Dieser Text entstammt der gedruckten BMVZ.Intern | Ausgabe Juni 2023 | Digital öffnen

Wollte man auf einer Ausgangspunkt-Ziel-Achse bewerten, wie sich die MVZ-Debatte seit Weihnachten 2022 und den unerwarteten Lauterbach-Tweets bewegt hat … müsste man eigentlich Stillstand konstatieren. Jedenfalls gilt das, wenn der Maßstab die Frage ist, was wir aktuell mehr über die Pläne der Bundesregierung wissen, als vor sechs Monaten.

Angekündigt war ja ein Gesetzesentwurf noch im ersten Quartal – eine von vornherein unrealistische Option. Die halboffizielle Verschiebung der Entwurfsankündigung bis in den Herbst 2023 kam dagegen schon überraschend.  Insbesondere wenn man das Gefühl hinzunimmt, dass trotz der verflossenen Zeit im BMG selbst keinerlei Klarheit dazu zu herrschen scheint, was eigentlich geregelt werden und was überhaupt das konkrete Ziel der Maßnahmen sein soll. Vielmehr ist man immer noch damit beschäftigt, erst einmal eine mehrheitsfähige und faktenbasierte Problemdefinition zu finden.

Denn bereits an dieser Stelle gehen die Meinungen im System weit auseinander:

  • Sind nicht-ärztliche MVZ-Träger, bzw. Kapitalgeber per se eine Gefahr?
  • Oder reicht es, mehr Transparenz und punktuelle Kontrollen zu schaffen?

Dazu herrscht weit verbreitet Uneinigkeit, die man auch innerhalb der Regierungskoalition sowie sogar innerhalb ein und derselben Fraktion wiederfindet. Nur eines scheint inzwischen weitgehend gelungen: Klarzumachen, dass rein quantitativ die MVZ-Thematik massiv überbewertet wird, dass es also bei allen geplanten Regelungen, die sich im engeren Sinne um die Investorenthematik drehen, aus Prinzip um eine rein präventive Gefahrenabwehr handelt. Und an eine solche sind wiederum hohe verfassungsrechtliche Maßstäbe anzulegen.

[Update vom 5. Juli 2023]: 
Nach Aussagen des Bundesgesundheitsminister ist die Befassung mit dem Versorgungsgesetz II und damit mit der engeren MVZ-Thematik zwischenzeitlich noch weiter – auf das erste Halbjahr 2024 – verschoben worden. Die Kernaussagen dieser Analyse werden durch diese Entwicklung in jeder Hinsicht unterstützt, bzw. verstärkt.

Vor diesem Hintergrund erhält der unentschlossene und zeitlich gestreckte BMG-Kurs zur Thematik eine plausible Erklärung. Bekanntermaßen ist eine gute Problemdefinition bereits die halbe Lösung … und gerade an Ersterer hapert es. Somit ist die eigentliche Frage dieses Sommers (noch) nicht, welche Regelungen kommen werden, sondern welche Problemsicht sich durchsetzen wird. Auf der einen Seite befinden sich hierbei die BÄK, die KV Bayerns und der Bundesrat (um diese drei Akteure einmal herauszupicken), für die medizinferne Kapitalinvestoren per Definition nicht in den Gesundheitsmarkt gehören.

Auf der anderen Seite stehen unter anderem der BMVZ, der Industrie- und Handelskammertag, der vdek und der AOK-Bundesverband sowie im übrigen auch einige weitere KVen, die mit im Detail unterschiedlichem Zungenschlag, grundsätzlich anerkennen, dass auch Investoren als MVZ-Träger ihren Wert haben – dass diese in jedem Fall aber nicht eine a priori-Gefährdung des Patienten oder der Versorgung darstellen. D.h. die Parade der Verteidiger der Trägervielfalt ist bunter und vielgestaltiger, als bei jedem anderen MVZ-Gesetz zuvor. Dazu passt, dass es sogar in der Ausschusssitzung vom 31. Mai 2023 im Bundesrat Gegenanträge gegen den bayrischen Entschließungsantrag zur MVZ-Regulierung gab. So erklärte das Land Berlin etwa per eigenem Antrag, dass es für die regionale oder fachliche Beschränkung des Trägereigenschaft keine belastbare Faktengrundlage erkennen können.

Allerdings ändert dieser Umstand nichts daran, dass der bayrische Entschließungsantrag am 16. Juni im Bundesrat abschließend beschlossen und damit – wortgleich zur Maifassung – förmlich dem Bundesgesundheitsministerium übergeben wurde. Die unmittelbare Folge ist: Nichts. Denn ein Entschließungsantrag lässt sich in etwa als offizielle, aber ohne jede Verbindlichkeit oder Rechtsfolge zu Papier gebrachte Willensbekundung der Ländern verstehen. Somit wird dieser Beschluss einfach zu einem weiteren mehr oder minder wichtigen Steinchen in der Mauer aus gleichförmigen Argumenten für eine strikte MVZ-Regulierung.

Für den Fortgang auf der Debatten-Zielachse dürfte dieser Beitrag mangels Neuigkeitswert und Lösungskompetenz dagegen kaum relevant sein. Poliert man also die Glaskugel, steht die Gesellschaft im Juni 2023 mehr denn je bei der Frage, worin mehrheitlich bei der MVZ-Thematik überhaupt ein Problem erkannt wird. Hier wäre es vielleicht ein guter Rat an die Politik, nach den Ärzteverbandswesen auch einmal die Patienten und deren Bedürfnisse ins Auge zu fassen. Dann klappt‘s auch mit den versorgungsorientierten Lösungen – bei denen wir davon überzeugt sind, dass ärztliche Kooperation – auch und gerade per MVZ – das grundsätzliche Patentrezept darstellt.


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