„You are always a Doctor“ | Überarbeitete BÄK-Handreichung für die Social-Media-Präsenz von Ärzten
Die Bundesärztekammer hat eine aktualisierte Version ihrer ‚Handreichung – Ärztinnen und Ärzte in den sozialen Medien‘ veröffentlicht. Die letzte Version ist inzwischen mehr als fünf Jahre alt, wurde also zu einer Zeit zusammengetragen, als Facebook noch ‚der letzte Schrei‘ war. Inzwischen haben sich neue Plattformen etabliert und damit hat sich auch der Input und das Surfverhalten verändert. Die Arbeitshilfe umfasst 20 Seiten, lässt sich aber gut lesen und bietet anschauliche kurze Beispiele.
Insbesondere die implizite Pflicht der Ärzteschaft, die Patienten vor deren eigener Offenheit im Netz zu schützen und das kurze Kapitel zur Haftplicht stellen eine wichtige ergänzende Sensibilisierung für die ansonsten mit gesundem Menschenverstand gut händelbare Materie dar. Das Zitat: “You are always a doctor“ wurde von der BÄK aus einer ähnlichen Schrift für die australische Ärzteschaft entlehnt und beschreibt zutreffend, wie nötig ein Bewusstsein für die umfassende Verantwortung der Ärzte ist. Worauf das Papier an dieser Stelle nicht eingeht, ist die Frage, ob es sinnvoll oder notwendig ist, dass Ärzte sich in Social Media Plattformen engagieren. In dem Kontext lohnt gegebenenfalls ein Blick auf die AOK-Webseite, wo unter dem Titel: „Souverän mit sozialen Medien umgehen“ zwei Studien zu ‘Social Media und Depression’ handlich zusammengefasst werden (~ direkt zu).
So oder so: Als von der höchsten berufsrechtlichen Instanz, die Ärzte in Deutschland haben, herausgegebene Schrift, sollte jeder MVZ-Verantwortliche die aktualisierte BÄK-Broschüre kennen, bzw. zum Thema in den internen Teambesprechungen machen, da für viele Ärztinnen und Ärzte und nicht zuletzt für die Patienten die Nutzung sozialer Medien zum Alltag gehört. Eine Sensibilisierung für sich aus dem Arztsein ergebende besondere Pflichten kann da angesichts der vielen denkbaren negativen Konsequenzen nicht verkehrt sein.
Ärzteblatt v. 24.02.2023
Bundesärztekammer: Handreichung zum Umgang mit sozialen Medien aktualisiert (PDF | 2 Seiten)
Bundesärztekammer v. 08.02.2023
Pressemitteilung: Ärztinnen und Ärzte im Umgang mit sozialen Medien sensibilisieren
Handreichung: Ärztinnen und Ärzte in sozialen Medien (PDF | 20 Seiten)
Hinweisgeberschutzgesetz vor Inkrafttreten | Änderungen schwächen Aufwand etwas ab – Umsetzung bleibt für viele MVZ aber relevante Aufgabe
Update: Das Hinweisgeberschutzgesetz ist Anfang Juni im Bundesgesetzblatt verkündet worden und tritt am 2. Juli 2023 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten eine interne Meldestelle einrichten und unterhalten. Für Betriebe mit zwischen 50 und 249 Arbeitnehmern gilt eine Karenzfrist von knapp sechs Monaten. Hier greift die Verpflichtung ab 17. Dezember 2023.
Bereits im Februar hatten wir eine ausführliche Orientierungshilfe zum Hinweisgeberschutzgesetz veröffentlicht, mit dem Vermerk, dass das Gesetz noch eine Runde durch den Vermittlungsausschuss ‚drehen‘ müsse (~ Whistleblowergesetz: Eine Orientierungshilfe des BMVZ). Diese ist nun erfolgreich abgeschlossen. Für Firmen ab 250 Beschäftigten gilt eine verpflichtende Umsetzung binnen eines Monates nach Inkrafttreten. Für Firmen von 50 bis 249 Beschäftigten bleibt der 17. Dezember als Stichtag.
Im Vermittlungsausschuss ist die vonseiten der Arbeitgeberverbände kritisierte Pflicht, anonymisierte Meldemöglichkeiten innerhalb des Betriebes zu schaffen, deutlich abgeschwächt worden. Was verbleibt, ist die Verpflichtung, auch anonym eingegangene Meldungen zu bearbeiten. Außerdem wurden im Vermittlungsausschuss die Strafen bei Verstößen reduziert. Ferner wurde die Aufbewahrungsfrist der Dokumente verlängert, um hier auch die Anforderungen der anderen Rechtsvorschriften zu erfüllen. Schlussendlich wurde noch ein Kompromiss im Vermittlungsausschuss erzielt, der eine wichtige Klarstellung beinhaltet. Demnach sind Verstöße nur dann durch das Hinweisgeberschutzgesetz erfasst, wenn sie den Arbeitgeber oder eine andere Stelle betreffen, mit der die den Hinweis gebende Person beruflich in Kontakt steht oder stand.
Kritisch bleibt eine Rechtsunsicherheit, die darin besteht, dass nach EU-Recht Unternehmen ab 250 Beschäftigten ein eigenes Meldestellensystem bräuchten. In der deutschen Fassung des Gesetzes würde jedoch ein zentrales System im Konzern ausreichen. Ebenso gibt es keine eineindeutige Schilderung, wie – im Sinne des Gesetzes – die Beschäftigten gezählt werden sollen. Zwar findet sich in § 3 Abs. 8 eine Definition, wer zu den Beschäftigten zählt, aber ein konkreter Verweis auf bereits geltende Zählverfahren in anderen Gesetzen findet sich auch in der Gesetzesbegründung nicht. Bei der Recherche stößt man auf unterschiedlich hilfreiche Ausführungen. Ohne Gewähr sei ein Auszug von der Webseite der Beratungs-Firma „Cortina Consult“ zitiert: „Im Sinne dieses Gesetzes zählen alle intern Beschäftigten zu den Mitarbeiter:innen des Unternehmens – also auch geringfügig Beschäftigte, Praktikanten, Auszubildende, arbeitnehmerähnliche Beschäftigte, Teilzeitkräfte unabhängig von ihrer Stundenzahl und Geschäftsführer. Bei Konzernen, Filialbetrieben und Betrieben mit mehreren Standorten dürften die Mitarbeiter:innenzahlen zusammenzurechnen sein.“ (~ Quelle). Einen Einblick, wie man es machen könnte, bietet Haufe.de per Interview mit der HR-Leiterin der Börlind GmbH, die als eines der ersten deutschen Unternehmen ein digitales Hinweisgebersystem eingerichtet haben.
Im Grunde bleibt es trotz dieser Detailanpassungen bei unseren früheren Einschätzungen bezüglich Dringlichkeit und Aufwand. Die IHK Stuttgart hat auf ihrer Webseite eine Checkliste für die Implementierung zur Verfügung gestellt, anhand derer die ersten wichtigen Schritte ‚abgearbeitet‘ werden können (~ IHK Stuttgart | letzter Punkt). Wahrscheinlich wird das Thema spätestens im Juli noch stärker in den Fokus rücken, wenn mehr Erfahrungsberichte der größeren Unternehmen aus der Medizinbranche praxistaugliche Tipps generieren.
Bundesrat v. 12.05.2023
Sitzungsbericht – TOP 59 ‚Whistleblower-Schutz‘
Legal Tribune Online v. 10.05.2023
Whistleblower-Gesetz könnte noch Mitte Juni kommen
Bundesverband MVZ v. 15.02.2023
Hinweisgeberschutzgesetz: Aktuelle Managementaufgabe auch für MVZ – trotz Schonfrist
Gesetzgebung zur elektronischen Arbeitszeiterfassung | Pflicht zur analogen Erfassung gilt weiterhin ab sofort
Beachten Sie ergänzend das Update des BMAS vom 3. Mai:
Fragen und Antworten zur Arbeitszeiterfassung
Einer der primären Wünsche der meisten Arbeitgeber bezüglich des neuen Arbeitszeitgesetzes wäre wohl, dass nicht wieder unzählige Arbeitsstunden in die gesetzeskonforme Erfassung eben jener Zeit eingehen. Für ganz kleine MVZ könnte dieser Wunsch sogar in Erfüllung gehen. Denn, der kürzlich veröffentlichte Referentenentwurf des neuen Arbeitszeitgesetzes (ArbZG-E | Volltext als PDF öffnen), sieht Ausnahmen für Kleinunternehmen vor. Doch das Wichtigste vorweg: 1) Der Entwurf bezieht sich nur auf die elektronische Erfassung. D.h. unverändert muss bereits jetzt aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG v. 13.09.2022) von jedem Betrieb, also auch von Praxen und MVZ, Arbeitszeit und Überstunden für jeden Mitarbeiter gegebenenfalls analog erfasst werden – Arbeitszeiterfassung: Alles was man dazu wissen muss. 2) Dem Entwurf folgt in der Gesetzgebung nun zunächst eine Zeit, in der Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und Branchenverbände ihre Stellungnahmen abgeben, woran sich wiederum die parlamentarische Beratung anschließt. Der aktuelle Stand ist also nicht mehr, als eine Aussicht auf die Vorhaben der Regierung. Wenn das Gesetz allerdings beschlossen wird, so gelten die Vorgaben zur digitalen Erfassung mit dem ersten Tag des darauffolgenden Quartals, aber auch hier mit Ausnahmen.
Kern des neuen Entwurfes ist § 16 Absatz 2, nach dem „der Arbeitgeber verpflichtet [ist], Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen.“ Die Erfassung kann auch durch Dritte oder den Arbeitnehmer selbst geschehen, allerdings verbleibt der Arbeitgeber in jedwedem Fall in der Verantwortung. Nach Arbeitsrechtsexperten entsteht durch die Fixierung auf ‚jeweils am Tag der Arbeitsleistung‘ allerdings ein Widerspruch zum geltendem Recht nach dem Mindestlohngesetz (~ Haufe v. 20.04.2023). Gemäß ebendieser Quelle klärt der Referentenentwurf auch nicht befriedigend darüber auf, was mit „Arbeitgeber“ gemeint sei. In der Begründung zum Entwurf heißt es auf Seite 15: „Der Absatz enthält eine nach Unternehmensgröße gestaffelte Übergangsregelung.“ Einen Absatz später ist jedoch von einer Kleinbetriebsklausel die Rede. Meint der Gesetzgeber nun Unternehmen oder Betriebe?
Im Übrigen sieht Haufe.de diese Kleinbetriebsklausel in Korrelation zu § 23 Absatz 1 Satz 3 KSchtG „ohne die anteilige Berücksichtigung von Teilzeitkräften.“ Bis dahingehend Klarheit herrscht, scheint es müßig, auszuloten, ob das MVZ mit x Teilzeitkräften, im Sinne des Gesetzes als Kleinbetrieb gilt. Wäre dem so, gilt die eingangs erwähnte Ausnahmeregel, nach der „ein Arbeitgeber mit bis zu zehn Arbeitnehmern die Arbeitszeit in nichtelektronischer Form aufzeichnen [dürfen soll]“ (§16 Absatz 8 Satz 3 ArbG-E). Im gleichen Absatz sind auch die abweichenden Fristen für Unternehmen ab 250 Arbeitnehmern (2 Jahre nach Inkrafttreten) und 50 Arbeitnehmern (5 Jahre nach Inkrafttreten) beschrieben. Ausnahmen gibt es zudem bei Betriebs- und Tarifvereinbarung (~ § 16 Absatz 7). Hier findet eine mögliche Erfassung binnen sieben Tagen Erwähnung, auch eine Abweichung von der elektronischen Aufzeichnung und die Ausnahme für Arbeitnehmer, „deren besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt“ werden kann. Dies ist insoweit relevant, als dass dies Aufhänger weiterer Ausnahmen werden könnte.
Haufe.de merkt dazu im Fazit an: „Eine großzügigere Herausnahme von bestimmten Arbeitnehmern auch ohne Tarifvertrag wäre wünschenswert.“ In der Tat wäre es darüber hinaus wünschenswert, dass das Ministerium die für die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung veranschlagten 450 € je Betrieb noch einmal hinterfragt und vor allem dann auch die laufenden Kosten mit einberechnet. Die im Entwurf unter Erfüllungsaufwand der Wirtschaft angegebenen Beträge, scheinen doch mehr als unrealistisch. Gerade der Medizinsektor ist bei der Einführung elektronischer Verfahren ja ein gebranntes Kind und eine halbwegs belastbare Abschätzung der finanziellen Konsequenzen wäre zumindest ‚fair‘.
Ärztenachrichtendienst v. 21.04.2023
So will die Ampel die Arbeitszeiterfassung durchsetzen
Personalwirtschaft.de v. 20.04.2023
Arbeitszeiterfassung: Details zum BMAS-Gesetzesentwurf bekannt geworden
Bundesrechtsanwaltskammer v. 24.04.2023
BMAS legt Referentenentwurf für geändertes Arbeitszeitgesetz vor
GOÄ-Reform | Neue Versuche, Bewegung in der Dauerbaustelle zu erzwingen
Am 30. März hat die Bundesärztekammer ein 5-Punkte-Papier veröffentlicht, in dem sie eine Umsetzung des von ihr Ende Januar 2023 an das Bundesgesundheitsministerium übergebenen GOÄ-Vorschlages fordert. Wir berichteten zuletzt in der Ausgabe der PRAXIS.KOMPAKT der 9. KW. Seitdem ist – je nach Betrachtungswinkel – viel oder auch wenig passiert. Metaphorisch lässt sich seit geraumer Zeit ein Ringkampf zwischen der BÄK und dem Verband der Privaten Krankenversicherungen, samt der Vertretungen der Beihilfe beobachten, die inzwischen drei Dekaden alte Gebührenordnung zu überholen. Noch Anfang März hatte der PKV-Verband zu den Verhandlungen Stellung bezogen und beschrieben, dass die Testphase mit 1.500 GOÄ-Rechnungen nach der ‚arzteigenen GOÄ‘ zwar abgeschlossen sei, die Auswertung darüber aber noch ausstehe. Die Zusammenarbeit habe aber auch die Divergenz der unterschiedlichen Positionen zwischen Ärzten und Versicherern verdeutlicht, insbesondere, was die Einschätzung der Auswirkungen angeht. Ergänzend hieß es in der Stellungnahme: „Wir werden nur einen Anknüpfungspunkt für die Politik haben, wenn wir uns einig sind“ (~ Quelle). Zur Auswertung der Testphase gab es bis dato im Übrigen noch keine öffentlich präsenten Stellungnahmen.
Im Ringen hat die Bundesärztekammer jetzt einen strategischen Ausfallschritt zurück gemacht und den Ringrichter mit in den Kampf einbezogen, denn ihr aktueller Punkteplan wendet sich an die Politik und wirft in der Überschrift dem BMG „Arbeitsverweigerung“ vor (~ zur Veröffentlichung der BÄK). Hauptargument der Adressatenwahl ist, dass es sich bei der GOÄ um eine staatliche Verordnung handle, die nur der Gesundheitsminister umsetzen könnte. Noch vergangenes Jahr hatte sich ‚Ringrichter‘ Lauterbach bemüht – wohl mindestens bis zum Ende der Legislaturperiode – außen vor zu bleiben und seine Nichteinmischung damit begründet, dass er nichts unternehmen werde, „was das Verhältnis von PKV zur Gesetzlichen Krankenversicherung, also zur GKV, verschiebt. So haben wir es im Koalitionsvertrag beschlossen. Daran halte ich mich.“ ( ~ Quelle)
Vermutlich wird der Gesundheitsminister auch momentan nicht von diesem Standpunkt abweichen, weshalb die BÄK in ihrer Positionsschrift ihre Mitglieder auffordert, den Patienten gegenüber die Verantwortung der Politik „klarzustellen“. Zudem schließt sich die BÄK nun den Fachärzteverbänden an, die schon vorab eine rechtskonforme Ausnutzung der GOÄ Steigerungsfaktoren auf 3,5 empfohlen hatten. Dies wird mit dem notwendigen Kostenausgleich begründet, jedoch ist es selbstredend auch ein ausladender Hebelgriff, um politischen Druck aufzubauen. Die MediGruppe hatte wenige Tage vorher ebenfalls für ein „Maximalhonorar“ plädiert (~ ÄrzteZeitung v. 27.03.2023). Die Wirkung des Hebelgriffes führt also breitflächig über die Selbstzahler zu den Versicherern, der Beihilfe und letzten Endes zur Politik. Ein Kommentar in der ÄrzteZeitung vom 12. April befand jedoch, dass diese neue Eskalationsstufe durchaus auch nach hinten losgehen könne. Wohl auch im Hinblick auf die anstehenden Wahlen riet der stellvertretende Chefredakteur der Zeitung: „Der Deutsche Ärztetag in Essen wird gut beraten sein, dieses Thema mit Umsicht zu behandeln.“ (~ Quelle).
Ärzteblatt v. 30.03.2023
Bundesärztekammer erhöht bei der GOÄ den Druck auf die Politik
ÄrzteZeitung v. 08.03.2023
PKV-Direktor Reuther: „Wir können der arzteigenen GOÄ nicht zustimmen!“
Ärzteblatt v. 20.01.2023
Neue GOÄ mit kalkulierten Preisen an Lauterbach übergeben
Fortschreibung des Hilfsmittelkataloges | Betonung der Pflicht zur Aufklärung und Dokumentation bei Mehrkosten
Wie der GKV Spitzenverband am 11. April mitteilte, wurden in der aktuellen Fortschreibung des Hilsmittelkataloges 2.940 neue Hilfsmittel aufgenommen. Darunter fallen beispielsweise digitale Medikamentenspender, medizinisch adaptive Kompressionssysteme sowie digitale Pflegehilfsmittel. Die unterschiedlichen Produktgruppen wurden überarbeitet und damit auch 338 veraltete Produkte gestrichen. Solch eine Fortschreibung findet im regelmäßigen Turnus, jedoch mindestens alle drei Jahre statt. Dabei wird förmlich ein Bericht des verantwortlichen GKV-Spitzenverbandes an den Ausschuss für Gesundheit des Bundestages übergeben. Der letzte Bericht betrifft den Zeitraum vom März 2022 bis Februar 2023 (~ Bericht als PDF öffnen). Der aktuelle Hilfsmittelkatalog gilt folglich in der jetzigen Fassung bis zur nächsten Fortschreibung. Er umfasst Hilfs- und Pflegehilfsmittel aus 41 Produktgruppen, die insgesamt 41 Tausend Produkte enthalten. Nicht zu verwechseln ist das GKV-Hilfsmittelverzeichnis (~ direkt zu) im Übrigen mit dem Heilmittelkatalog, der vom G-BA verantwortet wird (~ mehr zu).
Praxisrelevant an dem aktuellen Bericht ist die ausdrückliche Betonung der Pflicht von ‚Leistungserbringern‘ die Versicherten umfassend zu beraten, und die Betonung des Umstandes, dass „im Sinne des Sachleistungsprinzips … eine hinreichende Auswahl an mehrkostenfreien Hilfsmitteln, die für den Versorgungsfall geeignet waren, angeboten“ werden (~ Seite 13 des Berichtes). Explizit beschreibt der Bericht, sechs Jahre nach Einführung des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes von 2017, dass: „in der Vergangenheit … zahlreiche Hinweise von Versicherten vorlagen, dass diese zu mehrkostenpflichtigen Versorgungen gedrängt und unzureichend über ihre Ansprüche beraten worden sind.“
Dass der GKV Spitzenverband dies derart betont, lässt vermuten, dass von Seiten der Kassen eine Portion Misstrauen gegeben ist und sie entsprechend von ihrem Recht Gebrauch machen, stichprobenartig die schriftlichen Begründungen – insbesondere bei Mehrkosten – für die Verordnung zu prüfen. Denn seit 2017 gilt bekanntermaßen: “Über anfallende Mehrkosten haben [die Leistungserbringer] ausdrücklich zu informieren und sich diese Beratung schriftlich bestätigen zu lassen. Bei ihrer Abrechnung mit den Krankenkassen haben die Leistungserbringenden auch die Höhe der Mehrkosten anzugeben.” Seit April 2021 ist zudem festgelegt, dass “die Leistungserbringenden bei Mehrkostenversorgungen zu dokumentieren haben, welchen Mehrnutzen oder welche Merkmale das abgegebene Hilfsmittel gegenüber einem geeigneten mehrkostenfreien Hilfsmittel hat”. Ein kurzer ‚Reminder‘ in der nächsten Teamsitzung scheint demnach angebracht, insbesondere in Fachrichtungen, in denen die Heilmittelverordnung eher nicht zum Alltag gehört oder wo sich – eventuell überholte – Routinen eingeschlichen haben. Zwar ist der Arzt oder die Ärztin meist nur mittelbar diejenige, die konkret über das abgegebene Hilfsprodukt entscheidet – vielmehr wird es sich häufig um ein Sanitätshaus, etc. handeln. Allerdings kann der Hinweis der Ärzt:innen an Patienten, dass es Varianten ohne und mit Eigenanteil gibt, eine nützliche Serviceleistung sein.
Medical Tribune v. 18.04.2023
Fast 3.000 neue Hilfsmittel
GKV Spitzenverband v. 11.04.2023
Pressemitteilung: Fast 3.000 neue Hilfsmittel für GKV-Versicherte
MVZ als Politikum II | Krankenkassen und ihre Sicht auf die MVZ-Debatte
Wenn im Beitrag ‘MVZ als Politikum I’ (~ Reiter Nachrichten) die Rede davon ist, dass die Berichterstattung zur politisch aufgeladenen MVZ-Debatte differenzierter wird, ist damit auch gemeint, dass sich in ungewöhnlicher Klarheit neuerdings auch die Krankenkassen einbringen. Dies unterscheidet die gegenwärtige Debatte tatsächlich von allen früheren – denn die Kassen waren dazu bisher immer auffallend stumm. Nun dagegen hört man wie ein relativ gleichförmiges Echo aus mehreren Quellen, das ‘per se Investoren ja kein Problem seien, denn das Engagement von Kapitalgebern könne versorgungsverbessernde Strukturveränderungen unterstützen.’ Wesentlich seien vielmehr flankierende rechtliche Maßnahmen des MVZ-Betriebs, die störende Aspekte wie die befürchtete Leistungpickerei oder die Behinderung der freien Arztwahl durch Trägermonopole konkret verhindern, ohne aber die MVZ-Landschaft mit dem regulatorischen Rasenmäher zu überziehen.
Nach dem AOK Bundesverband, der sich unter der Bedingung begleitender Maßnahmen bereits 2020 für den “barrierefreien, geregelten Marktzutritt für Investoren” ausgesprochen hatte (~ in Kurzform hier: Auf Shoppingtour im Gesundheitswesen; dort Infokasten: ‘Nachbesserungen empfohlen’), hatte sich der Verband der Ersatzkassen (vdek) im Sommer 2022 eindeutig positioniert und “klar für eine Träger:innen-Vielfalt aus[gesprochen]” – eine Veröffentlichung in der Hauspostille erfolgte im Oktober (~ Klarere Regeln für MVZ-Ketten). Darin heißt es u.a.: “Die bisherige Vorgabe, die die Gründereigenschaft auf vertragsärztliche Leistungserbringer:innen und Krankenhäuser beschränkt, hat sich als unwirksam erwiesen. (…) Wenn mit geeigneten regulatorischen Maßnahmen möglichen Fehlentwicklungen entgegengewirkt werden kann, sollten Kapitalgesellschaften mit steuerlichem Sitz in der EU auch direkt ein MVZ aufbauen oder sich an ihm beteiligen können.” Auch hier ist der Tenor also, MVZ sollen mit konkreten, zusätzlichen Maßnahmen reguliert, nicht aber einzelne Akteursgruppen ausgeschlossen werden. Im Gegenteil.
Und nun hat sich der GKV-Spitzenverband geäußert und ein eigenes 8-seitiges Positionspapier herausgegeben (~ zur Pressemeldung | Papier als PDf öffnen). Und wie in den vorbeschriebenen Veröffentlichungen geht es hauptsächlich darum, dass GKV-Kassen im Gegensatz zu Gesundheitsminister Lauterbach den Einstieg von Finanzinvestoren in Arztpraxen nicht verbieten wollen, aber nach strengeren Regeln rufen, bzw. selbige vorschlagen. Die IKK Classic fordert parallel “eine Versachlichung der oft emotional geführten Debatte um MVZ und deren Träger.” Denn „wichtig sind uns Trägervielfalt und gleiche Chancen für alle Anbieter im Wettbewerb.“ Alles in allem sind sich also alle GKV-Kassen weitgehend einig, das Schwarze-Peter-Spiel um nicht-ärztliche MVZ-Träger, wie es der bayrische Gesundheitsminister und seine GMK-Kollegen betreiben, so nicht mitspielen zu wollen. Das kann in der zu erwartenden parlamentarischen Debatte durchaus einen relevanten Unterschied machen.
Natürlich enthalten alle Kassenpapiere immer auch eine Reihe ‘unentspannter’ Gedanken, die einem Praxistauglichkeitstest unserer Meinung nach nicht standhalten. So fordert beispielsweise der GKV-Spitzenverband die Prüfung der Gründungsvoraussetzungen eines MVZ alle fünf Jahre sowie – mit derselben Zeitspanne – die regelmäßige Prüfung aller erworbenen Sitze, daraufhin, ob eine Versorgungsnotwendigkeit weiterhin bestünde. Als Ziel wird angeben, nicht länger benötigte Zulassungen – wie bei Vertragsärzten – auch bei MVZ abbauen zu können. „Für die Prüfung ist ein Mindestzeitraum von fünf Jahren vorzusehen, der Planungssicherheit erlaubt und folglich nicht bei jeder personellen Änderung eine vollständige Überprüfung erforderlich macht.“
Es bleibt aber das Fazit, dass die ‘Kassen-Papiere’ der MVZ-Debatte eine deutlich sachlichere Note geben, als es derzeit viele Beiträge aus den Ärzteverbänden tun. Und es lohnt für alle, die sich strategisch-analytisch mit der MVZ-Diskussion befassen (müssen), einen Blick jeweils in die Originalunterlagen zu werfen. Denn möglicherweise nehmen einige der Kassenvorschläge alternative Lösungen vorweg, die vom Gesetzgeber später im Jahr ergriffen werden. Dies scheint auf jeden Fall wahrscheinlicher, als eine Eins-zu-eins-Umsetzung der GMK-Eckpunkte von Ende März.
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) v. 11.04.2023
Positionspapier des Verbandes: Krankenkassen wollen Finanzinvestoren im Gesundheitswesen an die Leine nehmen
Pressemeldung ikk classic v. 24.03.2023
Trägervielfalt bei hoher Transparenz sichern
Ärzteblatt v. 22.03.2023
Mehr Transparenz, mehr Kontrolle: GKV-Verwaltungsrat für Handlungsrahmen bei MVZ