KBV-Kollegensuche mit KIM-VZD verbunden | Hintergrundwissen zu KIM-Adressen + Ti-Verzeichnisdienst
Als ob die Ohren geklingelt hätten: Nur einen Tag, nachdem wir beim BMVZ-Arbeitstreffen einen lebhaften Austausch zu den (vielfach ungelösten) organisatorischen Herausforderungen rund um das KIM-Adressverzeichnis und die praxisseitige Gestaltung von eArztbrief-Empfang und -weiterleitung geführt hatten, vermeldete die KBV am 25. April eine relevante Arbeitserleichterung – zumindest bei der Adressdatensuche via KV-Safenet. Denn, KV-Kollegensuche und KIM-Adressbuch sind nun miteinander verbunden, was zwar überhaupt nichts an den Geburtsfehlern des Verzeichnisdienstes (VZD) ändert, aber zumindest das Finden von Adressdaten der Kollegen künftig einfacher macht. Kurz gesagt, gibt die KV-Kollegensuche auch die KIM-Adressen von Ärzt:innen aus, sofern diese über eine solche verfügen und der Suchende den extra-Button dafür drückt. Und da die KV-seitige Suchmaske deutliche komfortabler ist, als die VZD-eigenen Features und z.B. die Suche allein anhand einer LANR oder BSNR erlaubt, liegt hierin bereits die Verbesserung. Hinzu kommt, dass die Kollegensuche – anders als beim VZD – im Layout unabhängig von der Praxissoftware stetig gleich und mit gleichen Funktionalitäten daherkommt.
Was einerseits gut ist, legt aber gleichzeitig auf frustrierende Weise den Finger in die Wunde:
KIM hat eine Reihe Geburtsfehler, die nicht nur das Auffinden von KIM-Adressen der Kollegen schwermacht, sondern die gerade komplexe Praxisstrukturen – jede für sich – dazu zwingt, über Prozesse und Personaleinsatz im KIM-Kontext gezielt nachzudenken. Und diese Problematik wird durch die neue ‘Krücke’, die die Verbindung zur Kollegensuche bietet, nicht angegangen. Tatsächlich schreibt die KV Thüringen auf ihrer Hilfeseite über die VZD-Suchmaske vielsagend: “Mit einem Klick in die Auswahlliste entscheiden Sie, wohin der elektronische Arztbrief gehen soll. Diese Auswahlliste kann man offenbar beliebig unfreundlich gestalten.” (~ Quelle). Darüber hinaus gibt es eine Reihe im Praxisalltag relevante Punkte bei der Nutzung von KIM, bzw. bei der Anlage von KIM-Adressen zu beachten – gerade weil die KIM-Funktionalitäten trotz der Unzulänglichkeiten künftig immer wichtiger werden.
Ein Eintrag im Ti-Verzeichnisdienst wird für eine Betriebsstätte immer dann automatisch und standardisiert angelegt, sobald eine SMC-B in Betrieb genommen wurde. Selbiges gilt für einen Arzt oder Heilberufler, sobald ein persönlicher eHBA aktiviert wird. Es gibt somit sowohl Einrichtungs- als auch Personeneinträge. Für beide gilt: Mit dem automatischen Eintrag im Verzeichnisdienst (aka Adressbuch) ist jedoch keine Vergabe einer KIM-Adresse verbunden. Die muss gesondert beantragt werden und ist kostenpflichtig. Praxen, bzw. MVZ benötigen dafür einen KIM-Dienstleister, von denen die gematik derzeit über 70 zugelassene listet (~ zur Übersicht). Außerdem gilt: Laufen eHBA und SMC-B nach fünf Jahren ab, muss von der Praxis neu nachgedacht oder zumindest Obacht gegeben werden. Denn jeder Verzeichniseintrag ist an die jeweilige Telematik-ID gebunden – von der gegebenenfalls mit der neuen Karte eine neue generiert wird. Die mit dem bisherigen Eintrag verknüpften KIM-Adressen müssten dann über den praxisindividuellen KIM-Anbieter auf die neue ID übertragen werden. Wird das nicht beachtetet, sind Informationsabbrüche vorprogrammiert. Aufgrund der vielen Anbieter und Akteure war es uns nicht möglich, über das konkrete Verfahren Näheres in Erfahrung zu bringen. Deshalb gilt: Sprechen Sie rechtzeitig vor Ablauf des 5-Jahres-Zeitraumes Ihren KIM-Dienstleister aktiv auf die Antragsbesonderheiten und Umstände bei Nachfolgekarten an.
Neben allen anderen Problemen hapert es dabei im VZD besonders häufig bei BAG und MVZ mit vielen Ärzten und mehreren Fachrichtungen an der Dateneindeutigkeit. Dies liegt zum einen daran, dass drei verschiedene Stellen die Daten einpflegen: KV für SMC-B, LÄK für eHBA, KIM-Dienstleister für die KIM-Adresse. Zum Anderen ist nur die KIM-Adresse überhaupt (und nur in Teilen) frei durch den Antragsteller definierbar. Der Adressaufbau folgt dabei diesem Schema: xyz@Anbieter-Kennung.KIM.telematik. Für den vorderen Teil (XYZ) findet man folgenden Tipp: ‘Seien Sie erkennbar, jedoch nicht kreativ – aber auch nicht datensparsam. Wählen Sie ggf. einen längeren Namen, der Ihre Einrichtung eindeutig identifizierbar macht.’ Die eigentlichen Verzeichnisdaten werden dagegen von KV und LÄK stumpf aus den Zulassungs-, bzw. Antragsdaten übernommen. Bekanntermaßen sind gerade aber die im Zulassungsverfahren verwandten Praxisnamen oft wenig hilfreich für eine gute Findbarkeit. Die KV Bayerns schreibt hierzu: „Änderungen des Praxisnamens sind nur möglich, wenn fehlerhafte Praxisnamen in unserem Arztregister vorhanden sind. … Es ist nicht möglich, Wunschnamen zu hinterlegen.“ (~ Quelle | im PDF Seite 4)
Außerdem stellt sich die Frage nach dem sinnvollen Einsatz von persönlichen und einrichtungsgebundenen Postfächern. Allenthalben kann man hierzu lesen, dass eine auf den SMC-B bezogene Einrichtungsadresse pro Praxis ausreichend sei – z.B. bei der Gematik selbst: „Grundsätzlich genügt pro Praxis eine Adresse, welche an die SMC-B gekoppelt ist. Man kann aber je nach Bedarf weitere E-Mailadressen einrichten.“ (~ im FAQ | Frage 3) Aber was für die Einzel- oder Zweierpraxis ein wirklich guter Tipp ist, muss es nicht ebenso für komplexe Strukturen sein. Im Gegenteil. Allerdings geht im Grunde kein auf den ambulanten Bereich gerichtetes Handout auf diese Problematik ein. Da sich dieselbe Frage allerdings für Krankenhäuser stellt, die künftig ebenfalls an die Ti angebunden sein müssen, empfehlen wir unbedingt einen Blick in das Ti-Handbuch für Kliniken (~ PDF öffen, zum Thema ab Seite 32). Dort wird auf den Aspekt mehrerer SMC-B, die je Einrichtung nebeneinander existieren ebenso eingegangen, wie auf die Sinnhaftigkeit präventiver Ersatz-SMC-B und das Abwägen zwischen persönlichen und Funktionspostfächern. Pro SMC-B können bis zu 100 KIM-Mailadressen eingerichtet werden.
Um den Kreis zu schließen: Der kollegiale Austausch beim BMVZ-Arbeitstreffen hat ergeben, dass die meisten MVZ auf das Nebeneinander mehrerer Funktionspostfächer setzen und, dass in der Regel eine feste Zuständigkeit definiert ist, welche MFA sich wann und in welchem Turnus um die eingehenden eNachrichten und eArztbriefe kümmert. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass es (bisher) wegen der schweren Findbarkeit von Adressen nicht selten zu fehlgeleiteten eArztbriefen kommt. Aufgrund der besonderen Sicherheitsarchitektur des KIM-Dienstes gibt es jedoch keine Weiterleitungsfunktion o.ä. – wodurch die Zustellung von Fehlläufern z.B. innerhalb eines MVZ von einer Funktionsadresse an die nächste zu einem zeitraubenden Abenteuer werden kann und am Ende wieder im Erstellen eines Papierausdruckes mündet …!?
Hausarzt.digital v. 26.04.2024
Kollegensuche: KIM-Adressen leichter finden
KBV-Arbeitspapier v. 25.04.2024
Online-Dienst Kollegensuche im sicheren Netz (PDF)
Gematik v. Juni 2023 (PDF | dort Seiten 32ff.)
Die Anbindung von TI-Anwendungen in Krankenhausprozessen – Exkurs Verzeichnisdienst
Blanko-Verordnung für Ergotherapie sei 1. April am Start | Was bedeutet das für die Physiotherapie?
Das TSVG vom Sommer 2019 hat es vorgesehen und nun … nur kurze fünf Jahre später, ist sie in der Praxis angekommen: Die Blankoverordnung. Allerdings momentan begrenzt auf die Ergotherapie und dabei auf einzelne Krankheitsbilder. Kurzum: die Anwendungsfälle dieser seit 1. April neuen Option für Ärzte und Psychotherapeuten, gemeinsam mit den Patienten und Heilberufskollegen die Behandlung offener zu gestalten, ist äußerst begrenzt. Zunächst geht es nur um bestimmte Diagnosegruppen bei Gelenkerkrankungen, wie Schultersteife oder Arthritis, bzw. bei Abhängigkeitserkrankungen und leichter Demenz. (~ Praxishilfe Erhotherapie v. März 2024 | PDF – 5 Seiten). Für den Mehraufwand und die Mehrverantwortung, die Ergotherapeuten damit tragen, erhalten diese eine zusätzliche Honorarposition, die „Versorgungsbezogene Pauschale je Blankoverordnung“ mit einem Wert von 91,38 €. Insgesamt sind Ärzt:innen, die regelmäßig in den genannten Diagnosegruppen Ergotherapie verschreiben, vor dem Hintergrund dieser Änderungen gut beraten, sich mit den Therapeut:innen im Umfeld über die künftige Zusammenarbeit zu verständigen. Zu beachten ist zudem, dass der verordnende Arzt nur dann einen Therapiebericht erhält, wenn dieser auf dem Verordnungsformular ausdrücklich angefordert wird.
Die Blankoverordnung ist berufspolitisch hoch umstritten. Das TSVG sah vor, dass entsprechende Verträge bis November 2020 geschlossen werden sollten, und natürlich ging es auch um das große Feld der Physiotherapie. Schaut man ein wenig tiefer in die Zusammenhänge, lassen sich schnell die Krankenkassen, bzw. der GKV-Spitzenverband als Bremser ausmachen. In dem Kontext geht es aus Kassensicht vor allem um Aspekte der Mengensteuerung und Unwirtschaftlichkeit. (~ Der lange Weg zur Blankoverordnung). Offensichtlich wird durch die Blankoverordnung eine Mengenausweitung/Kostensteigerung befürchtet – Folge ist im Ergotherapeuten-Vertrag auch ein darauf bezogenes Ampelsystem, dass die Kassen vor Überforderung schützen soll. Aber auch die Arztseite kann nicht als glühender Befürworter gelten. Zu unklar war die Ausgestaltung der wirtschaftlichen und medizinischen Verantwortung, wenn ein Arzt zwar das Rezept ausstellt, der Therapeut aber über Dauer und Art der Behandlung entscheidet. Diese Frage wurde über die im Dezember 2023 zur finalen Klärung angesetzten Schiedsverhandlung zwischen Ergotherapeuten und GKV-Spitzenverband arztentlastend geklärt:
Für Blankoverordnungen tragen die behandelnden Ergotherapeut:innen die wirtschaftliche Verantwortung (~ Volltext Vertrag nach § 125a SGB V). Sie unterliegen damit nicht den vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach Paragraf 106b SGB V. Zur Verordnung wird das bisherige Verordnungsformular 13 verwendet und der Begriff „Blankoverordnung“ in das Feld „Heilmittel nach Maßgabe des Kataloges“ aufgedruckt. Es steht dem Arzt oder Psychotherapeut aber weiterhin frei, auch in den genannten Diagnosegruppen eine gebundene Verordnung auszustellen. Die aktuelle Ausgabe des Mitgliederjournals der Hamburger KVbietet zu allen Aspekten eine praxisnahe Aufbereitung: KVH-Journal | Heft 5/2024 | im PDF S. 14 -16.
Insgesamt ist damit ein erster Bereich die Blankoverordnung, die formal als ‘Heilmittelversorgung mit erweiterter Versorgungsverantwortung’ bezeichnet wird, in die Regelversorgung überführt worden. Und die Physiotherapie? Derzeit befinden sich die gesetzlichen Krankenkassen mit den Physiotherapieverbänden fortgesetzt in Verhandlung. Es heißt, dass man bereits sehr weit fortgeschritten wäre und nur noch einige Details zu klären seien. Nicht ganz unerwartet käme, würde der bereits geltende Ergotherapie-Vertrag als Blaupause herangezogen. Insgesamt ist aber vor allem mit einem weiteren Abwarten zu rechnen … nämlich darauf, wie sich das ganze bei den Ergotherapeuten entwickelt. Im KBV-Handout zur Ergotherapie wird 2025 als Startjahr genannt.
Bis dahin ist im Sinne eines Reminders auf die umfängliche Änderung der Heilmittelrichtlinie (HM-R), seit 1.1.2021 am Start, zu verweisen. Hier ist die Blankoverordnung als Theoretikum bereits verankert. Relevanter ist aber zu wissen, dass es mit dieser Neufassung der Richtlinie den Therapeuten gestattet ist, ärztliche Verordnungen eigenständig zu ändern. (~ Pressemeldung des GBA: Inkrafttreten der überarbeiteten Richtlinien am 1. Januar 2021). Was und wie abgeändert werden darf, und wofür es nach wie vor eine ärztliche Unterschrift benötigt, regelt Anlage 3 (~ Volltext inkl. Anlagen | PDF). Dieser Schritt ist als Zwischenschritt auf dem Weg zur Blankoverordnung zu verstehen. Und ohne Frage ist das genau so auch politisch gewollt.
GKV-Spitzenverband v. 22.04.2024
Die Blankoverordnung in der Ergotherapie | Geltungsbereich, Laufzeit und parallel ausgestellte (Blanko-)Verordnungen
KBV-Mitteilung v. 22.02.2024
Blankoverordnung für Ergotherapie ab April – PraxisInfo mit allem Wissenswerten
Blog des deutschen Medizinrechenzentrums v. 06.02.2024
Vorteile und Nachteile der Blankoverordnung für den Heilmittelbereich
Überarbeitung von BMG-Klinikatlas + DKG-Krankenhausverzeichnis als konkurrierende Angebote | Potenzial für die Patientenberatung
Seit dem 1. Mai ist der Krankenhausatlas offiziell am Start, allerdings noch in einer Art Beta-Version. Der webbasierte Auftritt gehörte zu Lauterbachs Gesamtkonzept beim Umbau der Krankenhauslandschaft. Der Kern des Krankenhausatlas ist eine Webseite, auf der Patienten Informationen über Krankenhäuser einholen können. Ab dem 16. Mai soll der Umfang der Features erweitert werden. Hinter der bloßen Transparenzoffensive verbergen sich allerdings noch mehrere Dimensionen politischer Motive. Die Reibung ebendieser Motive führte kürzlich zu einer überraschend praktischen Verbesserung für den Praxisalltag. Kurzum: Weil sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft gegen den lauterbach’schen Krankenhausatlas stellt, wurde nun das eigene – etwas betagte – Krankenhausverzeichnis aufgemöbelt. Es gibt also zurzeit zwei parallel laufende und in gewisser Hinsicht rivalisierende Webseiten. Während das Krankenhausverzeichnis inzwischen schick und adrett daherkommt (~ Krankenhausverzeichnis), mutet der Krankenhausatlas aus dem Hause Lauterbach – in der Version Anfang Mai – noch recht trist an (~ zum Krankenhausatlas). Herausgegeben wird der Atlas von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder. Aus Praxissicht lohnt sich ein Blick auf beide Tools. Zumal das Thema in den Breitenmedien aufgegriffen wurde und Patienten womöglich Fragen diesbezüglich stellen. Aber der politische Hintergrund ist in diesem Fall relevant, insbesondere in Hinblick auf den Umfang an Informationen und wie lange beide Strukturen parallel laufen könnten.
Ganz klar steht hinter der Überarbeitung des Krankenhausverzeichnisses von Seiten der Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Krankenhaus Trustcenter und Informationsverarbeitung GmbH (DKTIG) der Plan eine Alternative zur Verfügung zu stellen, die einen Ausbau des Krankenhausatlas redundant wirken lässt. Grund für dieses Manöver ist, dass auf der politischen Ebene von den Ländern und Krankenhäusern nach wie vor gefürchtet wird, dass das BMG über die Deutungshoheit bezüglich der Qualität zu viel Einfluss auf die landeseigenen Krankenhausplanungen ausüben könnte. Ein wichtiger Bestandteil in den Plänen des BMG sind die sogenannten Leistungsgruppen. Ganz rudimentär formuliert, sollen diese Gruppen Aufschluss über die Qualität geben. Die DKG widersprach der Notwendigkeit dieser Leistungsgruppen entschieden und postuliert fortwährend, dass es bereits genügend transparente Qualitätsparameter gibt. Folgerichtig folgt das von der DKG veröffentlichte Krankenhausverzeichnis in diesem Punkt sehr widerwillig. Gemäß einem Bericht der ÄrzteZeitung, werden die Leistungsgruppen erst in das Krankenhausregister aufgenommen, „sobald die Länder die Leistungsgruppen zugewiesen“ haben.
Bei den Versorgungsstufen aká Leveln, eines weiteren erdachten Steuerungselementes des BMG, hält der Dissens zwischen Ländern und dem Bundesministerium nach jüngsten Pressemeldungen noch an. Diesbezüglich ist also noch gar nicht absehbar, ob diese im Register oder im Atlas oder am Ende nirgendwo eine Rolle spielen werden. Und im Grunde gilt dies auch für das Krankenhausregister. Die Aktion war und ist ein politisches Muskelspiel. Beide Webseiten parallel laufen zu lassen, wird später am legitimen Argument scheitern, dass Patienten und beratende Ärzte eher verwirrt sind. Für den Augenblick birgt die Dualität aber auch die Chance zu sehen, welche Features der jeweiligen Plattform im Praxisalltag wirklich dabei helfen, Transparenz zu schaffen und eine Entscheidungsfindung für einen Krankenhausaufenthalt zu unterstützen.
ÄrzteZeitung v. 22.04.2024
DKG macht Lauterbach bei virtueller Klinikliste Konkurrenz
mdr v. 02.05.2024
“Ungeeignet” und “verwirrend”: Umfassende Kritik an Online-Register für Kliniken
Ärzteblatt v. 22.04.2024
Deutsches Krankenhausverzeichnis: Weitere Funktionen freigeschaltet
Gesetzgebungsagenda des BMG | Bis zu zehn Gesetze sollen noch vor der Sommerpause ins Kabinett
Während bei den Abkürzungen KHVVG und GVSG wohl inzwischen klar ist, dass sich dahinter Lauterbachs zentrale Reformvorhaben für den ambulanten und den stationären Sektor verbergen, dürfte vielen eher unbekannt sein, was das BMG in seinem Vor-Sommer-Pausen-Endspurt noch alles vorhat. Tatsächlich listet eine interne Vorhabenplanung des BMG – datiert auf den 22. April – ganze zehn laufende Gesetzgebungsprojekte auf, die in den nächsten zwei Monaten mindestens das Kabinett passieren, teils aber direkt auch in die erste Lesung im Bundestag gehen sollen. Darunter die Physiotherapie-Berufereform, das Gesunde-Herz-Gesetz (auch Volkskrankheiten-Detektionsgesetz), die Apothekenreform und sowohl ein Pflegekompetenz- als auch ein Pflegeassistenzeinführungsgesetz. Nicht zu vergessen ein Gesetz zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitswesens und die angekündigte Reform zur Lebendorganspende. Und gerade eben erst hat der Minister auch noch eine nationale Suizidpräventionsstrategie angekündigt.
Kurz gesagt: Es gibt wohl kein strittiges Thema, das Karl Lauterbach auslässt. Viele der Projekte sind allerdings bereits im Koalitionsvertrag verabredet oder zumindest angedeutet worden. Was die Frage aufwirft, wie sich die Koalitionspartner –abseits von Lindners de-Facto-Haushaltssperre – zu den Plänen des BMG verhalten. Und in dem Punkt ist zu konstatieren, dass man sich im Großen und Ganzen einig scheint. So sagte FDP-Gesundheitspolitiker Ullmann als Warnung an den Widerstand der Länder kürzlich: „Eine Einigung auf eine entökonomisierte Finanzierung bei gleichbleibenden Strukturen werden wir nicht mittragen … Die Länder müssten sich klar zum Abbau von Krankenhausbetten bekennen.“ (~ Quelle). Nicht von ungefähr hat sich Minister Lauterbach auch für die Pressekonferenz am 17. April – kurz vor den jüngsten Ländergesprächen zur Klinikreform – sowohl den FDP-Mann, als auch Janosch Dahmen, das grüne Pendant zu Ullmann, und seine SPD-Parteikollegin Heike Baehrens als sichtbare Unterstützung mit auf die Bühne geholt.
Ohne Frage hat die derzeitige Regierungskoalition viele Streitpunkte – hier aber agieren sie gemeinsam. Eine grundlegende Einigkeit muss man auch für das abgespeckte Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) annehmen, jetzt, da die von der FDP ungeliebten kommunalen Strukturreformen weitgehend raus sind. Auch wenn Janosch Dahmen von den Grünen sich ganz sicher ist, dass „dass man im anstehenden parlamentarischen Verfahren über Vorschläge, die in der Ressortabstimmung schon auf dem Tisch lagen [und dann bekanntermaßen gestrichen wurden], werde reden müssen.“
Die spannende Frage ist ja immer, wie wahrscheinlich die ganzen Ankündigungen dann auch eine finale Umsetzung finden werden. Und hier gilt derzeit ehrlich gesagt, dass – wenn nicht vorher die ganze Koalition auseinanderbricht – sehr wohl mit der Inkraftsetzung einer Krankenhausreform als auch mit den absichtsvoll Steuerwirkung entfaltenden Reformmaßnahmen rund um die Hausarztvergütung gerechnet werden sollte. Zwar drohen sowohl die Länder (formaler Verfassungsverstoß wg. Nicht-Beteiligung) als auch die KBV (Aushebelung des Gleichbehandlungsgebotes wg. Steuerfinanzierung der sektorenübergreifenden Einrichtungen) juristisch gegen die Klinikreform vorzugehen. Aber offenkundig scheint Lauterbach bereit, derart nachgelagerte Herausforderungen in Kauf zu nehmen. Auf schon erwähnter Pressekonferenz betonte er: „Es gibt keine andere Reform.“ Man sei zum Erfolg verdammt. Er glaube nicht, dass die Reform noch scheitere, dafür sei sie zu bedeutsam. Die Zeit schreibt ergänzend: „Die gesundheitspolitischen Sprecher der Ampel-Koalition, Heike Baehrens (SPD), Janosch Dahmen (Grüne) und Andrew Ullmann (FDP), äußerten sich zuversichtlich, dass es zu zügigen Beratungen für die Reform im Bundestag kommt.“ (~ Quelle)
Am 30. April hat es zum KHVVG eine dreieinhalbstündige Anhörung der Fachverbände gegeben, bei der alle relevanten Player ihre Kritik noch einmal vorgebracht haben – das aber vergleichsweise zurückhaltend. So stand im Zentrum der von der DKG hierbei vorgetragenen Kritik, dass die nach dem Gesetz vorgesehenen Ermächtigungen der Kliniken für die ambulante Regelversorgung von KV- und ZA-Beschlüssen abhängig sein solle. Wegen der bekannten Unzuverlässigkeit dieser würde man aber eher befürworten, die Ermächtigungen der Kliniken nicht über das klassische Zulassungsprozedere zu führen. Die Hausärzte kritisierten dagegen primär, dass eben jene Ermächtigungen bedingungslos und unbefristet erteilt werden sollen und sahen darin bereits eine Aushebelung der zulassungsrechtlichen Vorschriften. In dasselbe Horn stieß der KBV-Vertreter, der meinte, diese Klinikermächtigungen für die vertragsärztliche Versorgung „wirklich wild zu finden.“
Selbst wenn man unterstellt, dass sich all diese Vertreter lediglich an den wiederholten Aufruf des die Konferenz leitenden BGM-Mannes gehalten haben, in der knappen Zeit bloß nicht das schon in den Stellungnahmen niedergelegte zu wiederholen: Fundamentalopposition sieht anders aus. Eher ließe sich das als aufkommende Resignation deuten. Vielleicht auch als Einsicht in die Geltungsmacht von Lauterbachs Mantra – hier in der Fassung vom 6. Dezember 2022: „Die Verbände des Gesundheitswesens sollen keinen politischen Einfluss auf die geplante große Krankenhausreform haben. (…) Wenn Verbände gute inhaltliche Argumente hätten, würde diese berücksichtigt. Lobbygruppen „werden aber definitiv keinen Einfluss auf die politische Umsetzung haben“, so der SPD-Politiker. „Mein Eindruck ist einfach, dass sie in der Vergangenheit zu viel Einfluss hatten. Und dem möchte ich begegnen.“ Auch Parteipolitik dürfe keine Rolle spielen. „Die Länder wissen, dass eine solche Reform notwendig ist.“
Die Anhörung zum GVSG ist für Montag, den 6. Mai angesetzt. Mal sehen, wie das läuft … wir werden in der nächsten Ausgabe berichten.
Apotheke Adhoc v. 29.04.2024
BMG: Neuer Zeitplan für Apothekenreform | Lange Liste vor der Sommerpause
ÄrzteZeitung v. 29.04.2024
Verbändeanhörung im Ministerium: Lauterbach will mit Klinikreform endlich ins Kabinett
Ärzteblatt v. 26.04.2024
Parlamentarier sehen Nachbesserungsmöglichkeiten beim Versorgungsgesetz
Anträge auf dem FDP-Parteitag zu MVZ + Gesundheitswesen | Eine Randnotiz mit richtungsweisendem Charakter
Am 27. und 28. April fand der Bundesparteitag der FDP in Berlin statt. Aus gesundheitspolitischer Sicht stand die Frage im Raum, ob der eher entspannte Standpunkt bezüglich investorenbetriebener MVZ, den die FDP-Bundestagsfraktion im vergangenen Herbst präsentiert hatte, nun auch vom höchsten Parteigremium mitgetragen werden würde. Im Antragsbuch des Parteitages war jedenfalls vorab ein entsprechender Antrag vermerkt worden. Allerdings kam es, wohl aus Zeitgründen, nicht zur Abstimmung dieses Antrages. Trotzdem bekam die – umständehalber nicht beschlossene – Position durch mehrere ausführliche Artikel ein Bühne.
Die Ausrichtung der Liberalen ist dabei wegen der von ihr besetzen Ministerien nicht ganz unwichtig. Zur Erinnerung: Längere Zeit hatte sich der kleinste Koalitionspartner kaum zur MVZ-Debatte geäußert. Im November 2023 hatte die FDP dann aber ihren Standpunkt in einem offiziellen Positionspapier präsentiert (~ KW 47/2023: FDP-Papier zur MVZ-Regulierung geht auf Distanz zu Lauterbach). Darin war man in Widerspruch zum eigenen Koalitionspartner gegangen, argumentierte für „Trägervielfalt“ und betonte die Zuständigkeit der Selbstverwaltung beim Schutz vor Fehlentwicklungen. Im Ergebnis wollte man „sicherstellen, dass MVZ jeder Trägerart transparent und qualitätsorientiert einen Beitrag zur ambulanten Patientenversorgung leisten können“, und distanzierte sich damit von Lauterbachs pauschaler Verurteilung von Investoren. Das Papier knüpfte damit an die liberale Position des Chefs der FDP-internen AG Gesundheit Robert-Martin Montag an, der sich schon 2022 für eine differenzierte Betrachtung von Investoren ausgesprochen hatte (~ ÄrzteZeitung v. 25.07.2022). Allerdings hatte Montag ursprünglich auch ein ‚Zurück in die Zukunft‘ angedacht und gefordert, dass „für künftige MVZ-Gründungen das Kriterium „fachübergreifend“ wiedereingeführt werden“ solle. Davon ist im Hier und Jetzt nicht mehr die Rede.
Beim diesjährigen ordentlichen Parteitag der FDP wurde vielmehr der Anspruch an eine wettbewerbsorientierte Versorgung untermauert. Mit dem Antrag „Der Patient im Mittelpunkt – den Arzt im Blick“ (~ zum Antrag) sollten die Themen Qualität, Patientenverantwortung, Finanzierung, aber eben auch nichtärztlich finanzierte MVZ eingebracht werden. Antragssteller waren die FDP-Landesvertretungen Thüringen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Einleitend stellt der Antrag die grobe Marschrichtung klar: „In der Hybris, staatlich Sachen im Detail zu regeln, schafft die Politik zugleich häufig übergriffige und überbordende Bürokratie und nimmt den Akteuren vor Ort den dringend benötigten Handlungsspielraum.“ Die Kernforderung bezüglich der MVZ findet sich unter dem Punkt „Mit mehr Wettbewerb die Versorgungsqualität verbessern und gleichzeitig Kosten reduzieren.“ Darin spricht sich die Partei für eine ergebnisorientierte Qualitätssteuerung aus. Um eine hohe Qualität und die damit verbundenen Innovationen gewährleisten zu können, bräuchte es – insbesondere in strukturschwachen Regionen – auch Kapitalgeber. „Folglich muss im Interesse einer höherwertigen Versorgung auch der Zufluss von arztfremdem Kapital deutlich erleichtert werden. Unnötige Hürden, wie die nicht zielführenden Gründungsvoraussetzungen für Medizinische Versorgungszentren (MVZ), müssen dringend beseitigt werden, denn grade im ländlichen Raum sorgen Investoren getragene MVZ-Strukturen für dringend benötigte Versorgungskapazitäten.“
Die Ausführungen lassen wenig Spielraum für Interpretationen. Allerdings, noch einmal zur Klarheit: Die Formulierungen sind zunächst reine politische Rhetorik, denn über den Antrag wurde aus Zeitgründen nicht abgestimmt, wie am 3. Mai auch die Zahnärztlichen Mitteilungen unter Rücknahme eines am Vortrag erschienenen Artikels bemerken mussten: Kein Beschluss: KORREKTUR: FDP-Antrag zur Gesundheit an Bundesfachausschuss überwiesen. In diesem werden der Inhalt und die Position des Antrages demnächst beraten (~ Bundesfachausschüsse der FDP). Und selbst wenn der Antrag angenommen worden wäre, bzw. wenn der FDP-Ausschuss dies in den nächsten Wochen nachholt: Direkte Folgen für die Koalitionspolitik gibt es nicht. Der Antrag und sein Drumherum sind und bleiben so gesehen tatsächlich nur eine Randnotiz. Aber eine gegebenenfalls richtungsweisende, wenn – wie es als Option gehandelt wird – im Herbst die MVZ-Problematik, ohne Teil des Gesetzesentwurfes zu sein, in die parlamentarische Debatte eingebracht werden würde.
Im Gesamtbild gilt es daher für den Moment folglich schlicht weiter, abzuwarten, wie und wie intensiv die Partei in den kommenden Monaten auch gesundheitspolitisch versuchen wird, das beim aktuellen Parteitag oft beschworene neue/alte Profil zu schärfen. Mit Blick auf die Haltung zur MVZ-Debatte sei hier auf frühere Äußerungen des gesundheitspolitischen Sprechers der FDP, Andrew Ullmann verwiesen: “Investoren im Gesundheitswesen: „Ich sehe dort keine Heuschrecken fliegen.“ Indes agieren die anderen beiden Koalitionspartner kaum vorhersagbar weiter. Wer hierbei in der jüngeren Vergangenheit der Debatte welche Position eingenommen hat, lässt sich über dieses BMVZ-Handout unkompliziert nachvollziehen: Debatten-Kompendium 2023: Das MVZ als Politikum.
ZM-Online v. 02.05.2024
Liberale wollen „unnötige Hürden“ für MVZ beseitigen
ÄrzteZeitung v. 26.04.024
„Der Arzt im Blick“: Wie die FDP beim Parteitag Gesundheitspolitik verhandeln will
‘Flucht und Mysterium‘ | Positionen vor dem 128. Ärztetag
Das vorab entrichtete Grußwort zum 128. Ärztetag gibt einen Eindruck zum Stimmungsbild, das in Mainz ab 7. Mai vermutlich erwartet werden kann. Gleichzeitig starten eine Protestaktion rund um den Ärztetag, während die KBV und KVen mit einer Kampagne um die Aufmerksamkeit der Politik ringen. Im Unterschied zu früheren Kampagnen werden Kritik und Lösungsansätze allerdings konkreter. Ein Blick auf Positionierung der Akteure zum 128. Ärztetag. In seinem Grußwort zum Beginn des Ärztetages beschreibt der Präsident der Bundesärztekammer Reinhardt in Kürze zunächst das, was seit Jahren immer wieder gefordert wird. Endbudgetierung der Fachärzte, Reduzierung der Bürokratie, attraktive Arbeitsbedingungen. Die Kritik an den aktuellen Plänen aus dem BMG haut ein Stück an der tagespolitischen Aktualität vorbei. Das ist in Anbetracht der Dynamik hinter dem Versorgungsgesetz I (GVSG) aber auch nachvollziehbar. Im Grunde ist man aufseiten der Ärztekammern unzufrieden mit dem ‚Wie‘ der politischen Agenda. „[…] Das kann durchaus sinnvoll sein. Entscheidend ist aber, dass das Gesetz praxistauglich ausgestaltet wird. Die Einbindung der Ärzteschaft mit ihrem Wissen aus der Versorgungspraxis ist dafür unerlässlich.“ Auch die BÄK wünscht sich mehr Mitspracherecht und stößt damit in das gleiche Horn, wie am 11. April das Viergespann aus DKG, ABDA, KBV und KZBV (~ PRAXIS.KOMPAKT KW 16).
Allerdings, und das ist in der Debatte nicht selbstverständlich, findet sich in der Ansprache Reinhardts zum Ärztetag tatsächlich auch eine Anerkennung der finanziellen Situation des Umlagesystems. Vor diesem Hintergrund möchte man beim diesjährigen Ärztetag “mit namhaften Referentinnen und Referenten aus Politik, Wissenschaft und Selbstverwaltung diskutieren, wie … eine patientengerechtere Steuerung der Versorgung … erreicht werden kann.” Gut, dass das mal jemand macht … . (~ Programmheft 128. Ärztetag S. 11) Ganz in diesem Sinne wurde schon im Vorfeld medienwirksam das Primärarztsystem wieder in den Fokus gerückt. In der Vergangenheit war das Konzept vielleicht „kontrovers diskutiert worden, weil von Teilen der Fachärzte die Sorge bestand, dass der Zugang beschränkt werden kann, räumte Reinhardt ein. ‚Das hat sich glücklicherweise erheblich entspannt‘“ (~ änd v. 25.04.2024).
Laut des Flyers schließt der Ärztetag im Übrigen mit dem Tango „Fuga y misterio“, z.Dt. Flucht und Mysterium. Wie passend! Eine Flucht aus dem jetzigen Zustand des Gesundheitssystems ist auch die Basis der neuen Protestaktion „Versorgung bedroht-Patienten in Not“, die mit dem Ärztetag startet. Kritisiert werden die bekannten Kernpunkte vergangener Protestaktionen, wie Praxis in Not etc., allerdings dieses Mal bezogen auf ambulante und stationäre Versorgung. Ein Mysterium bleibt, welche politischen Auswirkungen diese Kampagnen wirklich haben. Die Initiatoren versprechen sich von der Aktion am 7. Mai im Mainz jedenfalls eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit. Bis Redaktionsschluss hatten sich der Aktion, die vom Medi Verbund ausgeht, u.a. der Hartmannbund, der SpiFa sowie die Berufsverbände der Urologen, Internisten und Chirurgen angeschlossen. Interessant scheint uns dagegen der Umstand, dass die KBV und KVen sich nicht beteiligen, sondern mit der Aktion „Wir sind für Sie nah.“ parallel eine Kampagne forcieren, die „auf die zugespitzte Situation in der ambulanten Versorgung aufmerksam“ macht (~ Themenseite der KBV). Wenn der Ärztetag gelaufen ist, wird es sinnvoll sein, ein Schlaglicht auf das Medienecho der beiden Aktionen zu werfen.
Ärzteblatt v. 03.05.2024
Ambulante Versorgung: Kampagne soll Politik aufrütteln
Hartmannbund v. 02.05.2024
Protestaktion beim Deutschen Ärztetag
änd v. 25.04.2024
Reinhardt: „Eine starke Koordinierung und Steuerung ist möglich“
SVR-Gutachten zum Gesundheitssystem: Viele offene Baustellen und die Anerkennung des Mehrwertes von MVZ
Das neue Gutachten des Sachverständigenrates (SVR) stützt, nicht wirklich unerwartet, die aktuelle Denk- und Marschrichtung des Gesundheitsministers. Dieser hatte schon seit langem medienwirksam auf den Rat und Einfluss von Lobbygruppen verzichten wollen, zu Gunsten der akademischen Kollegen. Universitäre statt institutioneller Forschung also. Aber gerade, weil das Gutachten eine Silhouette der aktuellen Gesetzgebung ist, lohnt ein kurzer Einblick. Für die Eiligen: Ganz am Ende des Textes haben wir den MVZ relevanten Absatz in Gänze zitiert. Das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrates wurde unter dem Titel „Fachkräfte im Gesundheitswesen | Nachhaltiger Einsatz einer knappen Ressource“ veröffentlicht. (~ zum Bericht | öffnet als PDF) Der Bericht geht unter der Maßgabe der Personalkapazitäten verschiedene Aspekte an. Zusammenfassend lässt sich die Problemstellung und Zielsetzung in einem Satz wiederfinden: „Ziel [ist die] Reallokation der knappen Personalressourcen im Sinne einer bedarfsgerechten und humanressourcenschonenden Versorgung“. (S. röm. 28) Das Gutachten erkennt an, dass auch außerhalb der Gesundheitsökonomie der Fachkräftemangel Lücken in systemrelevante Branchen reißt. Die Gesundheitsbranche steht somit in Konkurrenz, allerdings um eine ‚Ressource‘, die es auch anderswo benötigt, damit der Gesundheitssektor finanziert werden kann. Ein wahres Dilemma. Der SVR schlägt also Maßnahmen vor, mit weniger Personal mehr Menschen – unter Bezug auf die Babyboomer Generation – versorgen zu können.
Auf der makroskopischen Ebene folgt der SVR der aktuellen Politik, bzw. eigentlich ist die Kausalität umgekehrt. Die aktuellen Gesetzespläne zum Krankenhausgesetz (KHVVG) und Versorgungsgesetz (GVSG) folgt wohl den Vorschlägen des SVR. Gemäß des Rates wäre in struktureller Hinsicht „Ein zentraler Hebel […] die Reduktion der stationären Belegungstage durch verbesserte Koordination und Ambulantisierung.“ Dafür sollen auch die Hybrid DRGs weiterentwickelt werden. Außerdem schlägt der SVR eine verbesserte Patientensteuerung vor. Eine Säule soll dabei das Primärarztsystem darstellen, außerdem ist angedacht: „Integrierte Leitstellen (ILS) und Integrierte Notfallzentren (INZ) einzurichten sowie Einsätze des Rettungsdienstes zukünftig als eigenständige, präklinische notfallmedizinische Leistung abzurechnen, um die Notaufnahmen und damit die personellen Ressourcen in den Krankenhäusern zu entlasten.“ Im Kontext der umstrittenen Level-1i Krankenhäuser, die der Hausärzteverband als Erosion der Sektorgrenzen zu Lasten der ambulanten Versorgung wahrnimmt, ist ein weiter Vorschlag des SVR richtungsweisend: „Der Rat empfiehlt, eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung ambulanter Leistungen zu etablieren.“ (S. röm. 28) Bisher stehen den Landesgremien nur Empfehlungen im Rahmen von „sektorenübergreifenden Versorgungsfragen“ (~ § 90a SGB V) zu.
Der Bericht geht ferner auf die Klassiker ein. Mehr Befugnisse für Pflegekräfte/MFA, mehr Verantwortung für Patienten im Sinne der Inanspruchnahme, aber auch der Gesundheitskompetenz. Auch die Ärzte sollen in die Verantwortung genommen werden. So möchte sich der SVR ein Beispiel am europäischen Ausland nehmen: „In einigen europäischen Ländern wird die Anzahl der Weiterbildungsplätze quotiert, sodass eine freie Wahl der Facharztweiterbildung nicht ohne Weiteres möglich ist.“ Die Ausführungen dazu sind auf Seite 177 des Berichtes skizziert, allerdings gab es bereits starken Gegenwind und es ist fraglich, ob dies in Deutschland so umsetzbar ist.(~ Ärztekammer lehnt Quotierung der Weiterbildung ab | Ärzteblatt v. 30.04.2024) Auch die Pflegekräfte möchte man zukünftig steuern, oder zumindest eine Koordinierung durch ein „nationales Monitoring der Personalressourcen“ anstreben. Außerdem ein Ausbau der TI und Abwägung der Nutzung von KI. Ebenso nicht ganz neu sind die Überlegungen Richtung eines verpflichtenden sozialen Jahres.
Die 332 Seiten sind voll mit weiteren Vorschlägen und Ideen, von denen viele schon länger in der Diskussion stehen. Jedoch braucht es nun einmal oft stetige Wiederholung, damit die notwendige Dringlichkeit aufgebaut wird oder die Erkenntnis einsetzt. Das gilt für den diesjährigen Bericht besonders für MVZ. Über das gesamte Paper werden Punkte wie Arbeitnehmerattraktivität, Effektivität und Effizienz im Einsatz von Personal-Ressourcen aufgenommen. Die Erkenntnisse kumulieren in einer guten Zusammenfassung, die wir hier schlicht zitieren: „Die ambulante medizinische und pflegerische Versorgung wird oftmals durch Kleinbetriebe (z. B. Einzelpraxen) mit einer sehr geringen Mitarbeiterzahl erbracht. Der Rat empfiehlt, die Etablierung größerer organisatorischer Einheiten zu fördern, um Skaleneffekte zu realisieren und vorhandene Personalressourcen effizienter zu nutzen. Sinnvoll konzipierte größere Einheiten können attraktive Anstellungsformen bieten, indem sie u.a. eine bessere Aufgabenteilung zwischen den Berufsgruppen mit Spezialisierung der Beschäftigten einschließlich der medizinischen Fachangestellten ermöglichen.“ (S. röm. 15 | siehe auch S. 158) Chapó! Klar muss aber sein, dass damit nicht nur MVZ, sondern eben auch womöglich sektorübergreifende Versorgungseinrichtungen gemeint sind. Dennoch ist diese Klarstellung begrüßenswert. Viele der Ansätze sind langfristig gedacht, es wird sich zeigen, inwiefern zukünftige Regierungen diesen Richtungseinschlag mittragen. Dass etwas geschehen muss, darin sind sich aber wohl alle einig.
HCM Magazin v. 07.05.2024
SVR-Gutachten veröffentlicht: Fachkräfte im Gesundheitswesen
Ärzteblatt v. 25.04.2024
SVR-Gutachten: Strukturelle Probleme angehen und Ressourcen effizienter
BibliomedManager v. 25.04.2024
SVR: Fachkräftemangel ist ein strukturelles Problem