Entbudgetierung der Pädiater & KJ-Psychiater ab 1. April | Offensichtlich kein Aprilscherz!
Das zuletzt eher undurchsichtige Gerangel um die im Dezember vom BMG spontan versprochene Entbudgetierung der Kinder- und Jugendärzte (~ Bericht der KW 9) hat eine große Hürde inklusive einiger überraschender Wendungen genommen. Nachdem im Gesundheitsausschuss bereits am 15. März in den Koalitionsfraktionen Einigkeit zu einer gefühlt komplett neuen Beschlussvorlage hergestellt wurde, wurde diese direkt einen Tag später (16. März | Debattenbericht) vom Bundestag als Teil des UPD-Gesetzes (~ mehr dazu) in abschließender Lesung beschlossen. Ziel ist, sowohl für die Pädiater als auch – neu – für die KJ-Psychiater echte Honorarmehrwerte durch Entbudgetierungsmechanismen zu schaffen.
Allerdings ist noch nichts endgültig beschlossen. Das Vorhaben mit dem formschönen Titel: „Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland – und zur Änderung weiterer Gesetze“ muss noch einmal den Bundesrat passieren. Dessen nächste Sitzung findet am 31. März statt – für die steht das UPD-Gesetz allerdings – Stand 16.03. – nicht auf der Tagesordnung (~ dafür 51 andere Tops.) Nächste Möglichkeit wäre dann allerdings erst wieder der 12. Mai, da zwischendurch keine Bundesratssitzungen stattfinden. Was das für den avisierten Start im zweiten Quartal bedeuten würde, lässt sich derzeit nicht beantworten.
Was ist geplant? Für die Pädiatrie ist im Entwurf in der neuen Fassung die Formulierung abgeändert und damit das Potential der Entbudgetierung deutlich erweitert worden. Aufgrund des Passus’ „die Vergütung der Leistungen des Versorgungsbereichs der Kinder- und Jugendmedizin, die gegenüber Patienten erbracht werden, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben“ entfällt die bisher geplante Limitierung der Entbudgetierung auf das EBM-Unterkapitel 4.2. (~ Beschlussempfehlung und Bericht des Gesundheitsausschusses v. 15. März). Außerdem werden – neu – zukünftig auch die schwerpunktpädiatrischen Leistungen von Budgetkürzungen und Mengenbegrenzungen verschont bleiben. Das von Ärzteverbandsseite kritisierte Nachverhandeln der Beträge, welche über die MGV hinausgehen, bleibt allerdings unverändert. Zur Erinnerung, die KBV hatte diese Vorgehensweise als „Super-GAU in Paragraphenform“ bezeichnet.
Neu in der jetzt beschlossenen Fassung ist zudem, dass für die Kinder- und Jugendpsychiatrie eine formechte Entbudgetierung vorgesehen ist. Geplant ist – vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrates – § 87a Absatz 3 SGB V, in dem die Leistungen und Zuschläge aufgeführt sind, welche außerhalb der vereinbarten Gesamtvergütung von den Kassen zu zahlen sind, ebenfalls mit Wirkung zum 1. April, um einen achten, wie folgt formulierten Punkt zu ergänzen: „Kinder und jugendpsychiatrische Grundversorgung, Gespräche, Beratungen, Erörterungen, Abklärungen, Anleitung von Bezugs- oder Kontaktpersonen, Betreuung sowie kontinuierliche Mitbetreuung in häuslicher Umgebung oder in beschützenden Einrichtungen oder Heimen.“
Das gesamte Entbudgetierungsprojekt läuft allerdings ‚Huckepack‘ zur recht strittigen Reform der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) sowie zu einigen anderen Nebenbestimmungen, weshalb es durchaus noch zu Verzögerungen oder gar Änderungen kommen kann. Sowohl die UPD-Reform als auch die Kinderarzt-Entbudgetierung bürdet den Kassen relevante Mehrausgaben auf, deren Begeisterung hält sich daher in Grenzen (~ GKV-Spitzenverband will Budgets in der Pädiatrie beibehalten). Insgesamt kann man aber – Stand Mitte März – von einer relativ sicheren Zustimmung der Länder ausgehen.
KBV-Mitteilung v. 16.03.2023
“Der Anfang ist gemacht” – Bundestag beschließt feste Preise für pädiatrische Untersuchungen und Behandlungen
ÄrzteZeitung v. 13.03.2023
Entbudgetierung der Pädiatrie: Koalition bessert nach
Ärzteblatt v. 17.02.2023
Erste Hochrechnung zur Entbudgetierung von Haus- und Kinderärzten
Was sich ab dem 31. März/07. April ändert: Corona-Regel-Check für den Praxisalltag
Zu Ostern, also in gut drei Wochen, laufen die verbliebenden Corona-Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) aus. Grund genug zu eruieren, welche Einschränkungen, aber auch welche – teils vermeintlichen – Vorteile damit wegfallen. Betroffen sind verschiedene organisatorische Aspekte des Praxisalltags, bzw. der konkreten ärztlichen Behandlungs- bzw. Verschreibungsoptionen. Nachfolgend eine kurze (nicht-vollständige) Übersicht zu fünf relevanten Bereichen:
Corona-Sonderregeln, die enden: Krankenhäuser dürfen ab 8. April im Rahmen des Entlassmanagements wieder nur Medikamente für 7 Tage mitgeben. Die bisherige Verlängerung auf den Bedarf für bis zu 14 Tage entfällt. Dasselbe gilt für die Verordnung von Hilfs- und Heilmitteln oder Soziotherapie und SAPV durch Klinikärzte. | Für die Kinder-Früherkennungsuntersuchungen U6 bis U9 gilt nur noch bis zum 31. März, dass die vorgegebenen Untersuchungszeiträume und Toleranzzeiten ausgesetzt werden dürfen. Alle verschobenen Früherkennungsuntersuchungen müssen bis zum 30. Juni 2023 nachgeholt werden. | Ab dem 8. April dürfen BtM-Rezepte nicht mehr – wie jetzt noch ausnahmsweise – außerhalb von Vertretungsfällen übertragen und von anderen Ärzten verwendet werden.
Maskenpflicht: Zum Stichtag 7. April entfällt die Maskenpflicht für die Besucher von Arztpraxen und medizinischen Einrichtungen generell. Dies ist eine Bundesregelung; die Aufhebung gilt daher unmittelbar auch für alle Länder. Wir hatten bereits mehrmals auf das Hausrecht hingewiesen (zuletzt in der ~ Ausgabe der KW 7). Es ist allerdings nach aktuellem Stand nicht eindeutig, ob sich eine Maskenpflicht für Patienten auch nach dem 7. April über das Hausrecht begründen ließe. Zum 1. März hatte die Bundesregierung den Wegfall der Maskenpflicht für Praxispersonal zum Anlass genommen Folgendes klarzustellen: „Das Hausrecht der betroffenen medizinischen und pflegerischen Einrichtungen bleibt von dem Beschluss der Bundesregierung unberührt. Die Einrichtungen können nach den Begebenheiten vor Ort entscheiden, welche Schutzmaßnahmen insbesondere für die vulnerablen Gruppen notwendig sind.“ (~ Quelle) Ob Ostern ein ähnlicher Passus für die Rechtssicherheit veröffentlicht wird, oder die angeführte gar als universelle Stellungnahme zu verstehen ist, wird sich zeigen.
Arbeitsrecht: Für Personalverantwortliche ist zu beachten, dass die Coronabedingte Kinderkrankengeld-Regelung am 7. April ausläuft. Sprich, der Anspruch auf Kinderkrankengeld auch dann, wenn ein gesundes Kind aus pandemiebedingten Gründen zu Hause betreut werden muss, fällt ersatzlos weg. Allerdings gilt – wie bereits im Oktober 2022 beschlossen – die Erweiterung der Kinderkrankentage (30 statt 10) fort. Wörtlich heißt es beim BMG, dass: „gesetzlich krankenversicherte Eltern im Jahr … 2023 je gesetzlich krankenversichertem Kind für 30 Arbeitstage (Alleinerziehende für 60 Arbeitstage) Kinderkrankengeld beantragen“ können. Dies gilt für das gesamte Jahr, wird aber 2024 nicht fortgeführt. (~ TK: Anspruch 2023: Erweitertes Kinderkrankengeld wird verlängert | IKK Ckassic: Kinderkrankengeld: Erweiterter Anspruch auch 2023 gültig).
Medikamente: In den vergangenen Tagen hatte es von Seiten der Apotheken einen massiven Appell an die Regierung gegeben, die Abgabe- & Austauscherleichterung für Medikamente weiterlaufen zu lassen (~ Ab 8. April ist Schluss – Abgabeerleichterungen: Wirklich keine Verlängerung möglich?) Ursprünglich zur Kontaktminimierung eingeführt, können Apotheken bisher mit dem aut-simile-Austausch von der ärztlichen Verordnung abweichen, wenn ein bestimmtes Mittel nicht vorrätig sein sollte. Dieses Vorgehen wollten die Apotheken, mit Berufung auf die Medikamentenknappheit beibehalten. Der Apell fand nun kurzfristig Gehör, weshalb die Regelung mit dem UPD-Gesetz bis zum 31. Juli 2023 verlängert wird (~ Apotheke Adhoc v. 14.03.2023: Ampel verlängert Abgaberegeln) Die KBV reagierte mit gehobenem Zeigefinger und mahnte vor einem erhöhten Risiko für Patienten (~ KBV: Ausnahme muss Ausnahme bleiben ).
Telefon-AU: Die Corona-Erleichterung, wonach Patienten mit Atemwegserkrankungen nach rein telefonischer Anamnese krankgeschrieben werden können, läuft bereits zum 31. März aus. Rufe, vor allem der Hausärzte, nach einer Übernahme in die Regelversorgung blieben ungehört. Normsetzer ist hier der G-BA. Jedoch wurde jetzt mit Veröffentlichung der angepassten AU-Richtlinie die Möglichkeit einer telefonischen AU ab dem 1. April in besonderen Sonderfällen geschaffen (~ Volltext der Änderung). Konkret gilt diese Option für Arbeitnehmer, welche von Amts wegen die Pflicht haben oder für die eine Empfehlung zur „öffentlich-rechtlichen Absonderung“ besteht. D.h. es handelt sich bei dieser Neuregelung um eine dauerhafte Überführung des Pandemie-Notfalles in ‘Normalzeiten’. Damit sollen Personen unterstützt werden, die bei einer Absonderung nicht ihre Wohnung verlassen dürfen und deren Arztpraxis keine Hausbesuche und keine Videosprechstunde anbietet. Vom Arztverbandswesen wurde hierzu die Kritik geäußert, dass Zeitpunkt der Erkrankung inkl. Notwendigkeit der AU-Ausstellung und behördliche Anordnung einer Absonderungspflicht meist auseinanderfallen – dass mithin die neuen Sonderregelung real nur wenig praxistauglich sei.
Hausarzt.Digital v. 15.03.2023
Absonderung wegen Covid? AU auch telefonisch weiter möglich
Apotheke Adhoc v. 15.03.2023
Verlängerung für Abgabeerleichterungen: Austauschregeln: Ausschuss gibt grünes Licht
Bundesministerium f. Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Fragen und Antworten zu Kinderkrankentagen und zum Kinderkrankengeld
eAU | Unternehmerverbände und Gesundheitswesen beklagen Umsetzungsprobleme
& Hat der Patient Anspruch auf die Arztunterschrift auf dem Stylesheet?
Wir hatten es in unserer Arbeitshilfe zur eAU vom Dezember 2022 (~ direkt zu) erahnt: Das wahre Problem mit der eAU-Ausbaustufe 2 wird sich erst nach und nach zeigen. Während die KMA (Klinik Management aktuell) mit Bezug auf Aussagen der KV Rheinland-Pfalz berichtet, dass es vor allem in Arztpraxen zu Zeitverzögerungen käme, klagt im Onlineportal des Focus der Verband der Familienunternehmer über „ein Chaos der Zuständigkeiten und bürokratischen Mehraufwand durch Doppelstrukturen. Das neue System funktioniere in der Praxis noch nicht. Die Daten seien für Arbeitgeber immer wieder nicht zeitnah abrufbar, manchmal kämen sie überhaupt nicht an.”
Man liegt sicher nicht falsch, wenn man konstantiert, das viele der arbeitgeberseitigen Probleme auf Unkenntnis der neuen Rahmenbedingungen beruhen. Zwar hat der BDI und andere Arbeitgeberorganisationen umfassend informiert, jedoch vielfach die mittelständischen Betriebe einfach nicht erreicht. Der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) hat wenig überraschend Mitte Februar das passende Ergebnis einer Umfrage unter seinen Mitgliedern präsentiert: “Die Ergebnisse zeigen, dass die Einführung der eAU keineswegs reibungslos verlief: 78 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass die Einführung problematisch war. Es zeigt sich auch, was sich die Unternehmen wünschen: 87 Prozent fordern eine automatische Zusendung der Bescheinigung durch die Krankenkassen. Knapp 30 Prozent möchten die Papierform als Standard beibehalten.” (~ Quelle)
Die 87 % Forderung nach automatisierter Übersendung erklären auch das eigentliche Problem, dass nämlich die AU-Bescheinigungen von den Firmen aktiv abgerufen werden müssen. Währenddessen wundert sich der GKV-Spitzenverband im Focus-Bericht, “warum Unternehmen so lange [wie zuvor vom Familienunternehmerverband beklagt] auf die Informationen warten müssen. Die Krankenversicherungen würden alles sofort an die entsprechenden Server weiterleiten.” Der Ärger ist also hausgemacht und liegt in gegenläufigen Erwartungshaltungen an das, was die (mittelständischen) Arbeitgeber theoretisch tun müssten und was in der Realität stattfindet. Oft sind es aber gerade die Ärzte, bzw. die Tresenmitarbeiter in den MVZ und Praxen, die den Ärger über diesen Missstand durch zusätzliche Informationsarbeit ausbaden müssen. Hier hat zumindest die KBV im Februar endlich reagiert und das zur praxisindividuellen Vervielfältigung geeignete Aufklärungsmaterial aktualisiert und angepasst: Patienteninformation: So funktioniert die eAU (PDF).
Noch weiter ist Anfang März die KV Schleswig-Holstein gegangen. Offenbar getriggert durch entsprechende Anfragen der KV-Mitglieder wurde eine kurze Handreichung für die Praxen erstellt, wann dem Patienten welcher Ausdruck zusteht und ob dieser sogar vom Arzt unterschrieben werden muss: “Generell gilt, dass jeder Patient auf Wunsch ohne Begründung einen Anspruch auf einen unterschriebenen Ausdruck der „Ausfertigung zur Vorlage beim Arbeitgeber“ hat. Sofern daher derzeit einzelne Arbeitgeber noch einen Ausdruck von ihren Mitarbeitern verlangen, muss auf Wunsch des Patienten ein unterschriebener Ausdruck der „Ausfertigung zur Vorlage beim Arbeitgeber“ ausgestellt werden, erklärt zumindest die Nord-KV aus Bad Segeberg.
Focus.de v. 16.03.2023
Statt für Effizienz sorgt der neue „gelbe Schein“ vor allem für Chaos
KV Schleswig-Holstein v. 06.03.2023
eAU: Was Sie aktuell wissen müssen (PDF)
KMA v. 20.02.2023
Start der eAU bringt Probleme und zusätzlichen Aufwand
eRezept | Nutzung soll in neun Monaten Pflicht werden
“Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung und die Nutzung stark vereinfacht werden (E-Rezept kann dann sowohl mit Gesundheitskarte wie mit ePA-App eingelöst werden).” – so heißt es konkret in der Presseerklärung des BMG vom 9. März (~ direkt zu). Technisch sollen die Vorschriften dazu mit dem geplanten Digitalgesetz des BMG definiert werden. Bekanntermaßen ist größtes Umsetzungshindernis des ansonsten durchaus funktionierenden eRezeptes der papierlose Übermittlungsweg. Der Transport über die eGK, wie von der Testregion KVWL gewollt, sowie der Weg des QR-Code-Versands via Mail oder SMS, wie von der Testregion KVSH ursprünglich vorgesehen, fiel in beiden Fällen im Herbst 2022 datenschutzrechtlichen Bedenken zum Opfer.
Neuigkeiten gab es diesbezüglich bereits Anfang Januar 2023, als durch eine Antwort des BMG auf eine entsprechende Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion noch einmal klargestellt wurde, dass die gematik an einem Weg arbeite, wie das elektronische Rezept per Gesundheitskarte ebenso praktikabel wie datenschutzkonform transportiert werden kann (~ Ausgabe der KW 5). Für diesen, durch eine zusätzliche Sicherheitsfunktion verstärkten Einlöseweg sind aber unter anderem Anpassungen an den Konnektoren der Apotheken nötig. ‘Zur Entwicklung der dafür notwendigen technischen Lösung stehe man im engen Austausch mit den Gesellschaftern, dem BfDI und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik,’ schreibt die gematik (~ Quelle), verbunden mit der Ansage, dass frühestens im Sommer 2023 mit der real funktionierenden Umsetzung gerechnet werden könne.
Die Ankündigung des BMG, die eRezept-Nutzug ab Anfang des nächsten Jahres verpflichtend zu machen, dockt nun daran an. Allen Beteiligten ist aber klar, dass der ‘dritte’ Weg, sprich das digitale Rezept lokal via eGK von der Praxis in die Apotheke bringen zu können, unabdingbare Voraussetzung für die Akzeptanz durch breite Patientenkreise ist. Lauterbach selbst erklärte dazu in einem Interview von vergangener Woche: „Auch hier gilt: Es muss so einfach wie möglich sein. … Denn das Entscheidende ist: Wir machen hier nicht nur Lösungen für Digital Natives, sondern wir konzipieren die Anwendungen so, dass sie der medizinischen Versorgung jedes Patienten dienen.“ (~ Quelle) Wie sehr das eRezept als Konzept tatsächlich bereits in der allgemeinen Öffentlichkeit angekommen ist, beweist dessen auffällige Thematisierung in den diversen Publikumsmedien – jüngst u.a. in der Apothekenumschau (~ E-Rezept im Test: Wie gut funktioniert das mit der digitalen Verordnung?), der Chip (~ E-Rezept wird zur Pflicht: Wie Sie dran kommen und wie es funktioniert oder der Verbraucherzentrale (~ Elektronische Rezepte: wichtige Fragen und Antworten zu E-Rezepten). Zeitgleich prüft die Compugroup derzeit eigene Handlungsoptionen mittels des CGM-Produktes ‘Click-Doc’, das bisher schon bei Online-Terminbuchungen und Videosprechstunden zum Einsatz kommt.
Wer strategisch abschätzen will, ob die Verpflichtung der eRezept-Ausstellung wirklich 2024 kommt, sollte ein Auge darauf haben, ob seitens gematik und Datenschützer bis Sommer wirklich Einvernehmen dazu hergestellt werden kann, wie das Rezept vom Patienten ohne App oder Tokenausdruck zur Apotheke gebracht werden kann. Gelingt das, ist es wahrscheinlich, dass der Schalter hier wirklich am 1.1.2024 umgelegt wird. Bis dahin gilt allerdings, dass MVZ und Praxen uneingeschränkt auch das bisherige Muster 16 (Rosa-Rezept) ausgeben dürfen.
Dt. Apothekerzeitung v. 09.03.203
Digitalisierungsstrategie: Apotheken stehen schon seit September 2022 bereit
Heise.de v. 02.03.2023
E-Rezept-Code: Software-Hersteller prüft Weiterleitung über eigene Plattform
Apotheke Adhoc v. 05.03.2023
Lauterbach: E-Rezept wird 2024 Pflicht
Gesetzgebung Ambulante Strukturen | Was tut sich aktuell in der Berliner Gesundheitspolitik?
Größtes Kennzeichen der Gesundheitspolitik unter Führung von Karl Lauterbach scheint die Gleichzeitigkeit von Langsamkeit und Verzögerung auf der einen Seite und Holter-die-Polter-Überraschungen auf der anderen Seite zu sein. So lassen schon länger angekündigte Gesetzgebungsvorhaben nach wie vor auf sich warten, während das UPD-Gesetz mal eben innerhalb weniger Wochen zu einem Omnibus aufgeblasen wurde, mit dem nach der Ankündigung vor kaum drei Monaten, die Pädiater und KJ-Psychiater tatsächlich entbudgetiert werden – mit dem aber auch das Blutspendeverbot für homosexuelle und Transmänner aufgehoben, die Verordnung von Krankenfahrten im Rahmen der tagesstationären Behandlungen ermöglicht und die Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung bis zum 31. Juli 2023 verlängert wird. Schnell könnte es möglicherweise auch demnächst bei der Digitalisierung gehen (~ Reiter Was sonst noch relevant ist). Auf der anderen, ‘langsamen’ Seite befindet sich dagegen das im Koalitionsvertrag angekündigte Vorhaben, die Hausarztmedizin von Budgetgrenzen zu befreien sowie die beiden Versorgungsgesetze I + II, die ihre angekündigten Zeitpläne beide bereits gerissen haben. Hier jeweils eine kurze Einschätzung:
Versorgungsgesetz I: Mit diesem sollen zahlreiche ambulante Strukturprojekte umgesetzt werden, die sich bereits im Koalitionsvertrag wiederfinden, als da z.B. wären die Community Nurse, die Gesundheitsregionen und Gesundheitskioske aber auch die Erleichterung für die Gründung von MVZ durch Kommunen. Wie man hört, befinden sich die Inhalte dieses Gesetzes aktuell in der Ressortabstimmung. Das wiederum ist ein untrügliches Zeichen, dass die Veröffentlichung eines validen Gesetzentwurfes kurz bevorsteht. MVZ-bezogen ist anzunehmen, dass die Bürgschaftsverpflichtung für echt-kommunale MVZ entfallen soll. Regelungen für alle anderen MVZ-Träger werden dagegen vermutlich nicht Teil dieses Gesetzes sein. Mit Spannung wird von allen Beteiligten inkl. der KVen allerdings auf die Umsetzung des Satzes im Koalitionsvertrag gewartet, wonach “Entscheidungen des Zulassungsausschusses … künftig durch die zuständige Landesbehörde bestätigt werden [müssen].” Auch hierzu sind Regelungen im sogenannten Versorgungsgesetz I vorgesehen.
Versorgungsgesetz II: Schon die Wahl des Arbeitstitels deutet einen gewissen Zusammenhang zum vorgenannten Projekt an. Merkmal der Ankündigungen ist hier allerdings, das auch eine Reihe von Projekten vorgesehen sind, zu denen es keine Vereinbarung im Koalitionsvertrag gibt. Darunter befinden sich mit ‘Anpassungen der Fristen für die Übermittlung von Abrechnungsdaten (KVen)’ und ‘Einhaltung der vertragsärztlichen Versorgungsaufträge’ Stichworte, die darauf hindeuten, dass weitere Kontrollmechanismen etabliert werden sollen. Bekanntermaßen ist in der bisherigen Ankündigung auch die Rede davon, “Regelungen zu Gründung, Zulassung, Betrieb und Transparenz von MVZ insbesondere auch mit Blick auf investorenbetriebene MVZ weiterzuentwickeln.” Was konkret damit gemeint sein könnte, ist derzeit Gegenstand intensiver Beratung. Mit einem ersten Referentenentwurf wird hier momentan eher nicht vor dem Sommer gerechnet.
Entbudgetierung der Hausärzte: Dieses Vorhaben ist Teil der Koalitionsvereinbarung und so ergeben sich berechtigte Fragen, weshalb das BMG es schafft, bei den Pädiatern innerhalb weniger Wochen Fakten zu schaffen, während über die Hausarztentbudgetierung nicht einmal wirklich diskutiert wird. Um das zu verstehen, lohnt ein Blick gut vier Monate zurück – bevor also die Winter-Belastungssituation der Kinderärzte so medienwirksam virulent wurde. Damals hieß es, dass seitens des BMG trotz Koalitionsvertrag dem gesamten Projekt bereits eine Absage erteilt wurde, weil man bei einer Recherche festgestellt habe, dass in mehr als zwei Dritteln der KVen die Entbudgetierung der Allgemeinmedizin den Hausärzten keinerlei Mehrwert brächte, weil die Auszahlungsquote dort bereits bei 100 % oder sogar drüber läge. Oder, um es mit den Worten der Gesundheitsstaatssekretärin Dittmar auszudrücken: “Die hausärztliche Entbudgetierung steht im Koalitionsvertrag drin, das stimmt. Mir sagen aber wirklich ganz, ganz viele der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, dass das Budget für sie eigentlich kein Thema mehr ist. Wenn wir die Entbudgetierung jetzt umsetzen würden, hätte es für die Hausärzte keine gravierenden Auswirkungen.” (~ Quelle). Dementgegen verweist etwa der Hausärzteverband auf die städtischen KVen Berlin und Hamburg, wo Hausärzte starker Budgetierung unterlägen und die somit von einer entsprechenden Gesetzgebungsinitiative sehr wohl profitieren würden.
Dt. Hausärzteverband v. 16.03.2023
Hausärzteverband fordert zügige Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen
Ärzteblatt v. 11.01.2023
Arbeitsplanung: Was die SPD auf dem Zettel hat
Deutsche Apothekerzeitung v. 10.01.2023
Umsetzung des Koalitionsvertrages: BMG plant Versorgungsgesetze ohne Apotheken
Digitalstrategie des BMG | Lauterbach strebt wesentliche konkrete Fortschritte bis 2025 an
Angekündigt eigentlich erst für April 2023 wurde vom Bundesgesundheitsministerium am 9. März vorfristig die Digitalisierungsstrategie für die nächsten Jahre vorgestellt. Basis war ein öffentlicher Beteiligungsprozess, der im Herbst 2022 gestartet worden war. Ergebnis ist eine 44-seitige Broschüre, die durchaus ambitioniert darstellt, was das BMG im Bereich digitalisierte Gesundheit und Pflege erreichen und umsetzen möchte. Kritiker, wie die KVen, monierten sofort, dass viele Fragen der konkreten Ausgestaltung der zahlreichen Digitalisierungsvorhaben offenbleiben (~ Lob und Kritik für Lauterbachs Digitalstrategie | Digitalisierungspläne des BMG: KV RLP sieht viele Fragen ungeklärt). Und tatsächlich handelt es sich um ein übergeordnetes Papier, das zunächst einmal eine allgemeine Vision entwickelt sowie ein Zielbild aufzeigt, wo die Reise überhaupt hingehen soll.
Klar wird dabei, dass Lauterbach plant, in den zentralen Punkten der patientenorientierten Anwendungen wie ePA, eRezept und Telemedizin noch in der laufenden Legislatur ‘zu Potte zu kommen’. Das erklärt die engen Fristsetzungen für eRezept (Januar 2024) und Patientenakte (Januar 2025). Gleichzeitig müssen alle, die genau dazu konkrete Antworten suchen, wie bekannte Umsetzungshürden angegangen werden sollen, auf die parallel angekündigten Gesetzesentwürfe warten. Die Rede ist von einem Digitalgesetz sowie einem Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Beide sollen zeitnah, “in den nächsten Wochen” vorgelegt werden. Eine defätistische Haltung könne man sich nicht leisten – “Wir machen große gute Gesetze” sagte Lauterbach bei der Vorstellung wörtlich (~ Quelle).
In der Berichterstattung wurde zu dem Papier bisher meist einengend über die ePA oder das eRezept berichtet. Tatsächlich wird aber wirklich eine umfassende Vision vorgestellt und jeweils kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen abgeleitet, bzw. angekündigt. Zum Beispiel soll kurzfristig die 30%-Grenze für Leistungen, die von Vertragsärzt:innen via Videosprechstunde erbracht werden, entfallen und mittelfristig vor allem auf dem Land Möglichkeiten zur ‘assistierten Telemedizinnutzung’ geschaffen werden, um gerade auch Patientengruppen, die nicht so technikaffin sind, den Zugang zu schwer erreichbaren Experten zu ermöglichen. Als ‘Assistenten’ werden Gesundheitskioske und Apotheken benannt. Auch soll das Innovationsfondskonstrukt verstetigt werden, um weiterhin kreative Lösungsansätze auf Nutzbarkeit für die Regelversorgung testen zu können. Ebenfalls kurzfristig wird zudem die Konzentration auf die Evolution der DMPs zu d(igitalisierten)DMPs fokussiert. Dabei geht es um digital unterstützte, integrierte Versorgungspfade. Die Wortwahl dDMP ist jedoch vermutlich etwas bürokratisch und unglücklich gewählt – der Autor von eHealth.com jedenfalls hat sofort eDMPs daraus gemacht. Inhaltlich sollen für diese modernisierten DMPs priorisiert MIOs – also Anwendungen mit unmittelbarem Patientennutzen wie Medikationsplan, Impfpass, etc. – entwickelt, bzw. weiterentwickelt werden. Begleitend sollen mittelfristig sämtliche Leistungserbringer zur Anbindung an die TI verpflichtet werden.
Allen, die für ihr Unternehmen strategische Entscheidungen mit Blick auf die Digitalisierung treffen müssen, sei die Lektüre der Original-BMG-Veröffentlichung empfohlen. Sieht man über das übliche und wohl notwendige Politik-Blabla hinweg, bekommt man schnell und konkret einen Überblick, welche Handlungsfelder sich das BMG vorgenommen hat und, wo mit Auswirkungen auf den eigenen Bereich gerechnet werden muss. Die bisherige Berichterstattung, die auch Grundlage für die Kurzdarstellung ist, die Sie gerade lesen, wird der Komplexität und Vielschichtigkeit der vorgestellten Pläne – jedenfalls bis dato – nicht gerecht. Erwähnenswerte Ausnahme ist die Darstellung im gedruckten Ärzteblatt v. 17. März (~ PDF öffnen).
eHealth.com v. 15.03.2023
Habemus E-Health-Strategie
FAZ v. 09.03.2023 / Vollveröffentlichung durch das BMG
Lauterbach im Interview mit der FAZ:
“Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern wichtiger Bestandteil moderner Medizin”
BMG zur Digitalisierungsstrategie v. 09.03.2023
allgemeine Informationen | Pressemitteilung | Gemeinsam digital – Download als PDF (Broschüre – 44 Seiten)
Kommunale MVZ-Projekte in Großstädten | Ambivalente Haltung der KVen
Das kommunale MVZ wird in aller Regel mit dem ländlichen Raum assoziiert. Aber eigentlich ist es ein generelles Instrument, um Ärztefehlverteilung und Versorgungslücken auszugleichen … und die gibt es durchaus auch in deutschen Großstädten. So kennen alle drei Stadtstaaten-KVen das Nebeneinander von Unter- und Überversorgung in wohlhabenderen und sozial schwächeren Stadtbezirken. Da verwundert es nicht, dass es in Bremen gerade eine linke Gesundheitssenatorin ist, die das innerstädtische MVZ-Projekt derzeit massiv vorantreibt. Die KVHB hält sich bedeckt und hat gerade den Aufruf der Senatorin, um anstellungswillige Ärzt:innen zu finden, veröffentlicht (~ direkt zu). Allerdings lässt sich der innere Widerstand erahnen, wenn man das ausführliche änd-Interview der Bremer KV-Vorstände zum Thema liest: “Einfach einen Arzt aus einer Praxis in Bremen mit Steuergeld rauskaufen und dann in einen anderen Stadtteil ins MVZ umsetzen, verbessert in der Versorgung nichts und gibt auch keine Perspektive auf eine spätere Praxisübernahme! Das wäre dann schlecht angelegtes Steuergeld.”
Noch schärfere Reaktionen hatte es vor anderthalb Jahren schon in Hamburg gegeben, als der dortige rot-grüne Senat Haus- und Kinderärzte über Stadtteilgesundheitszentren anwerben und anstellen wollte (~ KVHH lehnt Gesundheitszentren des Senats ab). Bis heute ist dieser politischen Ankündigung auch keine konkrete Umsetzung gefolgt – die Hamburger Senatorin musste zugeben, dass sich kaum Ärzte für die Besetzung finden lassen. Das lernt aktuell auch deren Bremer Amtskollegin. Bei einer Veranstaltung zeigte sie sich “frustriert davon, wie wenig Handhabe sie als Senatorin bei Versorgungsengpässen oder der Verteilung von Arztsitzen innerhalb der Stadt habe. „Die Wahrheit ist, dass man staatlicherseits da nicht rankommt“, sagte sie. Die Selbstverwaltung sei zu sehr ein „closed shop“. (~ Quelle)
Umso interessanter ist es, dass die Stadt Berlin einen komplett anderen Ansatz gewählt hat. Nachdem es auch hier bereits vor mehreren Jahren von einzelnen Bezirken angeregte, letztlich aber folgenlose Initiativen zur kommunalen MVZ-Gründung gegeben hat (Sommer 2017: Streit um Ärzte in Berlin: Lichtenberg und Neukölln wollen eigene Arztpraxen), hat die KV selbst im letzten Jahr begonnen, in den unterversorgten Stadtteilen, KV-Praxen zu implementieren: www.kvpraxis-berlin.de. Vor Kurzem wurde der zweite Standort im Berliner Osten eröffnet, weitere sollen folgen. Fraglich ist natürlich, inwieweit hierbei die Bremer Befürchtung zum Tragen kommt, dass nämlich Ärzte ‘nur’ umverteilt werden. Augenscheinlich gibt es aber zumindest zwischen Senat und hauptstädtischer KV derzeit keine Missstimmung.
änd – Ärzenachrichtendienst v. 12.03.2023
Bremer KV-Vorstand: „Ein kommunales MVZ darf kein Taschenspielertrick werden“
Pressemitteilung KV Berlin v. 31.01.2023
KV Berlin eröffnet am 1. Februar zweite Eigeneinrichtung
Ärztezeitung v. 12.10.2021
Hamburg setzt auf Stadtteil-Gesundheitszentren – sehr zum Missfallen der KV
KBV-Vertreterversammlung & -Vorstand neu konstituiert | Stehen die Zeichen auf Veränderung?
Am 3. März hat in Berlin die neue KBV-Vertreterversammlung als höchstes Bundesgremium der Vertragsärzteschaft erstmals getagt. Dabei wurde auch das Vorstandstrio für die nächsten sechs Jahre bestimmt. Die Besetzung von Vertreterversammlung und Vorstand ist dabei eine logische Folge die 17 regionalen KV-Wahlen, die in 2022 stattgefunden haben. Denn das KBV-Parlament wird nicht eigenständig gewählt, sondern alle Regionen senden – gestaffelt nach KV-Größe – mindestens zwei Vertreter. In weiten Teilen ist daher die KBV-VV vor allem auch eine Versammlung regionaler KV-Vorstände & -Funktionäre (plus sechs psychotherapeutische Vertreter). Insgesamt 60 Personen, die wiederum die drei KBV-Vorstände wählen, die nicht Mitglied der Vertreterversammlung sind. Mit Andreas Gassen (Orthopäde) und Stephan Hofmeister (Allgemeinarzt) sind zwei der bisherigen Vorstände wieder angetreten und auch gewählt worden. In vorheriger Absprache – d.h. ohne dass es Gegenkandidaten gab – wurde zudem mit Dr. Sybille Steiner die dritte Position mit einer Ärztin besetzt, die bereits seit 2013 hauptberuflich für die KBV-Verwaltung tätig ist.
Soviel zu den Fakten. Doch was bedeutet diese Wahl für das künftige Auftreten der KBV? Was den Vorstand betrifft, darf mit einer weitgehenden Kontinuität gerechnet werden. Frau Steiner ist – wie Gassen und Hofmeister bereits im November 2022 erklärten (~ änd-Interview v. 20.11.2022) – ihre Wunschkandidatin für die Nachbesetzung des scheidenden Thomas Kriedel. Und dies, so wird seitdem intensiv betont, ganz unabhängig von der per Gesetz gerade erst im Oktober 2022 eingeführten ‘Frauenquote für KV-Vorstände’. Diese wurde tatsächlich relativ überraschend zu einem Zeitpunkt eingeführt, als mehrere KVen ihre Wahlen schon abgeschlossen hatten und so war der Aufstand über diese neue Vorschrift teilweise recht groß (~ Bericht der KW 45-2022 zum KHPfleG). Heute lässt sich feststellen, dass tatsächlich acht der 17 KVen weiterhin rein männliche Vorstände haben (Hessen, Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein, Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt, Westfalen-Lippe). In der KBV-Vertreterversammlung liegt das Verhältnis bei 47 zu 13 – der Frauenanteil liegt also bei 21,6 %. Von den 42 regionalen KV-Vorständen sind 8 Frauen, mithin 19 %. Da wirkt es zumindest befremdlich, wenn Gassen im November 2022 ohne rot zu werden erklärt, dass er die Paritätsregelung des Gesetzgebers für überflüssig halte, da ‘das KV-System ja auch nicht der Bereich sei, in dem es besonders wenig Frauen gäbe. “Wir haben ja ohnehin in einer hohen Zahl der KV-Vorstände Frauen.”
Aber zugegeben, die Frauenquote ist sicherlich nicht das drängendste Problem der KV-Welt. Mehr Kummer sollte den Verfechtern der Selbstverwaltung als Privileg ohnehin die teilweise sehr geringe Wahlbeteiligung bereiten (Hamburg ~ 47% | NO ~ 45 % | Sachsen ~ 42 % | BW ~ 34,5 %) – die meisten Kven liegen zwischen 50 und 60 Prozent. Eine Selbstverwaltung, die ihren Mitgliedern nicht vermitteln kann, worin ihr Mehrwert liegt, und dass das Eigenengagement der Ärzte d-e-r zentrale Aktivposten ist, hat ein nachhaltiges Problem. Das immerhin scheint der KBV-Vorstand erkannt zu haben, um noch einmal Andreas Gassen aus dem oben verlinkten November-Interview zu zitieren: “Wir müssen noch mehr den Wert der Selbstverwaltung für das Individuum in der Selbstverwaltung herausstellen. Das geht zunehmend verloren … Die KV kann ja nichts dafür, was sich eine Bundesregierung in der Gesundheitspolitik ausdenkt. … Das macht es nicht gerade leicht, Leute zur Wahl zu motivieren. Aber umso wichtiger wäre es, dass die Kolleginnen und Kollegen zur Wahl gehen – allein um zu dokumentieren: Die Selbstverwaltung sind wir ja alle.” Diese Demonstration hat offensichtlich nur so semi geklappt.
Bleibt abzuwarten, wie die neue Vertreterversammlung agiert. Deren Spitze ist jedenfalls mit dem Duo Reis-Berkowitz (Bayern) und Dr. Englisch (WL) ebenfalls mehrheitlich konstant zur Vorlegislatur besetzt. Interessant ist jedoch, dass im Führungstrio der Vertreterversammlung mit der Münchner Psychotherapeutin Dr. Anke Pielsticker eine zweite bayrische Vertreterin als Ersatz für den bisherigen Amtsinhaber aus Nordrhein gewählt wurde. Zusammen mit dem Wissen, dass die bayrische KV wegen ihrer Größe als einzige sechs Vertreter nach Berlin senden darf, scheint die vorsichtige Frage erlaubt, ob sich hier eventuell ein regionales Übergewicht anbahnt.
Ärzteblatt v. 10.03.2023
KBV-Vertreterversammlung: Gassen, Hofmeister und Steiner bilden neuen KBV-Vorstand
KBV – Vertreterversammlung v. 03.03.2023
Dokumentation (Reden, Stream, Pressemitteilungen)
Übersicht über alle KV-Vorstände der 17 KVen (PDF)
ÄrzteZeitung v. 01.03.2023
Vorstandswahlen bei der KBV: Konstanten, ein vakanter Posten und nötige Parität