Erkältungszeit ist Impfsaison: Update Abrechnung und Co. | Mind-Up Impfung in Apotheken
Die wenigsten dürften diese Meldung im Sommer registriert haben: Aber seit diesem Juli ist bei der Corona-Impfung die gesonderte, wöchentliche Meldepflicht über das Impf-DokuPortal entfallen (~ Weniger Bürokratie bei COVID-19-Impfungen). Die Dokumentation erfolgt daher jetzt, wie bei allen anderen Impfungen, im Impfausweis sowie im PVS, über das nachträglich dann automatisch auch die KV-Impfsurveillance des RKI (~ mehr dazu) gefüllt wird. Die grundsätzlichen Regeln zu Bestellung und Abrechnung bleiben, wie im letzten Winter gehabt, bestehen. Allerdings gab es in einer Reihe von Bundesländern Verzögerungen beim Abschluss einer aktuellen Honorarvereinbarung. Grund dürfte die von den Kassen angestrebte Absenkung der Impfhonorare sei, die – mit Bezug auf die entfallene Dokumentationspflicht – z.B. in Schleswig-Holstein (12,50 €), Berlin (12,98 €) und Nordrhein (13,40 €) schon früh vereinbart wurde. In den anderen KV-Regionen liegt das Honorar zumeist etwas höher | ~ Update Covid-19-Impfung: Abrechnung in den Ländern.
Der angekündigte Kombi-Impfstoff (Grippe + Covid-19) ist bis heute nicht verfügbar. Weiterhin besteht auch das organisatorische Problem, dass der Corona-Impfstoff nur als 6er-Vial verfügbar ist. Viele Arztpraxen bieten daher – auch wegen der insgesamt geringen Nachfrage – gar keine Coivd-19-Impfung an. In diese Bresche springen vielerorts Apotheken, die dank der Lauterbach‘schen Initiativen, regulär impfen dürfen, solange sie sich an die entsprechenden Vorschriften halten (~ ABDA: Schutzimpfungen in Apotheken). Die Apotheken erhalten hier je 15 € für die Covid-19-Impfung, und 11,40 € für die gegen Grippe. Das Portal apotheke adhoc kommt dabei zu einer positiven Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und ergänzt: „Das Impfangebot kann zu Kundenbindung von Stammkund:innen oder Neukundengewinnung beitragen und für Cross-Selling-Effekte sorgen. (…) „Noch einen Schritt weiter …. zeigen die bisherigen … Erfahrungen mit Apothekenimpfungen auch, dass diese einen strategisch wertvollen Baustein für das Konzept einer zeitgemäßen Apotheke leisten können.“ (~ Quelle) Allerdings könnten Praxen, die selbst nicht gegen Covid-19 impfen, ggf. als guten Service auf eben jene Apotheken verweisen.
Über das von den 16 Landesapothekerverbänden gemeinsam betriebene Portal APO-Guide.de lässt sich gezielt nach Apotheken suchen, die beides verimpfen (~ öffnen | bei ‚Leistung‘ die Impfungen, bzw. eine der beiden anklicken). Um ein Beispiel zu nennen: Für das Stadtgebiet Hamburg werden dort 18 Apotheken aufgeführt, die gegen Covid-19 sowie gegen Grippe impfen. Ärzten erwächst hier insofern durchaus eine Konkurrenz um die Impfhonorare, die extrabudgetär gezahlt werden. In dem Kontext sei am Rande erwähnt, dass durch das Ampel-Aus auch das sehr umstrittene Apotheken-Reformgesetz nicht mehr kommen wird. Darin vorgesehen war die Erlaubniserteilung für Apotheken, künftig auch Totimpfstoffe (bspw. Tetanus, FSME, Polio) zu verimpfen. Mindestens für die nächste Zeit bleiben damit die Praxen und MVZ, die einzigen, die diese Impfungen setzen dürfen.
Zeitlich passend für die Herbstzeit, in der die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für das Thema Impfen generell etwas höher ist, hat im Übrigen der G-BA auch die Impfvereinbarung um das Thema RSV-Prophylaxe erweitert (~ RSV-Impfung für Ältere wird Kassenleistung, Anpassung der Grippe-Impfempfehlung). Ein entsprechender Auftrag war im Sommer 2024 vom Gesetzgeber erlassen worden. Damit sind ab sofort RSV-Impfungen für Säuglinge sowie für Ältere ab 75 Jahren und für Risikogruppen ab 60 Jahren zu Lasten der GKV abrechenbar.
KBV-Praxisinfo v. 02.10. bzw. 18.09.2024
Krankenkassen zahlen RSV-Impfung bei älteren Erwachsenen | RKI-Faktenblatt zur RSV-Impfung
RSV-Prophylaxe bei Säuglingen kann beginnen – Erweiterter Bewertungsausschuss legt Vergütung fest
apotheke adhoc v. 05.11.2024
Starker Anstieg bei Grippeimpfungen in Apotheken
KBV-Praxisinfo v. 10.10.2024
Neuer COVID-19-Impfstoff Comirnaty KP.2 in Kürze verfügbar – Praxen können bis 5. November erstmals bestellen
Deutsche Apotheker Zeitung v. 12.09.2024
Influenza und COVID-19: Wen dürfen Apotheker auf Kassenkosten impfen?
Gesetzgebung: Kommt das GVSG oder kommt es nicht? | Ein Bericht aus der Schwebe
Triggerwarnung: Eigentlich berichten wir in dieser Rubrik ‘Wichtig für den Praxisalltag’ nur über Fakten und Feststehendes, das Praxisteams wissen und beachten sollten. Im Kontext der GVSG-Gesetzgebung ist dies aktuell nicht möglich. Der folgende ‘Bericht aus der Schwebe’ soll daher allen Praxisverantwortlichen die Möglichkeit geben, aus den vorhandenen Ungewissheiten, die eigenen Schlüsse zu ziehen. Fakt ist: Am 13. November hat im Gesundheitsausschuss des Bundestages die ursprünglich bereits für Mitte Oktober angekündigte Anhörung zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) stattgefunden. Durch die Verschiebung allerdings unter den besonderen Vorzeichen des Ampel-Bruchs und daher verbunden mit der Frage, ob es sich überhaupt lohnt, in dieser Causa weiter zu reden.
Auch der BMVZ war in Gestalt seiner Geschäftsführerin als Sachverständiger geladen und anwesend; allerdings waren die Kernthemen des Verbandes ja bekanntermaßen durch die politischen Umstände von der Agenda verdrängt worden, und kamen daher nur am Rande in der Sitzung vor (~ im Stream ab Minute 1:05:30). Obwohl das von einigen Seiten (KZBV | Bürgerbewegung Finanzwende) anhaltend kritisiert wird, ist es insoweit auch eher unwahrscheinlich, dass – sollte das GSVG tatsächlich noch den Bundestagtag passieren – auf dem Weg bis dahin die MVZ-Regulierung doch wieder hineingenommen wird. Das wäre nach dieser Anhörung schon rein ablauf-organisatorisch nicht leicht, weil es sich um Inhalte handelt, die bis dato gar nicht Bestandteil der formalen parlamentarischen Diskussion waren.
Es gibt aber andere Gründe, warum der weitere Fortgang des GVSG alle MVZ und Praxen etwas angeht. Nicht zuletzt, weil die als Entbürokratisierungsmaßnahme gelabelte Einführung der Abschaffung von Kleinregressen (< 300 €) eine sehr sinnvolle Maßnahme ist. Im Zweiten hinsichtlich der Betriebserleichterungen, die im Entwurf für alle MVZ-GmbHs hinsichtlich die bis dato in unbegrenzter Höhe abzugebenden Bürgschaftsforderung enthalten ist. Über allen steht als wichtigster Schatten die Honorarreform der Hausärzte mit ihren drei Säulen Entbudgetierung, neue Vorhaltepauschale, neue Chronikerfinanzierung. Bezüglich der Möglichkeit, dass sich Rot-Grün hierfür hinter den Kulissen eine Mehrheit zu verschaffen mag, sagte Tino Sorge, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion allerdings unmittelbar im Anschluss an die Anhörung: „In einem letzten Akt der Torschlusspanik versuchen SPD und Grüne, ihr Sammelsurium gesundheitspolitischer Restposten aus drei glücklosen Ampel-Jahren durch das Parlament zu bringen. Dass es dafür längst keine Mehrheit mehr gibt, ignorieren sie völlig.“ (~ Quelle)
Auf der Gegenseite rührt MdB Dirk-Ulrich Mende, der in der SPD-Fraktion Berichterstatter für die ambulante Versorgung und das GSVG ist, unverdrossen (bzw. notgedrungen) weiter die Werbetrommel: „Insbesondere diese warnenden Hinweise des geballten Sachverstands der Vertreter der gesamten gesundheitspolitischen Fachwelt sollten CDU und FDP dazu bewegen, in den kommenden Wochen doch noch notwendige Entscheidungen im GVSG zu ermöglichen. Wir dürfen nicht die … Patienten im Regen stehen lassen.“ ( ~ Quelle) Wie wahrscheinlich es ist, dass Christdemokraten oder die FDP diesem Werben nachgeben, ist unklar. Es wirkt aktuell aber eher unwahrscheinlich. Klar ist allerdings auch, dass die Möglichkeit, dass sich doch noch eine Mehrheit für das GVSG findet, nicht komplett ausgeschlossen ist. … egal wie vehement in diesen Tagen von Tino Sorge & Co. das Gegenteil behauptet wird. Beim Deutschlandticket etwa hat diese Phase genau drei Tage gedauert: Kehrtwende nach vorheriger Absage – Union will beim Deutschlandticket nun doch zustimmen.
Die rot-grüne Rumpfregierung scheint jedenfalls durchaus daran zu glauben, dass ihr GVSG eine tatsächliche Chance auf Umsetzung hat. Denn am Tag zuvor war noch ein 42 Seiten starkes Papier mit inhaltlich substantiellen Ergänzungen versandt worden. Das deutet entweder auf das gelebte Vogel-Strauß-Prinzip hin, dass man also einfach die Augen vor den Dingen verschließt, die man nicht sehen will. Oder aber es deuten sich hinter den Kulissen Mehrheiten für das Gesetz an, die das BMG möglichst extensiv ausnutzen wollen. Korrekterweise ist das Antragsdokument auch gleich im Dateinamen, unter dem es versandt wurde, als ‚GVSG_fachfremd‘ gekennzeichnet worden.
Mit den 18 Änderungsanträgen ist vorgesehen, zahlreiche neue Themen an das GVSG ‚anzuflanschen‘, wodurch es zu einer Art Omnibusgesetz würde, wie sie häufig am Ende einer Legislaturperiode vorkommen, um Themen, die noch übrig sind, unterzubringen. Die von Rot-Grün eingereichten Änderungen betreffen u.a. die Direktabrechnung von Minderjährigen in der PKV, den Anspruch auf Notfallverhütung von Vergewaltigungsopfern und die Frage der Doppelbesteuerung von Mutterschaftsgeld bei Grenzgängern … um einfach einmal die inhaltliche Bandbreite zu illustrieren. Zwei Punkte, die dagegen die ambulante Versorgung direkt betreffen, sind die „Gesetzlichen Klarstellungen zu im vertragsärztlichen Notdienst tätigen Ärzten“ sowie die „MGV-Bereinigung“ im Kontext der Hausarztvermittlungsfälle. Ersteres bezieht sich auf die Einigung bezüglich der SV-Pflicht im KV-Bereitschaftsdienst und dient somit der Entlastung der KV-Haushalte. Zweiteres dürfte sich dagegen zu einem großen Ärgernis entwickeln, sollte die Regelung tatsächlich Gesetz werden. Ist es doch ihr einziges Ziel, die Gelder, die über HA-Vermittlungsfälle extrabudgetär fließen, innerhalb der MGV zu kürzen, da – ausweislich der Änderungsbegründung – „der größte Teil auf die extrabudgetären Vergütungen der Behandlungsfälle nach Vermittlungen entfällt, mithin auf Leistungen, die bereits in der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung finanziert wurden.“
Das wäre eine bittere Pille für die Hausärzteschaft, die ja derzeit besonders intensiv dafür plädiert, dass das GVSG noch in Kraft gesetzt wird, um die hart erkämpfte Entbudgetierung der Fachrichtung endlich real werden zu lassen. Denn auch die stünde wieder völlig in den Sternen, sollte der Gesetzgebungsprozess aufgrund der vorgezogenen Neuwahl ergebnislos abgebrochen werden: „Die Lage ist prekär und dringlich,” betonte daher HÄV-Chef Beier in der Anhörung, die Entbudgetierung müsse kommen. Keine Entscheidung zu treffen, sei auch keine Lösung, sekundierte mit Prof. Ferdinand Gerlach ein weiterer der geladenen Experten.
Ansonsten war die Anhörung an sich wenig aufregend. Gemäß der parlamentarischen Regularien waren Redezeiten nach Parteiproporz verteilt und streng limitiert. Folge war das in solchem Rahmen übliche Themenhopping, das es nicht eingeweihten Zuschauern schwermacht, den Sinn der Veranstaltung zu erkennen. Das Lexikon der Parlarmentsbegriffe erklärt den Zweck damit, „den Mitgliedern des Ausschusses Informationen zu einem Beratungsthema zu vermitteln, beispielsweise ob ein Gesetzentwurf zur Lösung des Problems geeignet ist, ob Alternativen in Betracht kommen und ob ein Gesetzentwurf verfassungskonform ist.“ (~ Quelle) Faktisch werden solche Fragen natürlich eher außerhalb geklärt, weswegen der praktische Nutzen solcher Veranstaltungen schlicht ist, dass die geladenen Fachverbände sowie die Parteien mit ihren Fragen und Antworten noch einmal besondere Aufmerksamkeit auf die ihnen wichtigen Themen lenken. Das wiederum ist eigentlich nur beim hausärztlichen Honorarthema wirklich gelungen, weshalb – wie oben dargestellt – am Ende die Frage steht, ob der Bedarf und Wunsch, hierzu noch einen Beschluss herbeizuführen und damit das Thema Entbudgetierung vorläufig (auch für alle anderen Fachgrupen) erst einmal abzuschließen, ausreicht, damit sich eine der relevanten Oppositionsparteien als Mehrheitsbeschaffer hergibt. Wie schon notiert, halten wir das für unwahrscheinlich, aber eben auch nicht für unmöglich.
änd v. 14.11.2024
GVSG: SPD wirbt um Mehrheiten
apotheke adhoc v. 14.11.2024
Union macht nicht mit: Das Ende von Lauterbachs Reformagenda
KZBV v. 13.11.2024
Gefahren durch iMVZ: KZBV fordert Regulierung im GVSG | Pressemeldung zum GVSG
Der Allgemeinarzt v. 12.11.2024
Bruch der Berliner „Ampel“-Koalition: Dramatische Krise in der Versorgung droht!
GOÄ-Novellierung | 30 Jahre und immer noch ‚Missverständnisse‘
Mit den wahrscheinlichen Neuwahlen ändert sich auch der Zeitplan für die GOÄ. Nachdem die BÄK am 11. September die ‚vermeintlich‘ konsentierte Fassung der überholten Gebührenordnung (GOÄ-neu) vorgestellt hatte, hagelte es zugleich Kritik von diversen Fachverbänden. Ursprünglich hatte die BÄK ihre Hoffnung kundgetan, die GOÄ-neu noch in BMG-Vorhaben der Ampel-Koalition einbringen zu können. Einen Monat nach der Vorstellung musste sie sich jedoch der Kritik beugen und verkündete am 11. Oktober, in ein Clearingverfahren einzutreten, zu dem alle Verbände zu gemeinsamen Gesprächen eingeladen sind. Das Ergebnis soll bis zum 129. Ärztetag im Mai 2025 vorliegen. Eigentlich ein günstiger Zeitpunkt, um in einem normalen Wahlturnus das Vorhaben ‚GOÄ-neu‘ in die Koalitionsverhandlungen der Nachfolgeregierung einzubringen. Unter den gegebenen Umständen schleichen sich allerdings berechtigte Sorgen ein, dass eine fehlende Einstimmigkeit der Ärzteschaft, der GOÄ-Novellierung nur eine beiläufige Erwähnung im Koalitionsvertrag beschert und somit wieder einmal obsolet werden könnte.
Wir hatten zuletzt im Artikel ‚GOÄ-Novelle ante portas?‘ (PRAXIS.KOMPAKT Ausgabe KW38) die initiale Wortmeldung der einzelnen ärztlichen Fachverbände zur GOÄ-neu aufgegriffen. Im Grunde hat sich seitdem, bis auf die Ankündigung des Clearingverfahrens, wenig getan. Der Virchowbund fasste den Kern des Unmuts zusammen: „Auch die notwendige Besserbewertung der sprechenden Medizin mit einer Abwertung technischer Leistungen zu verknüpfen, um Kostenneutralität herzustellen, erweist sich, wie befürchtet, als Konstruktionsfehler.“ (~ Meldung v. 19.09.2024). Die BÄK kann diese Kritik nicht nachvollziehen: „So merken einige Verbände Abwertungen im Vergleich zur geltenden GOÄ an, die aus den aufwändigen Folgenabschätzungen sowohl auf Seiten der Bundesärztekammer als auf Seiten des PKV-Verbandes bisher nicht ersichtlich sind.“ (~ BÄK-Statement v. 10.10.2024)
Handelt es sich also nur um Missverständnisse? Zu den Ursachen der Unstimmigkeiten um die GOÄ gibt es unterschiedliche Erklärungsversuche. Der Virchow Bund schreibt „Im Ergebnis der novellierten GOÄ offenbaren sich die schweren Fehler der Bundesärztekammer in der Vergangenheit, (…), die schließlich (…) zur erzwungenen Einbindung aller Fachverbände geführt haben.“ (Quelle) Oder aber man betrachtet die Gemengelage etwas makroskopischer. So kann der Reformstau auch auf die diametralen Wirkrichtungen dreier Machtvektoren zurückgeführt werden. Zum einen die Ärzteschaft, mit der Absicht einer guten Vergütung. Des Weiteren die PKV und schlussendlich der Staat als wirkmächtiger Entscheider. So simpel das Machtdreieck auch anmuten mag, so kompliziert ist eine einvernehmliche Lösung, auch wegen der vielen Partikularinteressen innerhalb der drei ‚Machtfraktionen‘. Im öffentlichen Dialog wird dabei häufig vernachlässigt, dass Bund und Länder diametrale Interessen bezüglich der GOÄ haben, nicht zuletzt wegen des Beihilferechtes. Und wie eingangs geschildert, ist die Einigkeit der Ärzteschaft keineswegs selbstverständlich gegeben. Zudem verbergen sich hinter dem PKV-Verband – trotz einheitlichen Auftretens – konkurrierende Versicherungsunternehmen.
Bei Spekulationen um die Neuausrichtung der GOÄ sollte den Privatversicherern im Übrigen zugestanden werden, dass sie ihre versicherungsmathematischen Werkzeuge gut beherrschen. Nach dem jetzigen Stand geht die PKV von einer Mehrbelastung von 1,9 Milliarden Euro aus. Dieser Zuwachs soll über drei Jahre stufenweise erreicht werden und würde eine 13,2-prozentige Steigerung der PKV-Ausgaben zum jetzigen Stand bedeuten. Hinzu kommt, dass durch die Anhebung der Versicherungsfreigrenze zum Jahr 2025 auf 78.800 € der Zustrom von Neukunden voraussichtlich gedämpft wird. (~ Meldung v. 06.11.2024) Das wird sich auch auf die Anlagekonditionen auswirken, welche die Versicherer für die zu verzinsenden Rückstellungen aushandeln. Da die genannten Rechengrenzen wiederum dem Staat seine SV-Einnahmen bescheren, wird auch die kommende Regierung – angesichts der Haushaltslage – wenig Ambitionen zeigen, diesbezüglich große Salti rückwärts zu machen.
Die Position der BÄK ist also keineswegs zu beneiden, und ein ‚Einfach mal machen‘ ist schlicht eine Illusion. Mit sehr viel Geschick klären sich die ‚Missverständnisse‘ zügig, so dass sich die GOÄ-neu noch rechtzeitig mit der notwendigen Dringlichkeit in die zukünftigen Koalitionsverhandlungen einbringen lässt.
Spektrum.de v. 02.11.2024
H. Gerlof und M. Klinger aus „Ärztetag“: Kommt die neue Gebührenordnung noch?
Bibliomed Manager v. 27.09.2024
BÄK will GOÄ-Novellierung noch einmal aufbohren
Bundesverband für Ambulantes Operieren e.V. v. 19.09.2024
Kolumne: Neue GOÄ – Es darf keine Verlierer geben!
Digitale Terminbuchung: Über Regulierungswünsche und Abwehr-Automatismen
Eventuell haben Sie es am Rande mitbekommen: Eines der Gesetze, die nun ziemlich sicher nicht mehr kommen werden, ist das Gesundheits-Digital-Agenturgesetz (GDAG). Von daher sparen wir es uns hier, die verschachtelten Inhalte rund um den Umbau der gematik (~ mehr Infos BMG | Bundestag) darzustellen; sondern picken einen Einzelaspekt heraus, der die Gemüter vieler ambulanter Akteure anhaltend erhitzt. Es geht um die geplante Einführung eines neuen § 370 in das SGB V, die seit Juli 2024 Teil des Entwurfes, aber erst seit Ende September ein veritabler Aufreger ist. Gemäß dieser Vorgabe sollten KBV und Kassen in 2025 Anforderungen an digitale, von Vertragsärzt:innen genutzte Terminbuchungsplattformen formulieren und vereinbaren, um vor allem Sicherheits- und Datenschutzstandards, aber auch den in jeder Hinischt diskriminierungsfreien Zugang zu gewährleisten.
Die Debatte darüber ins Rollen gebracht hat so richtig erst das Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes v. 26. September: Ein Wunschzettel für die Zukunft (~ PRAXIS.KOMPAKT KW42). Zuvor hatte Anfang September der Stabstellenleiter Digitalisierung der KBV noch geäußert, dass der Ansatz sinnvoll sei, da „wir denken, dass die Terminvergabe in irgendeiner Weise geregelt werden muss.“ (~ Quelle) In dem Papier der Kassen formulierten diese allerdings unverblümt ihre Vision von Vertragsärzt:innen, die ‚freie Termine an ein zentrales Verzeichnis melden, zu dem insbesondere auch die Krankenkassen (neben KVen und den gewerblichen Wettbewerbern) Zugriff haben sollen, um patientenseitig eine direkte digitale Terminbuchung inkl. begleitender Beratungsoptionen durch die Kassen zu ermöglichen.‘ Auf dieses Ansinnen reagierte die Arztverbandsseite schnell und scharf, manche auch spitzzüngig, wie die KV BaWü: „Aus unserer Sicht kann keine Rede davon sein, dass hier ein Weg gewiesen wird – es sein denn, dass Sackgassen als zukunftsträchtig gelten.“ ( ~ Quelle)
Nur wenig später erklärte deutlich konstruktiver die KBV dem BMG, dass sie „die Vorlage des Gesetzgebers offensiv auf[greife],“ und bot ihre durch den Betrieb der 116117 gewonnene Expertise an. Denn, „eine Terminplattform muss Patientinnen und Patienten bei der freien Wahl ihres Arztes oder Psychotherapeuten unterstützen, und diese freie Wahl darf nicht zugunsten zentraler Planungs- und Überwachungsfantasien geopfert werden.“ (Pressemitteilung v. 2. Oktober). Den Regelungsentwurf zu § 370 lehnte die KBV parallel vollständig ab und qualifizierte diesen in ihrer schriftlichen Stellungnahme als organisatorisch nicht umsetzbar und vor allem als redundant zu bereits bestehenden Regelungen.
Besonders strittig ist dabei die Wunschvorgabe des BMG, dass ausgeschlossen werde, dass Termine „aufgrund eines in Folge von Merkmalen wie dem Alter oder von Vorerkrankungen zu erwartenden höheren Behandlungsaufwands … nachrangig vergeben werden. (…) Auch eine Terminvergabe, die sich an etwaigen Zahlungen von Patienten oder Leistungserbringenden oder Dritten an die Terminbuchungsplattform orientiert und auf dieser Basis Priorisierungen vornimmt, ist nicht zulässig.“ Zur Frage, wie die Regierung auf solche Gedanken kommt, verweisen wir auf den Beitrag „Selbstbereicherung oder Notwendigkeit | Arzttermine gegen Bares“ in dieser Ausgabe.
Ersteres, kommentiert die KBV in der Stellungnahme, sei „über alle Terminarten und Fachgruppen hinweg weder möglich noch sachgerecht.“ Vielmehr leisten Ärzte genau dies ja – ganz ohne Kontrolle – schon heute, ‚orientiert anhand patientenindividueller Bedürfnisse und deren subjektiver Einschätzung sowie auf Basis, regionaler Besonderheiten und medizinischer Notwendigkeiten.‘ Oder wollen die Kassen, bzw. das BMG etwa was anderes behaupten? … ließe sich ein Nachsatz an diese Selbstschutzaussage anschließen. Und Zweiteres, dass also die Terminvergabe nicht vom Geldbeutel des Versicherten abhängen darf, sei ohnehin schon längst geregelt.
Das alles wirkt wie eine große Lappalie … und ist es vielleicht auch. Wäre da nicht die Erinnerung an die von der FDP im Januar 2023 angestoßene Debatte, Ärzte zur Nutzung digitaler Terminplattformen zu verpflichten – freilich gepaart mit einer dafür gesondert zu zahlenden Vergütung: Streit um Terminvergabe: Kommt die Lex Doctolib? Auch die sich stetig wiederholende Kritik der Verbraucherschützer garantiert weiterhin Aufmerksamkeit für das Thema. Von daher sind ähnliche Schlagzeilen, wie diese, knapp zwei Jahre alte: Doctolib, Jameda & Co. – Terminvergabe: FDP verärgert Ärzte – eventuell, trotzdessen, dass das GDAG den Bundestag nicht mehr passieren wird, für die Zukunft erneut zu erwarten.
änd v. 11.11.2024
Anhörung zum Digitalgesetz: „Wir diskutieren hier im Grunde ein hirntotes Gesetz“
eHealth.com v. 12.09.2024
Kürzere Leinen für Buchungsportale?
Heise.de v. 11.12.2023
Online-Terminvereinbarung: Ärzte sollen künftig zusätzliche Vergütung erhalten
Selbstbereicherung oder Notwendigkeit? | Arzttermine gegen Bares
In Zeiten knapper werdender Mittel gibt es immer wieder kreative Lösungen, die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen. Mitunter schießen einige bei dem Versuch, sich finanziell abzusichern, über das Ziel weit hinaus. So wie ein Augenarzt aus Solingen, gegen den die Verbraucherzentrale NRW nun ein rechtmäßiges Unterlassungsurteil erwirkte. Der Arzt hatte gesetzlich Versicherten zeitnahe Termine gegen Entgelt verkauft. Die Termine lagen in der Sprechzeit, die der Arzt seiner KV als offene Sprechstunde für Kassenpatienten gemeldet hatte, und es ging bei der Behandlung auch nicht um IGe-Leistungen. Überdies hatte der Arzt Notfallbehandlungen den Patienten als Selbstzahlerleistung in Rechnung gestellt. Im Großen und Ganzen hat der Solinger Augenarzt also fast alle Kreuze im No-Go-Bingo gesetzt.
Ein Patient hatte sich an die Verbraucherzentrale gewandt, die ihrerseits aktiv wurde. Nachdem sich der Arzt geweigert hatte, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben, landete der Fall vor dem Landgericht Düsseldorf. Die Richter sahen im Handeln des Arztes nicht nur einen Verstoß gegen die Berufsordnung der Ärzte, sondern auch eine Zuwiderhandlung des ‚Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb‘ (UWG). Das inzwischen rechtskräftige Urteil untersagt dem Augenarzt seine problematischen Geschäftspraktiken. Ferner verwiesen die Richter noch einmal nachdrücklich darauf, dass auch das Annehmen von Geschenken und anderen Vorteilen gemäß dem Berufsrecht der Ärzte untersagt sei, sofern der Eindruck entstünde, dass hierdurch für den Patienten Vorteile entstünden.
Unbedacht und schlecht formuliert war hingegen wohl eine Werbeaktion eines niedersächsischen MVZ. Die Einrichtung warb damit, dass Patienten für eine monatliche Gebühr von 30 € schnellere Termine bekommen könnten. Da ein Facharzt für Neurologie weggefallen sei, müsste die Einrichtung umplanen, dafür gebe es die Option dieses ‚Abo-Angebotes‘. Nachdem sich Patienten bei ihren Krankenkassen beschwert hatten und diese das Vorgehen hinterfragten, bemühte sich die Einrichtungsleitung anschließend um Erklärung. Man hätte den Patienten, die keinen Arzttermin beim Neurologen bekommen würden, anbieten wollen, die Leistungen zweier Physician Assistants (PA) wahrzunehmen. Die PAs hätten zumindest die Grundbetreuung der Patienten abdecken können und bei schwierigen Fällen auf die ärztlichen Kollegen zurückgreifen können. Diese Leistungen seien nun mal eine Selbstzahlerleistung. (~ Zusatzgebühr für Neurologie-Termine am MVZ in Papenburg) Ob diese ‚unglückliche Formulierung‘ noch ein Nachspiel haben wird, bleibt abzuwarten.
Und die Moral der Geschichte? Es steht außer Frage, dass das momentane Vergütungssystem viele Aufwendungen nicht oder nur unzureichend abdeckt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird zukünftig auch eine Anpassung der Zuzahlungs-Modalitäten unausweichlich. Dennoch ist von solchen Projekten auf und jenseits der Grenze des Legalen abzuraten. Und wer sich nicht sicher ist, wie nahe er der Grenze kommt, sollte sich proaktiv Beratung einholen, um etwaige Missverständnisse zu vermeiden.
ZM Online v. 16.11.2024
Landgericht Düsseldorf: Schnellere Arzttermine gegen Geld sind unzulässig
Verbraucherzentrale Nordrhein v. 07.10.2024
Verbraucherschützer erfolgreich vor Gericht gegen Selbstzahlertermine
Research Gate v. Nov. 2023, frei abrufbar als PDF – öffnet mit leichter Verzögerung
Finanzierung von Physician Assistants in Arztpraxen: Der Status quo
Krankschreibungen auf Rekordhoch | Eine Debatte mit politischer Sprengkraft
Die Krankschreibungen sind in Deutschland auf einem Rekordhoch, wie die AOK auf Basis ihrer eigenen Versicherungsdaten mitteilte. Während von 2014 bis 2021 nur etwa 160 krankheitsbedingte Arbeitsausfälle auf 100 Versicherungsnehmer kamen, waren es in diesem Jahr 225 AU-Fälle auf 100. Einen großen Anteil daran haben Atemwegserkrankungen. Signifikant ist auch die Zunahme an psychologisch bedingten Arbeitsausfällen. Auffällig häufig betroffen sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Bildungsbereich, Gesundheits- und Sozialberufen und „in anderen kontaktintensiven Bereichen wie der öffentlichen Verwaltung.“ (~ Tagesschau.de v. 08.10.2024) Die AOK sieht unterschiedliche Ursachen für diese Entwicklung. Generell könnte die elektronische AU zu einer besseren Erfassung der tatsächlichen Ausfalltage führen, was die Zahlen steigen ließe. Für den Anstieg der psychischen Erkrankungen sieht die AOK eine mögliche Erklärung in der Zunahme globaler Krisen und eine „Veränderungen in der Arbeitswelt wie Verdichtung und Entgrenzung der Arbeit durch ständige Erreichbarkeit.“ (Meldung v. 08.10.2024)
Einen anderen Erklärungsversuch hatte der ehemalige Wirtschaftsminister Lindner. Er sah als Ursache des hohen Krankenstandes den Missbrauch der Telefon-AU. „Es gebe aber leider eine Korrelation zwischen dem jährlichen Krankenstand in Deutschland und der Einführung der Maßnahme.“ (ZDF heute v. 13.09.2024) Lindner stützte seine Aussage auf eine BKK-Studie, die aufgezeigt habe, dass sich „fast 60 Prozent“ der Beschäftigten krankschreiben ließen, obwohl sie arbeitsfähig gewesen seien. Die BKK nennt dies in der angesprochenen Studie „Bettkantenentscheidung“. Lindners Aussage lässt sich in der BKK-Studie allerdings nicht belegen. Die 1.204 Studienteilnehmer antworteten auf die Frage: Bei wie vielen Kollegen sie den Verdacht hätten, solche Bettkantenentscheidungen zu treffen. Die Antworten wurden nach Alters-Kohorten geclustert. Im Ergebnis nahmen die Befragten an, dass sich 54 Prozent der jungen Kollegen (18–25 Jahre) zu solchen Entscheidungen hinreißen lassen. Zu ihrer eigenen Person gefragt, gaben 33 Prozent an, sich trotz Arbeitsfähigkeit manchmal (23 %) oder häufig (10 %) krankschreiben zu lassen. (~ zur Studie siehe S. 39 | öffnet als PDF)
Es ist ohnehin fraglich, wie viel Aussagekraft der von Lindner ausgewählte Teil der BKK Studie hat, um darauf die Forderung zu stützen, die per Telefon ausgestellte AU wieder abzuschaffen. Lindner schloss sich mit seiner Stellungnahme jedenfalls der fortwährenden Kritik der Arbeitgeberverbände, bezüglich der Telefon-AU, an. Auf den Vorstoß des Ex-Wirtschaftsministers folgte zügig die Kritik aus der Ärzteschaft. „Die Unterstellungen, dass sich die Menschen mithilfe der Telefon-AU einen schlanken Fuß machen, können wir aus unserer täglichen Arbeit nicht bestätigen.“ (ZDF heute v. 28.10.2024) Die AOK teilt im Übrigen diese Auffassung und sieht laut des Fehlzeitenreports kein Ausnutzen der Telefon-AU. Die Ortskrankenkassen unterstützten damit auch die Einschätzung des Hausärzteverbandes (~ MDR v. 08.10.2024).
In der Gesamtbetrachtung scheint sich allerdings die Schlagzahl zu erhöhen, in der die Debatte um die Telefon-AU aufgenommen wird. Für neuen Auftrieb sorgt ein Artikel in der ‚Zeit‘, der wiederum einen Artikel aus „The Pioneer“ zitiert und somit in die Mitte der Presselandschaft trägt. Im Artikel wird der IKK-Chef Ralf Hermes zitiert: „Es hat sich in unserer Gesellschaft normalisiert, sich anlasslos krankzumelden.“ (Zeit Magazin v. 10.11.2024) In diversen Internet-Formaten, die uns nicht zitierwürdig erscheinen, die aber meinungsbildend sind, werden nun auch die attestierenden Ärzte in den Fokus gerückt. Schließlich seien sie es, die den ‚Drückebergern‘ die Legitimation erteilen. So fragwürdig das Argument ist, so viel politisches Potenzial hat es aber auch. Und sei es im Sinne: ‚divide et impera’. Fakt ist: Geht es um die Entscheidung der Arbeitsunfähigkeit, bleibt es am Ende bei der Behandlungs- und Entscheidungsfreiheit des Arztes. Allerdings täten die Berufsverbände gut daran, dieses Selbstverständnis neu und modern zu gestalten, um sich damit auch für künftige, möglicherweise emotional und politisch aufgeladene, Debatten zu wappnen.
Berliner Morgenpost v. 11.11.2024 (mit anschaulicher Darstellung der letztjährigen Verläufe)
Grippe-Monitor: Wie viele Fälle werden gerade gemeldet?
Süddeutsche Zeitung v. 28.10.2024
Warum der Krankenstand so hoch ist
Der Hausarzt v. 10.10.2024
AOK zu telefonischer AU: Kein Hinweis auf Missbrauch