Abrechnungsreform: Wo bleibt die GOÄ? | Aussichten und Hintergründe
Erstveröffentlichung KW 42 | 20.10.2025 | Kurze Antwort: Vor 2027 ist aller Voraussicht nach nicht mit der neuen GOÄ zu rechnen. Mit dem Zustimmungsbeschluss zur GOÄ-neu auf dem 129. Ärztetag (~ PRAXIS.KOMPAKT KW 25) war zwar der Weg geebnet, die GOÄ ans BMG zu übergeben, allerdings wurde im Kleingedruckten auch erwähnt, dass das Verfahren keineswegs unterschriftenreif ist. Die oft zitierte Behauptung, der Ball liege nun bei Nina Warken trifft so nicht ganz zu. Denn das BMG dribbelt keineswegs allein vor sich hin, sondern muss eine Vielzahl Interessen, darunter auch die nachgereichte Kritik aus Teilen der Ärzteschaft, eruieren. Letztere warnte im Nachgang an den 129. Ärztetag vor einer Umsetzung der GOÄ-neu. Für das eigene Erwartungsmanagement haben wir ein Schlaglicht auf Schritte geworfen, die zum politischen Verfahren gehören, und auf den Zeithorizont, der sich daraus ergibt. Dabei verzichten wir allerdings auf die hinlänglich bekannte Geschichte der GOÄ und die Dringlichkeit zur Reform. Für einen Recap zur Entscheidung beim Ärztetag empfehlen wir sonst unseren Artikel (~ GOÄ-Reform angestoßen. Aber vom Abpfiff weit entfernt | PRAXIS.KOMPAKT KW 23).
Die Änderung der GOÄ geschieht im Rahmen einer Rechtsverordnung. Das bedeutet, dass dem Bundesministerium die Aufgabe obliegt, die GOÄ-Anpassung zu evaluieren und letztlich dem Kabinett vorzulegen. Wenn das Kabinett zugestimmt hat, muss die GOÄ-Rechtsverordnung gemäß § 11 der Bundesärzteordnung (BÄO) die Zustimmung des Bundesrates erhalten. Momentan befindet sich die GOÄ in den Händen des Ministeriums. Staatssekretär Tino Sorge hatte dazu im Juli verkündet, man sei in Absprache mit dem Bundesinnenministerium und den Finanzministerien der 16 Bundesländer. Das BMG wolle aber an die GOÄ-Reform „zeitnah einen Haken machen“. (~ Ärzteblatt v. 5.07.2025) ‚Zeitnah‘ ist in der Bundespolitik bekanntermaßen relativ, insbesondere wenn es um die Kostenübernahme geht. Die Bundesländer sind über die Beihilfe an den Kosten beteiligt. Zwar hatte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt im Juli gesagt, dass die Beihilfe nach Absprache „mit dem Entwurf einverstanden“ sei (~Quelle), dennoch ist davon auszugehen, dass die Bundesländer selbst abwarten, was die aktuellen Gesetzgebungsverfahren und der Haushalt 2026 für sie bereithalten und wie sich diese Faktoren auf ihre Budgets auswirken. Mit etwas Kaffeesatzleserei könnte man auch annehmen, dass das BMG die GOÄ-Reform nicht zum Herzensprojekt stilisiert, um sich nicht zu sehr von der Länderkammer abhängig zu machen.
Eine weitere Hürde ist bzw. war der vehemente Widerspruch aus der Ärzteschaft. Da die neue GOÄ-Vergütung die sprechende Medizin merklich aufwertet, sehen sich viele Fachverbände, die von der Aufwertung nicht profitieren, als Verlierer der GOÄ-Novellierung. Ein prominentes Beispiel dieser Kritik ist der Brandbrief „GOÄneu – So nicht!“ (~ Link zum ‚Brandbrief‘), der von diversen Interessenvertretungen unterschrieben und ans BMG übersandt wurde. Traut man dem Berliner Buschfunk, hat das BMG die Nachverhandlungen mit den Interessengruppen nun abgeschlossen, ohne dass es offizielle Informationen zu den Ergebnissen gibt. Ein Punkt, der ebenfalls unklar ist, wie das BMG die Anpassung der BOÄ beurteilt. Um zu vermeiden, dass die nächste GOÄ-Novellierung erst im Jahr 2050 geschehen kann, ist vorgesehen, dass das Verfahren dynamisiert wird. Bundesärztekammer, PKV-Verband und ärztliche Berufsverbände und Fachgesellschaften sollen an einer kontinuierlichen Anpassung beteiligt sein. Eine dafür zu schaffende Kommission soll zukünftig solche Entwicklungen aufnehmen und dem BMG „kommunizieren“. (~ BÄK v. 29.05.2025) Im Laufe der langjährigen Verhandlungen zur GOÄ-neu hieß es immer wieder, dass dafür eine Abänderung der BOÄ erforderlich sei. Fraglich ist indessen, wie das BMG das „Kommunizieren“ solcher Vorschläge auslegt und inwiefern diese Auslegung eine tiefergehende Änderung der BOÄ nach sich zieht. Je nach Aufwand und Folgeabschätzung dürfte sich der Zeitrahmen der aktuellen Reform strecken.
Im Grunde war die Aussage nach der Zustimmung zur GOÄ-Novelle beim Ärztetag „Der Ball liege nun beim BMG“ ohnehin fragwürdig, denn die Aussage suggerierte, man stünde kurz vor dem Abpfiff. Wir hatten im Anschluss an die Übergabe der GOÄ bereits geschrieben, dass es sich eher um den Anstoß handeln würde. Eine Bemerkung von BÄK-Präsident Reinhardt unterstützt unsere Einschätzung. Reinhardts hatte in einem Interview am 8. Juli 2025 gemutmaßt, dass die GOÄ frühestens zum 1. Januar 2027 kommt. (~ BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen) Eine Meinung, die viele Experten teilen, wobei der Jahresanfang schon ambitioniert scheint und einige Stimmen – hinter vorgehaltener Hand – eher Richtung 2028 tendieren. Seit dem Interview von Reinhardt und der Stellungnahme von Tino Sorge ist es von offizieller Seite zunächst ruhig geworden um die GOÄ-Novelle, was in Anbetracht der Mammutaufgabe des BMG, die Beitragssätze und Kassenfinanzen zu stabilisieren, nicht wirklich verwundert.
Rfw-online v. 30.09.2025
GOÄ-Reform die Zweite – eine lange Geschichte geht weiter
Bundesärztekammer (Bundeszahnärztekammer) v. 30.05.2025
Der Weg zu einer neuen GOÄ ist frei – nun steht die Politik in der Verantwortung
Durchbruch bei der GOÄ-Novellierung – dann jetzt endlich auch die GOZ, aber mit eigenem Weg!
Ärzteblatt v. 02.05.2025
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ): Was man zur GOÄ-Novelle wissen muss
Bankkunden fühlen sich ge’VoP’ed | Neue Sicherheitsstandards bei Überweisungen erfordern Aufmerksamkeit
Erstveröffentlichung KW 42 | 20.10.2025 | Mit dem Inkrafttreten der neuen EU-Sicherheitsrichtlinie für Banküberweisungen (Verordnung (EU) 2024/886) halten zwei signifikante Änderungen im Überweisungsverkehr Einzug. Zum einen die verpflichtende Echtzeitüberweisung für Banken und zum anderen die sogenannte ‚verpflichtende Empfängerüberprüfung‘ (Verification of Payee – kurz VoP). Letztere bedarf der Aufmerksamkeit von Verantwortlichen in Praxen und MVZ. Vermutlich sind viele bereits mit dem neuen Ampelsystem in Berührung gekommen, dennoch haben wir unter 1.) das System VoP noch einmal erklärt. Zukünftige Bankgeschäfte bedürfen 2.) einer Anpassung des Arbeitsablaufs, einer Kenntnis der Opt-out-Regelung und einer sinnvollen Patienteninformation sowie 3.) Kenntnisse der Haftungsregelung. Jedem dieser Punkte haben wir einen Absatz gewidmet und stellen im vierten Absatz auch abermals auf die Sicherheit ab, denn Betrüger passen sich bekanntlich neuen Sicherheitsmechanismen an – ein ewiger Kreislauf, der auch in diesem Fall nicht aussetzt.
1.) VoP System: Was steckt hinter der Ampel? Hinter VoB verbirgt sich ein Mechanismus, nach dem Banken den Namen, der einem Konto und damit einer IBAN zugeordnet ist, mit dem Namen und der IBAN einer Überweisung vergleichen. Zahlt etwa ein Selbstzahler-Patient per Überweisung an die „Praxis am Seegrund“, weil dies so auf dem Namensschild steht, aber bei der Bank sind die Dres. Müller und Schulz als Kontoinhaber hinterlegt, so würde das Banksystem dem Kunden eine Fehler-Rückmeldung geben. Diese Rückmeldung ist nach einem Ampelsystem aufgebaut. Grün bedeutet eine Übereinstimmung, „gelb“ eine Abweichung und ‚rot‘, dass keine Übereinstimmung vorliegt. Im geschilderten Beispiel wäre also die Rückmeldung beim Patienten ‚rot‘, da die IBAN nicht ansatzweise zum Kontoinhaber passt. Kunden können diese Meldung ignorieren und überschreiben, die Überweisung also dennoch auslösen. Jedoch – und das dürfte an dieser Stelle klar sein – könnten Menschen den Vorgang erst einmal abbrechen, weil sie verunsichert sind. Das gleiche Verfahren gilt selbstredend auch andersherum, also wenn Praxen Geld überweisen, ob an Lieferanten oder Gehälter. Wer sich an dieser Stelle fragt, ob der Abgleich zwischen Kontoname und IBAN nicht schon lange Standard sei, ist willkommen in der überwiegenden Mehrheit der Teilnehmer einer Umfrage. Aber ja, bisher haben Banken diese beiden Daten nicht abgeglichen, bzw. es nicht verpflichtend machen müssen.
2.) Workflow und Information an Patienten und das Team. Stammdatenmanagement und eine klare Kommunikation sind die Zauberworte. Informationen auf der eigenen Webseite oder Behandlungsverträgen mit Hinweisen auf das eigene Konto, sollten zeitnah überprüft werden. In diesem Fall ist mit dem Stammdatenmanagement nicht das medizinische, sondern jenes für Geschäftskontakte, also Zulieferer, Lohnunternehmen, Dienstleistungen und das Personal gemeint. Wenn das Gehalt der Praxis – sofern es selbst überwiesen wird – an ein Familienkonto überwiesen werden soll, auf das auch der Partner des Angestellten eingetragen ist, so wird es zukünftig wohl zu einer Fehler-Rückmeldung kommen. Das Negieren der Fehlermeldung oder ein umständliches Rückfragen beim Angestellten sind dann zusätzliche Arbeitsschritte, die umgangen werden können. Entweder durch eine solide Datenkartei oder durch ein Extra-Feature, an das der Normgeber dankenswerterweise gedacht hat, von dem man aber erst einmal wissen muss: Bei Sammelüberweisungen gibt es die Möglichkeit, auf der Nutzeroberfläche der jeweiligen Bank ein „opt-out“-Verfahren anzuklicken. In diesem Fall wird die VoP-Sicherheitsüberprüfung umgangen. Allerdings wird damit auch die Haftungsfrage aufgeworfen. Ferner hat die APO-Bank für ihre Kunden die Möglichkeit eingerichtet, bis zu 8 verschiedene Aliasse einzurichten. Dadurch können verschiedene Varianten des Praxisnamens angegeben werden, damit Debitoren nicht in das rote Ampellicht ‚laufen‘ (~ Themenseite der APO Bank). Die APO-Bank scheint diesbezüglich noch Vorreiter. Ob andere Banken ein ähnliches Angebot etablieren, bleibt abzuwarten.
3.) Wer haftet wann? Im Normalfall, also wenn die VoP-Ampel ‚grün‘ leuchtet und damit dem Überweisenden meldet: alles ok!, ist die Bank in der Haftung, falls dennoch eine Fehlzuordnung geschieht. Zeigt die Ampel ‚rot‘, also keine Übereinstimmung, und der Kunde überschreibt die Warnung, so liegt die Haftung bei ihm. Zeigt die Ampel ‚geld‘, was wohl anfangs ein häufiges Szenario sein dürfte, so soll dem Überweisenden die ‚korrekte Inhaberinformation‘ angezeigt werden. Beispiel: Sie überweisen dankenswerterweise überpünktlich ihre Mitgliedsbeiträge an uns: Wenn Sie die IBAN und BMVZ e.V. eingeben, sollte Ihnen als korrekte Alternative ‚Bundesverband MVZ e.V.‘ angezeigt werden. Es ist uns nicht vollends klar, ob die Bank bei einem fehlerhaften Vorschlag eine Teilhaftung übernehmen müsste. Da aber der Bankkunde eine bewusste Aktion ausführen muss, indem er den Vorschlag annimmt, ist einmal davon auszugehen, dass die Haftung beim Kunden liegt.
4.) CAVE! Vorsicht bleibt oberstes Gebot. Alle Bürger der EU sind von der neuen Vorschrift betroffen. Also auch Sie persönlich und natürlich die Patient:innen. Wie eingangs erwähnt, ergibt es Sinn, dahingehend noch einmal alle Informationen zu prüfen, um verspätete Zahlungseingänge zu vermeiden. Ob der Mehraufwand zu einer umfassenden Sicherheit führt, ist aber fraglich. Zumindest im privaten Bereich haben sich Kriminelle wohl schon angepasst. Mit den althergebrachten Methoden „Überweisen Sie jetzt schnell Geld an die Polizei Kleinkleckersdorf“ oder dem sogenannten Enkeltrick, geht für die Übeltäter nun noch ein wenig Überzeugungsarbeit einher. Danach werden Opfer schlecht überredet, die „rote“ oder „gelbe“ Meldung zu ignorieren. Vielleicht ist die Umstellung, wenn der erste Ärger über den Mehraufwand verflogen ist, es wert, im Team das Thema Social Engineering aufzugreifen. Cyberkriminelle arbeiten in aller Regel mit psychologischen Tricks und verschaffen sich Zugang, oft geraume Zeit, bevor ein Schaden ersichtlich wird.
Datev v. 14.08.2025
Empfängerüberprüfung bringt Änderungen im Zahlungsprozess
Commerzbank v. 28.07.2025
(PDF 8 Seiten) Verification of Payee (VoP): Fragen und Antworten
Heise.de v. 05.07.2025
IBAN-Namensabgleich wird Pflicht für EU-Banken, Betrugsgefahr bleibt
Aktuelles zum TI-Kartentausch bis Jahresende | Herstellungsprobleme & andere Herausforderungen
Erstveröffentlichung KW 42 | 20.10.2025 | Zuletzt hatten wir Anfang September über die Austauschnotwendigkeit vor allem bei eHBAs und SMC-Bs informiert, die zahlreiche Praxen (irgendwie) betrifft, und die sich aus dem Wechsel des Verschlüsselungsstandards bei den TI-Komponenten zum Jahresstart 2026 ergibt. (~ Hintergründe: Neue Verschlüsselungstechnik ab 1.1.2026 | Mind-Up + Aktualisierung zum TI-Komponenten-Austausch) Das Thema bleibt aber brandaktuell, auch weil die damals unterschwellig geäußerte Warnung, dass „mit teils längeren Produktionszeiten der neuen Karten zu rechnen [ist], auch wenn sich die Hersteller hier bisher gelassen geben,“ eine neue Begründung bekommen hat. Als einer von nur vier Kartenausgebern musste die Firma seit Ende September anhaltende Produktionsschwierigkeiten vermelden. Die gematik hat deswegen am 10. Oktober sogar ein förmliches Anhörungsverfahren gestartet.
Die beschwichtigende Pressemeldung von medisign, in der am 10. Oktober u.a. angekündigt wird, für den „Sonderaustausch“ der eHBA auf eine erneute Identifikationsprüfung (falls sich keine wesentlichen Daten geändert haben) zu verzichten, finden Sie hier: Wichtige Hinweise für unsere Kunden:innen. Weitere aktuelle Hintergrundinformationen bietet das Unternehmen hier: Statement zum Kartentausch bis Ende 2025 v. 9. Oktober. Im Gesamten bestreitet medisign allerdings, relevante Probleme zu haben: „Wir verzeichnen erhebliche Fortschritte beim Austausch der eHBA. Mehr als 1.000 von insgesamt rund 6.000 Ausweisen seien in der vergangenen Woche erfolgreich produziert worden. (…) Die verbleibenden Karten gehen nach Bestellung sofort in die finale Bearbeitung und werden umgehend geliefert. Damit liege Medisign nach eigener Ansicht im Zeitplan, um die vorgegebenen kryptografischen Umstellungen bis Anfang Dezember umzusetzen.“ (~ Quelle) Fakt ist allerdings, dass es ab 26. September zu massiven Produktionsproblemen wegen einer ‚umfassenden Systemumstellung‘ gekommen war. Diese betreffe jedoch – so Medisign weiter – „aktuell leider noch einen kleinen Teil unserer Kunden, die vor der Migrationsphase ihre Anträge gestellt hatten.“
Aus vertragsärztlicher Sicht gibt es bekanntermaßen drei weitere Anbieter sowohl für die eHBA, als auch für die SMC-B-Produktion. Außer Medisign also D-Trust (PDF) | T-Systems (PDF) sowie SHC-Stolle, die als zuletzt hinzugekommener Anbieter am Austausch selbst nicht beteiligt sind, allerdings sehr wohl als alternativer Vertragspartner in Frage kommen und daher – bisher unwidersprochen – explizit mit einer besonders schnellen Produktionszeit von nur 10 Tagen werben (~ Gründe, die für SHC+CARE sprechen).
Tatsächlich ist das ein wenig präsenter Fakt, dass die Vertragsverbindungen, die Ärzt:innen oder Praxen bezüglich der Karten eingehen, jederzeit aufhebbar sind. D.h. bloß weil der bisherige eHBA bspw. von T-Systems ist, muss es der neue nicht auch sein. Die Produktionszeiten sind dabei insofern relevant, als dass vom Austausch betroffene Praxen und MVZ ihre Karten zwingend bis 31.12.2025 einsatzbereit haben müssen, da andernfalls der Zugang zur TI ab Jahresanfang unterbrochen und damit die Praxis bzw. der Arzt/die Ärztin nicht in der Lage ist, den vertragsärztlichen Pflichten rund um eRezept, ePA & Co. nachzukommen. Die gematik sieht aufgrund dieser großen Bedeutung funktionierender Zugangskarten sogar bereits den 1. Dezember 2025 als internen Stichtag: „So sollten insbesondere neue eHBA idealerweise den Nutzerinnen und Nutzern spätestens am 01.12.2025 zur Verfügung stehen, um die Umstellung und einen reibungslosen Betrieb sicherzustellen.“ Und sie empfiehlt bei Lieferschwierigkeiten von den praxisverantwortlichen beherztes Handeln: „Sollte diese Zeitschiene durch die Anbieter nicht eingehalten werden können, sollten Betroffene die vertraglichen und zivilrechtlichen Handlungsoptionen (u. a. Haftungsansprüche gegen den Anbieter) und ggf. den Wechsel zu einem alternativen Anbieter prüfen.“ (~ Quelle)
Trivial ist das alles ohne Frage nicht. Wir verweisen daher abschließend noch einmal auf den bereits im September veröffentlichten PRAXISTIPP sowie auf dieses gematik-How-To: Werden Sie jetzt aktiv: Neues Verschlüsselungsverfahren für die Telematikinfrastruktur
Verantwortliche in Praxis und MVZ sind ohne Frage gut beraten, sich nicht darauf zu verlassen, dass das ‚Projekt Zertifikatswechsel‘ von allein läuft. Basis ist – so noch nicht geschehen – die aktive Überprüfung von Ob und Umfang der eigenen Betroffenheit. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den zentral von der Praxis verwalteten Komponenten und den dezentral durch die Ärzte verantworteten eHBAs. Bezüglich SMC-B, Konnektor und PVS-Update ist der PVS- oder IT-Dienstleister der zuständige Ansprechpartner, der die betroffenen Praxen im Idealfall schon von sich aus kontaktiert haben sollte. Komplexer wird es allerdings bei den eHBA, deren Antragsprozess in den Händen der einzelnen Ärzt:innen liegt, die deshalb auch Adressat der Warn-eMails sind, die die Kartenausgeber versenden. Aufgabe der Praxisleitung muss es daher sein, sicherzustellen, dass gerade bei angestellten Ärzten der eHBA-Austausch rechtzeitig erfolgt und koordiniert wird. Erster Schritt ist eine vollständige Statusfeststellung aller verwendeten eHBA hinsichtlich ihrer Zertifikatsversion.
KV BaWü v. 15.10.2025
Probleme beim Signaturkarten-Anbieter medisign bestehen weiterhin
Ärzteblatt v. 13.10.2025
Gematik verpflichtet Medisign zur Aufklärung über Kartentausch
gematik-News v. 09.10.2025
Aktuelle Information: Umstellung der Verschlüsselungsalgorithmen für die TI
Gesetzgebung | Die politische Glaskugel – ein Bericht vom 19. BMVZ PRAKTIKERKONGRESS
Erstveröffentlichung KW 42 | 20.10.2025 | Am 7. Oktober hat in Berlin der BMVZ PRAKTIKERKONGRESS, inzwischen in der 19. Ausgabe, stattgefunden. Neben zahlreichen Praxisthemen ging es – natürlich – auch um politische und politstrategische Fragen der ambulanten Versorgung. Bekanntermaßen bewegen wir uns diesbezüglich derzeit in einem großen Vakuum, das immer dann entsteht, wenn der Koalitionsvertrag (~ v. 5. Mai 2025) viele Ankündigungen enthält, gleichzeitig aber deren Umsetzung hochdiskursiv oder einfach nicht gegenfinanziert ist. Daher war die Besetzung des Podiums mit Martin Degenhardt, Geschäftsführer der FALK-KVen sowie Politikchef der KV Bayerns, und Susanne Müller, Geschäftsführerin des BMVZ, nur folgerichtig: Denn, wenn so vieles offen ist, hilft nur der Dialog unterschiedlicher Sichtweisen. Allerdings ist festzuhalten, dass es auch gemeinsame Einschätzungen gab: „In Sachen Primärzarztsystem waren sich Degenhardt und BMVZ-Geschäftsführerin Susanne Müller einig: Ein Gesetz dazu werde nicht so bald kommen, vielleicht nicht einmal in dieser Legislaturperiode.“ (~ Quelle)
Ähnliche Einschätzungen hatten Degenhardt und Müller darüber hinaus auch beim Blick auf das laufende Verfahren zur Modernisierung der Zulassungsverordnung für Ärzte, bzw. Zahnärzte (~ mehr zu Inhalten und Regelungsvorhaben). Beide begrüßten diese Initiative des BMG und erhofften sich eine möglichst schnelle Inkraftsetzung. Allerdings sei unklar, was das BMG derzeit davon abhalte, den überarbeiteten Entwurf dem Bundesrat zuzuleiten, was nach der schriftlichen Anhörung von Anfang August der einzige noch verbliebene Zwischenschritt sei, um dieses für die Vertragsarztwelt so wichtige Rechtsordnungsverfahren ( ≠ Gesetzgebungsverfahren mit Bundestagsbeteiligung) zu beenden. Der KVB-Vertreter Degenhardt sagte dazu am 7. Oktober: „Ich gehe davon aus, dass das zeitnah dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet wird.“ Sein Wunsch an die Politik sei, „dass wir die notwendigen Strukturreformen vor allem was die Notfallreform und das Thema Bürokratieabbau betrifft, schnell umsetzen können. Wir können da, ohne dass es Geld kostet, viel Gutes machen.“ Ein Fazit und Wunsch, dem sich der BMVZ vollumfänglich anschließt.
Leider liegen die meisten Presseberichte zum BMVZ-Kongress bei den jeweiligen Medien hinter einer Paywall, weswegen wir im Folgenden unkommentiert einige Zitate wiedergeben:
Martin Degenhardt:
- Alle suchten fleißig nach Geld: „Bis Klarheit an der Finanzfront herrscht, passiert nichts.“ Aber auch dann werde wohl noch viel Unklarheit herrschen, wie es weitergehen solle: „Egal mit wem man spricht: ratlose Gesichter.“ Er hoffe, dass schnell etwas beim Thema Bürokratieabbau passiere, was ja am Ende kein Geld koste, und dass schnell eine Strukturreform in der Notfallversorgung komme. (Observer Gesundheit)
- Den innerärztlichen Streit um die Gestaltung der Patientensteuerung hält der Lobbyist im bundespolitischen Zusammenhang für sekundär. „Der Politik geht es um etwas völlig anderes, nämlich dem Patienten zu sagen, dass es so nicht mehr weitergeht, dass es zum Beispiel nicht normal ist, wenn er drei Orthopäden hat, sondern dass einer reicht“, sagte Degenhardt. Die politisch einzig relevante Frage sei, wie groß das Stoppschild für den Patienten sei. Dahinter sortiere sich dann, was innerärztlich diskutiert werde, etwa die Fragen, wer als Primärarzt steuert und wie das Verhältnis von Primär- und weiteren Ärzten gestaltet wird. Er geht davon aus, dass die Debatte um die Einführung eines Primärarztsystems extrem hart wird, „weil wir den Patientinnen und Patienten liebgewordene Dinge, die nicht nötig sind, nicht mehr gewähren“. (änd)
- Doch wann kommt das MVZ-Gesetz? Nicht sehr bald, vermutet Martin Degenhardt, Geschäftsführer der Freien Allianz der Länder-KVen und Politikchef der KV Bayern. Im Mittelpunkt stünden bei Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) derzeit andere Gesetzesvorhaben wie die Notfallreform oder eben die Einführung eines Primärarztsystems. (…) Die politische Kernfrage sei nach der Klärung der finanziellen Vorzeichen auf jeden Fall diese: „Wieviel Mut hat die Bundesregierung, den Patientinnen und Patienten zu erklären, dass liebgewonnene Leistungen künftig entfallen?“ Das sei keine technische, sondern eine zutiefst politische Herausforderung. Handlungsbedarf sieht Degenhardt nichtsdestotrotz ganz konkret auch bei der MVZ-Regulierung: In Bayern seien bereits 20 Prozent aller MVZ in der Hand von Private Equity. (Tagesspiegel Background)
Susanne Müller:
- Wenn drei Kinderärzte in einem MVZ wegfielen, falle es der KV auf, nicht aber, wenn in einem halben Jahr zehn Hausarztpraxen in einem Bezirk zumachten: „Wir müssen mal über Wahrnehmung reden.“ Es gebe einen blinden Fleck beim Thema Kooperationen. In fünf Prozent aller ambulanten Strukturen seien 22 Prozent aller ambulant tätigen Ärzte tätig. Aber nur die Hälfte seien MVZ, die andere Hälfte hingegen Gemeinschaftspraxen oder überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften. Viele glaubten nicht, dass es mehr als 1.000 Gemeinschaftspraxen mit mehr als acht Ärzten gebe. Alle solche Strukturen gehörten regelhaft mitgedacht. Und das finde in der Regel nicht statt. (Observer)
- Dass es zu Neuregelungen in Bezug auf Investoren-MVZ kommt, erwartet die BMVZ-Geschäftsführerin nicht so bald. Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe für dieses Thema gebrannt, das sei bei Nina Warken (CDU) offensichtlich nicht der Fall. Müller kritisierte aber auch, dass es der Debatte um Investoren-MVZ an Transparenz mangle. „Wir brauchen Strukturtransparenz“, forderte sie. Statt einer Regulierung für Investoren-MVZ fordert der BMVZ Erleichterungen für ärztliche MVZ-Betreiberärzte. „Wir sollten eher dafür sorgen, dass ärztliche Gründer weniger Schwierigkeiten haben, ihre Einrichtungen zu übergeben“, sagte Müller. Für Krankenhäuser sei das leichter. „Das sieht die Politik aber nicht“, kritisierte Müller. (änd)
- Beim gestrigen MVZ-Praktikerkongress [sic!] in Berlin machte BMVZ-Geschäftsführerin Susanne Müller deutlich, dass die Diskussion aus ihrer Sicht in die völlig falsche Richtung läuft. Anstatt über weitere Regulierung zu diskutieren, wären Konzepte, wie man Ärztinnen und Ärzte als Träger und MVZ-Unternehmer unterstützen kann, deutlich wichtiger. Weitgehend unbeachtet sei, dass die Trägergruppe der Nicht-Ärzte auch deshalb immer größer werde, weil die bisherige Rechtslage die ärztlichen MVZ-Träger explizit behindere. Die MVZ-Betreibereigenschaft von Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sei verpflichtend an deren Sprechstundentätigkeit geknüpft – was Müller für einen normativen Geburtsfehler hält. (Tagesspiegel Background)
Tagesspiegel Background Gesundheit v. 08.10.2025
Investorengeführte MVZ: Zwischen Reformdruck und Versorgungslücke
änd v. 07.10.2025
BMVZ-Kongress: Appell – „Kooperative Strukturen konsequent mitdenken!“
BMVZ-Kongress: FALK-Chef Degenhardt – „Wahltarif-Debatte ist extrem akademisch“
ÄrzteZeitung v. 07.10.2025
BMVZ-Kongress: „Der Arztberuf wird kaputt reguliert“
GKV-Patienten mit Selbstbehalt | Kleines Modellprojekt stößt große Türen auf
Erstveröffentlichung KW 42 | 20.10.2025 | Zum Januar 2026 soll ein Modellprojekt zwischen der IKK Die Innovationskasse (IK) – ehemals IKK Nord – und dem Bayerischen Fachärzteverband (BFAV) starten. Kern des Projektes ist der Zugang von gesetzlich versicherten IK-Patienten zum bayerischen Fachärztenetzwerk, wobei die Leistungen aber nach GOÄ abgerechnet werden. Während die Arztvergütung ungedeckelt ist, müssen die IK-Patienten im Jahr maximal 600 Euro zuzahlen, von da an übernimmt, nach unserer Lesart, die IK die Kosten. Bisher ist allerdings nur eine Absichtserklärung der beiden Partner unterschrieben. Der BFAV hat das Projekt „Facharzt direkt“ am 8. Oktober seinen Mitgliedern vorgestellt. Nach der Berichterstattung des BFAV selbst sehen die Mitglieder in dem Modell ein „tragfähiges Zukunftskonzept“ (~ BFAV v. 10.10.25). Sollte das auf zwei Jahre anberaumte Modellprojekt wirklich umgesetzt werden, stellt es einen quasi-Tabubruch des Sachleistungsprinzips im Kontext des GKV-Solidarsystems dar und könnte ein alternatives Fenster zum Ansatz der Primärarztversorgung öffnen.
Als rechtliche Grundlage soll das Modellprojekt auf dem § 140a SGB V (Besondere Versorgung) fußen. Dieser Paragraph erlaubt es den Krankenkassen, direkt Verträge mit Leistungserbringern zu schließen, um integrierte Versorgungsangebote für Versicherte zu schaffen, die über die regulären GKV-Leistungen hinausgehen und auf Qualität sowie Wirtschaftlichkeit abzielen. Die Teilnahme der Versicherten ist freiwillig. (~ zum Gesetz) Ziel des Modell-Projektes ist nach BFAV Chef Bärtl: „Dieser Vertrag bringt die Fachärzte wieder in eine gestaltende Rolle. Wir sichern Zeit für Patientengespräche, schaffen faire Honorare und stärken die medizinische Qualität. Das ist keine Rebellion – es ist Vernunft in einem System, das längst an seine Grenzen stößt.” (~ änd v. 6.10.2025) Zur Einordnung sei jedoch erwähnt, dass die IK eine kleine Kasse ist. Zum 1. Januar 2025 zählte die Kasse rund 270.000 Versicherte. Wie hoch der Budgetanteil der Kasse für die fachärztliche Versorgung in Bayern ausfällt und in welchem Rahmen konkrete Einsparungen erwartet werden, bleibt offen. Zum Vergleich: Die AOK Bayern hatte zur Mitte des Jahres 2025 rund 4,6 Millionen Mitglieder. Doch auch kleine Experimente können große Wirkung erzielen.
In diesem Jahr hatte die IK ihr Leistungsportfolio bereits um vier Wahltarife ausgebaut. Bestandteil der Wahltarife ist ein unterschiedlicher Selbstbehalt für Versicherte, so beispielsweise 300 Euro für Hausarztbesuche, die durch eine Prämie teilweise zurückerstattet werden. (~ Themenseite der IK) Solche Wahltarife, die eine Prämienzahlung gegen geringe Inanspruchnahme von Leistungen aufrechnen, sind allerdings auch bei anderen Kassen eine Option. Die Verrechnung findet dabei zwischen Versicherer und Versichertem statt – quasi intern. Die Entscheidung des GKV‑Versicherten, eine Leistung nach GOÄ abzurechnen, um die Prämie zu bekommen, ist demnach individuell. Insofern ist die strukturelle Integration der Fachärzte, mit dem Versprechen, die Leistungen grundsätzlich nach GOÄ zu vergüten, doch ein Novum.
Dass ausgerechnet die IK solch einen Vorstoß wagt, ist nicht überraschend. IK-Chef Ralf Hermes hatte mit der Idee des Selbstbehaltes schon im letzten Jahr Schlagzeilen gemacht (~ zm.online v. 12.08.2024) Im Grunde würde die IK mit „Facharzt direkt“ vorrübergehend ein Alleinstellungsmerkmal schaffen, was sich für die Kasse lohnen kann, oder eben auch nicht. Letztlich werden die Versicherten mit den Füßen entscheiden. Doch auch politisch ist der Vorstoß nicht uninteressant. Während sich die SPD immer wieder klar zum Status-quo des Solidarprinzips bekannt hat, könnte es andere Parteien geben, die sich das Ergebnis genauer ansehen. Zuletzt hatte der Staatssekretär Tino Sorge für Irritation gesorgt, als er einen Vorschlag mit ähnlichem Impetus ins Spiel brachte. Sorge hatte ein Baukastensystem mit individuellen Zusatzleistungen ins Spiel gebracht: „Es wäre ein Gewinn, wenn man sich solche Bausteine in der GKV zusätzlich versichern könnte.“ Allerdings stieß der Vorschlag auf harsche Kritik des Oppositionspartners SPD. (~ PZ v. 10.09.2025)
Vonseiten der Ärzteschaft wird die Debatte auf prominenter Ebene unterstützt. Der SpiFa plädierte für eine Aufhebung des Denkverbots bezüglich der Zuzahlung und unterstützte damit ähnliche Andeutungen von KBV-Chef Gassen. Dieser hatte die Idee von Extra-Tarifen bei einem direkten Facharztbesuch der GKV-Patienten eingebracht. (~ Ärzteblatt v. 29.09.2025) Insofern ist das gedankliche Fundament schon gelegt und das Modellprojekt „Facharzt direkt“ schafft nun Tatsachen. Die BMVZ-Geschäftsführerin Susanne Müller könnte demnach Recht behalten, als sie beim BMVZ PRAKTIKERKONGRESS solche Zusatztarife als ein mögliches Szenario einschätzte und für wahrscheinlicher befand, als dass das Primärarztsystem in seiner angedachten Form, in dieser Legislaturperiode, umgesetzt werden würde. (~ änd v. 7.10.2025).
ÄrzteZeitung v. 7.10.2025
GOÄ-Vergütung im GKV-System: Feldversuch zum schnellen Facharzttermin
änd v. 30.09.2025
SpiFa-Hauptgeschäftsführer plädiert für GOÄ-Rechnung statt “All-Inklusive-Aufschlag”
Merkur.de v. 12.09.2025
Krankenkassen-Revolution: Pläne für völlig neues Tarif-Modell sickern durch
Gesetzgebung | BMG bügelt Bundesratsforderung nach MVZ-Gründungsrecht für KVen ab … mal wieder
Erstveröffentlichung KW 42 | 20.10.2025 | Zum wiederholten Male hat der Bundesrat einen Vorschlag unterbreitet, das Recht der MVZ-Gründung auf die KVen auszudehnen. Und zum wiederholten Male hat die Regierung den Vorschlag abgelehnt. Ein Blick auf die Begründungen beider Seiten ist aber dennoch spannend, auch weil der Bundesrat in dieser Hinsicht hartnäckig zu sein scheint. Anlass ist das Gesetzgebungsverfahren zum ‚Gesetzesentwurf zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (ehemals Pflegekompetenzgesetz). Im Kern handelte es sich bei dem Vorschlag des Bundestages aber um ein Addendum zur Forderung, die Finanzierung der Strukturfonds der KVen zu überarbeiten. Einen Exkurs, der diese Problematik beleuchtet, haben wir dem Artikel hintenangestellt. Derartige Vorschläge des Bundesrates gehören zum gesetzgeberischen Dialog und haben weder eine bindende, noch richtungsweisende Wirkung, dienen aber hervorragend als Wetterfahne zur Deutung des politischen Willens.
Bezüglich der Forderung nach der Etablierung der Gründungsbefugnis von MVZ durch KVen ist der diesjährige Vorstoß nicht neu. Zuletzt hatte sich der Bundesrat 2022 bemüht, die Gründereigenschaften der KVen für MVZ im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz unterzubringen – offensichtlich ohne Erfolg. Beim jetzigen Vorschlag argumentierten die Delegierten der Länder: „zwar seien KVen schon bisher bei Unterversorgung verpflichtet, auch Eigeneinrichtungen zu betreiben. ‚Mischangebote‘ von Haus- und Fachärzten ließen sich in Eigeneinrichtungen in der Regel aber nicht wirtschaftlich betreiben“. Der Vorschlag stieß bei den Verantwortlichen im Kabinett auf wenig Verständnis. Gemäß der Regierungsantwort gäbe es weder Anhaltspunkte, „dass ein wirtschaftlicher Betrieb von Eigeneinrichtungen im geltenden Vergütungssystem nicht gewährleistet ist“, und damit keine Belege „dass Eigeneinrichtungen mit hausärztlichem und zugleich fachärztlichem Versorgungsangebot nicht realisierbar sind“. (~ Quelle)
Im Klartext argumentiert der Bundesrat, dass sich MVZ effizienter betreiben ließen und damit den Sicherstellungsauftrag der KVen stützen würden. Das negiert die Bundesregierung nicht einmal, sondern verweist auf den Fakt, dass die bisherigen Angebote effizient genug seien. Welche Konsequenzen ein Gründungsrecht von KVen für MVZ hätte, ist vielschichtig und führt an dieser Stelle zu weit. Ein Punkt, der dabei bedacht werden muss, ist die Tatsache, dass derartige Eingriffe zur Sicherstellung der Versorgung durch die KVen aus dem Strukturfonds realisiert werden. Also mit Geld, das bisher aus dem Topf der MGV abgezweigt wird. Auch wenn sich dieser Mechanismus zukünftig ändert, ist das Verfahren eine Subventionierung mit Mitteln, die der Regelversorgung fehlen. Subventionsprogramme sind aus ökonomischer Sicht stets kritisch zu sehen, was ein Grund sein könnte, warum sich die Regierung gegen einen derartigen Kompetenzausbau der KVen sträubt. Für Interessierte bietet dieses 10-seitige PDF einen guten Überblick zu den Auswirkungen von Subventionen. (~ Subventionen: Die verkannten Nebenwirkungen | Kormann v. 2004)
Es ist davon auszugehen, dass derartige Vorschläge, also die MVZ-Gründerregulierung zu überarbeiten, immer öfter auftreten, je größer die Versorgungslücken werden. Ein Vorteil daran wäre, dass die Fordernden – wer immer das in Zukunft auch sein mag – daran interessiert sein müssen, ihre Argumente nachzuschärfen, wie an der jetzigen Antwort der Regierung zu erkennen ist. Damit einher geht also auch, dass die oft vom BMVZ eingeforderte Strukturtransparenz und ehrliche Debatte, was MVZ leisten können, auf der legislativen Ebene mitgetragen werden müssen. Es bleibt spannend, ob diese Debatte dazu beiträgt, dass der Bundesrat die MVZ umfänglich als integralen Bestandteil der ambulanten Versorgung anerkennt und die MVZ-Kritiker auf die Faktenebene zieht.
Strukturfonds – Exkurs: Wie eingangs beschrieben fährt der MVZ-Vorschlag nur huckepack auf der Forderung des Bundestages, die Finanzierung der Strukturfonds zu überdenken. Im Pflegekompetenzgesetz ist vorgesehen, dem Effekt Rechnung zu tragen, dass die Teilentbudgetierung der Hausärzte die Finanzierung des Strukturfonds ‚leidet‘. Bisher werden 0,1 bis 0,2 Prozent aus der MGV für den Strukturfonds der KVen verwendet. Da nun der Hausärzteanteil in der EGV überführt wird, wird das Budget im MGV-Topf geringer. KVen wird nach dem Gesetzesentwurf freigestellt, aus welchen Töpfen sie die Finanzierung des Strukturfonds stemmen können: „Die Kassenärztliche Vereinigung hat zur Finanzierung von Fördermaßnahmen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung einen Strukturfonds zu bilden, den sie einen Betrag in Höhe von mindestens 0,1 Prozent und höchstens 0,2 Prozent der nach § 87a Absatz 3 Satz 1 vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen einzahlt. Über die Aufbringung des Betrages entscheidet die Kassenärztliche Vereinigung.“ Wie ersichtlich, verbleibt als Bemessungsgröße jedoch die MGV, wodurch der Strukturfonds kleiner ausfällt, unabhängig von der Liberalisierung der Geldzuflüsse. Es ist anzunehmen, dass die Länder dieser Tatsache Rechnung tragen und die Sicherstellungsaufträge der KVen in ihren Gebieten stützen wollen. Eine Erhöhung des Strukturfonds hätte aber unterm Strich stets die Folge, dass weniger Geld für die Versorgung zur Verfügung steht, denn auch wenn die Kassen hälftig an dem Fonds beteiligt sind, bleiben die Geldtöpfe ein geschlossenes System.
ÄrzteZeitung v. 07.10.2025
Bundesregierung lehnt mehr Ärztehonorar für den Strukturfonds ab
ÄrzteZeitung v. 17.09.2025
Bundesrat: Auch KVen sollen berechtigt sein, ein MVZ zu gründen
Deutsches Ärzteblatt v. 21.09.2022
Bundesrat will Kassenärztlichen Vereinigungen MVZ-Gründungen ermöglichen