Zwischenbericht: Bewegung in der Zeitschiene | ePA-Rollout im März, April, Mai?
Die Pilotphase läuft seit sechs Wochen; und das – je nachdem, wen man fragt – mit verhalten positivem oder eher ernüchterndem Ergebnis. Während die gematik am 11. Februar von einem „erfolgreichen Start“ sprach (~ Quelle), haben die vier am Test beteiligten KVen gemeinsam am 20. Februar offiziell Bedenken angemeldet, dass man seitens des BMG den Rollout zu schnell vollziehen könnte (~ Pressemeldung, hier in der Version der KVNO). Die KBV gibt zu Protokoll (~ Quelle), dass ein wesentlicher Grund dieser Warnung sei, dass nach wie vor ein Viertel der 230 Testpraxen immer noch gänzlich ohne funktionierendes ePA-Modul wäre, während weitere 50 % angeben, dass ihr ePA-Modul schwerwiegende Fehler aufweise. Dass es also grundlegend an einer validen Testumgebung mangele, weswegen vorerst auch nicht mit belastbar skalierbaren Ergebnissen gerechnet werden dürfe. Der KVNO-Vorsitzende sekundiert: „Die letzten fünf Wochen waren ernüchternd und drehten sich leider ausschließlich um die rein technische Machbarkeit. Sie blieben praktisch ohne Testergebnisse für den eigentlichen Behandlungskontext in der Praxis, um den es ja eigentlich gehen sollte.“
Interessant ist dabei vor allem das Timing der KV-Aktion. Denn das BMG hatte bereits zehn Tage zuvor in einem Schreiben an die gematik-Gesellschafter (~ sprich KBV, DKG & Co.) mitgeteilt, den Rollout verbindlich mindestens ins zweite Quartal zu verschieben. „Derzeit ist … von einer frühestmöglichen bundesweiten Nutzung durch die Leistungserbringenden Anfang des zweiten Quartals auszugehen,“ schrieb der zuständige BMG-Abteilungsleiter Zilch (~ Quelle). Nicht vor April heißt das im Klartext, vielleicht auch später. Dass die KVen hier nachgelegt haben und noch „mehr Zeit“ und vor allem klare Qualitätskriterien, an denen der Erfolg des Testes gemessen werden könne, einfordern, lässt entsprechend tief blicken. Wer sich vor diesem Hintergrund für direkte Berichte aus den Testpraxen interessiert, erhält hier verschiedene Einblicke: Warten auf die „ePA für alle“ – Bericht der KVNO v. 19. Februar | KVWL-E-Health-Experte Scholz: „Wir sammeln auch positive Erfahrungen“ – änd v. 30. Januar | Hausarzt berichtet über ePA-Start: „Das kann man nicht Testbetrieb nennen“ – ÄrzteZeitung v. 11. Februar | Wie läuft es mit der ePA für alle in der Praxis? – Podcast v. 12. Februar.
Und was heißt das nun für die Planung in den Praxen und MVZ?
Erst mal abwarten auf jeden Fall. Ein Startschuss direkt zum 1. April kann als äußerst unwahrscheinlich gelten. Die KVen kritisieren darüber hinaus, dass der April überhaupt als Startmonat in Erwägung gezogen wird. Einem konkreten Datum gegenüber verwahren sie sich grundsätzlich. Ihre Hauptforderung: Man solle sich so viel Zeit wie nötig nehmen, denn, so der bayrische KV-Vorstand: „Ein übereilter Rollout der ePA führt zu Frust in den Praxen und aufgrund unerfüllter Erwartungen zu Verärgerung bei den Versicherten. Im schlimmsten Fall lehnen Praxen und Patienten die ePA dann einhellig ab.“ Weil diese Analyse so klar wie zutreffend ist, bleibt folglich der konkrete Fahrplan derzeit völlig offen. Immerhin gibt das BMG am 11. Februar auf eine parlamentarische Anfrage der Partei Die Linke zu Protokoll, ‚keine [Sicherheits-]Bedenken zu haben.‚ (~ BtDrs. 20/14953 | Volltext-PDF). Zum Zeitplan heißt es dort wie gewohnt nebulös: „Für den bundesweiten Rollout der ePA sind zwei Kriterien entscheidend. Zum einen muss sich die ePA in den Modellregionen bewähren. Zum anderen müssen weitere technische Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in Abstimmung mit dem BSI umgesetzt und abgeschlossen sein.“ Es folgt der Satz: „Wie angekündigt, ist mit einem bundesweiten Start gegen Anfang des zweiten Quartals auszugehen.“ Gemäß den beschriebenen Umständen bewegt sich diese Frist in einem Spektrum zwischen ambitioniert und illusorisch.
Heise.de v. 21.02.2025
ePA: Regierung lässt viele Fragen zur Sicherheit offen
Ärzteblatt v. 20.02.2025
Niedergelassene fordern Umsteuern beim Rollout der elektronischen Patientenakte
Apotheke Adhoc v. 17.02.2025
Alle Akten ausgestellt | ePA: „Sicherheit vor Schnelligkeit“
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung | Update zur eAU-Datenübermittlung und neues Muster 52
Im Kontext der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gibt es zwei Neuerungen. Für die Leistungserbringer interessant ist ab April das neue Formular 52 ‚Bericht für die Krankenkasse bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit‘. Die zweite Neuerung betrifft die zum 1. Januar 2025 eingeführte Weiterentwicklung der eAU. Letzteres ist in erster Linie für Praxen und MVZ in ihrer Rolle als Arbeitgeber interessant. Zudem gibt es bezüglich der eAU zwei kurze Randnotizen: Anscheinend gibt es wegen des Ausbleibens der Krankengeldzahlung für Mini-Jobber Unklarheiten. Zumindest geht ein Artikel bei Haufe.de explizit darauf ein: „Die Abfrage der eAU bei Mini-Jobbern erfolgt ebenfalls über die Krankenkasse, bei der sie versichert sind und nicht über die Mini-Job Zentrale. Darum sind die Krankenkassenangaben bei Mini-Jobbern im Personalbogen zu erheben.“ (~ Quelle) Für alle Interessierten verweisen wir zudem auf einen Link zum AOK-Fachportal, das u.a. aus Arbeitgebersicht das gegebenenfalls heikle Thema Vorerkrankungsanfrage und die Frage, wann eine solche überhaupt zulässig ist, beleuchtet. (~ eAU – Arbeitgeberportal)
Überarbeitetes Muster 52:
CAVE! Es handelt sich um eine Stichtagsregelung. Alte Muster 52 dürfen ab dem 1. April nicht weiterverwendet werden. Das Muster wurde überarbeitet, da Krankenkassen gesetzlich dazu verpflichtet sind, unter Umständen eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes (MD) zur Arbeitsunfähigkeit ihrer Mitglieder einzuholen. Mit dieser Verpflichtung sollen Zweifel an der AU ausgeräumt und der Behandlungserfolg gesichert werden. Der GKV-Spitzenverband und die KBV einigten sich darauf, das Formular für diesen Zweck neu aufzulegen und somit die Vorauswahl der zu bewertenden Fälle durch den MD zu erleichtern. Einige Angaben des alten Musters sind entfallen; andere wurden neu geordnet. Mit dem oben genannten Hintergrund liegt der Fokus auf den folgenden Angaben: (1) Diagnosen, die als auslösende Ursache der Arbeitsunfähigkeit anzusehen sind, (2) Art und Umfang der Berufstätigkeit beziehungsweise den verfügbaren zeitlichen Umfang für eine mögliche Arbeitsvermittlung, (3) diagnostische, therapeutische und rehabilitative Maßnahmen bezogen auf die Erkrankung, die die Arbeitsunfähigkeit ausgelöst hat.
Die PVS-System-Hersteller sollten das neue Muster 52 bis zum Stichtag in die Systeme übernehmen. Wer ein neues PVS-System hat, ist angehalten, zu prüfen, ob sich das Muster 52 überhaupt bedrucken lässt. Dies scheint nicht bei allen Anbietern reibungslos zu funktionieren. So oder so kommen Praxen jedoch nicht umhin, rechtzeitig neue Vordrucke zu bestellen.
Weiterentwickeltes Meldeverfahren eAU:
Schrittweise werden die Unzulänglichkeiten beim Meldeverfahren der eAU behoben. Das soll für mehr Transparenz und weniger Rennerei bei den Versicherten sorgen. Grundsätzlich ändert sich jedoch nichts an der Pflicht des Arbeitnehmers, den Krankheitsfall und die voraussichtliche Dauer schnellstmöglich dem Arbeitgeber mitzuteilen. Erst dann darf der Arbeitgeber die Anfrage bei der Krankenkasse stellen. Auch an dieser aktiven Rolle der initialen Anfrage des Arbeitgebers ändert sich nichts.
Die insgesamt sieben Neuerungen sehen allerdings auch einige Automatismen vor: (1) Das tatsächliche Entlassdatum bei stationären Krankenhausaufenthalten wird übermittelt, wenn zuvor nur ein voraussichtliches Datum gemeldet wurde – ohne erneute Anforderung durch den Arbeitgeber. (2) Das tatsächliche Entlassdatum nach einer Vorsorge- oder Rehabilitationsbehandlung wird erfasst, falls zunächst nur ein voraussichtliches Datum übermittelt wurde. (3) Der Aufenthalt in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen mit einem bestehenden Versorgungsvertrag wird erfasst. (4) Teilstationäre Krankenhausbehandlungen werden aus technischen Gründen ohne Aufnahme- und Entlassdatum gemeldet. (5) Eine Arbeitsunfähigkeit, die privatärztlich oder von einem ausländischen Arzt bescheinigt wurde, wird anerkannt, sofern sie der Krankenkasse ordnungsgemäß nachgewiesen wurde. (6) Die Weiterleitung von AU-Daten bei einem Krankenkassenwechsel erfolgt, wenn die Arbeitsunfähigkeit über den Wechselzeitpunkt hinaus besteht. Die Arbeitgeberanfrage an die vorherige Krankenkasse wird übermittelt, und der Arbeitgeber erhält den Hinweis „Weiterleitungsverfahren“. (7) Die Korrektur stornierter AU-Daten erfolgt beispielsweise nach Beanstandung durch den Versicherten. Der Arbeitgeber wird aktiv über die berichtigten Daten informiert.
AOK-Arbeitgeber-Portal
eAU-Verfahren auch für Arbeitgeber
KV Niedersachsen v. 11.02.2025
Überarbeitetes Vordruckmuster 52
Haufe.de v. 12.12.2024
Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: erweitertes Verfahren ab 2025
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Der BMVZ lädt am 20. + 21. März 2025 zum 2-tägigen BMVZ ARBEITSTREFFEN ins hessische Bad Sooden-Allendorf ein. Neben dem praxis- und lösungsorientierten Vortragsprogramm liegt der Schwerpunkt auf dem kollegialen Erfahrungsaustausch, dem im Rahmen des Programms breiter Raum gegeben wird. Als Referenten sind dabei: Prof. Lutz Hager (BV Managed Care + SRH Fernhochschule), Dr. Roxana Sauer (MVZ Kreis Groß-Gerau), Karolina Lange-Kuhlmann (Taylor Wessing PartG mbB), Dr. Peter Velling (BMVZ + MVZ Docs of Berlin), Andreas Weschke (CGM Mobile Services), Dr. Roland Strasheim (Berater im Gesundheitswesen), Dr. Tilmann Dittrich (Wessing & Partner), Ines Hetzheim + Sandra Burkholdt (Poliklinik Greiz), Florian Liening-Ewert (RHÖN-MVZ & Kliniken Bad Neustadt/Saale) sowie Konstantin Weber (gehirnfasching.com).
Inhaltlich geht es um Praxisfragen der IT-Sicherheit und des Umgang mit der ab diesem Sommer geltenden Pflicht zur digitalen Barrierefreiheit von Webseiten sowie um MVZ-Spezialfragen im Kontext der Bürgschaftshinterlegung und der Stellung der Ärztlichen Leitung. Wir befassen uns zudem mit dem Problem der Zunahme von Aggression und Gewalt am Tresen und im Sprechzimmer und der Herausforderung, die dieser Trend an die MVZ-Leitung stellt. Weiterer Schwerpunkt ist der anstehende bundesweite ePA-Rollout. Hierzu gehen wir in den direkten Dialog mit Vertretern der RHÖN Kliniken AG, die mit Krankenhaus und MVZ am Standort Neustadt/Saale Teil der Testregion Franken sind. Flankiert wird das Gespräch durch den bei der Compugroup für die ePA zuständigen Projektleiter. Und natürlich sprechen wir auch über die praktischen, gesundheitspolitischen Auswirkungen der Bundestagswahl und werfen einen Blick auf den aktuellen Umsetzungsstand der Reformprojekte der letzten zwölf Monate aus dem Hause Lauterbach.
BMVZ | Informationen & Anmeldung zum Frühjahrsarbeitstreffen 20. + 21. März 2025
Was, Wann, Wo + Anmeldung
Veranstaltungsflyer (Druckfassung)
Zi-Veröffentlichung: Vollumfängliches Paper zum PVS-Qualitäts-Ranking
Mitte des vergangenen Jahres hatte das Zi eine Teilveröffentlichung der Ergebnisse der Studie „Funktionalität der Praxissoftware“ bekannt gegeben. Wegen rechtlicher Bedenken wurden hierbei die PVS-System-Hersteller jedoch anonym gelistet, was den Aussagewert massiv beschränkt hat (~ Bericht der KW 20/2024). Inzwischen wurden diese Bedenken ausgeräumt, und das Zi hat mit der aktuellen Analyse einen ‚Warentest‘ vorgelegt, der in der Tat einen praxisnahen Mehrwert bieten kann. Der Fokus des aktuellen Papers liegt auf der Korrelation zwischen Fehlerhäufigkeit und Zufriedenheit mit den PVS-Systemen sowie den Auswirkungen eines Systemwechsels. Dabei ist das Zi bemüht, eine möglichst große Transparenz in der Datenerhebung sicherzustellen und verweist auf einen wissenschaftlichen Aufsatz, der den Evaluierungsprozess und seine Limitierungen detailliert beschreibt (~ Müller et al. 2024).
Spoiler vorweg: PVS-Systeme mit einer hohen Fehlerquote sind unbeliebter. Abseits dieser bahnbrechenden Erkenntnis stellt das Paper recht übersichtlich die Fehlerhäufigkeit bei den einzelnen PVS-Systemen dar. Unterstützt wurde die Messung der Fehler durch Daten der KV Nordrhein. Auf einer Webseite des Zi lassen sich die Ergebnisse nach einem der 17 überprüften Fehler anzeigen, also beispielsweise nach ‚Konnektoren Verbindung‘ oder ‚Fehler nach Update‘ (~ zur Webseite | Fehler in linkem unscheinbaren Feld einstellen). Diese Darstellung ist absolut empfehlenswert und lädt auch ein, die eigenen Prozesse zu evaluieren. Denn bis auf Ausnahmen haben viele der Anbieter Stärken und Schwächen, und die Entscheidung zum Wechsel geht also – abseits der Kosten – meist mit einem ‚trade-off‘ einher. In der Gesamtbetrachtung ist die Fehlerhäufigkeit allerdings immer noch auf einem hohen Niveau, was sich durch die Einführung der ePA und den weiteren Ausbaustufen der TI wohl auch nicht schnell legen wird.
Der zweite Schwerpunkt in den aktuellen Ausführungen des Zi ist die Zufriedenheit von Praxen, die das PVS-System gewechselt haben. Über 67 Prozent der Befragten geben an, dass der Wechsel zu „signifikanten Verbesserungen“ geführt hat, und rund 54 Prozent empfanden die Wechselkosten für Schnittstellen und Datentransfer als akzeptabel. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch „dass ein PVS-Wechsel nicht zwangsläufig mit einer höheren oder niedrigeren Nutzerzufriedenheit einhergeht, sondern dass die Einschätzung individuell und vom jeweiligen System abhängig ist.“ Ausführlich wird die Auswertung graphisch auf Seite S. 7f. dargestellt (~ Zi Paper v. 04.02.2025 | öffnet als PDF). Gemäß dem Zi sollen diese und zukünftige Erhebungen zur Verbesserung der Produktqualität beitragen. Die nächste Befragung ist im Mai 2025 geplant.
Monitor-Versorgungsforschung v. 12.02.2025
Praxisverwaltungssysteme: Zi-Analyse liefert neue detaillierte Ergebnisse zur Fehlerhäufigkeit
ÄrzteZeitung v. 04.02.2025
Zi veröffentlicht Ranking zur Fehleranfälligkeit gängiger Praxis-EDV
ZM online 6.12.2024
Survey benennt die (un)beliebtesten PVS in Deutschland
Änderung der ZV-Ärzte in Kraft | Neuer Ermächtigungstatbestand für Psychotherapeuten & ein Extra-Plus für Weiterbilder
Am 20. Februar ist die wahrscheinlich letzte BMG-Normsetzung der 20. Legislaturperiode in Kraft getreten: Es handelt sich um eine eher unscheinbare Änderung in § 31 der ärztlichen Zulassungsverordnung (~ Volltext im Bundesgesetzblatt), die ausschließlich psychologische Psychotherapeut:innen und Ärzt:innen mit entsprechender Weiterbildung betrifft. Das Bemerkenswerteste daran: Die eigentlich nur einen Punkt umfassende Verordnung des BMG (~ Vgl. PRAXIS.KOMPAKT KW50/2024) wurde kurzerhand durch den Bundesrat um eine zweite Regelung erweitert, nach der psychotherapeutische Weiterbildungspraxen ihre Fallzahlen und Abrechnungen künftig deutlich vergrößern dürfen. Etwas, was bei allen ärztlichen Fachrichtungen streng begrenzt ist. Mal abgesehen davon, dass BÄK-Jurist Scholz in seinem LinkedIn-Post (~ direkt zu) völlig zu Recht auch noch auf eine weitere Inkonsistenz dieser offensichtlichen Schnellschussregelung hinweist.
Wörtlich heißt es ab sofort in § 32 Absatz 3 ZV-Ärzte: „In den Fällen der Weiterbildung nach § 95c Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist eine Vergrößerung der Kassenpraxis auf das 1,5fache, bei hälftigen Versorgungsaufträgen auf das 1,0fache der Vollauslastung einer Vertragspsychotherapeutenpraxis zulässig.“ Sprich: Vollzeitpsychologen dürfen ihre Kassenpraxis um 50 % ausdehnen, psychologische Kolleg:innen mit halber Anstellung oder Niederlassung sogar um 100 %. Für Ärzt:innen mit Weiterbildungsassistenten gilt dagegen weiterhin und unisono: ‚Bei einer Steigerung der Fallzahl um mehr als 25 %, ist von einer unzulässigen Praxisvergrößerung auszugehen, die möglicherweise zu einer Honorarkürzung führen kann.‚ Die vom Bundesrat aktuell durchgesetzte Klausel führt folglich zu einem doppeltem Zwei-Klassen-Recht: (1) dürfen Psychologen mit WBAs künftig insgesamt stärker ihren Praxisumfang ausdehnen als Ärzte, und (2) gilt das noch einmal doppelt stark, wenn es sich um solche mit nur einem halben Versorgungsumfang handelt.
Eigentlich drehte sich die vom BMG angestoßene Änderung aber ohnehin um eine andere Frage: Nämlich um die Schaffung eines neuen Ermächtigungsanspruchsgrundes im Kontext der insuffizienten Bedarfsplanung. Mit Blick auf Suchtkranke oder mehrfach behinderte Patienten soll so der Zugang zur psychologischen Betreuung erleichtert werden. Bedingung für die Ermächtigung ist, dass die Therapeuten und Ärzte eine Kooperation mit einem SPZ, MZEB, Sozialpsychiatrischen Dienst o.ä. vorweisen können. Die Bundespsychotherapeutenkammer erkennt darin eine wesentliche Verbesserung: „Durch die vorgegebenen Kooperationen wird die Vernetzung von Psychotherapeut*innen … gestärkt. Damit wird der Zugang zu einer multiprofessionellen Versorgung einschließlich Behandlungsangebote in den Lebenswelten der Patient*innen erheblich verbessert.” (~ Pressemitteilung v. 14.02.2025)
Das BMG dagegen rühmt sich, vulnerable Patienten gezielt zu unterstützen und zusätzliche niedrigschwellige ambulante, psychotherapeutische und psychiatrische Behandlungskapazitäten zu schaffen. Wobei sich erst noch zeigen muss, wo die vielen derzeit unterbeschäftigten Psycholog:innen sitzen, die nur darauf warten, mit einer solchen Ermächtigung gegen den bestehenden Versorgungsengpass anzuarbeiten.
LinkedIn-Post von Karsten Scholz | Leiter der BÄK-Rechtsabteilung v. 19.02.2025
Index non calculat? Klarheit für PPs, wenn WBAs beschäftigt werden
ÄrzteZeitung v. 14.02.2025
Zulassungsverordnung geändert: Psychotherapie: Neuer Ermächtigungsanspruch für die Behandlung vulnerabler Gruppen
BMG-Pressemitteilung v. 14.02.2025
Bundesrat billigt Fünfte Verordnung zur Änderung der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte
Schussfahrt in die Bedeutungslosigkeit? Niedrige Nutzerzahlen bei Lauterbachs Klinikatlas
Im Juni 2024 wurde der unter viel Kritik gestartete Bundes-Klinik-Atlas mit einem großen Update neu aufgestellt. Die vereinfachte Navigation soll Patienten unterstützen und im weitesten Sinne so auch ermutigen, sich durch die Krankenhauslandschaft zu navigieren. Wir hatten im vergangenen Jahr angenommen, dass die Webseite auch im Rahmen der Patientenberatung einen Mehrwert bieten könnte (~ PRAXIS.KOMPAKT Ausgabe KW 18/2024). Leider stellt sich, ein halbes Jahr nach dem großen Update, der Status-Quo ernüchternd dar. Das spiegelt sich auch in den Benutzer-Zahlen wider. Gemäß der Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (~ Volltext-PDF öffnen) hatte die Webseite im Mai 2024 knapp 100 Millionen Aufrufe, im Oktober 2024 hingegen nur noch 4 Millionen. Als Besucher navigierten im Oktober 2024 lediglich 125.000 Bundesbürger durch den Klinik-Atlas. Wieviele davon das Angebot hilfreich fanden, steht in den Sternen (~ Link zum Bundes-Klinik-Atlas).
Ein Hauptmanko ist, dass Nutzer die Kliniklandschaft – nach wie vor – lediglich nach einigen populären Routineeingriffen durchsuchen können. Ein Update vom 24. Oktober 2024 erweiterte die Übersicht zwar auf 25 Behandlungsanlässe; aber zahlreiche Fachbereiche, wie die Derma-Chirurgie, werden nicht erfasst. Die Behandlungsanlässe werden, wegen der App-Gestaltung der Webseite, vom BMG auch als Kacheln bezeichnet. Das BMG weist unermüdlich darauf hin, dass der Bundes-Klinik-Atlas ein Dauerprojekt sei und beständig mehr ‚Kacheln‘ hinzugefügt werden würden. In der Quintessenz lässt sich festhalten, dass das Projekt weder in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, noch – im jetzigen Zustand – einen umfassenden Mehrwert für die Patientenberatung bietet. Für die ‚populären Eingriffe‘ dürften die meisten einweisenden Ärzte ohnehin Empfehlungen für ihre Patienten haben.
Perspektivisch vermag der Bundes-Klinik-Atlas aber vielleicht doch noch ein hilfreiches Werkzeug werden; insbesondere vor dem Hintergrund der sich ändernden Kliniklandschaft im Zuge der Krankenhausreform.
KMA online v. 17.01.2025
So hoch sind die Zugriffszahlen auf den Bundes-Klinik-Atlas
Deutsches Ärzteblatt v. 18.11.2024
Bundes-Klinik-Atlas wird laut Regierung nur wenig geklickt
IQTIG-Themenseite zum Bundes-Klinik-Atlas
Hintergründe zur Datenübermittlung und zur Rolle des IQTIG
Patientensteuerung und Termingarantien in der GKV | Eine Diskussion wie ein Schwelbrand
Aller Dringlichkeit zum Trotz, nahm die Zukunft des Gesundheitswesens im medial wirksamen Wahlkampf nur eine Statistenrolle ein. Allerdings wurde parallel, initiiert durch die Selbstverwaltung, das Thema ‚Ungleichheit bei der Versorgung zwischen Privat- und GKV-Patienten‘ wieder einmal angefacht. Im Kern dreht sich die Debatte um die Terminvergabe für GKV-Patienten, wobei sich die Positionen wie folgt zusammenfassen lassen: Die GKV-Kassen sind für eine Kontrolle der Terminvergabe, die Ärzteschaft stemmt sich dagegen. Auch wenn die Debatte einem lang anhaltenden Schwelbrand gleicht, ist das Thema bedeutend, denn es bietet für die Politik ein Feld, mit Aktionismus aufzusatteln. So schreibt die SPD in ihrem Programm: „Unabhängig von Einkommen und Wohnort sollen jeder und jede schnellen Zugang zu einer hochwertigen Versorgung haben. […] Um Wartezeiten zu verringern, werden wir eine Termingarantie der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen einführen. Gesetzlich Versicherte sollen genauso schnell wie Privatversicherte einen Termin erhalten. Bei Nichteinhaltung der Termingarantie sollen sie einen Anspruch auf Beitragsreduzierungen haben.“ (~ Wahlprogramm, dort Seiten 28f) Bei der CDU/CSU klingt das zwar etwas entspannter: „Wir entwickeln die Haus- und Kinderarztpraxen innovativ weiter. Sie soll eine stärkere Steuerungsfunktion der Patienten übernehmen, um zu einer besseren Koordination der Behandlungsabläufe beizutragen und die Wartezeiten auf Arzttermine zu senken.“ (~ Wahlprogramm, dort Seite 70). Im Gesamten drängt sich aber das Gefühl auf, dass – sollte die nächste Regierung aus eben diesen beiden Parteien bestehen – das Thema einen vorderen Platz auf der gesundheitspolitischen Agenda bekommen könnte.
Daher lohnt sich ein Blick auf die Argumente, etwaige Zwischentöne und Kompromisslösungen, die dazu bisher aus der Selbstverwaltung gekommen sind: Der GKV-Spitzenverband nutzte jüngst die Erkenntnisse einer von ihm in Auftrag gegebenen Studie, um das Thema ‚Terminvergabe‘ auf die Agenda zu setzen. Gemäß der Umfrage warteten ein Viertel der gesetzlich Versicherten über 30 Tage auf einen Facharzttermin, die Hälfte der Patienten bekam einen solchen allerdings binnen 10 Tagen; 31 Prozent der Patienten empfinden die Wartezeit auf einen Termin beim Facharzt als zu lang. Für Termine bei Hausärzten gaben 52 Prozent an, dass ihren Wünschen entsprochen wurde (~ GKV-SV Presseerklärung zur Studie v. 03.02.2025). Entsprechend war der Rest weniger zufrieden. Vonseiten des GKV-Spitzenverbandes sieht man sich in seinen früheren Forderungen bestätigt: „Die Diskriminierung der gesetzlich Versicherten gegenüber Privatpatienten bei der Terminvergabe werden wir nicht länger hinnehmen.“ (~ GKV-SV v. 17.12.2024) Die daraus resultierenden Forderungen sehen vor, dass Praxen ihre freien Termine in einem Onlineportal einstellen müssten und bei der Terminvergabe nicht mehr nach der Art der Versicherung gefragt werden darf. Zusätzlich müsste den Krankenkassen und KVen eingeräumt werden, auch selbst Termine vergeben zu können, so Stefanie Stoff-Ahnis vom GKV-SV. Ein Kommentar der Vize-Vorsitzenden lässt zudem aufhorchen: „Wir als Kassen sind mit unseren 75 Millionen Versicherten keine Bittsteller.“ (~ Quelle) Die GKV zeigt sich also selbstbewusst und kampfbereit, wohl auch im Wissen um die potenzielle Sprengkraft der Debatte.
Der Virchowbund hatte auch prompt den Fehdehandschuh aufgehoben und in einer Pressemitteilung mit dem Titel „Termin-Diskussion: Kassenärzte sind freie Unternehmer, keine Staatsmediziner“ den Vorschlägen der Kassen eine klare Absage erteilt. Der Bundesvorsitzende Dirk Heinrich unterstrich die rechtlichen Rahmenbedingungen der freien Berufsausübung: „Wer Kontingente für GKV-Versicherte zwangsweise vorschreiben will und damit faktisch jede andere berufliche Tätigkeit einschränkt, will die Vertragsärzte enteignen und macht aus dem Praxisarzt einen Staatsmediziner“. Heinrich betonte den definierten Leistungsumfang für Kassensitze und die daraus resultierenden Freiräume zur Behandlung von Privatversicherten. Der Virchowbund werde eine Klage vor dem Verfassungsgericht bemühen, wenn die Pläne der GKV umgesetzt werden würden, kündigt Heinrich an. (~ Pressemitteilung v. 17.02.2025)
Die KBV positionierte sich schon vergangenes Jahr zwischen den Stühlen und unterbreitete das Angebot, selbst ein Online-Terminvergabeportal zu installieren. In einer Stellungnahme bezog sich der KBV Vorstand auf das „einzigartige Know-How“ und die Erfahrungen, die man mit dem Service der 116117 gesammelt habe (~ ÄZ 02.10.2024). Zumindest wären in diesem Szenario die Leistungserbringer – im weitesten Sinne – Mitgestalter und somit würde sich zumindest die Hoffnung hegen, dass die betriebswirtschaftlichen Interessen der Praxen und MVZ nicht unberücksichtigt bleiben. Denn, wie eingangs beschrieben: für die Politik ist das Thema eine Steilvorlage. Gut 87 Prozent der Bundesbürger sind GKV-versichert, somit sind Schlachtrufe wie „unfair“ und „Diskriminierung“ machtvoll und können kraftvolle Dynamiken entwickeln. Die zukünftigen Koalitionsverhandlungen werden zeigen, welchen Einfluss dieses Potenzial auf den politischen Diskurs hat.
ZM Online v. 10.02.2025
Müssen Ärzte bald die telefonische Terminbuchung garantieren?
G+G v. 31.01.2025
Lauterbachs „Terminversprechen“ bringt Kassenärzte auf die Palme
ÄrzteZeitung v. 30.12.2024
Diskriminierung bei Arztterminen? Statt Neiddebatten lieber die richtigen Fragen beantworten