SPRUNGLINKS
Ende des Honorardeckels
für die Allgemeinmedizin beschlossen
Umstellung des Pauschalensystems weiter offen
Nachdem zwischen KBV und GKV-Spitzenverband bis zuletzt Details strittig geblieben sind, hat am 20. Mai der Erweiterte Bewertungsausschuss in seiner 85. Sitzung mit Geltung ab Q4/2025 die Umsetzung der Hausarztentbudgetierung beschlossen. Damit werden entsprechende Regelungen, die überraschend noch kurz vor Schluss von der rot-grünen Rumpfregierung mit maßgeblicher Unterstützung der FDP durchgesetzt worden waren (~ PRAXIS.KOMPAKT | KW 6: Reform der hausärztlichen Honorierung | Zwischen Tatendrang und Komplexitätsproblemen) – tatsächlich, und genau so, wie im Gesetzesbeschluss vorgesehen, zur Realität; während die parallel vom Bundestag beschlossene Umsetzung des Pauschalensystems noch auf sich warten lässt. Konkret bedeutet dies, dass sich Erbringer hausärztlicher Leistungen (ohne Kinder- und Jugendmedizin) in den bis dato besonders schlecht honorierten Stadtstaaten sowie in BaWü, S-Anhalt und S-Holstein ab Oktober über echtes Mehr-Honorar freuen können. Die Hausärzte in den anderen KV-Gebieten dürften dagegen aufgrund der dort bisher schon recht hohen Auszahlungsquoten einen deutlich geringeren Effekt spüren.
Schätzungen gehen bundesweit von Mehrausschüttungen von 75 bis 125 Millionen € je Quartal aus. Im Detail wird dieses Zusatzhonorar jedoch ungleichmäßig verteilt. Zur Folgenabschätzung sollten betroffene Praxen sich die Auszahlungsquote ihrer Hausärzte in den letzten Honorarbescheiden anschauen. Liegt diese deutlich unterhalb von 100% kann mit entsprechenden Mehreinnahmen kalkuliert werden. Zu beachten ist dabei, dass lediglich das Kapitel 3 (und auch das nur eingeschränkt) sowie die Hausbesuchsziffern entbudgetiert werden. Zahlreiche relevante, hausärztliche Leistungen wie die Psychosomatik, problemorientierte Gespräche oder Sonographien verbleiben dagegen unter dem Budgetdeckel. Dieser Umstand führt dazu, dass letztendlich die Entbudgetierung eben doch keine 100%-Honorierung bedeutet. Der Hausärzteverband rechnet dazu vor: „Denkbar ist beispielsweise, dass eine Praxis, [deren …] Auszahlungsquote bislang bei 75 % gelegen hat, auch psychosomatische sowie schmerztherapeutische Leistungen abrechnet (zusammen 6 % der gesamt abgerechneten Leistungen). In der Summe bedeutet die Entbudgetierung ein bedeutendes Plus für die Praxis: Die Auszahlungsquote des überwiegenden Teils ihrer Leistungen (94 Prozent) steigt nämlich von 75 auf 100 Prozent.“ (~ Quelle) Unklar bleibt, in welcher Größenordnung zusätzlich ein Effekt eintritt, infolge dessen die weiterhin budgetierten Leistungen künftig noch schneller unter die Budgetierung fallen, wodurch das echte Honorar-Mehr bei der gesonderten Hausarzt-MGV real durch diese Mindereinnahmen aus dem Bereichen der ‚normalen‘ MGV ein Stück weit aufgezehrt würde.
Im Hintergrund spalten die KVen ab Oktober 2025 vorab, basierend auf dem Aufsatzjahr 2023, die Honorartöpfe weiter auf, und es wird – neu – ein gesonderter Honorartopf für die Hausarzt-MGV gebildet. Reicht dieser in der Rückschau auf das jeweilige Quartal nicht aus, müssen die Kassen künftig den Fehlbetrag zuschießen. Das entspricht dem Modell der MGV+ wie es bei den Kinderärzten seit Q2/2024 bereits praktiziert wird. Die komplexen Details können Interessierte im Originalbeschluss nachlesen: PDF | 18 Seiten. In der Sache verständlicher und kürzer gefasst ist allerdings die zugehörige Entscheidungsbegründung: PDF | 7 Seiten.
Strittig, und damit Grund für die Anrufung des Erweiterten Bewertungsausschusses, war im Übrigen nicht die Umsetzung der Entbudgetierung an sich. Der Anlass war allein die Frage, wie bei dem Vorwegabzug des Anteils der neuen Hausarzt-MGV der Aufwand für die Finanzierung von Sicherstellungsmaßnahmen zu berücksichtigen ist, den die KVen stemmen müssen (~ HÄV spricht von Durchbruch, warnt aber vor „Tricksereien“ der Kassen). Hier hat der Gesetzgeber bei seinem Beschluss eine Regelungslücke gelassen, die die Kassen versuchen, zu einer Honorarkürzung hintenrum zu nutzen. Was nicht verwundern sollte, bedenkt man, dass diesseitig ohnehin von Beginn an eine Nullbegeisterung für das Projekt bestand: „Dieses Gesetz ist so aufgebaut, dass die Hausärzte garantiert 400 Millionen Euro Honorar zusätzlich bekommen, selbst wenn es keinen einzigen zusätzlichen Arzttermin gibt. […] Eine Verbesserung der Versorgung wird sich nicht einmal in sozial benachteiligten Stadtteilen oder ländlichen Regionen einstellen, da notwendige Steuerungsmechanismen fehlen.“ (~ Quelle)
Allerdings war der politische Ansatz der Entbudgetierung in der Tat ja primär auch, den Hausarztberuf durch eine verlässlich-umfängliche Honorierung wieder attraktiver zu machen. Steuerungswirkung sollen dagegen die beiden flankierenden Maßnahmen bringen, die ebenfalls als Teil des GVSG im Januar 2025 vom Bundestag verabschiedet worden waren: (1) Reform der Vorhaltepauschale und (2) Ablösung der Quartalslogik bei Vorhaltung und Chronikervergütung. Zu diesen beiden höchst komplexen Aspekten gibt es aber noch keine Detaileinigung. Vielmehr hat die KBV aktuell nur bekannt gegeben, dass man sich dazu mit dem GKV-Spitzenverband auf Eckpunkte für die weiteren Beratungen verständigt habe. Danach ist eine Übergangsphase für eventuelle Neuerungen angedacht, sodass sich Praxen auf die neuen Anforderungen einstellen könnten. (~ KBV.de v. 22.05.2025) Weiterführende Informationen zum Zeitplan oder Inhalten sind bisher nicht bekannt gemacht worden. Bis auf den Punkt, dass die KBV dafür kämpfe, die Umverteilungswirkungen für alle(!) nach Kräften möglichst gering zu halten. Sollte sie sich mit dieser Haltung durchsetzen – würde dieses Vorgehen der KBV die Pläne des Gesetzgebers, das Honorar hin zu besonders versorgungsrelevanten Praxen und MVZ umzuverteilen, klar konterkarieren. Zu den Hintergründen können Sie sich – nach wie vor inhaltlich aktuell – über diese BMVZ-Analyse vom Januar 2025 informieren: Mehr als Entbudgetierung: Zusammenhänge und offene Fragen zur Honorarreform der Hausärzte.