Mit Inkrafttreten des GVWG am 20. Juli 2021 gilt für sämtliche vertragsärztliche Zulassungsverfahren eine neue Antragsbedingung. Denn es wurde ein neuer § 95e in das SGB V eingefügt und der Nachweis des Vorliegens einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung als weitere Zulassungsvoraussetzung kreiert.

Zwar wird durch § 95e SGB V keine gesonderte Versicherung verlangt, die neben die Haftpflichtversicherung aus berufsrechtlichen Gründen tritt. Es ergibt sich jedoch ein maßgebliches organisatorisches Problem, weil direkt zum Zeitpunkt der Antragstellung z.B. auf Nachbesetzung eines angestellten Arztes oder bei Bewerbung auf einen freien Sitz die geforderte Versicherungsbescheinigung beizubringen ist.

Probleme treten aktuell vor allem auch deshalb zu Tage, weil die Versicherungswirtschaft in vielen Fällen aufgrund der damit verbundenen versicherungsrechlichen Auswirkungen nicht kurzfristig in der Lage ist, die geforderte förmliche Bescheinigung nach § 113 VVG auszustellen. Dies auch deshalb, weil in den KVen regional sehr verschiedene Anforderungen gestellt werden.

Worum es im Detail geht, und was das für aktuelle und künftige Zulassungsverfahren bedeutet, erläutern wir nachfolgend.

Der Beitrag stellt eine Kurzfassung des Fachaufsatzes vom 29. September 2021 von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizin- & Sozialrecht Jörn Schroeder-Printzen dar.

Inhalte | Schnellzugriff: 
(1) Hintergründe
(2) Regelungsinhalte
(3) Was sich praktisch in den Zulassungsverfahren ändert
(4) Probleme & offene Fragen
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Der neue § 95e SGB V |
Die Haftpflichtversicherung als Zulassungsvoraussetzung

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Kontext zur Problematik
Volltext des neuen § 95e SGB V
(1) Berufshaftpflichtversicherung
(2) Veröffentlichung des GVWG im Bundesgesetzblatt 

Gesetzgebungsprozess
Drucksachen Bundestag | Stellungnahme BMVZ vom 20.11.2020

Hintergründe

Infolge einer entsprechenden Beschwerde des Bundesrechnungshofes wurde mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – kurz GVWG – ein neuer § 95e in das SGB V eingefügt und der Nachweis des Vorliegens einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung als weitere Zulassungsvoraussetzung kreiert.

Des Weiteren wurden in diesem Zusammenhang diverse wortidentische Änderungen in Ärzte-ZV und Zahnärzte-ZV vorgenommen (nachfolgend wird nur die Ärzte-ZV zitiert). Diese Regelungen sind seit dem 20.07.2021 in Kraft und betreffen alle zugelassenen tätigen Psychotherapeuten, (Zahn-)Ärzte und  MVZ.

Anlass und Motor dieser gesetzgeberischen Maßnahme war der Bundesrechnungshof. Dieser hatte in seinem Prüfbericht für das Jahr 2017 die Auffassung vertreten, dass nicht alle Ärzte eine ausreichend hohe Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben und manche sogar über gar keine verfügen.

Tagesspiegel v. 24.04.2018 (Quelle): “Noch ein zweites mögliches Versäumnis des Bundesgesundheitsministeriums stört den Rechnungshof: Nicht alle Kassenärzte haben offenbar einen genügenden Haftpflichtschutz für den Fall, das ihnen Behandlungsfehler unterlaufen. Die Prüfer fordern daher, dass bundesgesetzlich geregelt wird, Ärzten nur noch eine Kassenzulassung zu geben, wenn eine entsprechende Haftpflichtversicherung abgeschlossen ist.”

Sorge bestand vor allem, dass dadurch die Kranken- bzw. Pflegekassen geschädigt werden könnten. Denn nach § 116 SGB X ist bei Vorliegen eines Behandlungsfehlers der Schädiger verpflichtet ist, neben dem Patienten sowohl den Krankenkassen als auch den Pflegekassen sowie auch der Deutschen Rentenversicherung Bund den sich aus dem Behand­lungsfehler ergebenden Schaden zu ersetzen. Bekanntermaßen können die Schadens­sum­men bei solchen Verfahren schnell sehr große Höhen erreichen. 

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde dieses Vorhaben im Grunde von allen Verbänden der Leistungserbringer kritisch beurteilt … Vom BMVZ wurden darüber hinaus auch handfeste Bedenken hinsichtlich der praktischen Durch­führ­barkeit vorgetragen.

Die Regelungsinhalte

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass durch § 95e SGB V keine gesonderte Haftpflichtversicherung verlangt wird, die neben die Haftpflichtversicherung aus berufsrechtlichen Gründen tritt. Vielmehr soll durch diese Regelung im Sinne der Beanstandungen des Bundesrechnungshofes erreicht werden, dass für jede vertragsärztliche Tätigkeit ein ausreichender Versicherungsschutz besteht.

Bei den aktuell gängigen Verträgen werden die neuen geregelten Mindestbedingungen in aller Regel bereits erfüllt oder übererfüllt. Ältere Verträge sollten gegebenenfalls gezielt überprüft werden.

Die Zulassungsausschüsse haben die Pflicht, alle zugelassenen Praxen, ermächtigen Ärzte und MVZ bis spätestens zum Sommer 2023 aufzufordern, den in Absatz 3 definierten Versicherungsnachweis vorzulegen.  Der 1. Juli 2023 ist jedoch kein Stichtag, sondern das Enddatum eines Zeitraumes, der die KVen verpflcihtet und der mit Inkrafttreten des Gesetzes begonnen hat.

Die vorgeschriebene Mindestversicherungssumme beträgt gemäß Absatz 2 bei einem Einzelarzt nunmehr 3 Millionen € für Personen– und Sachschäden; sie muss mindestens den zweifachen Betrag dieser Mindestversicherungssumme im Jahr betragen. Zusätzlich gilt: Auf Grundlage eines mehrseitigen Vertrages auf Bundesebene kann diese Mindestversicherungs­summe noch nach oben angepasst werden. Derzeit gibt es jedoch keine Anzeichen für solche Aktivitäten.

Für MVZ und Vertragsärzte bzw. BAG, die mit angestellten Ärzten arbeiten, wird dazu abweichend in Absatz 5 die Mindestversicherungssumme auf 5 Millionen für Personen- und Sachschäden für jeden Versicherungsfall nach oben korrigiert. Auch diese Beträge können wie die 3 Millionen der Einzelärzte per Vertrag der Selbstverwaltungspartner nach oben angepasst werden. Gleichzeitig gilt: Die Leistungen des Versicherers für alle innerhalb eines Jahres verursachten Schäden dürfen nicht weiter als auf den dreifachen Betrag dieser Summe (= 15 Millionen €) begrenzt werden. Diese höhere Versicherungssumme ist nicht auf den einzelnen Arzt bezogen zu verstehen, sondern bezieht sich auf die Betriebshaftpflichtversicherung des gesamten MVZ bzw. der Praxis.

Diese Summenfestlegung für kooperative Versorger wirft dennoch unmittelbar mehrere Fragen auf (…)

Auswirkungen auf das Zulassungsverfahren

Neben der Neuschaffung von § 95e SGB V wurden noch in den §§ 18, 26, 27 und 31 Ärzte-ZV (Zahnärzte-ZV) Änderungen vorgenommen, die der Umsetzung des § 95e SGB V die­nen. Aufgrund der Einfügung einer Nummer 6 in § 18 Absatz 2 Zulassungsverordnung ist ab sofort jedem Zulas­sungs­antrag die entsprechende Versicherungsbescheinigung nach § 113 VVG beizufügen.

Damit gilt mit der Neuregelung, dass erst mit der Versicherungsbescheinigung ein vollständiger Antrag vorliegt. ACHTUNG! Diese Regelung gilt nach § 32 Absatz 2 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV auch für die Anstellungsgenehmigung.

Es gibt auch keine wie auch immer geartete Bestandsschutzregelung. Vielmehr müssen MVZ und Praxen, die genehmigungspflichtige Veränderungen in ihrem Bestand durch neue Ärzte oder Sitze vornehmen wollen, künftig selbst  bei Anträgen auf Anstellung von Ärzten oder bei Vergrößerung einer bestehenden Anstellungsge­neh­migung die Versicherungsbescheinigung vorlegen.

Es ist entsprechend seit Sommer 2021 gängige Praxis, dass mit der Antragstellung vor dem Zulassungs­aus­schuss direkt die geforderte Versicherungsbescheinigung nach § 113 Absatz 2 Versicherungs­ver­tragsgesetz (VVG) vorgelegt werden muss. Und dies ist – wie die ersten Erfahrungen zeigen – keine triviale Übung.

Probleme und offene Fragen

Das erste Problem praktischer Natur ist, wie die Versicherungswirtschaft mit dieser neuen Pflicht umgeht. Hier ist zu hören, dass viele Versicherer mit dieser Neuregelung noch einige Schwie­rig­keiten in der Umsetzung haben. Hintergrund ist auch, dass es bisher keine Einheitlichkeit seitens der Zulassungsgremien gibt, welche Anforderung die Versicherungsbescheinigung erfüllen muss. Es bleibt zu hoffen, dass diese praktischen Probleme von den Ver­sicherern im Austausch mit den KVen zeitnah gelöst werden.

Wie aus der Praxis bekannt geworden ist, sind zudem manche Zulassungsausschüsse der Auffassung, für jedes einzelne MVZ müsste ein gesonderter Versicherungsvertrag existieren. Darüber hinaus sind eine Reihe organisatorischer Probleme zu Tage getreten, die sicher so vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt waren – jedoch viele derzeitige Zulassungsverfahren belasten.

Insbesondere ist zu beachten, dass kaum ein Versicherer aktuell aufgrund der komplexen Umstände in der Lage sein wird, die notwendige Bescheingung kurzfristig auszustellen. Das kann bei anstehenden Zulassungsverfahren zum Problem werden, da – wie ausgeführt – § 95e SGB V vorschreibt, dass ein Antrag nunmehr nur mit Einreichung der Versicherungsbescheinigung nach § 113 VVG vollständig ist und bearbeitet werden kann.

RA Jörn Schroeder-Printzen
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Sozialrecht

Ratajczak & Partner Berlin
Telefon: (030) 2009 54 935
E-Mail: schroeder-printzen@rpmed.de

Mehr erfahren

Lesen Sie die entsprechende Mitteilung der KV Schleswig-Holstein in ihrer Mitgliederzeitschrift ‘Nordlicht’ – Ausgabe 9/2021
im PDF Seiten 21/22