PRAXIS.KOMPAKT | UPDATE Gesetzgebung
„Ich muss so viele Gesetze machen“, sagte Minister Lauterbach im Februar 2024 (~ Quelle). Und das stimmt! In seinem Ressort hat sich über die letzten 2,5 Jahre einiges angestaut. Zwar gehen Gesetze selten schnell, aber bei der Gesundheitspolitik derzeit besonders langsam. Aus diesem Grund geben wir Ihnen in dieser Spezialausgabe zum Finale der Redaktionspause unseres Teams zu fünf konkreten Themen, die den gesetzlichen Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung im Besonderen berühren, jeweils ein kurzes Update zum Verfahrensstand – verbunden mit passenden Originalbeiträgen aus früheren PRAXIS.KOMPAKT-Ausgaben, die inhaltlich weiter Bestand haben und daher – gerade in unserer schnelllebigen Zeit – auch beim wiederholten Lesen Erkenntnismehrwert versprechen.
+++ UPDATE Gesetzgebungsperspektive Sommer/Herbst 2024
„Jahresplan des Ministers: Lauterbach kündigt 14 Gesetze an.“ – so titelte der Bibliomed-Manager vor 13 Monaten (~ Bericht v. 5. Juli 2023). Bis zu unserem Bericht von Anfang Mai 2024 war Karl Lauterbach dabei nur wenig vorangekommen. Und auch von den im April vom BMG aktualisierten Ankündigungen konnte erneut manches nicht eingehalten werden. Allerdings wurden im Juni/Juli tatsächlich sechs weitere Vorhaben durchs Kabinett gebracht, also sozusagen koalitionsintern genehmigt, und damit immerhin der eigentliche parlamentarische Beratungsprozess eingeleitet. Das betrifft neben 1. dem GVSG (siehe das eigenständige Update) und 2. der Krankenhausreform (~ Eckpunkte & Kritik einfach erklärt), 3. die Reform der Notfallversorgung, 4. die Neuregelung der Organspende, 5. den Umbau der Gematik zu einer ‚Digitalagentur‘, und 6. die Schaffung der Superbehörde BiPAM (Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin), mit dem die Zuständigkeiten von RKI, ÖGD & Co. neu geordnet werden sollen. Beschlüsse zur Apothekenreform und dem Herzkrankheiten-Präventionsgesetz wurden dagegen verschoben und sind aktuell für die Kabinettssitzung am 21. August angekündigt.
Für all diese Projekte gilt trotzdem aber weiterhin, dass es aus Sicht der Versorger nach wie vor nichts belastbar Konkretes gibt, da die Bundestagsberatungen, die in vielen Punkten vermutlich kontrovers laufen werden, nicht vor Mitte September beginnen, auch wenn der Gesundheitsausschuss natürlich auch während der Sommerpause arbeitet. Außerdem sind für zahlreiche Gesetzgebungsprojekte erhebliche inhaltliche Erweiterungen angekündigt, die die derzeit bekannten Entwürfe noch weiter zur Makulatur werden lassen. Zur Einschätzung, wie realistisch die Verabschiedung im Herbst ist, verweisen wir auf den ‚alten‘ Artikel.
KW 18 – 4. Mai: Gesetzgebungsagenda des BMG | Bis zu zehn Gesetze sollen noch vor der Sommerpause ins Kabinett
Während bei den Abkürzungen KHVVG und GVSG wohl inzwischen klar ist, dass sich dahinter Lauterbachs zentrale Reformvorhaben für den ambulanten und den stationären Sektor verbergen, dürfte vielen eher unbekannt sein, was das BMG in seinem Vor-Sommer-Pausen-Endspurt noch alles vorhat. Tatsächlich listet eine interne Vorhabenplanung des BMG – datiert auf den 22. April – ganze zehn laufende Gesetzgebungsprojekte auf, die in den nächsten zwei Monaten mindestens das Kabinett passieren, teils aber direkt auch in die erste Lesung im Bundestag gehen sollen. Darunter die Physiotherapie-Berufereform, das Gesunde-Herz-Gesetz (auch Volkskrankheiten-Detektionsgesetz), die Apothekenreform und sowohl ein Pflegekompetenz- als auch ein Pflegeassistenzeinführungsgesetz. Nicht zu vergessen ein Gesetz zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitswesens und die angekündigte Reform zur Lebendorganspende. Und gerade eben erst hat der Minister auch noch eine nationale Suizidpräventionsstrategie angekündigt.
Kurz gesagt: Es gibt wohl kein strittiges Thema, das Karl Lauterbach auslässt. Viele der Projekte sind allerdings bereits im Koalitionsvertrag verabredet oder zumindest angedeutet worden. Was die Frage aufwirft, wie sich die Koalitionspartner –abseits von Lindners de-Facto-Haushaltssperre – zu den Plänen des BMG verhalten. Und in dem Punkt ist zu konstatieren, dass man sich im Großen und Ganzen einig scheint. So sagte FDP-Gesundheitspolitiker Ullmann als Warnung an den Widerstand der Länder kürzlich: „Eine Einigung auf eine entökonomisierte Finanzierung bei gleichbleibenden Strukturen werden wir nicht mittragen … Die Länder müssten sich klar zum Abbau von Krankenhausbetten bekennen.“ (~ Quelle). Nicht von ungefähr hat sich Minister Lauterbach auch für die Pressekonferenz am 17. April – kurz vor den jüngsten Ländergesprächen zur Klinikreform – sowohl den FDP-Mann, als auch Janosch Dahmen, das grüne Pendant zu Ullmann, und seine SPD-Parteikollegin Heike Baehrens als sichtbare Unterstützung mit auf die Bühne geholt.
Ohne Frage hat die derzeitige Regierungskoalition viele Streitpunkte – hier aber agieren sie gemeinsam. Eine grundlegende Einigkeit muss man auch für das abgespeckte Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) annehmen, jetzt, da die von der FDP ungeliebten kommunalen Strukturreformen weitgehend raus sind. Auch wenn Janosch Dahmen von den Grünen sich ganz sicher ist, dass „dass man im anstehenden parlamentarischen Verfahren über Vorschläge, die in der Ressortabstimmung schon auf dem Tisch lagen [und dann bekanntermaßen gestrichen wurden], werde reden müssen.“
Die spannende Frage ist ja immer, wie wahrscheinlich die ganzen Ankündigungen dann auch eine finale Umsetzung finden werden. Und hier gilt derzeit ehrlich gesagt, dass – wenn nicht vorher die ganze Koalition auseinanderbricht – sehr wohl mit der Inkraftsetzung einer Krankenhausreform als auch mit den absichtsvoll Steuerwirkung entfaltenden Reformmaßnahmen rund um die Hausarztvergütung gerechnet werden sollte. Zwar drohen sowohl die Länder (formaler Verfassungsverstoß wg. Nicht-Beteiligung) als auch die KBV (Aushebelung des Gleichbehandlungsgebotes wg. Steuerfinanzierung der sektorenübergreifenden Einrichtungen) juristisch gegen die Klinikreform vorzugehen. Aber offenkundig scheint Lauterbach bereit, derart nachgelagerte Herausforderungen in Kauf zu nehmen. Auf schon erwähnter Pressekonferenz betonte er: „Es gibt keine andere Reform.“ Man sei zum Erfolg verdammt. Er glaube nicht, dass die Reform noch scheitere, dafür sei sie zu bedeutsam. Die Zeit schreibt ergänzend: „Die gesundheitspolitischen Sprecher der Ampel-Koalition, Heike Baehrens (SPD), Janosch Dahmen (Grüne) und Andrew Ullmann (FDP), äußerten sich zuversichtlich, dass es zu zügigen Beratungen für die Reform im Bundestag kommt.“ (~ Quelle)
Am 30. April hat es zum KHVVG eine dreieinhalbstündige Anhörung der Fachverbände gegeben, bei der alle relevanten Player ihre Kritik noch einmal vorgebracht haben – das aber vergleichsweise zurückhaltend. So stand im Zentrum der von der DKG hierbei vorgetragenen Kritik, dass die nach dem Gesetz vorgesehenen Ermächtigungen der Kliniken für die ambulante Regelversorgung von KV- und ZA-Beschlüssen abhängig sein solle. Wegen der bekannten Unzuverlässigkeit dieser würde man aber eher befürworten, die Ermächtigungen der Kliniken nicht über das klassische Zulassungsprozedere zu führen. Die Hausärzte kritisierten dagegen primär, dass eben jene Ermächtigungen bedingungslos und unbefristet erteilt werden sollen und sahen darin bereits eine Aushebelung der zulassungsrechtlichen Vorschriften. In dasselbe Horn stieß der KBV-Vertreter, der meinte, diese Klinikermächtigungen für die vertragsärztliche Versorgung „wirklich wild zu finden.“
Selbst wenn man unterstellt, dass sich all diese Vertreter lediglich an den wiederholten Aufruf des die Konferenz leitenden BGM-Mannes gehalten haben, in der knappen Zeit bloß nicht das schon in den Stellungnahmen niedergelegte zu wiederholen: Fundamentalopposition sieht anders aus. Eher ließe sich das als aufkommende Resignation deuten. Vielleicht auch als Einsicht in die Geltungsmacht von Lauterbachs Mantra – hier in der Fassung vom 6. Dezember 2022: „Die Verbände des Gesundheitswesens sollen keinen politischen Einfluss auf die geplante große Krankenhausreform haben. (…) Wenn Verbände gute inhaltliche Argumente hätten, würde diese berücksichtigt. Lobbygruppen „werden aber definitiv keinen Einfluss auf die politische Umsetzung haben“, so der SPD-Politiker. „Mein Eindruck ist einfach, dass sie in der Vergangenheit zu viel Einfluss hatten. Und dem möchte ich begegnen.“ Auch Parteipolitik dürfe keine Rolle spielen. „Die Länder wissen, dass eine solche Reform notwendig ist.“ Die Anhörung zum GVSG ist für Montag, den 6. Mai angesetzt. Mal sehen, wie das läuft … wir werden in der nächsten Ausgabe berichten.
Ärzteblatt v. 23.07.2024
Kabinett soll Herzgesetz und Apothekenreform im August beschließen
Heise.de v. 17.07.2024
Viel Kritik am geplanten Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz
Apotheke Adhoc v. 17.07.2024
4 Gesetze auf den Weg gebracht | Im Kabinett beschlossen: BMG-Gesetze im Überblick
+++ UPDATE Ti-Anwendungen & ePA-Pflicht
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Ti-Anwendungen wurden ja bekanntermaßen mit früherer Gesetzgebung gelegt – teilweise bereits in der vorherigen Legislatur. Insoweit ist hierzu im Grunde kein Update zu geben. Spannend sind folglich zum einen, wie sich das eRezept in der Praxis bewährt (~ augenscheinlich ganz gut) und zum anderen, ob es gelungen ist, der Telematikinfrastruktur insgesamt zu mehr Stabilität zu verhelfen (~ naja). Diesbezüglich gab es im Juni neue vage Ankündigungen aus dem Hause Lauterbach (~ Quelle): „Wir haben Instrumente aufgesetzt, um die Daumenschrauben auch anzuziehen“, versprach [der zuständige BMG-Abteilungsleiter Zilch]. Das werde nicht in drei Wochen erledigt sein, „aber wir meinen es ernst.“ Gleichzeitig haben die Verbände eine „überwiegend positive Bilanz“ zum eRezept gezogen. Und ganz aktuell geistern Meldungen durch die Fachpresse, wonach nun auch die PKV-Versicherten flächendeckend das eRezept nutzen können (~ Elektronisches Rezept für Privatversicherte gestartet). Das ist allerdings nicht wirklich neu und vor allem keine Pflicht – weder für die Kasse, noch für den Privatpatienten. Einen kurzen Einblick bietet das Handelsblatt: E-Rezept und ePA – Was die privaten Krankenversicherer jetzt planen.
Bleibt als Hauptfrage also: Kommt die ePA nun Anfang 2025 als Pflichtanwendung für alle? Oder nicht? Hierzu lässt sich Folgendes sagen: Der 15. Januar 2025 steht als Startdatum ziemlich verbindlich fest, allerdings zunächst nur für die zwei Testregionen Hamburg und Franken (Nordbayern). Weiter heißt es: „Verlaufen die Tests reibungslos, soll der bundesweite Rollout erfolgen. Als Starttermin wird der 15. Februar 2025 angestrebt.“ – Ein Satz mit gleich drei Konjunktiven. Von daher ist nicht sicher, dass die ePA-Pflicht für alle am 15. Februar 2025 starten wird. Der vor Kurzem neu berufene Leiter der Stabsstelle Digitalisierung der KBV, Dr. Philipp Stachwitz, meinte dazu vorsichtig kritisch: „Wenn ich jetzt bei der ePA höre, was die PVS-Hersteller sagen, wann sie voraussichtlich das erste Mal ihre Systeme gegen die neue ePA werden testen können, dann kann ich mir ausrechnen, wie lange die Hersteller und wie lange wir dann in den Praxen Zeit zum Testen haben werden. Nicht lang. Das ist definitiv nicht so, wie wir uns das wünschen.“ (~ Quelle). Klar ist aber auf jeden Fall, dass es seitens des BMG einen starken Druck geben wird, die ePA so früh wie möglich (aka deutlich vor der Neuwahl im Herbst 2025) flächendeckend einzuführen. Gilt sie doch als eines von Lauterbach’s Herzensprojekten, mit dem die Patienten unmittelbar erfahren können (sollen), wie nützlich und wertvoll die angestrebte Digitalisierung im Gesundheitswesen ist. Für alle anderen Fristen, Bedingtheiten und Hintergrundinformationen verweisen wir auf den Beitrag vom 21. April.
KW 16 – 21. April: Das Digitalgesetz (DigiG) ist in Kraft | Kurzer Überblick zu Pflichten und Terminen
Mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger ist das Digitalgesetz, das bereits im Dezember vom Bundestag verabschiedet worden war, am 26. MäRz nun auch offiziell in Kraft getreten. Gleiches gilt größtenteils auch für das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Da aufgrund der langen Zeitläufe in den vergangenen Monaten immer wieder Debatten um Fristverschiebungen und um die damit zusammenhängenden finanziellen Sanktionen geführt wurden, haben wir zur Klarheit den aktuellen Sachstand noch einmal zusammengefasst. Tatsächlich sind, dem Grunde nach, erst jetzt die das eRezept betreffenden Sanktionen rechtlich untermauert. Sie gelten ab Beginn des zweiten Monats nach Inkrafttreten – also verbindlich ab 1. Mai.
MVZ und Praxen, die zu dem Zeitpunkt „gegenüber ihrer KV nicht nachweisen können, Verordnungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln elektronisch auszustellen und übermitteln [zu können], wird das Honorar um ein Prozent gekürzt.“ (~ Quelle) Ferner ist darauf hinzuweisen, dass eine 50-prozentige Kürzung der monatlichen TI-Pauschale zu erwarten ist, wenn nicht die aktuelle Version der e-Rezept Software installiert wurde. Was beim eRezept gilt, muss im Übrigen auch bei allen anderen digitalen Anwendungen beachtet werden: Die Unterscheidung zwischen echten Honorarsanktionen einerseits, und Kürzungen bei der monatlich von der KV zu überweisenden Ti-Pauschale andererseits. Zwei 50-prozentige Kürzungen bei dieser Pauschale summieren sich im Übrigen auf und führen zum kompletten Versagen der monatlichen Erstattung.
eRezept: Für alle Fachgruppen, für die KV-regional keine Ausnahme erklärt wurde, gilt ab dem 1. Mai eine Honorarkürzung von einem Prozent (1%), falls das eRezept Modul nicht installiert ist. Für diesen Termin ist auch keine Fristverschiebung in Sicht.
eArztbrief: Seit dem 1. MäRz muss das Praxisverwaltungssystem das Senden und Empfangen von eArztbriefen gewährleisten. Ist dies nicht der Fall, wird die TI-Erstattungpauschale um 50 % gekürzt. Allerdings hat das BMG erklärt, dass Keine Kürzung der TI-Pauschale bei industriebedingter Verzögerung beim elektronischen Arztbrief erfolgt. Die endgültige Pflicht zur Empfangsbereitschaft wird dann ab 1. Juli greifen. Auf Grundlage jüngster Erfahrungen möchten wir noch einmal darauf verweisen, dass der eArztbrief nicht dasselbe wie eine eNachricht ist.
ePA: Bereits seit dem 1. Juli 2021 muss das ePA-Modul installiert sein. Momentan reicht dafür die Version 1.0 aus. Version 2.0 ist selbstredend auch ok. Die Version 3.0 wird voraussichtlich erst im kommenden Jahr verfügbar sein. Eine Sanktionierung, falls keine aktuelle Zwischenversion installiert wurde, ist nach Angaben der KBV jedoch ausgesetzt (~ KBV v. 11.01.2024). Ab dem 15. Januar 2025 müssen dann die Krankenkassen für jeden GKV-Versicherten die elektronische Patientenakte anbieten. Allerdings sind hier noch viele Aspekte unklar: ePA Infoabend klärt wenig und gibt noch mehr Hausaufgaben auf.
eAU: Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gehört formell seit Oktober 2023 zu den Pflichtanwendungen, um die TI-Pauschale in voller Höhe zu erhalten. Liegt kein Nachweis über die Installation des eAU-Moduls vor, wird die TI-Pauschale um 50 % gekürzt.
Zur Art und Weise, wie die 17 KVen die Pflichterfüllung bei den eAnwendungen prüfen, verweisen wir beispielhaft auf die Ausführungen der KV Baden-Württemberg: „Mit der neuen Festlegung zur TI-Finanzierung sind wir regelhaft verpflichtet, Ihre Anbindung an die TI zu prüfen. Diese Bewertung findet sowohl anhand der an uns übermittelten Konnektorversion (ab dem Quartal 4/2023 erforderlich: Version 4.x oder höher) als auch anhand des von Ihnen durchgeführten VSDM statt.“ (~ Quelle) Welche Daten das eigene System diesbezüglich an die KV sendet, kann im KBV-Prüfmodul (~ mehr zum Was + Wie) eingesehen werden. Zu beachten ist aber, dass die konkreten Details, wie die Prüfung vorgenommen wird, von KV zu KV abweichen kann. Auch liegt es im Ermessen der KV, einzelne Fachgruppen von der Verpflichtung, bestimmte TI-Module installieren zu müssen, zu befreien. Nachfolgend drei Beispiele an Ausnahmelisten: KV Niedersachsen | KV Baden Württemberg | KV Hamburg.
Darüber hinaus können Praxen „für einzelne Quartale manuell von bestimmten Fachanwendungen ausgenommen werden, wenn sie diese aufgrund von unvorhersehbaren bzw. nicht im Verschuldensbereich der Praxis liegenden Umstände nicht installieren konnten.“ (Beispiel der KV Berlin – Quelle) Ähnliche Regelungen gibt es in allen KVen. Betroffene Praxen sollten sich mit einer kurzen Schilderung des Sachverhaltes und einer Bestätigung des Herstellers an ihre KV wenden.
Überdies sind mit dem DigiG und GDNG noch weitere Verpflichtungen verbunden. Da allerdings nach wie vor noch viele Fragen unbeantwortet sind, fassen wir die Kernpunkte dann zu gegebenem Zeitpunkt zusammen. Wahrscheinlich lassen sich dann auch schon die Auswirkungen der künftigen Pläne antizipieren. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Mieves hat bereits darauf verwiesen, was das BMG noch plant: „Mit dem Medizinforschungsgesetz, dem Digitalagentur-Gesetz und dem Bürokratieabbaugesetz machen wir jetzt schon direkt weiter.“ (~ Quelle) Es wird sich zeigen, wie sich das Konglomerat an Vorhaben auf den Praxisalltag auswirken wird.
FAQ der Verbraucherzentrale (Stand 01.07.2024)
Elektronische Patientenakte (ePA): Digitale Gesundheitsakte für alle kommt
KBV-Praxisnachrichten v. 04.07.2024
Übermittlungspauschale für eArztbriefe bleibt vorerst bestehen
heise.de v. 03.07.2024
Elektronische Patientenakte: Ärzte sorgen sich vor „digitaler Schriftenrolle“
+++ UPDATE Hausärzte: Entbudgetierung und Jahrespauschalen
Die Hausarztvergütungsreform ist Teil des GVSG und somit den Zeitläufen dieses Gesetzes unterworfen. Anzunehmen ist, dass die Koalition eine Verabschiedung noch in 2024 anstrebt, denn zu den groben Reforminhalten besteht in dieser Frage an sich Konsens. Damit wäre ein Inkrafttreten zum 1.1.2025 wahrscheinlich. Aber: Losgelöst von den vielen inhaltlichen Variablen, denen die Vergütungsreform trotzdem 1) wegen der noch ausstehenden parlamentarischen Detaildiskussion und 2) wegen der fehlenden direkten Regelungskompetenz des Gesetzgebers unterliegt, sollte jedem auch klar sein, dass – wenn überhaupt – nur die Entbudgetierungsvorgabe sofort greifen würde. Denn die Einführung der geplanten Vorsorge- sowie Vorhaltepauschale und die Umstellung auf die jahrweise Leistung erfordern weitere Schritte der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, für die mindestens ein halbes Jahr nach Inkrafttreten anzusetzen ist – wahrscheinlich sogar ein deutlich längerer Zeitraum. Vor diesem Hintergrund wäre die Umverteilung innerhalb der Hausarztmedizin, die diesem Teilprojekt der Honorarreform als Absicht immanent ist, sogar eher erst ab 2026 zu erwarten.
Insgesamt gibt es nach wie vor keine valide Wirkungsanalyse zu den geplanten Homorarveränderungen – was auch ein Grund ist, weswegen Kassen, KBV und Hausärzteverband, wie im Artikel vom 21. April geschildert, zu verschiedenen Einschätzungen kommen. Mal abgesehen davon, dass – wie beschrieben – wichtige Regelungsdetails eben gar nicht per Gesetz geregelt werden (können), sondern später vom Bewertungsausschuss festzulegen sind. Hier liegt ebenso viel Freiheit wie Veranwortung bei KBV und GKV-Spitzenverband. Bis mehr Klarheit besteht, verweisen wir auf den BMVZ-Homepage-Beitrag: Neue Pauschalen für die Hausärzte gemäß GVSG-Entwurf, in dem wir die diversen offenen Variablen beleuchtet und eingeordnet haben. Und was die Entbudgetierung im Wortsinne betrifft: Die soll ja nach dem Muster der Kinderärzte erfolgen. Eine aktuelle Wirkanalyse zu deren seit April 2023 geltenden Regeln, die die ÄrzteZeitung veröffentlicht hat, ist unten verlinkt. Hier können sich Akteure derjenigen KV-Regionen, die in der Allgemeinmedizin nicht heute schon faktisch entbudgetiert sind – bspw. S-Holstein, Hamburg und Berlin – den ein oder anderen Analogschluss ableiten.
KW 16 – 21. April: Details zur Honorarreform der Hausärzte nach GVSG: KBV, Kassen und Hausärzte uneins in der Bewertung
Ein wesentlicher Bestandteil des inhaltlich geschrumpften GVSG (~ Vgl. ‚Nachrichten‘) ist die Honorarreform für die Hausärzte. Dazu zählen die schon im Koalitionsvertrag von Dezember 2021 verankerte Entbudgetierung der Allgemeinmedizin, neu verbunden mit dem konkreten Vorhaben, zusätzlich jahres- statt quartalsbezogene Pauschalen zur Honorierung der Chronikerbetreuung in den Hausarztpraxen einzuführen. Ein entsprechender Auftrag soll über das GVSG an den Bewertungsausschuss erteilt werden. Über dieses Projekt, das wortgleich auch schon Teil des Ende MäRz veröffentlichten, dritten Arbeitsentwurfes des Gesetzes war, ist inzwischen ein Deutungsstreit ausgebrochen. Mehr Chance oder mehr Gefahr – das ist die strittige Frage.
Während der Hausärzteverband (HÄV) direkt nach Veröffentlichung relativ entspannt kommentiert hat, dass es eine gute Nachricht sei, dass der Entwurf „viele wichtige und dringend notwendige Reformvorhaben adressiert, die die hausärztliche Versorgung nachhaltig stärken könnten,“ (~ Pressemeldung v. 26. MäRz) fiel die Reaktion der KBV Anfang April drastisch anders aus. Vielleicht lag das an der inzwischen erfolgten ‚intensiven Prüfung,‘ die – wie auch die Hausärzte befanden ‚notwendig sei, um alle Details in Gänze zu überblicken,‘ da der Gesetzesentwurf wirklich nur Rahmenvorgaben statt konkreter Vorschriften enthält. Allerdings dürfte auch eine Rolle spielen, dass KBV und HÄV für im Detail verschiedene Ziele stehen. Eine Entwicklung, die sich schon im Februar bereits abzeichnete: Weiter Unklarheiten zu Versorgungsgesetz I und nun auch Dissens zwischen den Arztverbänden.
Um das aber zu bewerten, muss man auf jeden Fall einen Schritt zurückgehen und statt der Reaktionen die Quelle des Ganzen betrachten: Hier die auf den 8. April datierte offizielle Fassung des Referentenentwurfes für das GVSG (~ Volltext-PDF | Entwurf des GVSG). Speziell für die Hausärzte sind drei Maßnahmen vorgesehen, von denen eine, die Entbudgetierung in Form des MGV+-Modells bereits in der im Januar veröffentlichten Entwurfsfassung enthalten war (~ Update zu den aktuellen Entbudgetierungsplänen des BMG). Neu hinzugekommen sind Lauterbachs Pläne zu einer allgemeinen ‚Vorhaltepauschale‘ sowie zur Neukonzipierung der Chronikerpauschale, die unter dem Arbeitstitel ‚Versorgungspauschale‘ geführt wird. In dieser soll kontextbezogen die bisherige Versichertenpauschale sowie die Chronikerpauschale aufgehen. Es besteht hier also eine gewisse Verwechslungsgefahr zwischen den drei Begriffen Versicherten-, Versorgungs- und Vorhaltepauschale. Das wird vermutlich in den anstehenden Debatten zu dem ein oder anderen Missverständnis führen – eine saubere Zuordnung und Ansage, wovon jeweils gesprochen wird, ist also Pflicht.
Details der Regelungen im Gesetzesentwurf haben wir des Umfangs wegen in einem eigenständigen Homepage-Artikel aufbereitet: Neue Pauschalen für die Hausärzte gemäß GVSG-Entwurf. Die Rezeption durch die Selbstverwaltungsakteure ist dabei höchst widersprüchlich. Die Kassen sind auf jeden Fall gegen die Entbudgetierung: „Pläne für ambulante Versorgung: Kritik von Krankenkassen, Lob von Hausärzten“. KBV und Zi ziehen parallel das Fazit, dass die Pläne „faktisch einer Abrissbirne der hausärztlichen Versorgung insgesamt und insbesondere der hausärztlichen Versorgung der betreuungsintensiven chronisch kranken Versicherten gleich[kommen].“ Unseres Erachtens wird jedoch bei dieser rein auf Veränderungsabwehr gerichteten Betrachtungsweise viel zu wenig die Chance gesehen, die darin liegt, eingefahrene Pfade zu verlassen und die Rahmenbedingungen neu zu denken. Eine Sichtweise, die teils auch der Hausärzteverband einnimmt: „Positiv ist, dass … die für die Hausärzt:innen zentralen Themen weiter Teil des Gesetzesentwurfs sind. (…) Klar ist aber auch, dass im weiteren parlamentarischen Verfahren noch dringende Anpassungen nötig sind … Das betrifft beispielsweise die Kriterien für die Vorhaltepauschale und die Ausgestaltung der Chronikerpauschale.“ (~ Quelle)
Egal, wie es kommt: In jedem Fall gilt, dass – werden diese Pläne umgesetzt sind – es auf jeden Fall zu Veränderungen kommen wird, und dass die einzelne Hausarztpraxis sich gegebenenfalls wird anpassen müssen. Allerdings wohl nicht vor 2026 – schneller wird hier wahrscheinlich nichts Konkretes passieren. Die Stoßrichtung der Änderung scheint aus Patientensicht jedoch eher richtig. Aus Arztsicht wird wichtig sein, Kollateralschäden z.B. bei sogenannten ‘lückenfüllenden Hausarzt-Schwerpunktpraxen’, die z.B. auf Schmerztherapie spezialisiert sind oder besonders viele Sonografien machen, zu vermeiden. Hier hat der Bewertungsauschuss eine ganz wichtige Aufgabe. Selbiges gilt für die Frage, wie sich die neuen Pauschalen im Kontext fachübergreifender MVZ und/oder Großpraxen verhalten. Und nicht zuletzt wird sich eine wichtige Frage auf der Ebene des Cashmanagements abspielen: Denn die Umstellung auf Jahrespauschalen würde den Liquiditätsfluss der Praxen und MVZ ordentlich durcheinanderbringen.
Aber noch mal zurück: Es darf nicht vergessen werden, dass es sich im Moment um den Entwurfes eines Gesetzes handelt, das noch nicht mal vom Kabinett verabschiedet wurde. Ob und was davon also letztlich wirklich Gesetz wird, und vor allem, was dann der Bewertungsausschuss aus den neuen Optionen macht, lässt sich heute nicht absehen, wäre aber entscheidend für eine seriöse Bewertung dieses Lauterbach’schen Vorstoßes. Vor diesem Hintergrund sei nochmals auf die eingangs erwähnte Einschätzungsdissonanz zwischen Hausärzt:innen-Verband und KBV hinzuweisen, die mehr noch als sonst offen lässt, wie sich die weitere Debatte entwickelt wird.
ÄrzteZeitung v. 20.07.2024
Zahlen aus sechs KVen ausgewertet: Nach Entbudgetierung
– Pädiatrie notiert weniger Fälle, aber höhere Fallwerte
Ruhr24 v. 02.07.2024
Lauterbach will Hausarzt-Reform: Millionen Patienten profitieren
Medical Tribune v. 23.05. + 18.04.2024
Neue Versorgungspauschale: Wie sich die Altersstruktur der Patienten und die
Leistungen einer Hausarztpraxis auf die Einnahmen auswirken können
Neue Honorarregeln: Kleinen und spezialisierten Praxen könnten Einbußen drohen
+++ UPDATE Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG)
Im Grunde können alle im Artikel vom 4. Mai getroffenen Annahmen als bestätigt gelten. Die Verbändeanhörung hat am 6. Mai stattgefunden; und vom Kabinett ist der erschlankte Entwurf am 22. Mai abgenickt worden. Trotzdem ist das Gesetz erst am 28. Juni im Bundestag in die erste Lesung gekommen, so dass weiterführende Beratungen den Verzögerungen der parlamentarischen Sommerpause unterliegen. Die Reden der Abgeordneten am 28. Juni gaben wenig inhaltlichen Aufschluss. Besonders oft wurde betont, dass es sich das GVSG dem Struck’schen Gesetz unterwirft, das – in Kurzform – so viel sagt, wie: Kein Gesetz kommt so aus dem Bundestag, wie es reinging. – was sich in dieser Debatte vor allem auf die fehlenden Großprojekte Primärversorgungszentren sowie Gesundheitskioske und -regionen bezieht.
Der diesbezügliche Karl-Schlag des Gesundheitsministers zwischen dem dritten und vierten GVSG-Entwurf, der im Beitrag der KW 18 beschrieben wird, hatte wohl auch primär den Zweck, das Gesetzesvorhaben mit dem nötigen Initial zu versehen, um durch das Kabinett zu kommen, da leichte Massen bekanntlich weniger Trägheit haben. SPD-Parteigenosse Dirk-Ulrich Mende bedauerte entsprechend am 28. Juni in seiner Rede, dass die Gesundheitskioske und Gesundheitsregionen aus dem Entwurf genommen wurden und konstatierte Nachbesserungsbedarf. Zusammengefasst traf dies – in Variation – auf alle Sprecher der Koalitionsparteien zu. Man darf also mehr als gespannt sein, was sich hier bei den Bundestagsberatungen noch tun wird. Zumal ähnliche Forderungen auch vom Bundesrat, der den Gesetzesentwurf am 5. Juli behandelt hat, erhoben wurden.
KW 18 – 4. Mai: Gesetzgebungsprozess zum GVSG offiziell gestartet | Inhalte, Einordnung, Zeitläufe
Nachdem gerade vor knapp drei Wochen erst ein neuer informeller Entwurf, den wir in der letzten Ausgabe bewertet hatten, veröffentlicht worden war, hat das BMG am Abend des 12. April überraschend mit einer vierten Entwurfsfassung nun tatsächlich offiziell das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. Daran sind mehrere Dinge bemerkenswert: 1) Der Minister scheint weiterhin in der BILD-Zeitung eine wichtige Verbündete zu sehen – jedenfalls erschienen die News am Veröffentlichungsabend hier mit Vorsprung zuerst und zusammen mit der (falschen) Behauptung, dass der Entwurf der Redaktion „exklusiv“ vorläge: Neuer Gesetzes-Plan: Lauterbach gibt Arzttermin-Versprechen. 2) Wichtige Herzensprojekte des Ministers sind im offiziellen Entwurf nicht mehr enthalten. Im Grunde fehlen genau die Inhalte, denen das „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in den Kommunen“ seinen Namen verdankt; nämlich die Strukturreformen rund um Gesundheitskioske, Gesundheitsregionen und Primärversorgungszentren. Insgesamt ist das Gesetz damit rund 40 Seiten kürzer als in der letzten Fassung. 3) Die vielfach angekündigte MVZ-Regulierung ist auch nicht Teil des Entwurfes. Eine offizielle Erklärung gab es dazu bisher nicht. Zu den sonstigen Inhalten, verweisen wir auf unsere Darstellung in der Ausgabe der KW 14 | Inhaltliche Schlaglichter GVSG.
Insgesamt ist die Rezeption des Entwurfes durch Presse und Öffentlichkeit speziell. Erwartbar wäre gewesen, dass das Fehlen so elementarer Teile ursprünglich angekündigter Inhalte eine Berichterstattung bedingt, die den Minister schwächt, da ihm wichtige Anliegen offensichtlich durch die eigene Koalition blockiert werden. Stattdessen ist aber der Minister selbst nach vorn geprescht, als er am 14. April per Interview – auch hier wieder via BILD-Zeitung – erklärte, „per Gesetz den Herztod besiegen“ zu wollen: Bei BILD stellt der Minister seinen Plan vor | Video-Stream zum Interview. Gepaart wurde diese Ankündigung mit der dramatischen Ansage: Lauterbach: 50.000 Ärzte zu wenig ausgebildet. Damit war in vielen Medien das Thema neu gesetzt, und das abgespeckte GVSG insbesondere in der Breite der allgemeinen Publikumsmedien nur noch eine Randnotiz. Zumal die apokalyptisch vorgebrachte Meldung zum Hausarztmangel natürlich die perfekte Begleitmusik für die, von vielen Seiten kritisch gesehene, Vergütungsreform der Hausärzte darstellt.
Fazit: Karl Lauterbach weiß mit der Öffentlichkeit umzugehen und bespielt die Klaviatur der Presse durchaus gekonnt. Ob ihn das freilich bei den Kernprojekten, Kommunen zu ertüchtigen, sich bei Prävention und in der gesundheitlichen Versorgung stärker zu engagieren, hilft, sei dahingestellt. Es wird erwartet, dass die Ideen rund um Gesundheitskiosk und -regionen im parlamentarischen Verfahren wieder eingebracht werden sollen. Ähnliches ist auch für die MVZ-Thematik vorstellbar. Um hierbei erfolgreich zu sein, müssten sich aber die Koalitionsfraktionen inhaltlich zusammenraufen oder der Schulterschluss mit der Opposition hergestellt werden. Beides sind – Stand heute – zumindest keine einfachen Szenarien.
So oder so würde folgender Zeitplan wahrscheinlich sein: Das Verfahren der Verbändeanhörung zum GVSG wird bis Anfang Mai abgeschlossen, daran anschließend wird der Termin für die Herstellung eines Kabinettsbeschlusses gesetzt. In der Folge wird das parlamentarische Beratungsverfahren eröffnet, das mit der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag beginnt. Letztmöglicher Zeitpunkt hierfür wäre die erste Juliwoche, da anschließend das Parlament in die Sommerpause geht. Die eigentliche Beratungsphase im zuständigen Gesundheitsausschuss dürfte demnach also nicht vor Frühherbst stattfinden. Grundsätzlich wäre es damit denkbar, dass das GVSG zum Jahresanfang 2025 in Kraft treten kann. Dieser Weg ist allerdings – auch angesichts der Vorgeschichte – mit vielen Wenns und Abers gepflastert.
Im Übrigen erklärt Lauterbach in dem oben verlinkten BILD-Interview (~ Minute 19), dass er auch das neue ‚Volkskrankheiten-Detektionsgesetz‘ „noch vor der Sommerpause“ offiziell an den Start schicken will. Und dass er außerdem „eigentlich in der Ampel mit den Kollegen gut zusammen[arbeiten würde]“ (~ Minute 21). Allerdings scheint es nicht ganz abwegig, zu unterstellen, dass in dieser Frage Selbstbild und Fremdwahrnehmung nicht besonders gut übereinstimmen: Wut auf Gesundheitsminister | FDP: Lauterbach pfeift auf Frühkoordinierung.
Krankenkassen-Info v. 12.07.2024
Bundesrat macht sich für Gesundheitskioske, MVZ und Gesundheitsregionen stark
Ärzteblatt v. 28.06.2024
Versorgungsgesetz: Hitzige Debatte im Bundestag und viele Nachbesserungswünsche
Bundestagsberichtsdienst v. 28. Juni
Regierung will hausärztliche Betreuung stärken
+++ UPDATE MVZ-Debatte | Wer, was warum gesagt hat.
Die Debatte um MVZ tritt auch im Sommer weiter auf der Stelle. Sprich: Es es gibt weiter keine wirklich relevanten Neuigkeiten. Außer vielleicht, dass vom Bundesrat im Rahmen der Aussprache zum GVSG-Entwurf am 5. Juli erneut gefordert wurde, dass eine MVZ-Regulierung endlich umgesetzt wird. Allerdings in erstaunlich ent-dramatisierter Wortwahl: „Der Bundesrat bedauert, dass der Gesetzentwurf nicht die angekündigten Vorschriften zur Regulierung investorengeführter MVZ enthält. (…) Vor diesem Hintergrund bittet der Bundesrat um Prüfung dieser Vorschläge im weiteren Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich einer Berücksichtigung im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz.“ (~ Beschlussdokument | im PDF Seiten 31f). Auch insgesamt ist zumindest aus der öffentlichen Debatte momentan etwas die Luft raus, obwohl Lauterbach selbst am 22. Mai noch einmal so richtig ordentlich nachgelegt hatte: ~ BMVZ-Beitrag zur BMG-Pressekonferenz v. 22. Mai 2024.
Spannender ist daher vielleicht der Bericht zum Hauptstadtkongress von Ende Juni, in dem über den gesundheitspolitischen Sprecher der FDP, Andrew Ullmann, berichtet wird (~ Quelle): „Dass die FPD im parlamentarischen Verfahren einer stärkeren Regulierung zustimmt, scheint zumindest fragwürdig, … Er sehe „unmittelbar keinen Regelungsbedarf“, … Das Bundeskartellamt überwache das Geschehen mit Blick auf eine zu große Marktkonzentration, iMVZ würden nur einen geringen Prozentsatz der Versorger ausmachen. Missbrauch könne er bisher nicht erkennen. Die ärztliche Verantwortung bleibe durch die Unabhängigkeit der ärztlichen Leitung gewährleistet. Lediglich beim Thema Transparenz sieht er Möglichkeiten für neue Regelungen.“ Währenddessen hat ein erneuter Bericht des ZDF-Magazins frontal bekannte Halbwahrheiten und kausal fehlerhafte Verküpfungen zur ‚Investorendebatte‘ neu verrührt und am 23. Juli einen Beitrag namens ‚Profit auf Kosten der Gesundheit‘ (~ ZDF-Mediathek) im Hauptabendprogramm veröffentlicht. Nur einen Tag später nutzte eine Allianz verschiedener regionaler Arztverbände unter Federführung der KV Bayerns die Gunst der Stunde und startete den Appell: „Profitorientierte Praxisketten gefährden die ambulante Versorgung – Regulierung jetzt dringender denn je“.
An der Gesamtsituation hat sich dadurch sowie durch die Aussage des gesundheitspolitischen Sprechers der grünen Bundestagsfraktion, dass man derzeit die verschiedenen Regulierungsvorschläge im Gesundheitsausschuss prüfe, aber weiterhin nichts geändert. Die Frage, ob es eine (strenge) MVZ-Regulierung mit dem GVSG geben wird, kann definitiv weiterhin nicht abschließend beantwortet werden.
KW 12 – 24. März: Bewegung in der MVZ-Debatte? | Fachgespräch im Bundestag lenkt den Fokus auf die Inhaberärzt:innen
Nein, nein. Kein Grund zur Aufregung: Es ist nicht wirklich etwas passiert. Die MVZ-Debatte verharrt weiterhin im Niemandsland aus Ankündigungen, Wunschzetteln diverser Akteure und Spekulationen der Betroffenen. Dennoch ist am 13. MäRz etwas Berichtenswertes passiert – schon deshalb, weil sich der Bundestag in Form des Gesundheitsausschusses zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode mit der MVZ-Thematik befasst hat. Dies, das sei ausdrücklich erwähnt, außerhalb jedweden parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens, das ja bekanntermaßen noch nicht einmal in das vorparlamentarische Stadium eingetreten ist. Als Format wurde daher das sogenannte Fachgespräch gewählt – eine Art nicht-öffentliche und letztlich unverbindliche Expertenanhörung, zu der in diesem Fall neben der BMVZ-Geschäftsführerin auch Vertreter von KZBV und KBV sowie die Einzelsachverständigen Franz Knieps, Hans-Dieter Nolting und Prof. Andreas Ladurner geladen waren.
Über diesen Termin, der ohne Pressebegleitung auskam, hat die Bundestagsredaktion einen zusammenfassenden Kurzbericht veröffentlicht, der in der Folge zum Ausgangspunkt der Berichterstattung wurde. Allein schon die dabei gewählten Überschriften bieten inhaltlich eine ziemlich gute Zusammenfassung dazu, worin der Neuigkeitswert dieses Ausschussgespräches bestand: KBV-Chef Gassen: Keine Anhaltspunkte für schlechtere Versorgung durch MVZ | Ärztlich getragene MVZ sollen gestärkt werden | Gassen warnt vor zu viel Regulierung bei MVZ | Politik soll Position der Ärzte im MVZ stärken. Zusätzliche Informationen aus erster Hand, die daher an dieser Stelle nicht wiederholt werden sollen, bietet der unten verlinkte BMVZ-Beitrag, den die BMVZ-Geschäftsführerin als vor Ort anwesende Person verfasst hat.
Letztlich waren sich vier der sechs Experten darin einig, dass normative Beschränkung mit dem Ziel, einzelne Trägergruppen (aka die medizinfernen Investoren) aus dem MVZ-Markt künftig herauszuhalten, weder zielführend ist, noch widerspruchsfrei gelingen kann. Aus diesem Grund regte die BMVZ-Vertreterin an, es stattdessen der Gruppe der MVZ-Inhaberärzt:innen durch Modernisierung des § 95 SGB V leichter und praktikabler zu machen, MVZ zu gründen, zu halten und vor allem auch innerärztlich weiterzugeben. Diesem Gedanken konnten grundsätzlich auch Franz Knieps, Prof. Ladurner und der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen folgen. Müller verwies dabei auf entsprechende Initiativen, für die der BMVZ bereits seit geraumer Zeit Aufmerksamkeit zu schaffen versucht: Neu Denken in der MVZ-Debatte | Die MVZ-Debatte setzt falsche Prioritäten | Wer Ärzte als Gründer will, soll Ärzte auch in den Fokus stellen.
Natürlich verändert dieses Fachgespräch – wie eingangs schon gespoilert – erst einmal gar nichts. Dass aber die Gesundheitspolitiker im Bundestag, die in großer Zahl anwesend gewesen waren, sich mit diesen Argumenten und Ideen auseinandergesetzt haben, wird u.E. im eigentlichen Gesetzgebungsprozess (wenn es soweit ist) nicht ohne Folgen bleiben. Auf jeden Fall haben die berechtigten Interessen der ärztlichen MVZ-Betreiber so erstmals eine große Bühne bekommen, die der BMVZ gedenkt, weiter für eben diese Belange zu nutzen. Denn bei den Themen MVZ-Übergabe an Nachfolgeärzte, bei der unnötigen Zwangsverknüpfung von Vertragsarzttätigkeit und MVZ-Inhaberschaft sowie beim Thema neue Rechtsformen (~ GmgV) besteht unbedingter Modernisierungsbedarf – der bisher im Schatten der Investorendebatte unterzugehen drohte. Es ist ein zartes Pflänzchen, das diesbezüglich am 13. MäRz gesetzt wurde. Aber wir werden es weiter päppeln.
Von diesen Neuigkeiten einmal abgesehen: Da viele Argumente, Regulierungsvorschläge und Widerworte aus dem vergangenen Jahr zum MVZ-Diskurs auch für die in diesem Sommer/Herbst fortzusetzende Debatte relevant sind und bleiben, bieten wir als Service den Sonderdruck „MVZ Kompendium Januar 2023 – Mai 2024“ – Textsammlung zur aktuellen Debatte um die MVZ-Gesetzgebung.
Ärzteblatt v. 24.07.2024
Bayerische Ärzteschaft positioniert sich gegen profitorientierte Praxisketten
ZDF Morgenmagazin v. 23.07.2023
Janosch Dahmen (Grüne) im Interview: „Gesundheit darf keine Ware sein“
hib – Heute im Bundestag v. 13.03.2024
Fachleute plädieren für Stärkung ärztlich getragener MVZ