hier wirklich etwas unternimmt, scheint auch die KV Bayerns, die in Form einer Resolution ihrer Vertreterversammlung am 31. März noch einmal die Forderung konkretisiert hat, ‚investorenbetriebene MVZ‘ dringlich zu regulieren, um „die Qualität der ambulanten Versorgung aufrecht zu erhalten. Der Einstieg von Investoren in MVZ müsse deutlich erschwert werden.” (~ Pressemitteilung der KVB) Was diesbezüglich der Sach- und Faktenstand ist, wurde dagegen von der ÄrzteZeitung am 24. März – also vor Veröffentlichung des AG-Papiers bereits ausführlich erörtert (~ Artikel öffnen). Ein Ergebnis des Autors: „Zumindest bei vorurteilsfreier Herangehensweise scheint demnach das Pendel gegen eine Einschränkung der MVZ-Gründungsbefugnisse für Kliniken auszuschlagen. Was nichts daran ändern dürfte, dass der Gesundheitsminister daran festhält, sollte er den Posten weiterhin bekleiden.”
Das AG-Papier zeigt, dass Lauterbach sich beim MVZ-Thema durchaus durchsetzen konnte. Gleichzeitig lässt sich das Fehlen jeglicher Zweckbestimmung (‚Wir regulieren die MVZ, um das+das zu erreichen‘) als Niederlage lesen. Kann so doch unter diesem Satz beinah jede Art von Regelung zum Thema verstanden werden, auch wenn die meisten Akteure den Satz aufgrund der bisherigen Debatte ziemlich gleichförmig und sehr konkret vollenden. Hier bspw. in der schlicht-sprachlichen Fassung des Berliner Kuriers: „Zudem soll es ein MVZ-Regulierungsgesetz geben, das dafür sorgen soll, dass es keine gewinnorientierten Unternehmen mehr in MVZ gibt.” (~ Quelle) Aber so funktionieren Koalitionsverträge nicht: Vielmehr sind Sätze in solchen Papieren oft extrem gedrechselte Sprachkunstwerke, die als bloße Beruhigungspille oder eben als inhaltlich weitreichender Türöffner gemeint sein können.
Will sagen: Allein die Existenz dieses Satzes, wenn er überhaupt Eingang in den eigentlichen Koalitionsvertrag findet, sagt im Grunde wenig bis gar nichts über die wirklichen Regelungsabsichten der kommenden Regierung aus. Und so fragt die ÄrzteZeitung zu recht: ”Was wird nun daraus? Liegt im BMG ein fertiges Paragrafenpaket, das demnächst nur noch aus der Schublade gezogen wird? Oder hat sich das Vorhaben, privaten Kapitalgebern den MVZ-Zugang maximal unattraktiv zu machen, mit der Ampel-Legislatur erledigt?” Eine Antwort muss man als seriöser Autor bis auf Weiteres schuldig bleiben. Zu vieles hängt von Personen- und Parteikonstellationen ab.
Und, was das betrifft, wagen wir folgende Prognose:
Wir glauben, dass das Gesundheitsministerium tatsächlich von der CDU besetzt werden wird (65 % Wahrscheinlichkeit), auch wenn Bärbel Bas (SPD) hier von vielen Fachleuten ein Wahl-Zugriffssrecht bescheinigt wird (30 % Wahrscheinlichkeit). Dass Karl Lauterbach noch einmal das Ministeramt erhält, dem geben wir dagegen keine Chance (5 % Wahrscheinlichkeit). Zu sehr hat er in den letzten dreieinhalb Jahren auch die eigene Partei verprellt. Zumal es bei der Besetzung von Ministerposten ja noch nie wirklich um Kompetenz und Qualität ging. Sondern um Proporze vielfältigster Art. Wer hierzu einen Einblick sucht, dem sei dieser gut recherhierte ARD-Text zu empfehlen: Was kann bei der Postenverteilung im Hintergrund eine Rolle spielen?
Abschließend noch ein Hinweis auf die aktuelle Ausgabe der Apotheken-Umschau, also jener Zeitung, die Patient:innen in vielen Fällen gratis aus der Apotheke mitbringen. Sehr ausführlich wird darin erörtert, warum die „Zahl der Medizinischen Versorgungszentren, kurz MVZ, wächst. Was dahinter steckt und worauf Patientinnen und Patienten achten sollten, wenn sie sich dort behandeln lassen.” (~ direkt zu) Der Beitrag versucht, ein differenziertes Bild zu zeichnen, getragen von Prof. Gerlinger, der sich für die Uni Bielefeld mit kommunalen MVZ beschäftigt und von Sabine Wolter von der NRW-Verbraucherzentrale. Die Aussagen hinterlassen dennoch ein zwiespältiges Gefühl, wenn grundsätzlich für MVZ eine große Personalfluktuation unterstellt und erklärt wird: „Ein weiteres Problem der MVZ ist ihre meist starke Profitorientierung(…) Das kann sich natürlich beißen mit einer guten Versorgung der einzelnen Patientinnen und Patienten … So kann es etwa sein, dass MVZ manche Basisleistungen nicht oder nur ungern anbieten, … Und umgekehrt kann es theoretisch sein, dass man in MVZ Behandlungen empfohlen bekommt, die vielleicht nicht unbedingt nötig sind, sich aber gewinnbringend abrechnen lassen.”
Am Ende geht es um die Frage, ob die Behandlung in MVZ empfohlen werden kann. Sinngemäß heißt es da: ‚Die Grundidee von MVZ ist erst einmal in jedem Fall sinnvoll. Allerdings sei das größte Risiko beim MVZ-Besuch, dass man Maßnahmen empfohlen bekommt, die eigentlich gar nicht notwendig wären. Insbesondere bei zahnärztlichen und augenärztlichen Behandlungen wird den Patient:innen empfohlen, besonders aufmerksam sein.‘ Solche Aussagen sind in ihrer Pauschalität natürlich harter Tobak … bereiten Sie sich also gegebenenfalls auf Patienten vor, die demnächst mit der Apothekenumschau unterm Arm im Wartezimmer stehen.
BBMV | Veranstaltungshinweis für 10.04.2025
Ist nach der Wahl vor der MVZ-Regulierung?
ÄrzteZeitung v. 24.03.2025
MVZ-Debatte: „Unterkomplex diskutiertes Stammtischthema“
Apotheken-Umschau v. 19.03.2025
Was Medizinische Versorgungszentren leisten und wo ihre Grenzen liegen