Hausarzt-Entbudgetierung wird konkret, aber mit gaaanz vielen Fragezeichen | Honorar-Update Kinderärzte
Die Aufhebung des Budgetdeckels für hausärztliche Leistungen hat sich die Ampelregierung bereits vor reichlich zwei Jahren ins Pflichtenheft geschrieben. Allerdings gab es hierzu bisher nur leere Versprechungen, während die Kinderärzte in einem nur drei Monate dauernden Expressverfahren tatsächlich eine Art Entbudgetierung mit Start zum 1. April 2023 erfahren haben. Zu der im Übrigen – mit Veröffentlichung der ersten Honorarberichte für das Q2/2023 – inzwischen auch erste valide Ergebnisse vorliegen. Nun allerdings hat das BMG einen ausformulierten Gesetzestext als Teil des neuen GSVG-Entwurfes (~ Reiter ‚Nachrichten‘) vorgelegt, nach dem die Hausarztbudgetierung nach dem Kinderärztevorbild angeblich zügig beschlossen werden soll.: „Wir werden die Entbudgetierung machen, um das jetzt mal klar zu machen, bei den Hausärzten,“ sagte Karl Lauterbach vor dem Ärzte-Krisengipfel am 9. Januar im ZDF-Morgenmagazin und kündigte dabei eben jenen, jetzt vorliegenden, Gesetzentwurf an.
Exkurs Kinderärzte-Entbudgetierung:
Nachdem bisher die skeptischen Stimmen im Sinne von, dass hier nur wieder Geld von A nach B verschoben werde, überwogen (~ Bericht in der KW43/2023), ist es zuletzt auffällig still geworden. Der Umstand aber, dass weder die Pädiaterverbände noch die KVen klagen, obwohl (oder gerade weil?) die Honorarwirkungen mindestens für das erste relevante Quartal (Q2/2023) nun valide feststehen, ist ein handfestes Indiz, dass die Honorare wohl doch effektiv gestiegen sind. Ein kurzer Schnellcheck bereits verfügbarer Honorarberichte ergab, dass die KV Berlin einen durchschnittlichen Honoraranstieg von knapp 10 % bei den Pädiatern sowie in dem Bereich insgesamt 18 Millionen € Mehreinnahmen aus unbudgetierten MGV-Leistungen ausweist. (~ Quelle | im PDF – S. 12) In Hessen dagegen scheint sich das Ganze nicht so offensichtlich darzustellen – aber ein pädiatrisches Honorarplus von 3,4 % im Schnitt wird auch hier vermerkt. (~ Quelle | im PDF – S. 17). Zum Verfahren der Honorarberechnung, das sich nach dem Gesetzestext als höchst komplex darstellt, notierte zudem das Ärzteblatt kürzlich: „Anfangs geäußerte Befürchtungen, dass damit ein erheblicher bürokratischer Aufwand auf die Praxen zukommen könnte, scheinen sich nicht zu bewahrheiten. Die Berechnung scheint kompliziert, aber machbar zu sein. Je nach KV hört man dazu entweder keine oder geringe Klagen.“ (~ Quelle) Damit kann – bei aller Vorsicht – das als MGV+ bekannt gewordene Entbudgetierungsverfahren der Kinderärzte für diese wohl durchaus als echter Erfolg gewertet werden.
Zurück zu den Hausärzten: Insofern verwundert es nicht, dass alle aktuellen Forderungen (Ärzte) und Versprechungen (Politik) in Bezug auf die Hausärzte an eben diesem Modell MGV+ ansetzen. So sollen künftig alle Leistungen des Hausarztkapitels (EBM-Kapitel 3) unbudgetiert vergütet werden. Die Vergütung von Hausärzten erbrachter Leistungen aus anderen EBM-Kapiteln ‒ soweit diese nicht generell extrabudgetär honoriert werden – würden dagegen weiterhin regional geregelt werden. Das Ministerium plant dazu den Begriff des hausärztlichen Leistungsbedarfs einzuführen. Dieser definiert den finanziellen Bedarf, der sich aus der Summe aller erbrachten und abgerechneten hausärztlichen Leistungen ergibt. „Dabei müssen die abgerechneten Leistungen nach sachlicher und rechnerischer Prüfung anerkannt sein,“ heißt es in der Entwurfsbegründung. Selbsternanntes Ziel ist es, generell, die „Leistungen der allgemeinen, hausärztlichen Versorgung von mengensteuernden und honorarmindernden Maßnahmen der MGV und Honorarverteilung [auszunehmen].“
Gemeint ist im Ergebnis, dass die MGV wie bisher bestehen bleibt, so dass dem hausärztlichen Versorgungsbereich auch künftig ein fester Geldbetrag zur Verfügung steht. Übersteigen jedoch die Leistungsanforderungen der Hausärzte in ihrer Gesamtheit diese Summe, wird der Mehrbetrag von den Krankenkassen zusätzlich vergütet. Für die Kassen bedeutet, dies, dass die MGV nicht mehr mit der bisherigen ‚befreienden‘ Wirkung gezahlt wird, sondern dass ggf. eine Nachschusspflicht besteht. Parallel trifft aber weiter voll zu, was BMG-Staatssekretärin Dittmar im Herbst 2022 ausführte – damals mit dem Ziel, zu erklären, warum der Honorardeckel nicht aufgehoben werde: „Die hausärztliche Entbudgetierung steht im Koalitionsvertrag drin, das stimmt. Mir sagen aber wirklich ganz, ganz viele der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, dass das Budget für sie eigentlich kein Thema mehr ist. Wenn wir die Entbudgetierung jetzt umsetzen würden, hätte es für die Hausärzte keine gravierenden Auswirkungen.“ (~ Quelle)
Die unten verlinkte, ausführliche Hintergrundrecherche des änd – bereits aus November 2023 – bestätigt diesen Befund. Befragt wurden alle KVen. Deutliche positive Honorareffekte erwarteten dabei lediglich Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein. Allerdings wurde dennoch das Vorhaben von allen zitierten KV-Verantwortlichen begrüßt. Der Hausärzteverband meint dazu: „In der Tat ist die Situation nicht überall identisch. Aber auch Praxen in weniger betroffenen Regionen wie Bayern könnten von der Entbudgetierung aufgrund einer besseren Planbarkeit profitieren. (…) Nicht zuletzt mit Blick auf eine flächendeckende hausärztliche Versorgung in Zukunft ist eine Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich also keinesfalls überflüssig.“ (~ Entbudgetierung – ein Weg ohne Alternative)
Dass es einen spürbaren Honorareffekt geben wird, belegen zudem allein die Kassenreaktionen. Sowohl vdek als auch AOK-Bundesverband haben sich – verbunden mit eigenen Vorschlägen, was Ärzte besser machen sollten (~ vdek-Mitteilung v. 25. Januar) – gegen die BMG-Pläne ausgesprochen. Die AOK-Vorsitzende Reimann meint: „Eine Entbudgetierung, so wie sie auch im Koalitionsvertrag steht, ist nicht zielführend. Wollen wir eine ambulante ärztliche Versorgung auch in der Fläche erhalten, müssen wir über andere Lösungen nachdenken. Da ist Geld nicht das zentrale Thema.“ (~ Quelle) Und so wird wohl noch viel Wasser die Flüsse hinunterlaufen, bevor MVZ und Praxen des hausärztlichen Bereiches wissen, woran sie künftig sind.
Ärzteblatt v. 26.01.2024
Entbudgetierung: Mehr Freiraum für Hausärzte (PDF)
Pharmazeutische Zeitung v. 24.01.2024
Hausärztliche Entbudgetierung: vdek erwartet 2 Milliarden Euro Mehrausgaben
Ärztenachrichtendienst v. 28.11.2023
Entbudgetierung: Wer profitiert wie stark?
Digitalgesetze nehmen letzte Hürde | Was das für Praxis + MVZ bedeutet
Am 2. Februar hat der Bundesrat final die zwei Digitalgesetze bestätigt, die der Bundestag bereits vor zwei Monaten verabschiedet hatte. Zum einen das für alle Praxen hochrelevante Gesetz zur Digitalisierung im Gesundheitswesen (Digital Gesetz – kurz DigiG), und zum anderen das Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten, mit dem innovativen Namen Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Letzteres wird die Praxen insofern betreffen, als dass die angestrebte Interoperabilität der Systeme aller Gesundheitsanbieter, sich auf die verschiedenen Systeme auswirken wird. Allerdings sollen mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zunächst Leitfäden erarbeitet werden. Zudem entbrennt eine Debatte um die Fristen, die mit der Gesetzgebung einhergehen. Wie sich das Ganze konkret ausgestaltet, ist also bisher nicht absehbar.
Unmittelbar praxisrelevant sind dagegen die Konsequenzen des Digital-Gesetzes.
- Die mit dem 01.01.2024 verpflichtende Anwendung des eRezeptes ist nun rückwirkend gesetzlich verankert. Damit sind, dem Grunde nach, jetzt auch alle Sanktionen rechtlich untermauert. Das Inkrafttreten erfolgt, wie üblich, mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger. Das wird zeitnah geschehen, womit gilt: MVZ und Praxen, die mit Beginn des zweiten Monats nach Inkrafttreten – das wird wahrscheinlich der 01. April sein – „gegenüber ihrer Kassenärztlichen Vereinigung nicht nachweisen können, Verordnungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln elektronisch auszustellen und zu übermitteln, wird das Honorar um ein Prozent gekürzt.“ (~ KBV v. 08.02.2024) Ferner weist die KBV erneut darauf hin, dass eine 50-prozentige Kürzung der monatlichen TI-Pauschale zu erwarten ist, wenn nicht die aktuelle Version der e-Rezept Software installiert wurde. Wir hatten detailliert über die möglichen Abzüge berichtet (~ Ausgabe KW49/2023)
- Ab 1. März muss die aktuelle Version der eArztbrief-Software installiert sein, da sonst auch hier eine Kürzung der TI-Pauschale von 50 Prozent zu befürchten ist. Ab Beginn des dritten Monats nach Inkrafttreten, sprich vermutlich ab 1. Mai, müssen ärztliche und psychotherapeutische MVZ und Praxen eArztbriefe empfangen können.
- Hauptbestandteil des DigiG ist die Umsetzung der ePA. Ab dem 15. Januar 2025 sind die Krankenkassen verpflichtet, die ePA zu etablieren. Es bleibt bei der Opt-Out Lösung. Zwar sind die Krankenkassen dazu angehalten, eine Informationskampagne zur ePA auf die Füße zu stellen. Allerdings hat sich die Befürchtung nun bestätigt, dass die Befüllungsaufgabe voll bei den Praxen verbleibt. Vorerst wird in der ePA der digitale Medikationsplan festgehalten. Später wird der Umfang auf die Patientenkurzakte, Laborbefunde und Entlassbriefe ausgeweitet. Es ist damit zu rechnen, dass insbesondere die Datennutzung aus der ePA, welche das erwähnte Nutzungsgesetz regelt, vermutlich viele Patienten verunsichern wird.
- Ferner entfällt mit dem Gesetzesbeschluss die bisherige fall- und leistungsbezogene Begrenzung bei Videosprechstunden. Eine Ausweitung des Umfanges wird in Verhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und KBV erfolgen.
- Das Angebot für die digitalen Gesundheitsanwendungen wurde ausgeweitet und umfasst jetzt auch ‚Medizinprodukte der Klasse IIa‘. Allerdings müssen hierfür erst die Hersteller den medizinischen Nutzen nachweisen, bevor die Anwendungen verschrieben werden können. Beispiele wären, laut KBV, eine Hilfestellungs-App bei der Insulingabe.
- Bei der Datenerhebung und -auswertung der beiden DMP Diabetes Mellitus I + II soll der digitale Mehrwert stärker in den Fokus gestellt werden. Vorgesehen ist daher neu eine Variante der DMP mit digitalisierten Versorgungsprozessen. Die Patienten erhalten eine entsprechende Wahlmöglichkeit.
- Apotheken sollen künftig assistierte, telemedizinische Unterstützung anbieten können. Aber auch diesbezüglich werden die spezifischen Ausführungen erst noch ausgehandelt.
Summa summarum ist das also ein umfangreiches Paket. Die kommenden Monate, in denen die ganzen Umsetzungsdetails geregelt werden, bleiben also spannend. Interessant wird insbesondere sein, wie die Krankenkassen ihrer Informationspflicht nachkommen, und wie die einzelnen KVen die Sanktionierung der Praxen, in Bezug auf die TI-Pauschalen-Kürzung in der Realität umsetzen. In den vergangenen Wochen ist besagte Debatte neu entbrannt, indem mehrere KVen eine Verschiebung der Frist für die eArztbrief-Pflicht fordern. Dabei verweist etwa die KV Berlin auf die unzureichende Unterstützung vonseiten der Softwarehersteller. (~ KV Berlin v. 07.02.2024) Bis dato hat sich aber noch keiner der relevanten Akteure dazu geäußert.
ÄrzteZeitung v. 02.02.2024
Bundesrat macht Haken an Lauterbachs Digitalgesetze
GKV-Spitzenverband v. 02.02.2024
Digitalgesetz: Großes Potenzial, aber unrealistische Fristen
KBV v. 02.02.2024
Pflicht zum Empfang von eArztbriefen ab 1. März 2024 | Sinnvolle Anwendung, aber BMG droht mit Fristen und Sanktionen
Zwischenstand zu Hybrid DRGs | Von stockenden Verhandlungen und dem „modifizierten Dreisatz“
Sechs Wochen nachdem am 1. Januar die Verordnung zu den Hybrid-DRGs in Kraft getreten ist, ringen die Verantwortlichen und Verbände auf allen Ebenen immer noch um die Antwort auf eine schlichte, aber entscheidende Frage: Wie sollen die Leistungen abgerechnet werden? Hintergrund ist die kurz vor Weihnachten vom BMG veröffentlichte Hybrid-DRG-Verordnung, die völlig überraschend keine Bestimmungen zur Abrechnung enthalten hatte. „Da sind Ärger und Frust vorprogrammiert. Per vorweihnachtlichem Brief informiert das Ministerium über die Hybrid-DRG-Verordnung, wie sie ab 1. Januar 2024 gelten soll“, kritisierte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. Verbunden wurden das vom BMG mit dem Satz, dass „es nun in der Verantwortung der Selbstverwaltung [läge], Verfahren zu finden und die Hybrid-DRG in der Praxis gangbar zu machen.“ (~ Quelle) Nun: Das ist bisher so gar nicht gelungen. Wir haben uns daher bemüht, den aktuellen Sachstand der Debatte zusammenzufassen – wobei die unterschiedlichen Perspektiven der verschiedenen Interessenvertreter vermuten lassen, hier würden teils vollends unterschiedliche Dinge diskutiert.
Zur Erinnerung: Nach zähem Ringen um die Förderung der ambulanten Operationen im Herbst 2022, wurde das Ergebnis, das GKV Spitzenverband und KBV präsentierten, zugleich in Teilen obsolet. Denn mit der angestrebten sektorgleichen Vergütung nach § 115f SGB V, musste das Vorhaben Hybrid-DRGs binnen eines Jahres erwachsen werden. Das ging der Selbstverwaltung dann deutlich zu zügig, weshalb man dem BMG im Frühjahr 2023 gewissermaßen ein Patt signalisierte und erklärte: ‚Man könne sich nicht einigen.‘ (~ KW15/2023: Verhandlungen … über sektorengleiche Vergütung von OPs gescheitert) Das BMG reagierte mit der im ursprünglichen gesetz bereits vorgesehenen Ersatzvornahme, und ließ vom InEK und dem Institut des Bewertungsausschusses (InBA) einen Startkatalog erarbeiten. Dieser wurde im Herbst veröffentlicht (~ Hybrid DRG-Startkatalog: Das BMG macht Ernst – Ausgabe KW41) und umfasst „jeweils noch ausdifferenziert– bestimmte Hernieneingriffe, die Entfernung von Harnleitersteinen, Ovariektomien, Arthrodesen der Zehengelenke sowie Behandlungen eines Sinus pilonidalis (Steißbeinfistel).“ ( ~Ärzteblatt v. 05.10.2023) Was nicht mitgeliefert wurde, ist eine klare Abrechnungsregelung. Lediglich ein Rahmen wurde vorgegeben, über dessen „Risiken und Nebenwirkungen“ sich rechtswissenschaftlich Interessierte z.B. in diesem Aufsatz informieren können. Im Fokus der Kritik steht die Komplexität des Ganzen, die sich nun auch bei den aktuellen Verhandlungen um die konkrete, alltagstaugliche Ausgestaltung als hohe Hürde darstellt.
Aktuell stellt sich die Situation wie folgt dar:
In der letzten Meldung der KBV vom 18. Januar hieß es, dass die Verhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) andauern, es allerdings immer noch offen sei, wie die ambulanten Eingriffe nun konkret abgerechnet werden könnten. Die KBV strebt ein einfaches und unbürokratisches Verfahren an, mit dem „Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit erhalten [sollen], auch Leistungen nach § 115f SGB V über ihre KV quartalsweise oder auch monatlich abzurechnen.“ (~ KBV v. 18.01.2024). Ebenso sei eine Anpassung des EBM erforderlich. Prinzipiell gibt der Rahmen der Verordnung des BMG vor, dass alle Leistungen, also Operationsvorbereitung bis hin zur postoperativen Überwachung mit der jeweiligen Hybrid-DRG abgegolten sind. Das kommt beim Honorar in vielen Fällen dem ambulanten Sektor erst einmal entgegen, stellt die Krankenhäuser allerdings vor eine Herausforderung, denn summa summarum bekommen sie somit eine geringere Vergütung als bisher (~ ‚Hybrid-DRG sind aktuell nur eine Schadensbegrenzung‘). Parallel ist für den vertragsärztlichen Bereich aber völlig unklar, wie das Komplexhonorar auf die beteiligten Fachgruppen verteilt werden soll. Eine Hürde, die zusätzliche Streitigkeiten innerhalb der Gruppe der ambulanten Akteure auslöst und die ganze Diskussion vollends unübersichtlich macht.
Im Rahmen der aktuellen Verhandlungen hatten die Berufsverbände der Deutschen Chirurgie (BDC) und der Deutschen Anästhesisten (BDA) Ende Januar eine Empfehlung zur Honoraraufteilung abgegeben: Aufteilung der Hybrid-DRG: BDC und BDA einigen sich auf Empfehlung. Dem widersprach dann allerdings unmittelbar der konkurrierende Berufsverband der niedergelassenen Chirurgen: BNC widerspricht BDA und BDC bei Aufteilung der Hybrid-DRG – mit dem Ergebnis, dass die vertragsärztlichen Akteure weiterhin nicht wissen, was tun. Dieser Konflikt steht symbolisch für das Hin und Her, das hinter den Kulissen abläuft. Wann alle Beteiligten zu einer Einigung kommen, ist noch offen. Ebenso bleibt zunächst offen, inwiefern sich eine Einigung auf die tatsächliche Ambulantisierung auswirkt. Aufgrund des Umfanges des bisherigen Kataloges sind die Erwartungen gen Ambulantisierung ohnehin dürftig, so dass die Hoffnungen eher auf einem zügigen Ausbau der Leistungen beruhen.
Ärzteblatt v. 19.01.2024 | 05.02.2024
Fachärzte drängen auf schnelle Lösung für Abrechnung von Hybrid-DRG
Verhandlungen zur Umsetzung der Hybrid-DRG dauern an
Bundesgesetzblatt v. 21.12.2023
Verordnung über eine spezielle sektorengleiche Vergütung
Gesetzgebungspläne des BMG: Versorgungsgesetz I | Neustart mit neuem (?) Entwurf
Bekanntermaßen plant das BMG für den ambulanten Bereich zwei größere Gesetze, die zeitlich und inhaltlich aufeinander aufbauen sollen. Hier hat es vor drei Wochen ein Update aus dem Ministerium gegeben. Wie und wo sich die MVZ-Debatte dabei wiederfindet, beleuchten wir in einem eigenen Betrag (~ Reiter ‚Was sonst noch relevant ist‚). Konkreter Anlass der Veröffentlichung einer neuen Fassung des Entwurfes für das ‚Versorgungsgesetz I‘ dürfte das Spitzentreffen zwischen Ministerium und Ärzteverbänden vom 9. Januar und die dabei gegebene Zusage gewesen sein, noch im Januar für die Hausarztentbudgetierung einen Gesetzesentwurf vorzulegen. Denn genau dieser neu hinzugenommene Passus (~ Änderungen der §§ 87a + b SGB V) macht den entscheidenden Unterschied zwischen dem Entwurf vom Juni 2023 (56 Seiten) und dem aktuellen (77 Seiten) aus. Details zur Hausarztentbudgetierung erläutern wir in einem eigenen Artikel (~ Reiter ‚Wichtig im Praxisalltag‚).
Ebenso wie für den alten Entwurf gilt aber für den neuen, dass Lauterbach die notwendige Ressortabstimmung mit den Regierungspartnern noch nicht überstanden hat. Soll heißen, dass es sich nach wie vor lediglich um eine ausformulierte BMG-interne Arbeitsfassung handelt. Als Haupthindernisse gelten die FDP und ihre Abneigung gegen die geplanten Gesundheitskioske, sowie allgemein der Kostenaufwand, der mit Einführung eben jener sowie der Gesundheitsregionen und der Community Health Nurses auf Kassen und Kommunen zukäme. Es gibt also einige Fragezeichen – und klargestellt werden muss: Es steht zwar auf dem seit 17. Januar kursierenden Papier, das den Datumsstempel 19.12.2023 trägt, der Titel ‚Referentenentwurf‘ … aber streng genommen ist es keiner. Daher gibt es auch weiterhin keine offiziell auf der BMG-Homepage verfügbare Fassung und auch keinen Anhörungstermin für die Fachverbände.
Nichtsdestotrotz ist dem aktuellen Entwurf natürlich sehr konkret zu entnehmen, wohin das BMG steuert. Weiterhin enthalten ist eine Detailergänzung in § 95 Absatz 2 SGB V, mit der das bisherige Erfordernis an MVZ in der Rechtsform einer GmbH, eine unbegrenzte selbstschuldnerische Bürgschaft abzugeben, praxistauglicher auf die Abgabeverpflichtung einer in der Höhe begrenzte Bürgschaft reduziert werden soll. Wobei die konkrete Höhe zwischen Kassen und KZBV, bzw. KBV für beide Bereiche getrennt in einer Art Rahmenvorgabe einheitlich bestimmt werden soll, um KV-regionaler Willkür vorzubeugen. Diese Verfahrenserleichterung zielt auf kommunale MVZ, adressiert aber ausdrücklich in der Begründung auch MVZ GmbHs in allen anderen Trägerschaften.
Ansonsten geht es in dem Entwurf vor allem darum, „die Gesundheitsversorgung in den Kommunen zu stärken und dabei gleichzeitig die individuelle Gesundheitskompetenz zu erhöhen.“ Allerdings hat sich hierbei zum Vorentwurf kaum etwas geändert. D.h., wenn Sie mehr Details wissen wollen, sollten Sie einfach auf die ‚alten‘ Texte zurückgreifen: Gesundheitskioske sollen niedrigschwellige Unterstützung bieten | Lauterbach will Primärversorgungszentren etablieren. Ganz neu im Entwurf sind daneben kleinere Ergänzungen, die es der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen künftig erlauben, regelhaft statt in Präsenz hybrid oder rein digital zu tagen. Und – spannend – die Kompetenzen des Bundesrechnungshofes sollen dahingehend erweitert werden, dass künftig u.a. auch die Haushaltsführung der KVen und KZVen zu seinen Prüfobjekten werden, weil sie mittelbare Empfänger von Geldern aus dem staatlichen Gesundheitsfond seien. Ziel ist, die „finanzielle Transparenz und Kontrolle im Gesundheitssystem weiter zu erhöhen“.
AOK Gesetzgebungskalender
Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune
Ärzteblatt v. 17.01.2024
Entwurf für Versorgungsgesetz enthält Regelungen zur Entbudgetierung
MFA-Tarifstreit endet mit Einigung | Ergebnis wird am 16. Februar verkündet
Die mit dem Warnstreik am 8. Februar einhergehende Verhandlungsrunde zwischen dem AAA und dem Verband der medizinischen Fachberufe (vmf) hat überraschend eine Einigung ergeben. Das Ergebnis wird allerdings erst mit dem Ende der Erklärungsfrist am 16. Februar bekannt gegeben, wie der vmf mitteilt (~ direkt zu). Der Streik selbst war für den Verhandlungserfolg aber wohl eher nicht ausschlaggebend. „Mindestens 2.000 [von 330.000 MFA] folgten laut der Nachrichtenagentur dpa dem Aufruf, ein relativ kleiner Anteil. Allerdings sind auch nur wenige Angestellte gewerkschaftlich organisiert, und für Mitarbeiter in kleinen Betrieben wie Arztpraxen kann es schwierig sein, ihr Streikrecht durchzusetzen.“ (~ Tagesschau.de v. 08.02.2024). Die vmf-Präsidentin König zeigte sich mit dem Ergebnis daher zufrieden und verkündete: „MFA sind keine Lokführer. Die Problematik ist um einiges komplizierter und liegt zu einem wichtigen Teil im System der Finanzierung des Gesundheitswesens.“ Dass vonseiten verschiedener Arbeitnehmerverbände deutschlandweit Parallelen zur Deutschen Bahn gezogen werden, ist insoweit problematisch, als dass die Deutsche Bahn 2021 rund 29 Milliarden Schulden hatte (~ zur DB), also mehr als halb so viel, wie die gesamte ärztliche Versorgung in Deutschland jährlich kostet (~ vdek).
Gleichwohl sind im Kontext gestiegener Inflation, die nicht zuletzt auch auf die Gehaltssteigerungen im öffentlichen Sektor zurückzuführen sind, die Bedingungen für viele MFA prekär. Wir konnten uns am 8. Februar persönlich einen kleinen Eindruck vom Warnstreik vor der Bundesärztekammer in Berlin verschaffen. Die Frustration ist hoch und in der Tat sind die Abwerbungsversuche von MFA durch Kassen, Krankenhäuser und die Pflege eine ernsthafte Gefahr für den ambulanten Sektor. Es liegt uns fern, die MVZ-Praktikerinnen und Praktiker über die Realitäten ihres Alltags aufzuklären, denn die Personalverantwortlichen wissen ohne Frage um die Umstände. Es sei an dieser Stelle dennoch auf die Chancen verwiesen, die sich durch die Unzufriedenheit der MFA in Einzelpraxen ergeben können. Durchdachte Mitarbeiterbindungskonzepte, Sensibilisierung der Ärzte und eine aufrichtige Unterstützung sind in der Regel Maßnahmen, die einen signifikanten Aufwand erfordern und daher in größeren Strukturen leichter und effizienter umzusetzen sind. Diesbezüglich halten wir zwei Texte für lohnend, die – trotz ihrer Betagtheit– eine gute Übersicht für eine kurze Selbstevaluation bieten: Med2day (2020) Mitarbeiterzufriedenheit & Personalbindung in der Arzt- und Zahnarztpraxis: Das sind die Erfolgsfaktoren für ein zufriedenes Praxisteam | Arzt & Wirtschaft (2018) Warum es sich lohnt, in bessere Mitarbeiterbindung zu investieren.
Sobald das Ergebnis der Verhandlungen zwischen dem vmf und dem AAA bekannt sind, werden wir diesen Artikel um entsprechende Hinweise ergänzen.
NDR v. 08.02.2024
Praxispersonal: Auf Warnstreik folgt Einigung im Tarifstreit
Bundesärztekammer | Themenseite AAA
Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen/Medizinischen Fachangestellten (AAA)
Entbudgetierung | Was vom Krisentreffen des 9. Januar über bleibt – 1. Akt
Am 9. Januar fand das im Dezember mehr oder minder kurzfristig anberaumte Krisentreffen zwischen dem BMG, der KBV und den Standesvertretungen der ambulanten Ärzteschaft u.a. mit Bundesärztekammer, SpiFa, Bundesverband Kinder- und Jugendärzte und jenem der Hausärzte statt. Im Grunde war also der Haupt-Cast des Theaterstückes „Warten auf Entbudgetierung“ vertreten. Etwas zynisch könnte man in der Tat behaupten, die ein oder andere Parallele zu Becketts Original auszumachen. Wir haben in Kürze die Ergebnisse und Nachschwingungen zusammengefasst, würden aber dem Ganzen im Ergebnis dann doch eher den Titel ‚Viel Lärm um Wenig‘ geben.
Lauterbach hatte bei dem Treffen zugesagt, dass die Entbudgetierung der Hausärzte, so wie sie auch schon im Koalitionsvertrag versprochen ist, nun auch umgesetzt werden sollte. Zudem werde, unter Bedingungen, die Quartalslogik entfallen. Allerdings ist auch hier bei Weitem nicht alles Gold, was glänzt. Wir haben diesem Thema darum einen separaten Artikel gewidmet (~ Reiter Wichtig im Praxisalltag). Im Vorfeld wurde von diversen Fachverbänden mit Nachdruck gefordert, dass mit der Einwilligung für die Hausärzte, auch die Entbudgetierung der Fachärzte einhergehen müsse (~ ÄrzteZeitung v. 05.01.2024). SpiFa-Chef Heinrich hatte als Konsequenz der Untätigkeit eine Leistungskürzung durch die Ärzte (‚Dienst nach Vorschrift‘) und längere Wartezeiten für Patienten in Aussicht gestellt. Allerdings scheinen diese Drohkulissen, die mit der Aktion „Praxis in Not“ und den damit verbundenen Praxisschließungen zwischen den Feiertagen ihren bisherigen Höhepunkt hatten, keinen wirksamen Effekt beim BMG zu erzielen.
Abseits des theatralischen Gebärdens gibt es – realistisch betrachtet – momentan keinerlei Aussicht auf eine Entbudgetierung der Fachärzte, oder auch nur eine vage Form der Zusage. Vermutlich hallt beim BMG auch noch das Gutachten des Bundesrechnungshofes nach. Am 13. November 2023 hatte dieser eine Stellungnahme zur „Extrabudgetäre Vergütung von vertragsärztlichen Leistungen in der ambulanten Versorgung“ veröffentlicht, in der selbst die Entbudgetierung der Hausärzte kritisiert und grundsätzlich der Nutzen von extrabudgetären Vergütungen infrage gestellt wird. Diese könnten einzig sinnvoll sein, erklären die Bundes-Kassenprüfer – sofern sich eine Kostenersparnis oder ein signifikanter Nutzen für die Patientenversorgung abzeichne. Das Papier beschreibt angesichts der angespannten Kassenlage ein eher düsteres, wahrscheinlich aber nicht ganz unrealistisches Bild des Erwartbaren. (~ BRH-Bericht nach § 88 Abs.2 BHO | PDF)
Auch wenn es innerhalb der Regierungskoalition durchaus Verständnis für die Forderung nach einer umfänglichen Entbudgetierung gab, so blieb bisher die Frage unbeantwortet, wie das finanziert werden solle. Vonseiten der Fachärzteschaft wird darauf verwiesen, dass Hausärzte dem Grunde nach ohnehin schon größtenteils extrabudgetär abrechnen würden. Impliziert wird damit, dass der Mehrwert für die hausärztlichen Kollegen nicht so groß sei. Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings auch, dass bei einer Entbudgetierung der Fachärzte deutlich höhere Kosten entstehen würden. Abseits der Standespolitik ist bei den Forderungen zu bedenken, dass Mehreinnahmen der Kassen eigentlich nur über Zusatzbeiträge möglich sind, denn der Politik sitzt ein überaus wirkmächtiger Akteur im Rücken: die deutsche Wirtschaft. Und die hat eindeutig klargemacht, dass höhere SV-Beiträge schlichtweg ein No-Go seien (~ DIHK v. 30.01.2024).
Pharmazeutische Zeitung v. 10.01.2024
FDP, Union und Virchowbund: Kritik an Lauterbachs Reformplänen
Ärzteblatt v. 09.01.2024
Lauterbach kündigt Zeitplan für Ende von Honorarobergrenzen der Hausärzte an
Deutscher Fachärzteverband v. 09.01.2024
SpiFa nach Krisengipfel: Fachärztinnen und Fachärzte bleiben weiter im Protestmodus!
Entbürokratisierung & Regress-Reduktion | Was vom Krisentreffen des 9. Januar über bleibt – 2. Akt
Neben expliziten Honorarfragen (~ 1. Akt) ging es der Ärzteschaft am 9. Januar auch um das große Ganze. Um Respekt gegenüber den täglichen Leistungen, die die Praxen erbringen. Um Sichtbarkeit im aktuellen Überbietungswettbewerb, welche Branche gerade am meisten Krisen abfedern muss. Und natürlich – gerade in Konkurrenz zum stationären Sektor – um das Buhlen um die Aufmerksamkeit der Gesundheitspolitiker, bzw. des Bundesgesundheitsministers. Insofern ging es bei dem Treffen auch um ganz viel Psychologie. Vor diesem Hintergrund bekommt diese ziemlich treffende Analyse des Ministers der Süddeutschen Zeitung (~ Quelle) eine zusätzliche Bedeutungsebene: „Ob er nicht manchmal zu undiplomatisch ist? Lauterbach sagt: „Charme bringt keine Reformen.“ Am Ende gehe es doch um die Sache. Vielleicht ist es diese Haltung, die am Ende über Wohl und Wehe von Lauterbachs Amtszeit entscheidet: Die Fähigkeit, Menschen ungerührt vor den Kopf zu stoßen, macht ihn zum Albtraum aller Lobbyisten – aber es erschwert ihm auch, Verbündete zu finden, selbst in den eigenen Reihen.“
Dennoch erlebten die Ärztevertreter am 9. Januar einen Minister, der durchaus auch positive Zugeständnisse im Gepäck hatte. Allerdings ist davon – ehrlich gesagt – das wenigste wirklich neu. Zeitlich nicht ungeschickt platzierte der Minister bei dem ‚Gipfeltreffen‘ einfach alle ohnehin geplanten Maßnahmen, auf die die Ärzteschaft teils schon länger wartet, als extra dafür vorbereitete Agenda. Tatsächlich hat er ein 3-seitiges „Maßnahmenpaket zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung“ mitgebracht (~ Volltext-PDF), das neben der im Koalitionsvertrag schon vorgesehenen Hausarztentbudgetierung auch weitere finanzielle Zuckerl für die Hausärzte vorsieht (Vorhaltepauschale, neue EBM-Ziffer für Hitzeberatung, Auflösung des Quartalsbezugs bei der Chronikerziffer) und – für alle Ärzte relevant – Entlastung durch sinnhafte Entbürokratisierung angekündigt. Dazu soll in einem ersten Schritt eine ‚„wirkungsvolle Bagatellgrenze“ bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen eingeführt werden, mit der nach Aussage des Minister 80 % aller Regressverfahren künftig gar nicht mehr stattfänden. Eine Idee, die aus Arztsicht mehr als Charme hat. „Wir brauchen keine Kultur des Misstrauens“, begründete Lauterbach seine Ankündigung. Wie hoch die neue Bagatellgrenze genau sein muss, wird aber noch diskutiert, berichtet eine Woche später Hausarzt.digital (~ Quelle). Und: „Dabei zu bedenken sei aber auch, dass Kassen einzelne niedrige Regresse künftig nicht mehr aufsummieren dürfen sollten, … Denn bislang sei dies erlaubt.“
Auch hier handelt es sich also wieder vor allem um eine geschickt platzierte Ankündigung – auch vier Wochen später noch ohne jede Folge. Obwohl diese Bagatellgrenze gemäß besagten Maßnahmenpakets schon mit Versorgungsgesetz I kommen soll, enthält zumindest die Mitte Januar veröffentlichte neue Entwurfsfassung (~ Reiter ‚Nachrichten‘) dazu: ‚Nichts‘. Die KBV selbst hatte im Übrigen vor gut zwei Jahren einmal den Betrag von 200 € als sinnvolle Bagatellgrenze ins Spiel gebracht (~ Bericht des KBV-Vorstands v. 4. MäRz 2022) – wohingegen das Ärzteblatt in seiner Ausgabe vom 26. Januar 2024 berichtet, dass „Lauterbach … eine Größenordnung von 300 Euro als mögliche Grenze [nannte].“ (~ Quelle) Mit dem selben Ziel der ‚Entbürokratisierung‘ werden in dem Papier im Übrigen auch weitere, vor allem nur für einzelne Fachgruppen relevante Maßnahmen sowie die Zulässigkeit digitaler Sitzungen der Beschwerdeausschüsse (Aber warum nur bei denen?) aufgezählt – alle mit dem Zeit-Hinweis ‚Versorgungsgesetz II‘ versehen.
Ferner ging es am 9. Januar auch um die Optimierung der Abläufe rund um die Digitalisierung im ambulanten Gesundheitswesen. Hier gab es viele Wünsche auf Seiten der Ärzteschaft, über die Lauterbach aber – siehe Charakterisierung durch die SZ – relativ brachial hinweggegangen ist. Sein Maßnahmenpapier führt dafür – und der aus Anwendersicht eher schwarze Humor ist dabei sicher nicht beabsichtigt – die Möglichkeit, dass Ärzte AU und Rezept elektronisch ausstellen können, als relevante ‚Entlastung‘ an. So wird vom BMG auch die bereits mit dem Digitalgesetz beschlossene Vorgabe verstanden, dass der Wechsel der Praxissoftware künftig durch strenge Kompatibilitätsvorgaben erleichtert werde. Bei dem Themenkomplex zeigte sich die Ärzteschaft folgerichtig enttäuscht: „Vermisst haben die KBV-Oberen zudem konkrete Verbesserungen bei der Digitalisierung der ärztlichen Versorgung. Unklar geblieben sei, wie der Wechsel zu ‚leistungsfähigen Praxisverwaltungssystemen‘ (PVS) finanziert werden solle.“ (~ Quelle)
Und auch sonst fällt das Fazit sehr gemischt aus. Mit Dr. Heinrich und dem SpiFa sind die Fachärzte weiter auf Brass, da in dem Ministerhandeln eine Geringschätzung der Facharztmedizin erkannt wird, die dazu diene, „das Gesundheitssystem komplett umzubauen“, da der Minister die Fachärzte auf mittlere Sicht in den Krankenhäusern statt in den Praxen sehen würde: Reformversprechen: „Ein Versuch, die Ärzteschaft zu spalten“. Der Hausärzteverband dagegen lobt sich dafür, dass es „gelungen [sei], die Bedeutung der hausärztlichen Versorgung ganz oben auf die öffentliche Agenda zu setzen.“ Allerdings, und das bleibt die Crux, müsse man „in den nächsten Wochen und Monaten … der Politik und der ärztlichen Selbstverwaltung mit Argusaugen auf die Finger schauen, um sicherzustellen, dass aus diesen guten Eckpunkten auch gute Gesetze und letztlich merkliche Verbesserungen für die hausärztlichen Praxen werden.“ (~ Quelle)
Wie bei der Krankenhausreform und bei der MVZ-Debatte bleiben also Karl Lauterbach auch hier ab jetzt nur wenige Monate, die darüber entscheiden, ob er als Ankündigungsminister in die Annalen eingehen wird, oder als der große Reformer, als den er sich selbst vermutlich gerne sehen würde.
BMG – Bundesgesundheitsministerium v. 09.01.2024
Lauterbach: Große Reformen für den Praxisalltag auf dem Weg
Apotheke Adhoc v. 09.01.2024
Lauterbach will Strafen streichen | Regresse: „Eine Qual für viele Praxen“
RND – Redaktionsnetzwerk Deutschland v. 09.01.2024
Nach dem Krisengipfel: Hausärzte bekommen mehr Geld – Fachärzte wollen weiter protestieren
MVZ-Gesetzgebung | Aufgehoben? Aufgeschoben? Wer weiß das schon …
Genau 412 Tage waren beim Verfassen dieses Textes vergangen, seit Karl Lauterbach Weihnachten 2022 seinen Tweet mit dem ‚letzten schönen Weihnachten für Investoren‘ abgesetzt hat (~ mehr Details). Angekündigt war eine Gesetzgebung innerhalb von drei Monaten. Doch bis heute gibt es weder Eckpunkte noch einen ausformulierten Gesetzentwurf. Heißt das jetzt aber, dass da gar nichts mehr kommt ober bleibt dieses Projekt der BMG-Spitze einfach nur aufgeschoben? Im Dezember 2023 hat das BMG eine aktualisierte Gesetzgebungsagenda veröffentlicht (~ Bericht mit Abbildung des Originaldokuments) und darin vermerkt, dass die „Eingrenzung von Investorentätigkeiten bei MVZ“ nun doch zusätzlich bereits Inhalt des sogenannten Versorgungsgesetz I würden – das unter dem Langnamen ‚Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune‘ seit Juni 2023 einer ausführlichen Entwurfsfassung kursiert.
Diese Ansage schien eine plötzliche Priorisierung der MVZ-Frage zu sein, denn bisher war diese inhaltlich stets mit der zeitlich nachrangigen Ankündigung zu Versorgungsgesetz II verbunden worden (~ Versorgungsgesetz I + II | Was bisher geschah + Blick in die Zukunft). Dazu passgenau erklärte Lauterbachs Staatssekretär Edgar Franke am 13. Dezember 2023 im Bundestag: „Das Bundesministerium für Gesundheit beabsichtigt, Regelungsvorschläge zur Regulierung medizinischer Versorgungszentren (MVZ) in das nächstmögliche Gesetzgebungsvorhaben einzubringen.“ (~ Plenarprotokoll 20/143 | Seite 18204) Entsprechend nervös oder positiv gespannt – je nach Perspektive auf die Debatte – waren über den Jahreswechsel die Akteure.
Und dann … dann wird Mitte Januar ein neuer Arbeitsentwurf des Versorgungsgesetzes I veröffentlicht, der zu diesem Thema genau ‚Nichts‘ enthält. Was soll man davon halten? Die KZBV nahm das zum Anlass, unmittelbar am 23. Januar noch einmal den Druck zu erhöhen: Dynamische Entwicklung von Investoren im Gesundheitsbereich muss endlich gestoppt werden. Allerdings darf bezweifelt werden, dass es ‚Druck‘ ist, den Lauterbach braucht, um seinen ‚Versprechungen‘ bei der MVZ-Thematik Taten folgen zu lassen. Vielmehr dürfte – wie mehrfach berichtet – der komplizierte Spagat zwischen Regulierungswunsch, der unzweifelhaft beim Minister vorhanden ist, und umsetzbarer Wirklichkeit, eingeschränkt durch Zweifel an der Grundgesetzkonformität des geplanten Regulierungsgesetzes, die große Herausforderung sein. Deshalb gibt es weiter nur heiße Luft. Wer heute konkret mehr wissen will, muss also erneut die Glaskugel polieren, denn es gibt schlichtweg nichts handfestes zu berichten.
Daher sei abschließend auf den CSU-Bundestagsabgeordneten Pilsinger verwiesen, der am 2. Februar – ohne damit konkret die MVZ-Debatte zu meinen – sein Empfinden bezüglich der Widersprüche zwischen Reden und Handeln des BMG so beschrieb: „Wie viele Ankündigungen von Gesetzesvorhaben [der Minister] eigentlich noch machen wolle? Warum er sie über die Medien spiele? „Man hat ja förmlich den Eindruck, man wird von Karl Lauterbach in den Medien verfolgt.“ Mehr als die Ankündigung, man habe etwas auf den Weg gebracht, gebe es in der Regel nicht, die Versprechungen seien „völlig substanzlos.“ Und er forderte konkrete Gesprächsgrundlagen: „Wir sind kein Debattierkreis und keine Selbsthilfegruppe, senden Sie uns mal was zu!“ (~ Quelle) Ja, das wäre in der Tat mal eine erfrischende Abwechslung …
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