Entbudgetierung bei Hausärzten & Pädiatern | Stand der Dinge & die Pläne des BMG
Bekanntlich gelten die Kinderärzte seit dem zweiten Quartal als entbudgetiert, wobei das mitnichten heißt, dass hier nun einfach alle erbrachten Leistungen 1 zu 1 vergütet werden. Vielmehr bleiben die pädiatrischen Honorare Teil der MGV inkl. aller Vorschriften zu Wirtschaftlichkeit und Plausibilität. Geschaffen wurde lediglich ein separierter Teil der MGV (~ Beschluss v. 01.06.2023 | regionale Bereinigungssumme Q4/2023 | Q1/2024), der mit der Option einhergeht, dass, wenn die angeforderten Honorare den regionalen Gesamtbetrag überschreiten, dieser KV-weise von den Kassen um den fehlenden Teil aufgestockt werden muss. Honorar-Experte Gerd Zimmermann weist in der Medical Tribune zu recht daraufhin, dass viele Kinderärzte davon wenig haben werden, denn 1) gäbe es aufgrund der hohen Quote an Komplexpauschalen kaum Möglichkeiten zur Honorarsteigerung und 2) seien viele Leistungen ohnehin extrabudgetär, weswegen 3) die meisten Kinderärzte kaum einen deutlichen Effekt in ihrer Honorarabrechnung sehen würden. Honoraraffinen Lesern sind weiterführend der Text in der Medical Tribune vom 14. September, beispielhaft die näheren Ausführungen der KV Berlin sowie der Hinweis darauf, dass das Ganze auch für über 18-jähriger Patienten gilt, zu empfehlen.
Zimmermann kritisiert im Ergebnis die Forderung der Hausärzte nach Entbudgetierung wie bei den Kinderärzten, denn: „Bei den Pädiatern ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Das hat nur bisher niemand bemerkt, weil das Abrechnungsergebnis des 2. Quartals 2023 noch nicht vorliegt.“ Möglicherweise gerade wegen dieses Befundes wiederholen Minister Lauterbach und seine Mitarbeiter aktuell gern und häufig, dass man den Koalitionsvertrag an der Stelle auf jeden Fall umsetzen wolle. So erklärte Lauterbach vor wenigen Tagen: „Hausärzte werden immer knapper. Wir müssen gegensteuern. … Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz, das wir vorgelegt haben und regierungsintern beraten, werden wir ihre Budgetierung aufheben. Mein Wunsch ist: spätestens Anfang des kommenden Jahres.“
Der Gesundheitsminister schließt seine Ankündigung mit den Sätzen: „Bei Kinderärzten hat sich die Entbudgetierung bereits positiv ausgewirkt, es entscheiden sich wieder mehr dafür, Kinderärzte zu werden.“ (~ Quelle) Fraglich ist natürlich, woran er diesen Effekt bei den Pädiatern festmacht. Schwerlich dürfte die Ankündigung vom Frühjahr jetzt bereits, also ein halbes Jahr später, Effekte auf die Niederlassungszahlen haben. Und so bleibt vor allem die Behauptung als leere Hülle im Raum, dass Pädiater seit April und Hausärzte vielleicht ab Januar 2024 mehr Geld bekämen – ein Beweis steht in beiden Fällen aus, bzw. Fachleute melden aufgrund der vorgesehenen Mechanismen erhebliche Zweifel an. Umso spannender ist es in dem Kontext, dass sich der Bundesrechnungshof als ressortübergreifende Kontrollinstanz in einer am 5. Oktober an den Gesetzgeber übermittelten Analyse ausdrücklich gegen jede Art von Entbudgetierung ausspricht. Die ÄrzteZeitung titelte sogar: Rechnungshof fordert Sparknüppel für Ärztehonorar.
Fakt ist, dass der Bericht zur „Extrabudgetären Vergütung von vertragsärztlichen Leistungen in der ambulanten Versorgung“ vom Gesetzgeber fordert, den „Ausgabenanteil extrabudgetärer Leistungen an der gesamten ärztlichen Vergütung … wieder deutlich [zu reduzieren],“ denn „die MGV (morbiditätsbedingte Gesamtvergütung) sollte der Regelfall der vertragsärztlichen Vergütung sein.“ In dem Zusammenhang werden auch alle TSVG-Boni, soweit sie noch bestehen, scharf kritisiert. Der Bericht ist (noch) nicht öffentlich verfügbar, da er zunächst dem Gesundheitsausschuss zur parlamentarischen Beratung zugeleitet wurde. Für die anstehenden Gespräche zur Entbudgetierung der Hausärzte – wie auch immer sie ausgestaltet werden soll – ist er aber eine schwere Hypothek.
ZM-Online v. 11.10.2023
Bundesrechnungshof keilt gegen Entbudgetierung und TSVG-Vergütung
Medical Tribune v. 14.09.2023
Versprochenes Kappen der hausärztlichen Honorarfesseln ist mit EBM-Reform zu kombinieren
Hausarzt.de v. 22.09.2023
Sabine Dittmar: Die hausärztliche Entbudgetierung wird vorbereitet
TI-Erstattungspauschalen für Q3/2023 | CAVE! Einige K(Z)Ven verlangen kurzfristig TI-Eigenauskunft
Einige KVen fordern nun doch eine Eigenauskunft als Voraussetzung, um die TI-Pauschale zu erhalten. Die KV Bremen hat mit dickem Ausrufezeichen darauf verwiesen, dass bis zum 3. November 2023 ein Online-Formular ausgefüllt werden muss (~ Link zur KVHB). Es handelt sich um eine „einmalige Auskunft“, die für jede Betriebsstätte und pro Nebenbetriebsstätte zu erfolgen hat. Auch die KVen von Sachsen (Quelle) und Thüringen (Quelle) bestehen auf eine Eigenerklärung. Andere KVen beschreiben den Vorgang dagegen so, dass die Auszahlung mit der Quartalsabrechnung automatisch erfolgt, so etwa die KV Niedersachsen („Die KVN hat sich zur Umsetzung der Nachweispflicht im Sinne ihrer Mitglieder für ein unbürokratisches Verfahren in Form eines automatisierten KVDT-Datenabrufs entschieden.“ | ~ Quelle). Warum einige KVen in der Lage sind, die Auszahlungsvoraussetzungen automatisch zu erfassen und andere einen Extra-Schritt einbauen, lässt sich erstmal nicht aufklären. In Anbetracht der unterschiedlichen Handhabung ist es jedenfalls empfehlenswert, sich zügig bei der eigenen KV zu vergewissern, wie der Nachweis erfolgen soll. Denn, um die volle Pauschale ausgezahlt zu bekommen, muss die Praxis, die Nutzbarkeit aller vorgeschriebenen Pflichtanwendungen nachweisen.
Zu den derzeitigen Pflichtanwendungen gehören die Anwendungen Notfallmanagement und eMedikationsplan, die ePA, KIM und die eAU. Ab 1. Januar kommt das E-Rezept verpflichtend hinzu. Die KZVBW weist ihre Zahnärzte darauf hin, dass: „Nach der Installation der E-Rezept Anwendung […] deshalb eine Ergänzung der Eigenerklärung bis spätestens zum 31. März 2024 unbedingt notwendig [ist], um eine Reduktion der monatlichen TI-Pauschale ab dem 1. Januar 2024 zu vermeiden.“ (~ Quelle) Inwieweit das auch bei den anderen KVen und KZVen zutrifft, muss wohl wieder zusätzlich erfragt werden. Es zeichnet sich ein höchst uneinheitliches Vorgehen ab. Die KV Hessen fordert beispielsweise explizit „davon ab[zusehen], Selbsterklärungen und Nachweise der Softwareanbieter zu den TI-Anwendungen bei der KVH einzureichen“ (~ Quelle). Die KBV gibt auf ihrer Webseite dazu an: „Der Nachweis kann in Form einer Eigenerklärung oder Abrechnungsdatei erfolgen. Verfahren, Form und Inhalt der Eigenerklärung sollen von der zuständigen KV festgelegt und auf deren Webseite bekanntgemacht werden.“
Eine ausführliche Darstellung zur Einführung der TI-Komponenten und deren Zeithorizont hatten wir in der PRAXIS.KOMPAKT der KW 29 aufgeführt: TI-Erstattungen seit 1. Juli neu geregelt | Monatliche Pauschalen für alle statt anlassbezogener Finanzierung. Dazu abweichend wurde der eArztbrief als Pflichtanwendung im September auf April 2024 verschoben. Im Kontext dieser Anpassung hatte sich das BMG erfreulicherweise auch entschlossen, große Praxiseinheiten bei der Finanzierung nachträglich mitzubedenken: Korrektur bei den TI-Erstattungspauschalen | Mit Rückwirkung ab Juli 2023 gibt es mehr Geld für große Praxen.
Ärzteblatt v. 20.10.2023
Digitalisierung: Anpassungen bei Regelungen zur TI-Pauschale
Newsletter der KV Bremen v. 19.10.2023
Dringende Erinnerung! Eigenauskunft ist Voraussetzung für Auszahlung der TI-Pauschale
KBV-Themenwebseite
Digitale Praxis: TI-Pauschale
Aktualisierter Hygieneleitfaden | Nützliches Kompendium zu Arbeitsschutz, Hygienemanagement, Umgang mit Medizinprodukten & zum Rechtsrahmen
Bereits im Mai dieses Jahres hat das Kompetenzzentrum (CoC) Hygiene und Medizinprodukte von KVen und KBV eine an wichtigen Stellen runderneuerte Aktualisierung seines Hygiene-Leitfadens für die Arztpraxis herausgebracht. Die vorherige Ausgabe dieses Kompendiums datierte auf Februar 2019. Welche Änderungen seit dem zu beachten sind, wird – zum schnellen Überblick– farblich markiert in einem ergänzenden 7-seitigen PDF dargestellt (~ Änderungsübersicht öffnen). Den kompletten Leitfaden mit seinen 178 Seiten gibt es hier: Hygiene in der Arztpraxis | 3. Auflage.
Im Folgenden haben wir einige zusätzliche Links und nützliche Fakten zusammengestellt, mit deren Unterstützung sich das Thema vergleichsweise aufwandsarm angehen lässt. Zur Verantwortung des Praxismanagements hat das Ärzteblatt einen übersichtlichen Artikel mit seinerseits guten Verlinkungen herausgebracht (~ Pflichtunterweisungen für das Praxispersonal: Nutzen für die gesamte Praxis | als PDF). In der Quintessenz wird hier noch einmal auf die Nachweispflicht der Praxis im Schadensfall verwiesen, weshalb eine gute Dokumentation der Unterweisungen in Brand- und Arbeitsschutz sowie Hygiene anzuraten ist. Die Praxisbegehung ist an sich ein weitreichendes Themenfeld. Da es im Rahmen der Kontrollen des Gesundheitsamtes schwerpunktmäßig auch um Hygiene geht, ist ein Blick auf die gelungene Aufstellung zur Praxisbegehung des Virchowbundes empfehlenswert (~ Leitfaden Praxisbegehung durch das Gesundheitsamt und andere Behörden). Die Webseite Mein Praxis Check, die über die KBV angeboten wird, bietet unter dem Button Hygiene einen Selbsttest der eigenen Praxis an, der als ergänzende und schnelle Evaluation dienen kann (~ zu Mein Praxis Check).
Aus der Corona Pandemie ist die (von der KV automatisch hinzugesetzte) Hygienekostenpauschale im Wert von 2 Punkten je Grund-, Versicherten- und Konsiliarpauschale erhalten geblieben, sofern es einen direkten Patientenkontakt gibt (~ 22,5 Cent | GOP 03020 + 04020). Allerdings scheint momentan keine Erhöhung in Sicht, weshalb Einsparpotentiale immer einen Gedanken wert sind. Zum Unterthema Arbeitskleidung und Hygiene hat die Zeitschrift Arzt & Wirtschaft einen guten Überblicksartikel veröffentlicht, in dem die aktuellen Richtlinien sowie Spartipps zum Beschaffen und Waschen der Arbeitskleidung zusammengetragen sind (~ Arzt & Wirtschaft v. 21.08.2023). Eine ganze Titelstrecke zum Thema Arbeitskleidung hat die KVSH in ihrem Mitgliederjournal im Herbst 2019 veröffentlicht: Titelthema ‚Kleidung in der Praxis‘: Was ist eigentlich erlaubt? (im PDF Seiten 6ff).
Kompetenzzentrum Hygiene und Medizinprodukte
Erhebungsbogen ‚Status quo in der Arztpraxis‘
Informationsmaterial der KBV
Hygiene und Medizinprodukte inkl. zahlreicher Checklisten und Musterpläne
Ärzteblatt v. 20.06.2023
Hygiene: Aktualisierter Leitfaden für Praxen erschienen
Ärzteproteste – Auf ein Neues | Pressekonferenz, Aufruf zum Bummelstreik & Bundestagspetition
Ohne Frage – die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen ist in Aufruhr. Einerseits geht es dabei – natürlich – ums Geld. Andererseits setzt das BMG unter Karl Lauterbach das maßgebliche Akteurstrio, bestehend aus KBV, DKG und GKV-Spitzenverband auch auf nicht-monetärer Ebene derart stark unter Druck, dass sich die aktuellen Streitigkeiten ganz klar auch als machtpolitische Existenzfragen darstellen. Durchaus berechtigt stellt das Portal Apotheke Adhoc hier einen Bezug zu der Zeit von vor 20 Jahren her: Lauterbach enttarnt: Der lange Arm von Ulla Schmidt. Insoweit stellt sich die Frage, ob sich der aktuelle Ärzteprotest wirklich noch um ein Mehr an Honorar dreht – wie in den markigen Überschriften meist behauptet – oder ob es bei den Aktionen nicht vor allem um die Selbstbehauptung der Selbstverwaltungsinstitutionen, respektive der KV-Welt, geht.
Realistischerweise ist zu konstatieren, dass angesichts der äußeren Umstände und nach der Rekordvereinbarung zum Orientierungspunktwert (~ Orientierungswert 2024 steigt um 3,85 Prozent) inklusive der erstmals zeitnah vereinbarten Einpreisung der Steigerung der Personalkosten, kaum noch systematische Honorarverbesserungen erwartet werden dürfen. Jedenfalls ist die Forderung des Virchowbundes nach 15 % Honorarsteigerung völlig unrealistisch und insofern auch vor allem als Rütteln am Selbstverständnis der KBV als d-i-e Ärztevertretung zu deuten. Tatsächlich scheinen KBV und Virchowbund seit ein paar Wochen in eine Art Wettkampf um die beste/schönste/erfolgreichste Protestmethode getreten zu sein.
Es treten an: HNO-Arzt Dirk Heinrich, seines Zeichens Virchowbund- und SpiFa-Vorsitzender, der rigoros die Praxen auffordert, ihre Leistungen zu kürzen, solange die Politik sich nicht bewegt: „Aktives Handeln unter einer destruktiven Gesundheitspolitik ist das Gebot der Stunde. Es wird Zeit, aus dem Hamsterrad auszusteigen.“ (~ Quelle) Sowie in der anderen Ecke die KBV, die darunter leidet, gleichzeitig auch noch Körperschaft öffentlichen Rechtes zu sein – also beim Protest nicht so frei agieren zu können, wie sie es vielleicht möchte. Bevorzugte Protestformen sind entsprechend eher systemadäquate Maßnahmen – ganz neu z.B. die Einreichung einer Petition beim Deutschen Bundestag (~ mehr Informationen). „‚Wir brauchen so viele Unterschriften wie möglich, um eine größtmögliche Sichtbarkeit für unser Anliegen zu bekommen‘, betont der Vorstandsvorsitzende der KBV […] Er ruft alle Praxen auf, mitzumachen und Unterschriftenlisten auszulegen.“
Teil der KBV-Kampagne, die weiterhin unter #Praxenkollaps geführt wird, war zudem am 19. Oktober der Schulterschluss mit KZBV und der Apothekervereinigung ABDA, bei dem man zusammen einen öffentlichen Notruf senden wollte. Blöd nur, dass den in der breiten Öffentlichkeit kaum einer vernommen hat. Zwar brachte die FAZ am Tag danach eine pointierte Analyse (~ Gemeinsamer Notruf : Alle Ärzte gegen Lauterbach), aber außerhalb der gesundheitspolitischen Blase gab es ansonsten kaum einen Widerhall – auch die Abendnachrichten des Öffentlichen Funk & Fernsehens griffen die Pressekonferenz nicht auf. Immerhin konnten die Apotheker für sich verbuchen, dass tags darauf die ABDA-Präsidentin Overwienig im ZDF-Morgenmagazin sprechen durfte (~ Beitrag ansehen) – inhaltlich war es da aber mit dem Schulterschluss schon wieder vorbei. Die ABDA-Vorsitzende kämpfte für ihre Themen und die Ärzte blieben außen vor.
Immerhin können sich Letztere aber endlich ein wenig ernst(er) genommen fühlen, denn nach dem Lapsus des Ministers von Mitte September (~ Archiv der KW41), hat dieser nun doch noch auf die Forderungen von KVen und KBV vom 18. August reagiert. Mit dem losen Verweis auf bereits laufende Reformbemühungen ‚beruhigt‘ er die Vertragsärzteschaft damit, dass „dabei auch Ihre Anregungen in die Überlegungen einbezogen [werden]. Ich bitte jedoch um Ihr Verständnis, dass ich Ihnen derzeit keine Informationen zur konkreten Umsetzung und zum zeitlichen Rahmen geben kann.“ Äh, ja … vielleicht war es da doch besser, als man dem Minister wenigstens forsch vorwerfen konnte, gar nicht geantwortet zu haben …
Pharmazeutische Zeitung v. 27.10.2023
Petition und Umfrage: Kassenärzte rufen zum Handeln auf
KBV, KZBV & ABDA v. 19.10.2023
Notruf der Ärzte-, Zahnärzte- und Apothekerschaft: Freie Heilberufe bitten Bundeskanzler um Hilfe
Apotheke Adhoc v. 19.10.2023
Dünne Zusagen: Lauterbach schreibt an Ärzte
Debattenbeitrag | SVR-Mitglied Schreyögg schlägt Vergütungszuschläge fachgruppenübergreifender MVZ vor
Der beim Ärztenachrichtendienst (änd) erschienene Bericht zu einem Vortrag vom 27. September des Gesundheitsökonomen Jonas Schreyögg (~ mehr zur Person) ist allein schon wegen des Titels eine Erwähnung wert: „Schreyögg fordert Vergütungszuschläge für vertragsärztliche MVZ“. Der Professor der Uni Hamburg, seines Zeichens auch Mitglied im Sachverständigenrat Gesundheit (SVR), formuliert dabei im Prinzip vieles, was der BMVZ in seiner Verbandsarbeit seit jeher kommuniziert. Andere Aspekte sind eher kritisch zu bewerten. Doch der Reihe nach.
Schreyögg hat anlässlich der Fachtagung zum 50jährigen Bestehen des Zi den unten verlinkten Vortrag gehalten und dabei aus den vorhandenen Zahlen geschlussfolgert, dass es in den vergangenen Jahren immer weniger ‚echte‘ Gründungen von MVZ durch Ärzte gibt, womit augenscheinlich der Neu-Zusammenschluss von zuvor einzeln niedergelassenen Vertragsärzten gemeint ist. Der permanente Anstieg der Zahl von MVZ gehe vielmehr hälftig auf die Gründung durch Krankenhäuser und hälftig auf die Umfirmierung von BAG zurück. Den Grund sieht er in der geringen Profitabilität von MVZ. Er bezieht sich dabei auch auf die Ergebnisse des Zi-MVZ-Panels. Insbesondere fachübergreifende MVZ seien vom finanziell engen Korsett betroffen – Skaleneffekte ließen sich daher gerade bei diesen nur schwer realisieren. Die Folge sei der Einstieg von Krankenhäusern und andere Investoren, die in der Regel auch andere Interessen verfolgten, weshalb hier die unmittelbare Rendite nur eine sekundäre Rolle spielen würde. Die folgende Ursachenbegründung Schreyöggs ist, für einen Gesundheitsökonomen mit makroskopischer Perspektive nachvollziehbar, impliziert jedoch ein schwieriges Narrativ.
Im Bericht wird Schreyögg indirekt mit der Aussage zitiert: ‚Der Hauptgrund sei dafür die geringere Produktivität von angestellten Ärzten in Verbindung mit der Tatsache, dass sich die Vergütung an der Produktivität des selbständigen Arztes ausrichte‘. Die Erfahrung zeigt in der Tat, dass angestellte Ärzte tendenziell niedrigere Fallzahlen aufweisen. Die Gründe dafür können mannigfaltig sein, wie sich wiederholt im Erfahrungsaustausch mit den Mitgliedern des BMVZ zeigt. Doch eine ‚laxe‘ Arbeitseinstellung der angestellten Ärzte, etwa weil sie keine direkte Verbindung zum Umsatz hätten, ist nur ein möglicher Aspekt. Legt man das vermeintliche Axiom zu Grunde, das regelmäßig von den Interessenvertretungen der Niedergelassenen postuliert wird, nachdem sich Ärzte nahezu ausschließlich dem Patientenwohle verpflichtet fühlen, könnte man auch schlussfolgern, dass angestellte Ärzte sich einfach mehr Zeit für die Qualität der Behandlung nehmen. Die Wahrheit liegt, wie meist, irgendwo dazwischen und ist mit einer eindimensionalen Produktivitätsbetrachtung nur bedingt zielführend.
Als Quintessenz schlägt Schreyögg jedenfalls vor, Vergütungszuschläge für fachgruppenübergreifende MVZ einzuführen. Damit sollen die unternehmerischen Risiken, die gerade vertragsärztliche MVZ-Betreiber auf sich nehmen, abgebildet werden. Mit Blick auf das Gesamtsystem schlägt er weiter vor, dass „außerdem … die Gründung von Zweigpraxen auf dem Land incentiviert und Vergütungszuschläge und Umsatzgarantien für ländliche Regionen ausgebaut werden [müsste]. Des Weiteren gehören solche Maßnahmen wie flexiblere Vergütungsmodelle und Einsatz von Honorarärzten in sehr ländlichen Regionen dazu.“
Soweit der Vortragsbericht. Das Nachrichtenportal ergänzt in eigener Kommentierung: „Da seine Expertise im Bundesgesundheitsministerium bekanntermaßen sehr geschätzt wird, könnten die Vorschläge des Gesundheitsökonoms Bausteine für die geplante Regulierung des MVZ-Bereichs beinhalten.“ Diese These scheint dann vielleicht doch etwas gewagt. Allerdings ist es ohne Frage gut und wichtig, wenn das Dilemma der Unwirtschaftlichkeit ambulanter Kooperation auch von dritter Seite auf den Punkt gebracht und öffentlich gemacht wird. Das Thema an sich ist ein Dauerbrenner der BMVZ-Arbeit, oder – um es mit den Worten des BMVZ-Vorsitzenden Dr. Peter Velling zu sagen: „Kooperation ist nicht nur organisatorisch komplex, sondern auch wirtschaftlich höchst unattraktiv. Leider wird dieser Aspekt in der derzeitigen MVZ-Debatte völlig ausgeblendet.“ – Quelle ÄrzteZeitung v. 19. Februar: „MVZ-Verband: „Wir brauchen einen Qualitätswettbewerb“ . Mit der aktuellen Analyse rennt der Gesundheitssachverständige Schreyögg bei uns offene Türen ein.
änd v. 28.09.2023
Schreyögg fordert Vergütungszuschläge für vertragsärztliche MVZ
Zi-Fachtagung v. 27.09.2023 (Vortrags-Doku Prof. Dr. Jonas Schreyögg als PDF)
Vergüten statt verplanen! Zukunftssicherung als Aufgabenfeld der Vertragspartner im Gesundheitswesen
Bundestag beschließt Klinik-Transparenzregister | Mehrwerte für die ambulante Versorgung?
Eingebettet in den komplexen Streit um die Krankenhausreform, hat die Regierungskoalition am 19. Oktober mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz (~ zur Infoseite des BMG) einen machtpolitisch wichtigen Punkt gegen die Bundesländer geholt. Denn – ohne dass es hierzu bereits eine abschließende Einigung mit den Ländern gegeben hätte – werden darin zwecks Klassifizierung u.a. die von Lauterbach gewünschten Level-Cluster für Krankenhäuser eingeführt. Die DKG führt dazu aus: „Die künstliche Leveleinteilung … [wird] dazu führen, dass die vermeintliche „Sternekategorien“ (Level) die Patientinnen und Patienten fehlleiten, und hochspezialisierte Fachabteilungen in kleineren Kliniken, die medizinische Leistungen in anerkannt hervorragender Qualität durchführen, im neuen Transparenzportal des Ministers erst weit hinten auftauchen.“ Die Opposition (hierin einig: AFD, Linke + CDU), die Länder sowie die Krankenhausgesellschaften sind naturgemäß alles andere als begeistert. Dafür sprechen sich neben dem BMG in erster Linie die Kassen positiv für das Gesetz aus. Aber auch aus dem ambulanten Sektor sind Stimmen zu hören, die einen Nutzen–Vorschuss bereit sind, anzunehmen.
Unter hausarzt.digital wird darüber nachgedacht, inwieweit hier wirklich ein nützliches Werkzeug für Ärzte und ihre Patienten, bei denen z.B. planbare Eingriffe anstehen, entstehen könnte. Ähnlich hat sich auch die KBV im Anhörungsverfahren Ende September noch geäußert: KBV-Vize Hofmeister: Klinik-Register kann Mehrwert für Patienten bringen. Allerdings zitiert die KMA die KBV aktuell mit einer reinen Ablehnung, weil „dieses Gesetz … ein Angriff auf die gemeinsame Selbstverwaltung [sei] und … den Weg in eine unmittelbar, bis ins Detail staatlich gelenkte Gesundheitsversorgung [bahne].“ Diese Beobachtung trifft insofern zu, als es sich bei dem Register, das im Frühjahr 2024 starten soll, um ein staatlich finanziertes und gelenktes handelt. Anders, als beim Deutschen Krankenhausverzeichnis (~ direkt zu), dass von den Krankenhausgesellschaften betrieben wird und dessen Finanzierung gleichzeitig eingestellt werden soll (~ BMG streicht Gelder für Qualitätstransparenz).
In diesem bestehenden Register werden aktuell die Qualitätsberichte des Jahres 2021 als Grundlage der Kliniksuche verwendet. Lauterbach schreibt für das neue Register dagegen vierteljährliche Meldepflichten für alle Kliniken vor, die auch Angaben zur Besetzung mit Ärzten und Pflegepersonal umfassen. Begonnen werden soll im April/Mai 2024 mit dem Berichtsjahr 2023. Den Hauptschwerpunkt will das BMG darauf legen, die zahlreichen Informationen zu Ausstattung, Quantität und Qualität für die Bürger vor allem verständlich vorzuhalten. Man darf hier gespannt sein – auch dazu, wie sich konkurrierende Angebote, wie die Weiße Liste von Bertelsmann (~ direkt zu) oder die Kliniksuchen der Kassen (~ AOK | Barmer | bkk Dachverband) dazu verhalten werden. Kritisch sieht zudem dieser Kommentar der Wirtschaftswoche, dass die Daten wohl nicht gerichtsfest sein werden und daher Klagen schon heute voraussehbar seien: Zählen und danach wählen – eigentlich eine gute Idee.
Hausarzt.digital v. 23.10.2023
Krankenhaustransparenzgesetz: Klinik-Register als Helfer im Praxisalltag?
KMA Online v. 20.10.2023
Krankenhaustransparenzgesetz passiert den Bundestag
G+G Update v. 11.10.2023
Umfrage: Spezialisierung und Qualität sind Bürgern wichtiger als die Nähe zum Krankenhaus
‚Hier ist Ihr Steuerbüro. Es eilt!‘ | Cyberattacken durch die Hintertür
‚Nicht die Methode, sondern die Motive sind wichtig‘ – so in etwa lautet die Quintessenz des Referenten zum Thema Cyberkriminalität und IT-Sicherheit beim BMVZ Praktikerkongress vom 22. September 2023 (~ Mario Bauschke | DKB AG – Bereichsleiter Compliance & Support). Das Thema der Cyberkriminalität ist eines, das im Zeitalter der Digitalisierung unbedingt Beachtung verdient. Auf den Punkt: Es macht nur begrenzt Sinn, die Praxisräume mit guten Schlössern zu sichern, aber die Daten nahezu ungeschützt zu lassen. Was wie ein Appell zur Selbstreflektion klingt, soll auch genau dies sein. Denn die Zunahme an Cyberangriffen ist nicht von der Hand zu weisen, wobei die Motivlage mannigfaltig ist. Erpressung steht dabei ganz weit vorn, indem Patientendaten geklaut und mit deren Veröffentlichung gedroht wird. Oder die Praxissoftware wird fremdcodiert und die Erpresser verlangen Lösegeld für die Entsperrung.
Der Faktor Mensch | Wie kann man sich dagegen schützen?
Noch höhere Mauern und sinnbildlich verstärkte Tore (Firewall etc.) bieten nur scheinbaren Schutz, denn die Angreifer kommen oft durch die Hintertür, oder werden nicht selten von Mitarbeitern in die eigene Datenfestung eingelassen. Durch das Öffnen von E-Mail Anhängen, das Antworten auf dubiose Nachrichten ‚vom Chef‘, der mal eben ganz schnell um eine Antwort bittet, oder vom Steuerberater, der noch einmal die Bestätigung der BSNR braucht. Die Autoritätsmasche, nach der eine vermeintlich höhere Instanz eine Handlung einfordert, in Kombination mit Zeitdruck, ist eine häufig verwendete Methode. Hier hilft in erster Linie eine Sensibilisierung, kombiniert mit einigen Kenntnissen. Wüssten Sie beispielsweise, wie sich der Quellcode einer E-Mail auslesen lässt, um zu überprüfen, ob es sich um einen validen Absender handelt? Dies ist je nach E-Mail-Programm unterschiedlich, lässt sich aber im Nu nachgoogeln. Um den Quellcode auf Gefahren zu überprüfen, gibt z.B. folgende Webseite Aufschluss (~ Spamhouse Technology). Haben Sie jetzt unbedacht auf den Link geklickt? Falls Sie gezögert haben oder hätten: Glückwunsch! Ein Moment des Innehaltens ist stets ratsam, und zwar bei allen Aktivitäten dieser Art aus dem Firmennetzwerk. Leider vergeht diese Achtsamkeit nach den Schulungen binnen weniger Wochen und bedarf regelmäßiger Wiederholung, oder Testung durch z.B. Fake-Attacken, um die Mitarbeitenden in Alarmbereitschaft zu halten.
Für weiterführende Informationen haben wir den Vortrag zur Cybersicherheit vom Praktikerkongress 2023 zur Verfügung gestellt. Er findet sich im Mitgliederbereich in der Kategorie Wissen Exclusiv/ Digitalisierung und Infrastruktur (~ direkt zu). Zudem möchten wir auf das gerade frisch erschienene Buch „Ransomware und Cyber-Erpressung“ (~ Inhalt | Leseprobe | zum D.Punkt-Verlag) aufmerksam machen, das vergleichsweise praxisnah daherkommt und vom Textniveau auch dem informierten Laien nachvollziehbare Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen bietet. Und es sei auf die Webseite der Verbraucherzentrale verwiesen, die mit ihrem stets aktualisierten Phishing-Radar über die neuesten Scam-Versuche informiert.
Verbraucherzentrale (in stetiger Aktualisierung)
Phishing-Radar: Aktuelle Warnungen
FAZ v. 11.07.2023
BKA-Chef warnt vor Cyberangriffen auf Hochschulen und Arztpraxen
Management und Krankenhaus v. 03.06.2022
Digitalisierung im Krankenhaus: Cyberabwehr rettet Leben
Patiententermine & No Shows | Gerüchte und juristische Hürden bei Terminversäumnissen
Um die sogenannten No-Shows ranken sich ebenso viele Forderungen wie Gerüchte. Wir hatten das Thema vor fast einem Jahr bereits beleuchtet (~ PRAXIS.KOMPAKT v. 11.11.2022). Um im Rahmen der aufgewühlten Debatte Fehlentscheidungen im Praxismanagement zu vermeiden, sind im Folgenden noch einmal einige Kernpunkte und weiterführende Links zusammengeführt. Die Diskussion um Patienten, die weder erscheinen noch im Vorfeld absagen, geht einher mit einer verbesserten Patientensteuerung, für die allerdings noch kein ganzheitliches Konzept in Sichtweite ist (~ ÄrzteZeitung v. 04.08.2023). Reflexartig wird im Kontext des Nicht-Erscheinens von Ausfallhonoraren gesprochen. Dies ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Auch die Praxisorganisation kann zu einer Reduktion von No-Shows beitragen, auch wenn durch die Terminvergabe via TSS die Optionen reduziert sind. Beispiele zur Steuerung durch die Praxis wären Terminerinnerungen per SMS oder eine Patienten-Sensibilisierung in der Praxis (~ mehr z.B. beim Virchow Bund: Terminplanung).
Den Ausfallhonoraren an sich liegt stets ein Schadensersatz zugrunde. Dessen Anspruch beim einseitigen Verfehlen des Behandlungsvertrages funktioniert allerdings in beide Richtung. Also könnten auch Patienten bedingt einen Schaden geltend machen, wenn sie beispielsweise länger als 30 Minuten warten müssen. Für die Praxis gilt zunächst aber Folgendes: Ein Schaden entsteht nur, wenn es sich tatsächlich um einen persönlichen Termin handelt, bei dem die geblockte Zeit nicht anderweitig genutzt werden kann. Ein klassisches Beispiel sind stets Psychotherapie-Termine. 2022 wurde der Grundsatz solch eines Anspruches höchstrichterlich bestätigt. Je nach Fachrichtung kann so ein Terminausfall entsprechend gedeutet werden. Ist das Wartezimmer jedoch voll, wäre es im Prozessfall schwer zu argumentieren, warum hier kein anderer Patient herangenommen wurde. Ferner ist aus Praxissicht zu beachten, dass die Möglichkeit eines Ausfallhonorars bereits im Vorfeld mit dem Behandlungsvertrag erklärt wird. Die Höhe des Anspruchs, die Ausformulierung der Klausel und eine optionale Hervorhebung in den ‚AGBs‘ sind immer wieder Bestandteil gerichtlicher Grabenkämpfe. Falls in der eigenen Praxis perspektivisch ein Ausfallhonorar erhoben werden sollte, sind für das weiterführende Interesse detailliertere Artikel verlinkt. Und, auch gut zu wissen: Diese Tipps gibt die Verbraucherzentrale diesbezüglich den Patienten.
Medical Tribune v. 16.08.2023
No-Show im Behandlungszimmer
Zahnärztliche Mitteilungen – Heft 10/2023 v. 16.05.2023
Rechtliche Bedingungen für das Ausfallhonorar. Was tun bei No Shows?
Arzt & Wirtschaft v. 12.07.2022 | Update v. 05.07.2023
Termin versäumt! Muss der Patient Schadensersatz zahlen?
Das MVZ als Politikum | Neue Gutachten – alte Fronten … Wer zuletzt Was und Warum gesagt hat
Pünktlich zu September war auch bei der MVZ-Debatte die Sommerpause vorbei. Und so ging es mit dem in altbekannter Schwarz-Weiß-Manier daherkommenden Schlagabtausch Pro und Kontra Investoren munter weiter. Gleichwohl der BMVZ gerade wegen dieser Wiederholungsschleife ein ‚Neues Denken in der MVZ-Debatte‘ forderte und meint, wer Ärzte als Gründer will, sollte Ärzte auch in den Fokus stellen (Beitrag im Observer Gesundheit v. 22.09.2023). Denn: „Es ist nach 20 Jahren MVZ-Realität an der Zeit, dass § 95 SGB V endlich vom Fokus auf die MVZ-Gründung gelöst und normativ die MVZ-Weitergabe zu einem regulativen Mittelpunkt gemacht wird. Denn werden die Ärzt:innen, die heute bereit sind, unternehmerische Verantwortung zu tragen, … weiter allein gelassen, braucht sich … niemand wundern, warum fachfremde Investoren so leichtes Spiel haben.“ Aber, wie gesagt, parallel läuft dennoch auch eine ‚Wiederholung des Programms‘ des ersten Halbjahres.
So veröffentlichte die KZBV am 21. September ein neues Gutachten von Prof. Sodan (der bereits zwei für die Zahnärzte verfasst hat), das sich explizit als Gegengutachten zu der vom BBMV (~ mehr über) im Mai 2023 vorgelegten Einschätzung zur Verfassungswidrigkeit vieler Regulierungsvorschläge versteht. Es mag vor diesem Hintergrund kaum überraschen, dass als Fazit gezogen wird, dass die im Mai „von Prof. Burgi vorgetragenen Argumente und Ergebnisse nicht haltbar sind.“ (~ KZBV v. 21.09.2023: Kernaussagen der rechtswissenschaftlichen Stellungnahme | PDF). Zur Erinnerung, im Auftrag des BBMV war Prof. Burgi zu der Erkenntnis gekommen, dass die meisten der „Verbotsvorschläge … an unüberwindbare verfassungs- bzw. europarechtliche Grenzen [stießen].“ (~ zum Gutachten) An dieser Stelle kann also ein Patt festgestellt werden, mit dem die Debatte nicht um einen Zentimeter weiter gekommen ist.
Passend dazu erklärte Lauterbach im Kontext des Apothekentages vom 27. September (~ im Stream nachhörbar | ab 1:28:10) – ebenfalls ohne jeden Neuigkeitswert, dass er u.a. bei den MVZ ‚überzogene Ökonomisierung‘ in Form von Investoren-MVZ erkenne, die ‚mit hohen Gewinnen die Versorgung in der Tendenz verschlechtern‘, was man unterbinden wolle. Das Portal Apotheke Adhoc kommentierte diesen Part lapidar mit den Worten: „Preisschraube bei Generika überdreht, überzogene Ökonomisierung – Krankenhaus, Investoren-MVZ … Lauterbach spult sein Programm runter. Keine Kapitalinteressen bei Praxen, Versandhandel wolle er nicht ausweiten.“ (~ Quelle)
Einen Tag zuvor, am 26. September, gab Prof. Dr. Wigge im Auftrag einer Firma, die selbst Unternehmensbeteiligungen im Gesundheitswesen hält und somit ebenfalls intentional vorbelastet ist, eine Pressekonferenz, die vor kontraproduktiven Einschränkungen bei MVZ-Investoren warnte. Das Gutachten, bzw. die Kurzfassung davon, ist aber insofern relevant, als es sich konkret und hochaktuell an den Forderungen, wie sie vom Bundesrat im Juni 2023 offiziell erhoben wurden, abarbeitet. Es schließt mit der Kritik, dass „soweit in dem Antrag … die Rede davon ist, dass die Vorschläge nicht auf „eine Diskriminierung bestimmter Versorgungsformen“ hinauslaufen, … genau dies zu konstatieren“ sei. Denn „letztendlich [würden die] … aufgestellten Forderungen zur Begrenzung von MVZ zu einer unverhältnismäßigen und einseitigen Einschränkung der Gründungsberechtigung für Krankenhäuser, die einem gesetzlichen Verbot gleichkommen.“
Dieser Befund ist sachlich zu teilen und entspricht in vielen Punkt der Sichtweise, die der BMVZ ebenfalls einnimmt. Womit aber letztlich nur erneut bewiesen wurde, dass es eben primär eine Frage des politischen Willens und Wollens ist, wie das BMG – und mit ihm– die amtierende Regierungskoalition mit der MVZ-Frage umzugehen gedenkt. Nicht ohne Relevanz ist daher, dass Michael Weller, zuständiger Abteilungsleiter im BMG und in der Frage quasi die ‚rechte Hand‘ von Karl Lauterbach am 17. Oktober bei einer Konferenz erklärte: „Wir wissen, dass wir hier verfassungsrechtliche Probleme haben und, dass wir hier berufsrechtliche Probleme haben. Aber wir werden den Rahmen so weit wie möglich ausschöpfen, damit iMVZs so weit wie möglich eingegrenzt werden können.“ (~ Quelle)
Am Ende entscheidet der Gesetzgeber, also das Parlament – und diesem kommen dabei weitreichende Befugnisse zu– den Rechtsrahmen neu zu setzen. Und ob dann jemand dagegen klagen … und möglicherweise Erfolg haben wird, steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt. (~ ÄrzteZeitung v. 26.05.2023 | Frau Stauch-Eckmann, werden Ihre Mitglieder gegen neue MVZ-Regeln klagen?) Derzeit gilt, dass die Debatte, was, wann und mit welcher Schärfe an MVZ-Regulation eingezogen werden wird, weiterhin als relativ offen gelten muss.
Medical Tribune v. 17.10.2023
Gutachter warnt vor kontraproduktiven Beschränkungen für MVZ-Investoren
ZWP online (Zahnarzt – Wirtschaft – Praxis) v. 17.10.2023
Gutachten zu investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren
(BMVZ im) Observer Gesundheit v. 22.09.2023
Neu denken in der MVZ-Debatte