eRezept | Hoffnungsträger gegen Rezeptfälschungen oder Weiterbildungschance für digitale Panzerknacker?
Eine Botschaft vorweg: die elektronische Variante von T- und BtM-eRezeptes ist nach wie vor nicht konkret in Sicht. Dabei drängt die Umsetzung einer Methode, die Fälschern und Scharlatanen ihr Handwerk erschwert. In zahlreichen Medien wird seit Anfang des Jahres darauf verwiesen, dass zunehmend gefälschte Papier-Rezepte im Umlauf sind. Die KV-Nordrhein hat eine Top 12 der Fälschungs-Chartliste übersichtlich zusammengefasst (~ Link dazu). Zu den Klassikern wie Analgetika und Benzodiazepinen sind nun auch die GLP-1-Analoga (Ozempic, Mounjaro) hinzugekommen. Die KV-Nordrhein verweist darauf, sofern möglich „Wirkstoffe mit hohem Rezeptfälschungspotenzial nur noch als eRezept“ zu verordnen. Sollte doch das Muster 16 verwendet werden, könne es sein, dass sich die Apotheke in der Praxis rückversichert. Die KV-Hamburg unterstreicht die Aufforderung zur Nutzung der eRezepte, sofern möglich, und ergänzt: „E-Rezepte gelten derzeit als fälschungssicher.“
Solche Sätze dienen vermutlich jedem Panzerknacker als Motivationsschub. Am 13. August meldete die Plattform Apotheke Adhoc, dass in der Stadt Soest, der erste Fall eines ‚gefälschten eRezeptes‘ aufgetaucht sei. Wer – entgegen modernen Twitter (‚X‘) Gewohnheiten – weiterliest, stellt jedoch fest, dass die Polizeimeldung selbst unspezifisch war und es sich um ‚echte‘, aber illegal ausgedruckte Rezepte handelt. Die Apotheke erklärte laut Pressebericht, von der ausstellenden Arztpraxis die Information erhalten zu haben, dass das Rezept „nach Praxisschluss ausgestellt worden sein [soll].“ Und weiter: „Wie das zustande kommen kann und wo die Lücke in der Praxis ist, wisse sie nicht.“ Die Praxis habe dazu keine Auskunft geben können.
Vor diesem Hintergrund lohnt ein tieferer Blick in die Umstände dieses ‚Soest-Krimi,‘ da sich hieraus durchaus allgemeine Fragen für die Verantwortlichkeit und Fehlernanfälligkeit Ihrer eigenen Praxis ableiten lassen: Der mutmaßliche Täter soll ein eRezept via QR-Code (Token-Ausdruck) für das Schmerzmittel DHC 120 mg eingereicht haben und wurde von der Apotheke angehalten, das Medikament nach der Lieferung abzuholen. Da es zu einem Lieferproblem kam, rückversicherte sich die Apotheke in der Praxis, ob sie an den ‚Kunden‘ ein Austauschpräparat abgeben dürfe. Dabei kam heraus, dass die Praxis von der Verschreibung keine Kenntnis hatte. Die eingeschaltete Polizei stellte den Mann. Wie sich die Ereignisse um das illegal beschaffte Rezept genau zugetragen haben, werden die Ermittlungen zeigen. Nach dem jetzigen Kenntnisstand geht die Polizei man von einer kriminellen Struktur aus: ~ Gefälschtes E-Rezept: Kein Einzelfall
Aber schon allein, das jetzt Bekannte bietet genügend Anlass, darauf zu verweisen, dass die Sicherung des Zugangs zur TI immer und auch zu den Schließzeiten in der Verantwortung der Praxis liegt. Gesteckte SMC-B Karten, passwortfreie Computerzugänge, unbeaufsichtigte eHBAs usw. können verlocken und potentiell enormen Schaden anrichten. Gerade weil kriminelle Akteure stets nach Lücken im System suchen, wäre ein Mindestmaß an Sicherheitshürden anzuraten. Nicht zuletzt, um im Falle des falles dem Verdachtsfall der Fahrlässigkeit solide entgegentreten können.
Doch wie geht es insgesamt mit dem eRezept weiter?
Mit dem 1 .Juli 2025 ist die Frist zur Einführung des elektronischen BtM-Rezeptes klanglos verstrichen. Die Ursache der Verzögerung sind wohl die fehlenden technischen Voraussetzungen, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte noch schaffen müsste. Dafür braucht es aber die zugesicherten Gelder aus dem Haushalt 2026, der nach wie vor nicht feststeht. Auch wenn gemäß eines Artikels in der Pharmazeutischen Zeitung (~ PZ v. 19.05.2025) die gematik bereits ihren Teil erfüllt hat, steht bis dato keine neue Frist für die Umsetzung.
Allerdings ging vor Kurzem noch die Meldung ein, dass die gematik die Spezifikationen des elektronischen T-Rezeptes veröffentlicht habe. Dieses soll 2026 eingeführt werden. Ob damit – wie ursprünglich geplant – dann auch das elektronische BTM-Rezept kommt, wird sich zeigen. Der zynische Wermutstropfen im ganzen Fristen-Kuddelmuddel: Die inkonsequente und teils chaotische Umsetzung der TI-Komponenten verwirrt vielleicht die digitalen Panzerknacker ebenso wie den Rest.
Pharmazeutische Zeitung v. 21.08.2025
Gematik veröffentlicht T-Rezept-Spezifikation
Deutsche Apotheker Zeitung v. 13.08.2025
Vermeintlich gefälschtes E-Rezept: Was steckt dahinter?
Apotheke Adhoc v. 22.05.2025
E-T-Rezept: Das sind die Spezifikationen
Neuregelung der Vorhaltepauschale ab Januar 2026 | Minimales Ergebnis bei maximalem Aufwand
Am 19. August haben Kassen und KBV vermeldet, die Beratungen zur Neuregelung der hausärztlichen Vorhaltepauschale einvernehmlich zum Abschluss gebracht zu haben. Geltung soll der Beschluss ab Januar 2026 entfalten. Das Echo auf diese Meldung fiel allerdings gedämpft aus, da sich trotz eines aufwändigen, neuen Regelkatalogs im Ergebnis nur vergleichsweise wenig an den Honorarflüssen ändern wird. Denn die vom Gesetzgeber als Ziel vorgegebene Mittel-Umverteilung hin zu fallzahlstarken, grundversorgenden Hausärzten wurde von den Verhandlungspartnern absichtsvoll unterlaufen. Vermutlich wird es aber genau deshalb auch viele Praxen und MVZ geben, die dieses Ergebnis begrüßen: Niemand muss sich wirklich umstellen.
Worum geht’s? Noch unter Karl Lauterbach hatte der Bundestag eine Vergütungsreform der Hausärzte beschlossen, die auf drei Säulen ruht: (1) die eigentliche Entbudgetierung der allgemeinmedizinischen MGV; (2) die Knüpfung der Vorhaltepauschale an konkrete Grundversorgerleistungen; und (3) die Lösung der Chronikerpauschale von der Quartalslogik. Zusammenhänge und Hintergründe dazu können Sie hier nachlesen: Ende des Honorardeckels für die Allgemeinmedizin beschlossen – Umstellung des Pauschalensystems weiter offen (BMVZ-Artikel v. 5. Juni 2025). Mit dem vorliegenden Beschluss ergibt sich aktuell folgender Stand: Nummer (1) wurde unmittelbar durch den Gesetzesbeschluss in Kraft gesetzt und gilt ab Q4/2025. Nummer (2) hat jetzt rechtskräftig eine Detailregelung durch die Selbstverwaltung erfahren und gilt ab Q1/2026. Dagegen stehen Ausgestaltung und Startzeitpunkt von Nummer (3) weiter in den Sternen.
Zur Wirkweise der neuen Vorhaltepauschale führt der Hausärzteverband in seiner Pressemeldung vom 19. August aus: „Unter dem Strich wird sich quasi nichts ändern, denn über 90 Prozent der Zahlungen werden genau wie bisher verteilt. Auch beim Rest wird es fast keine Verschiebungen geben.“ Dieser Einschätzung ist inhaltlich voll zuzustimmen. Hintergrund ist, dass sich die Kernänderung bei der GOP 03040 darauf beschränkt, ihren Punktwert um 10 Punkte von derzeit 138 auf 128 Zähler abzusenken. Das bedeutet, dass bei einem Euro-Gegenwert von derzeit 17,10 € auch künftig 15,86 € bedingungslos und nach dem gewohnten Automatismus an die Hausarztpraxen fließen. Die (potentielle) Umverteilungswirkung beschränkt sich somit auf 7,2 % bzw. 1,24 € des bisherigen Betrags. Um diesen ‚Rest‘ auch künftig zu erhalten, müssen Praxen ab Januar 2026 von den im Beschluss definierten zehn Bedingungen lediglich zwei erfüllen. Ausnahmen gibt es für Schwerpunktpraxen der diabetologischen Grundversorgung sowie für HIV- und Substitutionspraxen. Weshalb wiederum auf Hausarztsitzen agierende Rheumatologen oder Schmerztherapeuten vom Beschluss ignoriert werden, erschließt sich nicht …
Aber weiter im Text: Die zehn Bedingungen, zu denen – jeweils zu einem definierten Prozentsatz – u.a. die Durchführung von Sonographien oder von Hausbesuchen zählen, lassen sich hier bei der KV BaWü besonders übersichtlich einsehen: Neue Struktur ab 2026 mit gestuftem Zuschlagsmodell oder Sie schauen in den Originalbeschluss des Bewertungsausschusses (im PDF auf Seite 3) Interessanterweise gilt das Vorhandensein von mehreren (angestellten) Hausärzten in einer Praxis oder BAG bereits als Erfüllung eines Kriteriums – Nr. 9 im Katalog. Obwohl parallel bedenklicherweise mit mehreren Ärzt:innen besetzte Hausarzt-Abteilungen eines MVZ keine Erwähnung finden … !? Gleiches gilt aber auch für fachübergreifend aufgestellte BAG mit Hausarztabteilung – auch wenn es dafür natürlich sehr viel weniger ‚Anwendungsbeispiele‘ gibt, als für gleicherart aufgestellte MVZ … Die Existenz solch fachgruppenübergreifender Strukturen wurde folglich – mal wieder – einfach übersehen und nicht mitbedacht.
Gut für fachübergreifende Praxen und MVZ ist dagegen, dass alle Mindestmengen, die für das Erreichen der ersten acht Kriterien definiert wurden, in Verhältnis nicht zur Gesamtbehandlungsfallzahl der Struktur gesetzt werden, sondern an die Fallzahldefinition gemäß Punkt 10 der Präambel des EBM-Hausarztkapitels geknüpft werden. D.h. es gilt, dass allein die hausärztlichen Fälle (aka Fälle, „in denen ein Arzt gemäß Präambel 3.1 Nr. 1 vertragsärztliche Leistungen durchführt und berechnet“) zur Anteilsberechnung herangezogen werden (und nicht auch die Fallzahlen anderer Fachgruppen des MVZ). Angesichts dessen, dass große und/oder fachübergreifende Strukturen bei Honorarberatungen – sieh oben – viel zu häufig und immer wieder unberücksichtigt bleiben, muss das schon als kleiner Sieg verstanden werden. Siehe auch: Großpraxen in der ambulanten Versorgung – Eine Geschichte voller Missverständnisse (BMVZ-Beitrag v. Oktober 2024).
Nicht unerwähnt bleiben soll aber auch die tatsächliche Umverteilung … Zum einen ist ein 40%-Abschlag für Praxen bei der GOP 03040 vorgesehen, die die Impfquote nicht erfüllen. Zum anderen wird aus diesem Abschlag sowie durch den Zehn-Punkte-Abzug für Praxen, die es nicht schaffen, wenigstens zwei der Basiskriterien zu erfüllen, ein 20-Punkte-Aufschlag für diejenigen Versorger finanziert, die mindestens acht Kriterien erfüllen. In diesem theoretischen Plus in Höhe von knapp 2,50 € je Fall liegt denn auch der einzige potentielle wirtschaftliche Mehrwert für fallzahlstarke Grundversorger, die sich neben dem Impfen auch um Pflegeheime, Haubesuche und weiterführende, inhäusige Diagnostik kümmern.
Klingt angesichts der Honorarhöhe, um die es am Ende geht, kompliziert? Ist es auch!
Insofern kann man die Perspektive des Hausärzteverbandes legitim finden, der kommentiert, dass sich die KBV mit ihrem Verhandlungsansatz „verzweifelt und ängstlich an den Status Quo [geklammert hat].“ (~ Quelle) Was wiederum exakt den Umstand beschreibt, für den sich die KBV ganz offen feiert: „Es ist uns gelungen, (…) dass das umzuverteilende Honorarvolumen klein geblieben ist.“ (~ Quelle) Welcher Perspektive man persönlich mehr zuneigt, das darf und muss am Ende folglich jede:r selbst entscheiden, .
Hausärztliche Praxis v. 20.08.2025
Abrechnung: So funktioniert die neue Vorhaltepauschale
Ärzteblatt v. 19.08.2025
Ärzteschaft: Vorhaltepauschale für Hausarztpraxen neu geregelt
KBV-Praxisnachrichten & -Pressemitteilung v. 19.08.2025
Vorhaltepauschale für Hausärzte neu geregelt – KBV und GKV-Spitzenverband beschließen die Details
Honorarverhandlungen | Selbstverwaltungspartner auf einem Tandem ohne Räder
Jährlich grüßt das Murmeltier. Die Honorarverhandlungen für 2026 zwischen der KBV und den Kassenvertretungen sind inzwischen im vollen Gange. Je kleiner die Spielräume auf beiden Seiten werden, desto harscher wird der Ton, um so radikaler die Forderungen und desto blasser ein realistischer Erwartungshorizont. Darum geben wir eine kurze Einordnung für ein solides Erwartungsmanagement. Die Forderungen: Während die KBV die Gehaltssteigerung von Oberärzten in Kliniken von 6,2 Prozent als Orientierung in den Ring warf, hatte der VirchowBund 7 Prozent für die Punktwertsteigerung gefordert. Die Kassen liegen erwartungsgemäß am anderen Ende des Spektrums.
Die erste Runde der Verhandlungen am 19. August verlief erwartbar erfolglos. In den kommenden Wochen – also in der KW 35 und den folgenden – werden die Akteure erneut zusammenkommen und aller Voraussicht nach, die Quasi-Bankrotterklärung des ambulanten Kassenbudgets verstetigen. Das ist inzwischen gewissermaßen ein alter Hut. Pünktlich zum Verhandlungsbeginn hatte der Bundesrechnungshof auf die desolate Lage der Kassen verwiesen und eine Erhöhung des Zusatzbeitrages als wahrscheinlich postuliert. (~ Zeit.de v. 19.08.2025) Die medienwirksame Meldung unterstreicht im Grunde das Bekannte: Die gesetzlichen Kassen laufen hochdefizitär. Im Detail hatten wir das Thema im Frühjahr bereits beleuchtet (~ Ausgabe KW27 | Aussicht auf die finanzielle Großwetterlage).
Einige Tage vor dem diesjährigen Verhandlungsstart hatte sich die Techniker Krankenkasse mit einem Zehn-Punkte-Plan zur Kostenreduktion Gehör verschafft (~ TK v. 11.08.2025 | PDF). Die größte Aufmerksamkeit bekam dabei die Forderung nach einer Nullrunde für die aktuellen ambulanten Honorarverhandlung. Begründet hatte die TK diese Forderung mit einer pauschalisierten Zahlendeutung: „Dieser Schritt erscheint zumutbar, da die durchschnittlichen Reinerträge je Inhaber bzw. Inhaberin einer Vertragsarztpraxis in der Vergangenheit ohnehin deutlich über der Erhöhung des Orientierungswertes ausgefallen sind.“ (Punkt Nr. 6) Es ergibt jedoch wenig Sinn, dem Argument übermäßig viel Aufmerksamkeit zu schenken. Denn, so nachvollziehbar der Standpunkt aus Kassensicht seien mag, so unkreativ ist er auch. Das letzte Mal hatten die Kassen 2023 eine Nullrunde vorgeschlagen. Letztlich wurde damals im Erweiterten Bewertungsausschuss eine Punktwertsteigerung um 3,85 Prozent vereinbart.
Gravierender als die radikalen Forderungen an sich, ist die Konsequenz, die sich daraus ergibt. Denn immer öfter wird der Erweiterte Bewertungsauschuss angerufen, der in diesem Fall die Ultima Ratio der Selbstverwaltung darstellt. In den vergangenen zehn Jahren war das 8 mal der Fall. Wer sich etwas mit Spieltheorie beschäftigt, mag erkennen, dass die potenziellen Pfade zu einer sinnvollen Debatte von vornherein konterkariert werden, wenn ein Schiedsspruch zum Modus Operandi wird. In den geschlossenen Kreis der Schuldzuweisung der Selbstverwaltungspartner hallt die Aussage von FALK-Chef Degenhardt: „[Wir erwarten] auch eine Einigung der Vertragspartner ohne Einmischung der Politik“ (~ ÄZ v. 15.08.2025). Implizit unterstreicht diese Aussage das absehbare Szenario einer Schwächung der Selbstverwaltung. Hinzu kommt, dass der stetige Gebrauch von Maximalforderungen – wie Nullrunden – sich abnutzt und wenig Spielraum bietet, die wirklich allerletzte ‚rote Linie zu ziehen‘.
Hervorzuheben ist, dass außerhalb der medizinischen Fachpresse, der Eindruck erweckt wird, als handle es sich bei den Honorarverhandlungen, um ein ähnlich geartetes Konstrukt wie Tarifverhandlungen. Dem ist mitnichten so. Die Kriterien, nach denen der Punktwert Jahr für Jahr angepasst werden soll, ist im SGB V §§85 ff. klar ausdefiniert. Der Bewegungsspielraum ist somit eingeschränkt. Hinzu kommt die systematisierte und zeitnahe Berücksichtigung der Personalkosten. Diese begrüßenswerte Regelung wurde 2023 beschlossen und im vergangenen Jahr erstmalig praktiziert. Allerdings beansprucht allein die Adaption der Personalkosten natürlich bereits das von den Kassen kalkulierte Budget und damit den übrigen Verhandlungsspielraum.
Im Kontext dieser Sachzwänge wäre es somit mehr als wünschenswert, wenn die Verhandlungspartner einen Schulterschluss wagen und sich an jene wenden, die dem Patt der Selbstverwaltung von der Seitenlinie beiwohnen. Gemeint wäre damit etwa ein ernst zu nehmender Appell an das Sozialministerium, die durch Beitragszahler querfinanzierten, versicherungsfremden Leistungen gegenzufinanzieren. Und zwar nachhaltig, so dass diese Umverteilung eben nicht hintenherum durch Abzüge beim Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds negiert werden, oder – wie ursprünglich im Rahmen der Krankenhausreform vorgesehen – Struktur- und Investitionsausgaben von den Kassen zu stemmen sind. Zugegebenermaßen würde das die Probleme, volkswirtschaftlich betrachtet, nur verschieben, aber zumindest den Selbstverwaltungspartnern ein Denkmal setzen.
Allerdings scheint dies momentan eher unwahrscheinlich. Etwas zynisch könnte man behaupten, dass sich die Kassen und die KBV auch dieses Jahr abmühen, auf einem Tandem ohne Räder den Berg zu erklimmen. Währenddessen es Bereiche und Branchen gibt, die durch das im April 2025 noch vor dem Regierungswechsel so schwuppdiwupp beschlossene Sondervermögen einen frischen Satz neue Räder bekommen.
ÄrzteZeitung 19.08.2025
Arzthonorar-Gespräche: Erstes Treffen ergebnislos – nächste Woche soll es weitergehen
KBV v. 14.08.2025
Gassen: Wer eine gute medizinische Versorgung will, muss die Praxen stärken – KBV-Chef erwartet harte Verhandlungen
Ärzteblatt v. 12.08.2025
Honorare: Techniker Krankenkasse schlägt Nullrunde vor, Proteste aus der Ärzteschaft
Modernisierung der Zulassungsverordnung | BMG stößt (endlich) Normsetzungsverfahren an
Ohne Brimborium oder vorausgehende Ankündigung hat das BMG am 4. August den vertragsärztlichen Fachverbänden einen überarbeiteten Entwurf zur Modernisierung der Zulassungsverordnungen für Ärzte und Zahnärzte (ZV-Ä | ZV-ZÄ) zukommen lassen. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil damit überraschend ein Normsetzungsverfahren neu angestoßen wurde, das nicht nur von Amtsvorgänger Lauterbach bereits im November 2022 initiiert, aber nie zu Ende geführt worden war … sondern auch eines, das von vielen Akteuren einschließlich des BMVZ dringlich erwartet und gewünscht wurde (~ siehe aus November 2024: Die ambulante Versorgung braucht Strukturtransparenz. Tatsächlich hatte der BMVZ gerade erst noch am 26. Juni öffentlich über eine Glosse in der ÄrzteZeitung Aufmerksamkeit auf die Thematik gelenkt und im Verbund mit den FALK-KVen darauf gedrängt, dass die neue Ministerin den Verordnungsentwurf schnell wiederbelebt: Frau Ministerin, einfach mal zulassen.
Der Redakteur der ÄrzteZeitung hatte dazu kommentiert: „Zugegeben: Auf die Titelseiten von Hochglanzmagazinen oder Tageszeitungen mit großen Buchstaben schafft man es damit nicht. Dabei ließe sich mit dem seit 4. November 2022, 9.11 Uhr, im Ministerium herumliegenden Referentenentwurf vieles zum Guten der ärztlichen Versorgung ändern. Zügig sogar. Und das Beste daran ist, dass das Ministerium mit dieser Verordnung bei der verfassten Ärzteschaft offene Türen einrennen würde. […] Worauf wartet Nina Warken? Wenig Risiko, hohe Gewinnchance.“
Und ob man jetzt an einen Zusammenhang glaubt oder nicht: Am 4. August 2025 wurden durch das Veröffentlichen des überarbeiteten Referentenentwurfs Tatsachen geschaffen, die es möglich erscheinen lassen, dass die derart eingeforderte Änderung der ZV-Ä/-ZÄ tatsächlich noch dieses Jahr in Kraft treten könnte. Das ist auch deshalb eine realistische Annahme, weil der Entwurf nicht durch den Bundestag muss. Hintergrund ist der Umstand, dass es sich bei der Zulassungsverordnung, wie der Name schon sagt, nicht um ein Gesetz handelt, und dass es in § 98 SGB V eine Kompetenzermächtigung gibt, wonach ZV-Ä und ZV-ZÄ „vom Bundesministerium für Gesundheit mit Zustimmung des Bundesrates als Rechtsverordnung erlassen“ werden. Von diesen Formalia völlig unabhängig dürften die geplanten Änderungen für alle vertrags(zahn)ärztlichen Teilnehmer höchst relevant sein – die zentrale Rolle, die die ZV-Ärzte, bzw. ZV-Zahnärzte spielt, ist wohl jedem Praxisinhaber:in, bzw. MVZ-Geschäftsführer:in klar.
Der Referentenentwurf ist insgesamt 98 Seiten lang und umfasst eine Fülle an Themen, die auch nur stichwortartig anzuführen, den Rahmen dieses Artikels deutlich sprengen würde. Allen, die sich schnell informieren wollen, sei daher einer der drei unten verlinkten Beiträge empfohlen und/oder ein Blick in die Präambel des Entwurfes (~ Seiten 1 – 3 im PDF | ~ zum Download des Volltextes), in der das BMG überblicksartig seine Regelungsziele sowie die Motivation dazu zusammenfasst.
Für eine schnelle inhaltliche Einordnung zitieren wir aus der förmlichen BMVZ-Stellungnahme, die dem BMG bereits zugeleitet wurde: „Das Ansinnen, die überkommene Zulassungsverordnung … zu modernisieren, wird voll mitgetragen und unterstützt. Dies betrifft nicht nur die technischen Aspekte der Anpassung bürokratischer Routinen an die mittlerweile allgegenwärtigen digitalen Möglichkeiten. Vielmehr begrüßen wir insbesondere auch die erkennbare Absicht, in beiden Verordnungen Anstellung und Niederlassung als gleichrangige und gleichermaßen normale Ausprägungen der ambulanten Praxisorganisation zu verankern.“ Und weiter: „Die Zusammenführung des (Zahn-)Arztregisters mit den ohnehin nur theoretisch getrennten Registern der angestellten wie der ermächtigten (Zahn-)Ärzte zu einem umfänglichen Versorgungsregister, mit dem auch Strukturaspekte erfasst und sichtbar gemacht werden, sehen wir als eine folgerichtige und notwendige Weiterentwicklung. Der im Entwurf gemachte Vorschlag wird daher ausdrücklich begrüßt.“
… Sie merken, thematisch steckt in der Modernisierung wirklich viel – und viel Verschiedenes. Wir werden das in den nächsten Ausgaben näher beleuchten. Jetzt ist erst einmal wieder das BMG am Zug, das mit einer ungewöhnlich knapp gesetzten Frist von nur zehn Tagen bereits zum 15. August die Verbändestellungnahmen zu diesem Entwurf eingefordert hat und diesen nun (vermutlich) nachbearbeitet.
Hausärztliche Praxis v. 18.08.2025
Referentenentwurf der Zulassungsverordnung: Pro Weiterbilder zwei statt einem ÄiW
Ärzteblatt v. 08.08.2025
Zulassungsverordnung für Vertragsärzte soll modernisiert werden
Taylor-Wessing Rechtsanwälte | Briefing v. 07.08.2025
Zulassungsverordnungen für (Zahn-)Ärzte: Reform vermutlich noch dieses Jahr!
Zwischenbericht zu 100 Tagen Warken-BMG | Ein Überblick zu Plänen, Stimmung und Inhalten
Mitte August hatte Nina Warken, die am 6. Mai Karl Lauterbach im Amt nachfolgte, ihre 100 Tage als Bundesgesundheitsministerin voll. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz; zumal die parlamentarische Sommerpause am 8. September endet und dann all die Projekte, die in den letzten Wochen vom BMG angestoßen wurden, in lärmiger Gleichzeitigkeit nach Aufmerksamkeit verlangen. Die amtliche Übersicht des BMG (~ direkt zu) verzeichnet aktuell acht Gesetze und vier Verordnungen als laufende Verfahren. Keine schlechte Bilanz für die ersten drei Monate. Unter den Verordnungen sticht dabei für uns der am 4. August veröffentlichte Modernisierungsentwurf der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte wegen seiner besonderen Bedeutung für die ambulante Versorgung hervor. Mehr Informationen dazu finden Sie im Reiter ‚Nachrichten‘: Modernisierung der Zulassungsverordnung | BMG stößt Normsetzungsverfahren an.
Bei den acht Gesetzen wiederum ist die inhaltliche Bandbreite groß: Pflege, Lachgas, Anerkennung ausländischer Ärzte, Krankenhausreform, Cannabis, Internationale Gesundheitsvorschriften, Organspende, Pflegepersonal … was auffällig fehlt, sind dagegen Initiativen, die die Finanzen der GKV betreffen. Klar dürfte sein: Eine Schonfrist bekommt Frau Warken angesichts der schlechten Kassenlage hier nicht: Sofortmaßnahmen nötig – GKV-Finanzen: Bundesrechnungshof kritisiert Warken. Ein Umstand, der wiederum zu der Frage lenkt, wie das BMG unterhalb der Ministerebene inzwischen aufgestellt wurde, bzw. wie funktionstüchtig das Haus ist. Das Organigramm (~ Organisationsplan des BMG) weist bis heute Leerstellen auf, über die das Ärzteblatt bereits Anfang Juli berichtete: Spitzenpersonal im BMG – Luft neuer Staatssekretär, Abteilungsleitungen weiter unklar. Allerdings dürfte das (vorläufige) Fehlen belastbarer Konzepte gegen die klammen Kassen deutlich mehr als fehlenden Abteilungsleitungen der Komplexität der Herausforderung und dem koalitionsinternen Dissens zu den Lösungswegen geschuldet sein.
Dennoch ist die Frage erlaubt: „Wie der Führungsstil der BMG-Spitze die Arbeit des Ministeriums prägt“ – so gestellt und beantwortet mittels eines ausführlichen Interviews in der Medical Tribune (~ direkt zu). Über die banale Erkenntnis hinweg, dass Frau Warken erklärtermaßen mehr (als Vorgänger Lauterbach) zuhören will und insgesamt einen konsensorientierten Stil pflegt, erläutert der Politologe Bogumil-Uçan, wie wichtig die personellen Grundentscheidungen innerhalb des BMG sind, sagt aber auch, dass die eigentliche Herausforderung für Nina Warken darin besteht, „aus dieser zuhörenden Rolle in eine gestaltende Rolle zu kommen. Man muss bedenken: Wenn es Lösungen gäbe, mit denen alle Akteure zufrieden wären, hätten die vorigen Minister sie bereits gefunden.“ Spannend ist sein Verweis auf die zahlreichen Ähnlichkeiten, die die Situation der Ministerin zu der von Ulla Schmidt aufweist, die im Ergebnis – trotzdem auch sie 2003 fachfremd in das Amt gekommen war – eine außerordentlich reformprägende und -treibende Gesundheitsministerin war.
Inhaltlich ist Frau Warken derzeit (logischerweise) vor allem mit Ankündigungen präsent, erst vier der Gesetzesvorhaben sind bereits durch das Kabinett, haben also schon das Plazet der Koalition – alle anderen befinden sich derzeit noch im Status des Referentenentwurfs, müssen also überhaupt erst noch von der Koalition beschlossen werden, bevor dann die Legislative ihre Hand anlegen kann. Bis es soweit ist, geben wir nachfolgend eine Orientierung zu den Absichten des BMG in Form von O-Tönen von Ministerin Warken:
- Prävention | (~ Quelle)
„Um die Versorgung für alle in Zukunft sicherzustellen, müsse das deutsche Gesundheitssystem insgesamt effizienter werden.“ „Wenn der Druck auf das System durch das Nichteintreten von Krankheiten sinkt, ist es jede Anstrengung wert, mehr für die Prävention zu tun.“ - Krankenhausreform | (~ Quelle)
„Die derzeitige Strukturen der Krankenhausversorgung haben keine Zukunft, und das wissen wir eigentlich alle. […] Auf der anderen Seite gilt aber, dass die flächendeckende Versorgung … gewährleistet bleiben muss, gerade auf dem Land. Die Reform müsse praxisgerecht weiterentwickelt werden, besonders die Umsetzungsfristen müssten realistischer werden.“ - Pflegeberufe | (~ Quelle)
„Mit dem … Gesetzentwurf schaffen wir die Grundlage für eine bundeseinheitliche generalistische Ausbildung zur Pflegefachassistenz. Zudem sorgen wir bereits in der Ausbildung für eine angemessene Vergütung.“ - Pflege(bürokratie) | (~ Quelle)
„Wir wollen Pflegekräfte halten, indem wir ihre Kompetenzen besser nutzen. Motivieren sollen sie zusätzlich unsere Pläne zum Bürokratieabbau. Jede Minute, die sich eine Pflegekraft nicht mit Formularen beschäftigt, ist eine gewonnene Minute für ihre Pflegebedürftigen.“ - Primärarztsystem | (~ Quelle)
„Es gibt viele Möglichkeiten, Praxisbesuche so zu steuern, dass die Patienten weiterhin gut versorgt werden, ohne sie unnötig finanziell zu belasten. Am Ende muss eine Reform stehen, die das gute Versorgungsniveau aufrechterhält, aber trotzdem Stabilität bei den Beiträgen ermöglicht. Der dafür zuständigen Reformkommission werde ich mit auf den Weg geben, dass es bei ihrer Arbeit keine Denkverbote gibt.“ - Klinikschließungen | (~ Quelle)
„Es werden Kliniken schließen. Aber das müssten nicht wenige auch ohne Reform. Unser Ziel ist, diesen Prozess so zu steuern, dass am Ende eine gute Versorgung erhalten bleibt.“ - Cannabisgesetz | (~ Quelle)
„Ich habe es für einen Fehler gehalten, dieses Gesetz so einzuführen. Wir haben aber einen Koalitionsvertrag. Darin ist zunächst eine Evaluierung festgehalten. Daran halte ich mich.“ - ePA – Elektronische Patienteakte |(~ Quelle)
„Die elektronische Patientenakte wird von Einigen schon schlecht geredet, bevor sie überhaupt richtig eingeführt ist. Die ePA wird schrittweise gestartet. Erst ab Oktober besteht für Ärzte die Pflicht, sie zu befüllen, ab Januar kann man dann auch Sanktionen verhängen. Das heißt: Erst dann können Patienten erwarten, dass Ärzte mit der ePA arbeiten. (…) Jetzt eine negative Bilanz zu ziehen, ist nicht gerechtfertigt.“
Abschließend sei auf die Berichterstattung des ‚Stern‘ verwiesen, bei der unter der Überschrift „Warum unter Gesundheitsministerin Nina Warken jetzt ein anderer Wind weht,“ in Rückschau auf die Bund-Länder-Arbeitsrunde zur Klinikreform von Ende Juli notiert wird: „Im Vergleich zu früheren Beratungen zur Krankenhausreform sei man bei diesem Treffen … früher als geplant fertig gewesen. [… Zudem war] die Stimmung locker und gelöst … als Vertreter von Bund und Ländern nach ihren Beratungen zur Zukunft der Kliniken vor die Presse treten – auch das ist ein eher ungewohntes Bild.“ Ein weiterer Punkt, den die Stern-Redaktion herausstellt: „Man musste kein Salz und Pfeffer mehr mitbringen.“ Eine Aussage, mit der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann in Anspielung auf die salzfreie Ernährung von Karl Lauterbach offensichtlich für einige Lacher bei der sich an die AG-Sitzung anschließenden Pressekonferenz sorgte. Ein Nebenthema, das im Übrigen schon 2018, also noch vor seiner Minister-Zeit, die TAZ zu beißendem Lauterbach-Spot inspirierte: Der Salz-Irre von der SPD. (TAZ-Glosse ‚Die Wahrheit‘ v. Februar 2018)
Apothekenumschau v. 21.08.2025
Wie Experten das geplante Anpassungsgesetz zur Klinikreform beurteilen
BMG-Presseabteilung | Interview mit Nina Warken v. 26.07.2025
Warken: „Wir wollen das Primärarztsystem einführen.“
Medical Tribune v. 15.07.2025
Dynamiken des BMG: ‚Man kann auch ohne Vorerfahrung eine erfolgreiche Ministerkarriere hinlegen‘
Die TI von Morgen | Ein Ausblick auf Visionen, Floskeln und reichlich Anglizismen
Im Praxisalltag kann jeder froh sein, der mit der momentanen Entwicklung der TI halbwegs Schritt halten und sich ‚nebenbei‘ auch um das eigentliche Kerngeschäft kümmern kann. Bevor die ePA für ambulante Praxen, MVZ und Zahnärzte verpflichtend wird und die Aufmerksamkeit auf sich zieht, nutzen wir daher die Chance, über den Horizont zu spähen, was die TI-Roadmap für die kommenden Jahre bereithält. Trotz der Bemühungen diese TI-Vision nüchtern und wertfrei zu betrachten, muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt haben, dass die Pläne und Fristen oft eher lose Absichtserklärungen sind. Zum anderen, und dies wird gerade mit der Einführung der ePA deutlich, bindet die TI nach wie vor mehr Ressourcen, als sie freigibt. Denn seit dem Start der TI am 1. Juli 2017 – und ja: es sind bisher ’nur‘ acht Jahre – befinden wir uns in einer konstanten Produktentwicklungsphase.
Doch der Reihe nach. Die Roadmap der Gematik mit den zahlreichen Einzelkomponenten reicht momentan bis 2027. Wer sich die Vorhaben im Einzelnen anschaut, bemerkt, dass für viele Komponenten die ‚Vorgaben veröffentlicht‘ wurden. Auch für jene, die in der Zukunft liegen und solche, für welche die notwendigen Gesetzgebungen noch ausstehen – also eine recht optimistische Roadmap im eigensinnigen Mix aus Plusquamperfekt und Futur II. Neben dem Ausbau bereits bekannter Komponenten wie dem TI-Messenger hin zu TI-M Connect und TI-M Pro (~ Wer ist TIM? | PAusgabe KW 36/2024) möchten wir die Aufmerksamkeit auf zwei übergeordnete Projekte lenken, die mit dem Ausbau der TI 2.X einhergehen, aber oft noch wenig Beachtung bekommen. Der Fokus liegt somit mehr auf der Aufklärung zwecks Begrifflichkeiten. Eine klare Einordnung, was die beschriebenen Projekte der gematik für den Praxisalltag bedeuten, wird Mark Langguth im Rahmen des 19. BMVZ PRAKTIKERKONGRESS liefern.
Eines der beachtenswerten Projekte der Telematikinfrastruktur ist die so genannte „Zero Trust Architektur“, kurz „ZETA“. Ein Konzept, das bereits in dem 2020 veröffentlichten White Paper der Gematik „Arena für digitale Medizin“ (~ zum Paper | 34 Seiten) Erwähnung fand und, das strukturelle Grundgerüst der zukünftigen Kommunikation im Medizinwesen sein soll. Hinter ZETA verbirgt sich folgende Idee: Während in klassischen IT-Netzwerken – metaphorisch gesprochen – eine Mauer gezogen wird, innerhalb deren Grenzen sich die Nutzer nach einer initialen Authentifizierung frei bewegen können, so geht „Zero-Trust“ davon aus, dass jeder Nutzer, bei jeder Interaktion nicht vertrauenswürdig ist. Zu jeder Anfrage zwischen den TI-Beteiligten müsste also eine Authentifizierung erfolgen. Die ZETA bildet die Grundlage dafür, dass sich die TI weiterentwickeln kann, von einer Hardware gestützten Kommunikation mittels Konnektoren etc., hin zu einer cloudbasierten Softwarelösung. Damit einher gehen auch diverse Nebenbaustellen, wie die Einführung der GesundheitsID. Das Projekt GesundheitsID soll Anfang 2026 starten, allerdings mit einem noch nicht terminierten Roll-Out. An ZETA wird bereits gearbeitet, wobei die ZETA 1.0 Mitte 2026 zum Roll-Out gebracht werden soll. In diesem Schritt wird auch der erste Teil von „PoPP“ etabliert.
PoPP, oder ‚Proof of Patient Presence‘, also der Beweis der Anwesenheit des Patienten, ist der zweite wichtige Aspekt, den es in Zukunft zu beachten gilt. Auch an PoPP wird bereits gearbeitet. Die spezifischen Vorgaben sollen Ende 2025 bekannt gegeben werden. Vermutlich wird erst danach klar, welche Konsequenzen dieser Authentifizierungsmechanismus tatsächlich mit sich bringt. Bisher hat die gematik ein Konzept-Paper (~ gematik v. 20.08.2024 | PDF 52 Seiten) und – für wahrhaftig Interessierte – eine online-gestützte technische Basis-Spezifikation herausgegeben (~ Link dazu, Stand 23.01.2025). In den Ausführungen werden unterschiedliche Szenarien und Anwendungsfälle beschrieben, deren vertiefendes Studium zum jetzigen Zeitpunkt aber wenig Mehrwert verspricht. Für den Hinterkopf des durchschnittlich ambitionierten MVZ-Verantwortlichen sticht ein Satz jedoch heraus: „Die Weiterentwicklung der Leistungserbringer-Identität (HBA) spielt im Kontext PoPP keine Rolle. […] Es sind keine Anforderungen an die PoPP-Lösung bekannt, die eine eindeutige Nutzerauthentifizierung mittels HBA (oder Nachfolgetechnologie) bedarf.“ (~ S. 49 des gematik PDF-Papers) Ob mit diesem Konvolut an neuen Technologien auch wirklich Simplifizierungen einhergehen, wird sich am realen Praxisalltag messen lassen müssen.
Und was ist die Moral des Ganzen? Die ePA ist keineswegs der Gipfel des TI-Transformationsprozesses. In absehbarer Zukunft werden mit der Gesundheits-ID, dem PoPP und ZETA noch tiefgreifende Veränderungen kommen, die reichlich Potenzial bieten, vor Frust in die Tischkante zu beißen. Indes etabliert sich bis etwa 2030 womöglich eine digitale medizinische Infrastruktur, deren Synergieeffekte tatsächlich einen merklichen Mehrwert erzeugen.
Um diese jetzigen und zukünftigen Prozesse sinnvoll in den Praxisalltag zu übertragen, ergibt es Sinn, den Anschluss nicht zu verlieren. Das Team, Prozesse und Strukturen müssen sich – wohl oder übel – den technischen IT- und TI-Veränderungen anpassen. Tipps aus der Praxis für die Praxis sind erfahrungsgemäß dafür am wertvollsten. Darum geht Mark Langguth in seinem Vortrag auf eben jene Herausforderungen ein: ‚Der Digitalisierung ein Schritt voraus: Zur Zukunft der TI | Praktischer Ausblick auf Arbeitsprozesse und Herausforderungen für Praxis + MVZ‘. Überdies gibt es selbstredend noch mehr praxisrelevante Themen. Bis dahin empfehlen wir die neu aufgelegte Seite der KBV mit teils auch neuen ‚Info-Videos‘, zum Beispiel zum Thema eML. (~Themenseite | KBV v. 22.08.2025)
BMVZ v. 22.08.2025
Zur Programmübersicht 19. BMVZ PRAKTIKERKONGRESS
Ärzteblatt v. 15.08.2025
Elektronische Patientenakte: Fast jede zweite Praxis ist dabei
ÄrzteZeitung v. 17.07.2025
Aktualisiertes Whitepaper veröffentlicht | gematik stellt ihr Sicherheitskonzept vor