Arzneimittelrichtline | Klarstellung zur verschreibbaren Packungsgröße bei OTC-Präparaten
Der G-BA fühlte sich veranlasst, das Wirtschaftlichkeitsgebot in Bezug auf die Verschreibungsfähigkeit von Medikamenten, die grundsätzlich frei verkäuflich sind, klarzustellen. Konkret geht es um § 12 Absatz 11 der Arzneimittel-Richtlinie, der Aussagen über die zu bevorzugende Verordnung von nicht-verschreibungspflichtigen Packungsgrößen trifft. Mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger wird hier zeitnah folgender Absatz ergänzt: „Ist bei Arzneimitteln mit gleichem Wirkstoff, gleicher Wirkstärke und identischem Anwendungsgebiet eine ausreichende Versorgung durch nicht verschreibungspflichtige Packungsgrößen nicht gewährleistet, kann die Verordnung verschreibungspflichtiger Packungsgrößen wirtschaftlich sein.“
In den Erörterungen zum Beschluss wird die Entscheidung vor allem auf Triptane bezogen – sie ist jedoch nicht auf diese Wirkstoffklasse beschränkt worden. Hintergrund der Klarstellung ist laut Entscheidungsbegründung, dass es Arzneimittel mit Triptanen verschiedener Packungsgrößen gibt: zum einen nicht verschreibungspflichtige Größen, die also als OTC-Mittel frei verkäuflich sind, beispielsweise für selten auftretende Migräne, zum anderen verschreibungspflichtige Packungsgrößen bei regelmäßigen Migräneattacken. Mit der Dokumentation der Regelmäßigkeit der Beschwerden, z.B. durch ein Schmerztagebuch, geführt vom Patienten, kann zukünftig die begründete Verschreibung der großen Packungsgröße, trotz Verfügbarkeit der kleinen (nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähigen) Packung erfolgen. Kurzum ab sofort gilt: ‚Sind Arzneien bei gleicher Wirkstärke sowohl in verschreibungspflichtigen als auch in kleineren, rezeptfreien OTC-Größen vorhanden, sollen Ärztinnen und Ärzte aus Wirtschaftlichkeitsgründen in der Regel auf die OTC-Variante verweisen. Wenn es jedoch für die medizinische Versorgung nötig ist, kann auch die größere, verschreibungspflichtige Packung als wirtschaftlich angesehen werden.‘
Hausarzt.digital v. 29.09.2023
Arzneiverordnung: Größere Packung kann wirtschaftlich sein
Pressemitteilung des G-BA v. 22.09.2023
Klarstellung zu OTC-Arzneimitteln
Covid-19 | Update zu Impfstoffen, Anspruch und Abrechnung (GKV + PKV)
Die Impfsaison hat begonnen – und weiterhin steht neben der Grippe auch die Covid-19-Impfung im Mittelpunkt. Allerdings hält sich die Nachfrage bisher in Grenzen. Dies auch deshalb, weil in vielen Praxen Unsicherheit über die Rahmenbedingungen herrscht und deshalb die Patientenansprache stockt. Fakt ist zudem, dass die Impfempfehlung nicht mehr alle Patienten erfasst (~ aktuelle Version der Schutzimpfungsrichtlinie), wobei explizit die Covid-19-Impfung weiterhin auch nach individueller ärztlicher Indikation erfolgen darf (~ COVID-19-Vorsorgeverordnung v. April 2023). Das RKI hat derzeit eine eingeschränkte Impfempfehlung ausgesprochen. Die erfasst – grob gesagt – ältere und vorerkrankte Patienten sowie Personen mit berufsbedingt hoher Kontaktzahl. Damit zählt aber z.B. das eigene Praxispersonal auch zur Zielgruppe. Folge dieser nicht mehr alle umfassenden Impfempfehlung ist, dass bei jeder Impfung der Berechtigungsgrund sorgfältig mit zu dokumentieren ist.
Als angepasste Impfstoffe sind derzeit Corminaty (Biontech) & Spikevax (Moderna) verfügbar – letzterer als Einzeldosis. Hier ist allerdings Vorsicht geboten, denn bei der zentralen Impfstoffbeschaffung über den Bund können weiterhin lediglich die 6er-Vials von Biontech geordert werden. Und auch nur diese werden vom Staat finanziert. KBV und Kassen sehen daher ein Regressrisiko auf die Praxen zukommen, wenn sie Moderna-Einzeldosen bestellen, bzw. verimpfen (~ bspw. Detail-Info der KVHH). Parallel hat das BMG auf Nachfrage klargestellt, dass bei den Mehrfach-Vials kein Regress erfolgt, wenn unbeabsichtigt, nicht alles verimpft werden kann. Die Formulierung des Ministeriums bleibt hier zwar vage, da an die Bedingung „trotz bedarfsgerechter Bestellung und sorgfältiger Terminplanung“ geknüpft – aber wer soll das bei der großen Zahl an impfenden Praxen im Detail überprüfen?
Alle Vorgaben gelten auch für Impfungen von Privatversicherten. D.h. auch für diese Patientengruppe wird der Impfstoff vom Staat bereitgestellt und direkt finanziert. Die Abrechnung erfolgt – je nach Aufwand – über eine Kombination der GOÄ-Nummern 1 (Beratung), 5 (Untersuchung) und 375 (Schutzimpfung). Für Privat- wie für Kassenpatienten gilt übrigens, dass die Impfung grundsätzlich auch in Apotheken erfolgen kann, dass also insoweit eine ‚Impf-Konkurrenz‘ besteht, die im Umgang mit den Patienten beachtet und ggf. erfragt werden sollte. Bei der Impfmöglichkeit durch Apotheken handelt es sich um ein zusätzliches Angebot, das während der Corona-Pandemie ermöglicht wurde und seitdem Teil der regulären Impfstrategie ist (~ Corona-Impfung in Apotheken: die wichtigsten Fragen und Antworten).
Die Impfhonorare für GKV-Patienten sind seit dem Frühjahr regional geregelt. Gleichwohl bleibt es für die Abrechnung der Impfleistung bei den bereits bekannten und bundesweit einheitlichen Pseudo-GOPs. Basis der Honorierung ist – aufgrund der Überführung der Covid-19-Impfung in eine Regelimpfung – jeweils die Impfvereinbarung der KV mit den Landeskassenverbänden. Als unseres Wissens nach letzte KV hat hier die KV Hessen am 21. September Vollzug gemeldet: Coronaimpfungen: Einigung Honorierung. Eine Stichprobe der Ländervereinbarungen ergab, dass die Covid-Impfung zumeist deutlich besser vergütet wird, als andere Impfungen und dass sich das Gesamthonorar für eine solche bei um die 15 € eingepegelt hat.
Stets aktuell bietet die KBV alle relevanten Basisinformationen auf ihrer Infoseite ‚Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2‚. Zusätzlich nützlich können z.B. als Praxisaushang die Faktenblätter des RKI zum Impfen – Covid-19-Impfung (PDF | 2 Seiten) sein. Grundsätzlich hält der Bund im Übrigen an den bisherigen Dokumentationsroutinen fest. D.h. alle erfolgten Impfungen müssen jeweils bis sonntags 24 Uhr tageweise an das Impfportal des RKI übermittelt werden (~ Anleitung zur Nutzung des Impf-Doku-Portals).
KBV-Praxisnachrichten v. 12.10.2023
Angepasster Moderna-Impfstoff: KBV sieht nach wie vor Regressrisiko für Praxen
Deutsche Apothekerzeitung | DAZ.online v. 20.09.2023
An die Spritze, fertig, los: Start der COVID-19-Impfsaison
PKV-Serviceportal
Diese Regeln gelten jetzt für Privatversicherte bei der COVID-Impfung
Vergütung und Begrenzung der Videosprechstunde | Kleinvieh macht auch Mist
Die GOP 01444, befristet eigentlich bis Ende dieses Jahres, wurde jüngst vom Bewertungsausschuss bis 31. Dezember 2025 verlängert. Es handelt sich dabei um die Abrechnungsziffer für die Identifizierung eines nicht bekannten Patienten in einer Videosprechstunde. Als solche gelten nach Anlage 4b §2 Abs.2 des BMV-Ä, Patienten deren Identität nicht im laufenden, oder Vorquartal geprüft wurde. Denken Sie also daran, bei seltenen „Gästen“ diese Ziffer anzusetzen – auch wenn die Abrechnung lediglich 10 Punkte, sprich 1,15 €, bringt. In diesem Zusammenhang wäre noch einmal auf die weiteren Zuschläge aufmerksam zu machen, wie den Technikzuschlag der GOP 01450 mit 40 Punkten etc. Die KBV hat zur Vergütung der Videosprechstunde eine gute Übersicht bereitgestellt (~ PDF öffen).
Nach dem noch ausstehenden Digital-Gesetz (DigiG) sollen zukünftig die „fall- und leistungsbezogenen Begrenzungen bei der Erbringung“ von Videosprechstundenangeboten aufgehoben und durch einen vom Bewertungsausschuss festzulegenden Umfang ersetzt werden. So heißt es zumindest im jetzigen Gesetzesentwurf (~ mehr dazu ab S. 100f zu Nummer 8 Referentenentwurf DigiG v. 20.08.2023). Das DigiG wird allerdings noch etwas auf sich warten lassen, so soll das Inkrafttreten schrittweise bis 15. Januar 2025 erfolgen. Optimistisch betrachtet bleibt also noch etwas Zeit, die internen Praxisabläufe anzupassen. Falls der ein oder andere noch mit der Videosprechstunde hadert, oder die Patienten das Angebot unbefriedigend wenig nutzen, bietet die Zeitschrift ‚Der niedergelassene Arzt‘ eine valide Argumentationsliste für die Vorzüge auf Praxis- und Patientenseite.
KV Nordrhein v. 25.09.2023
Videosprechstunden: Authentifizierungszuschlag bis Ende 2025 verlängert
ÄrzteZeitung v. 20.06.2023
Mengenbegrenzung bei Videosprechstunde soll wegfallen
Der niedergelassene Arzt
Die Videosprechstunde – nur bei Corona oder auch in Zukunft?
Hybrid DRG-Startkatalog | Das BMG macht Ernst
Zum 1. Januar 2024 soll nun endlich ein Schritt in Richtung gerechterer Honorierung von sowohl ambulant als auch und stationär zu erbringenden Leistungen erfolgen. Das BMG hat in einem Referentenentwurf einen Startkatalog für die Hybrid-DRGs zur Abrechnung ambulantisierter OPs vorgestellt. Es handelt sich dabei um eine Ersatzvornahme nach § 115f Absatz 4 SGB V. Hintergrund ist die Unfähigkeit von KBV, DKG und Kassen, fristgerecht zu einer Einigung zu kommen, weswegen das BMG jetzt per Rechtsverordnung (und ohne Zustimmungsnotwendigkeit des Bundesrates) die Details bestimmt. D.h. das jüngst vom BMG gestartete Verbände-Anhörungsverfahren ist der einzige und letzte Schritt, bevor die Hybrid-DRG verbindlich an den Start gehen.
Im Detail sieht der Startkatalog in Anlage Eins fünf Leistungsbereiche vor: Bestimmte Hernieneingriffe, Entfernung von Harnleitersteinen, Ovariektomien sowie Arthrodesen der Zehengelenke und Exzision eines Sinus pilonidalis. Anlage Drei führt zudem zahlreiche weitere DRGs auf, deren Neubewertung als Hybrid-DRG dann im kommenden Jahr erfolgen soll. Anlage Zwei bietet mit Blick auf den Startkatalog eine Übersicht der Bewertung in Euro je Hybrid-DRG. So sollen beispielsweise „Eingriffe bei Sinus pilonidalis und perianal, Alter > 15 Jahre“ mit 1038,17 Euro vergütet werden. Aus der Perspektive operierender Vertragsärzte wird die Entwicklung ohne Frage spannend – wenngleich hier der Umstand, dass jeweils mehrere OPs in einer Vergütungsziffer zusammengengeführt wurden, eine schnelle Einschätzung, inwieweit sich hier aus ambulanter Sicht echte Honorarmehrwerte verbergen, erschwert. In jedem Fall liegen die Honorarsätze im Schnitt 25 – 30 % niedriger als in den vergleichbaren stationären DRGs.
Berechtigt zur Abrechnung sollen im Übrigen Vertragsärzte, MVZ und explizit auch Belegärzte sein, welche die nötige Voraussetzung für das ambulante Operieren nach 115b SGB V erfüllen. Die ambulante OP selbst erfolgt dann – nach dem aktuellem Entwurf – auf Basis einer Überweisung. Hier ist mit Schwierigkeiten bei fachübergreifenden MVZ zu rechnen, da innerhalb eines solchen bekanntlich keine Überweisungen ausgestellt werden können. Der BMVZ wird sich im Stellungnahmeverfahren entsprechend engagieren. Es bleibt insgesamt abzuwarten, was sich in Folge des laufenden Rechtsordnungsverfahrens noch ergibt.
Ärzteblatt v. 05.10.2023
Hybrid-DRG: Ministerium legt „Startkatalog“ mit ersten Leistungen vor
änd v. 06.10.2023
BMG legt Startkatalog zu Hybrid-DRGs vor
Vortrags-Doku des Klinikverbund Hessen e.V.
Verordnung zu einer speziellen sektorengleichen Vergütung (PDF)
Debattenbeitrag | SVR-Mitglied Schreyögg schlägt Vergütungszuschläge fachgruppenübergreifender MVZ vor
Der beim Ärztenachrichtendienst (änd) erschienene Bericht zu einem Vortrag vom 27. September des Gesundheitsökonomen Jonas Schreyögg (~ mehr zur Person) ist allein schon wegen des Titels eine Erwähnung wert: „Schreyögg fordert Vergütungszuschläge für vertragsärztliche MVZ“. Der Professor der Uni Hamburg, seines Zeichens auch Mitglied im Sachverständigenrat Gesundheit (SVR), formuliert dabei im Prinzip vieles, was der BMVZ in seiner Verbandsarbeit seit jeher kommuniziert. Andere Aspekte sind eher kritisch zu bewerten. Doch der Reihe nach.
Schreyögg hat anlässlich der Fachtagung zum 50jährigen Bestehen des Zi den unten verlinkten Vortrag gehalten und dabei aus den vorhandenen Zahlen geschlussfolgert, dass es in den vergangenen Jahren immer weniger ‚echte‘ Gründungen von MVZ durch Ärzte gibt, womit augenscheinlich der Neu-Zusammenschluss von zuvor einzeln niedergelassenen Vertragsärzten gemeint ist. Der permanente Anstieg der Zahl von MVZ gehe vielmehr hälftig auf die Gründung durch Krankenhäuser und hälftig auf die Umfirmierung von BAG zurück. Den Grund sieht er in der geringen Profitabilität von MVZ. Er bezieht sich dabei auch auf die Ergebnisse des Zi-MVZ-Panels. Insbesondere fachübergreifende MVZ seien vom finanziell engen Korsett betroffen – Skaleneffekte ließen sich daher gerade bei diesen nur schwer realisieren. Die Folge sei der Einstieg von Krankenhäusern und andere Investoren, die in der Regel auch andere Interessen verfolgten, weshalb hier die unmittelbare Rendite nur eine sekundäre Rolle spielen würde. Die folgende Ursachenbegründung Schreyöggs ist, für einen Gesundheitsökonomen mit makroskopischer Perspektive nachvollziehbar, impliziert jedoch ein schwieriges Narrativ.
Im Bericht wird Schreyögg indirekt mit der Aussage zitiert: ‚Der Hauptgrund sei dafür die geringere Produktivität von angestellten Ärzten in Verbindung mit der Tatsache, dass sich die Vergütung an der Produktivität des selbständigen Arztes ausrichte‘. Die Erfahrung zeigt in der Tat, dass angestellte Ärzte tendenziell niedrigere Fallzahlen aufweisen. Die Gründe dafür können mannigfaltig sein, wie sich wiederholt im Erfahrungsaustausch mit den Mitgliedern des BMVZ zeigt. Doch eine ‚laxe‘ Arbeitseinstellung der angestellten Ärzte, etwa weil sie keine direkte Verbindung zum Umsatz hätten, ist nur ein möglicher Aspekt. Legt man das vermeintliche Axiom zu Grunde, das regelmäßig von den Interessenvertretungen der Niedergelassenen postuliert wird, nachdem sich Ärzte nahezu ausschließlich dem Patientenwohle verpflichtet fühlen, könnte man auch schlussfolgern, dass angestellte Ärzte sich einfach mehr Zeit für die Qualität der Behandlung nehmen. Die Wahrheit liegt, wie meist, irgendwo dazwischen und ist mit einer eindimensionalen Produktivitätsbetrachtung nur bedingt zielführend.
Als Quintessenz schlägt Schreyögg jedenfalls vor, Vergütungszuschläge für fachgruppenübergreifende MVZ einzuführen. Damit sollen die unternehmerischen Risiken, die gerade vertragsärztliche MVZ-Betreiber auf sich nehmen, abgebildet werden. Mit Blick auf das gesamtsystem schlägt er weiter vor, dass „außerdem … die Gründung von Zweigpraxen auf dem Land incentiviert und Vergütungszuschläge und Umsatzgarantien für ländliche Regionen ausgebaut werden [müsste]. Des Weiteren gehören solche Maßnahmen wie flexiblere Vergütungsmodelle und Einsatz von Honorarärzten in sehr ländlichen Regionen dazu.“
Soweit der Vortragsbericht. Das Nachrichtenportal ergänzt in eigener Kommentierung: „Da seine Expertise im Bundesgesundheitsministerium bekanntermaßen sehr geschätzt wird, könnten die Vorschläge des Gesundheitsökonoms Bausteine für die geplante Regulierung des MVZ-Bereichs beinhalten.“ Diese These scheint dann vielleicht doch etwas gewagt. Allerdings ist es ohne Frage gut und wichtig, wenn das Dilemma der Unwirtschaftlichkeit ambulanter Kooperation auch von dritter Seite auf den Punkt gebracht und öffentlich gemacht wird. Das Thema an sich ist ein Dauerbrenner der BMVZ-Arbeit, oder – um es mit den Worten des BMVZ-Vorsitzenden Dr. Peter Velling zu sagen: „Kooperation ist nicht nur organisatorisch komplex, sondern auch wirtschaftlich höchst unattraktiv. Leider wird dieser Aspekt in der derzeitigen MVZ-Debatte völlig ausgeblendet.“ – Quelle ÄrzteZeitung v. 19. Februar: „MVZ-Verband: „Wir brauchen einen Qualitätswettbewerb“ . Mit der aktuellen Analyse rennt der Gesundheitssachverständige Schreyögg bei uns offene Türen ein.
änd v. 28.09.2023
Schreyögg fordert Vergütungszuschläge für vertragsärztliche MVZ
Zi-Fachtagung v. 27.09.2023 (Vortrags-Doku Prof. Dr. Jonas Schreyögg als PDF)
Vergüten statt verplanen! Zukunftssicherung als Aufgabenfeld der Vertragspartner im Gesundheitswesen
Ärzte auf den Barrikaden!? | Protest, der zersplintert, trifft auf schlechte Kassenlage
Große Protestversammlung am 18. August, Unterstützung der MFA-Proteste am 8. September, Praxisschließungen am 2. Oktober – und zeitlich mittendrin die Bekanntmachung, dass der Orientierungspunktwert um (nur) 3,85 Prozentpunkte steigt. Ein Ergebnis, das – wie die KBV-Spitze betont – als einvernehmlicher Kompromiss angenommen wurde. Genau dafür wurde sie scharf kritisiert und teils – wie berichtet – wurden Rücktrittsforderungen erhoben. Natürlich kann man es auch so sehen, wie KBV-Vorstand Hofmeister, der in der Vertreterversammlung am 15. September meinte, dass niemand so naiv sein könne zu glauben, „dass die Politik acht bis zehn Milliarden für uns locker macht.“ Aber die Zahl derer, die meint, dass die KBV in dieser Frage keinen guten Job macht, steigt.
Besonders aktiv ist der Virchowbund mit seinem Vorsitzenden Dr. Dirk Heinrich, der auch initial verantwortlich für die Aktion zur Praxisschließung am Brücken-Montag vor dem 3. Oktober war, und der auch die in drastischer Optik gehaltene Webseite ‚Praxis in Not‘ betreibt. Allerdings weisen die ‚Mitmachkarte‘ (~ direkt zu) keine aktuellen Aktivitäten auf und auch ein Blick auf den Protest-Baukasten (~ direkt zu) lässt die einzelne Praxis mit Tipps etwa zum Organisieren eines Flashmobs oder zum Projekt ‚tickende Uhr‘ (= Wecker unterbricht das Patientengespräch – Arzt sagt: „Jetzt ist die Zeit, die mir Ihre Krankenkasse für Sie gönnt, eigentlich um“) wohl etwas ratlos zurück. Dementgegen kommt die schon etwas länger vom Medi-Verbund betriebene Webseite www.aerzteproteste.de vergleichsweise seriös, wenn auch etwas inhaltsleer daher und bietet daher vor allem Plakate, die sich direkt an die Patienten richten, und die um Verständnis für die Arztforderungen werben.
Die starke Präsenz des Virchowbundes dürfte (Mit-)Auslöser gewesen sein, dass nun auch die KBV eine gesonderte Protest-Webseite gestrickt hat, die sich auf den bekannten Claim #Praxenkollaps bezieht. Ihr Schwerpunkt liegt darauf, es sowohl Praxen als auch Patienten zu ermöglichen, aufwandsarm ihre lokalen und regionalen Bundestagsabgeordneten per Social Media oder Mail zu kontaktieren, um den KBV-Forderungen Nachdruck zu verleihen. Eine Aktion, mit der sicher auch das tiefgehende Trauma der KBV angegangen werden soll, dass Lauterbach vor rund vier Wochen ausgelöst hat, als er auf die Frage nach seiner ausbleibenden Reaktion auf den Protestbrief der Ärzteschaft vom 18. August 2023 lapidar antwortete: ‚Er könne sich nicht an das Anschreiben erinnern. Er bekäme jeden Tag viele Anfragen von Industrie und Institutionen und würde diese ggf. persönlich, aber nicht öffentlich beantworten. „Tempi passata“, fügte er schulterzuckend hinzu.“ (~ Bericht der Apotheke Adhoc)
Gleichwohl bleibt die Frage, was die Ärzteschaft eigentlich realistischerweise erreichen kann – in Zeiten in denen das BMG sich traut, öffentlich zu kontern, ob man den Patienten Beitragssteigerungen zumuten wolle, damit eine vergleichsweise gut verdienende Berufsgruppe weitere Honorarzuschüsse bekommt: „Soll der Beitrag für Arbeitnehmer steigen?“: Lauterbach ohne Verständnis für Ärzte-Streik am Brückentag. Liest man die Äußerungen des Virchowbundvorsitzenden, scheint Protestziel für ihn vor allem zu sein, die von Ministervorgänger Spahn eingeführte Neupatientenregelung zurückzubekommen. Am Rande wird dabei natürlich auch die Forderung der allgemeinen Entbudgetierung aufgegriffen. Aber ja, um auf den bereits zitierten KBV-Vorstand Hofmeister zurückzugreifen: Es wäre schon sehr naiv anzunehmen, dass das politisch durchsetzbar ist. Immerhin wurde aktuell vom BMG mehrmals bestätigt (~ bspw. beim Hausärztetag am 22. September), dass man an der Umsetzung der noch ausstehenden Hausarztentbudgetierung arbeite – das wird Stadtstaaten-KVen wie Berlin und Hamburg, wo das tatsächlich einen relevanten Unterschied bedeuten würde, freuen zu hören.
Insgesamt ist aber der Spielraum für Honorarverbesserungen tatsächlich eher klein. Was die Frage aufwirft, wie viel Profilierungsgehabe in den Aktionen steckt, wenn Ärzteinstitutionen öffentlich in Konkurrenz zueinander agieren zu scheinen, statt am selben Strang zu ziehen. Mal sehen, was vor diesem Hintergrund bei der für Donnerstag, den 19. Oktober angekündigten gemeinsamen Pressekonferenz von KBV, KZBV und Apothekerverband (ABDA) herauskommt. Immerhin haben die Apotheker geschafft, was bei den Ärzten gerade völlig fehlt: Sie erhalten politische Unterstützung: Holetschek unterstützt Apothekenforderung | Ministerin unterstützt Apothekenprotest …
ÄrzteZeitung v. 05.10.2023
Arztpraxen leiden unter einem „Auszehrungsprozess“
Tagesschau v. 02.10.2023
Warum Arztpraxen heute geschlossen bleiben
Hausarzt.digital v. 15.09.2023
KBV-Vertreterversammlung: Ärzteschaft gibt sich geschlossen kämpferisch
Protestwebseiten
www.praxenkollaps.info (KBV) | www.praxisinnot.de (Virchowbund) | www.aerzteproteste.de (MediVerbund)
Bericht vom Praktikerkongress | Analyse zur Gesetzesentwicklung im ambulanten Sektor
Die gesundheitspolitischen Bestrebungen der aktuellen Regierung sind mannigfaltig und haben – wenn auch nicht immer gleich offensichtlich – vielfach Anknüpfungspunkte zur MVZ-Thematik. Nachfolgend haben wir diesbezüglich die Analyse zur Gesetzgebungsagenda des BMG, vorgetragen von Robin Rüsenberg am 22. September im Rahmen des BMVZ Praktikerkongress 2023, zusammengefasst, um unsere eigenen, regelmäßgen Kurzbericht zu ergänzen. Rüsenberg trat dabei in seiner Eigenschaft als Lehrbeauftragter der Uni Braunschweig auf, ist aber parallel Fachleiter in gesundheitspolitischen Fragen bei der Techniker Krankenkasse. Einen Kurzüberblick insgesamt zum Politikblock des Praktikerkongresses und seinen wesentlichen Inhalten finden Sie zudem auf unserer Kongresshomepage: Das MVZ als Gesetzgebungsobjekt.
Rüsenberg hatte in seinem Part bezüglich der hinlänglich kolportierten Behauptung‚ ‚im ambulanten Sektor würde nichts passieren‘, entgegnet, dass sich bei objektiver Betrachtung doch einiges tun würde. So sind etliche Gesetze auf den Weg gebracht worden, welche den ambulanten Sektor mitbetreffen. Jüngst wäre die ‚Entbudgetierung‘ der Kinderärzte zu nennen. Zu dieser merkte Rüsenberg an, dass es sich allerdings nicht um eine klassische Ausbudgetierung handelt. Auch zukünftig wird noch einiges passieren. Neben den vom BMVZ achtsam verfolgten Versorgungsgesetzen I und II, sollen spätestens im kommenden Jahr, mit der Anpassung der Delegationsrichtlinien, den hybriden DRGs und den Community Health-Nurses auf den Weg geschickt werden. Eine gut sortierte Aufstellung, zu den Bemühungen der Regierung, bietet – neben dem Vortrags-PDF – auch der unten verlinkte änd-Artikel zur BMG-Halbzeitbilanz.
Rüsenberg ging auch auf die ‚ambulanten Flaggschiffprojekte‘ des BMG ein: Gesundheitskioske, Primärversorgungszentren und Level 1i Krankenhäuser. Letztere bergen aus seiner Sicht Potential, im Dreiklang aus Chirurgie, hausärztlicher Versorgung und Pflege und sind somit relevant für die ambulante Tätigkeit. Allerdings, so gab der Referent zu bedenken, könnten sich mit der momentanen Planung, die Überkapazitäten aus dem stationären in den ambulanten Sektor verlagern. Mit Bezug auf die Gesundheitskioske merkte er an, dass sich – beim jetzigen Planungsstand – die Einrichtungen lediglich zu „Verschiebebahnhöfen“ entwickeln würden. Sinnhaft wäre die Förderung der oben genannten neuen Einrichtungsvarianten vor allem, wenn sie zwingend in den unterversorgten oder von Unterversorgung gefährdeten Regionen errichtet werden müssten. Dafür müsste allerdings die Definition der Gesundheitsregionen an sich auf den Prüfstand. Rüsenberg schloss mit der Ergänzung, dass es seiner Meinung nach selbstredend sinnvoll sei, wenn den Kommunen eine MVZ-Gründung vereinfacht werden würde, so dass Gemeinden im Heute aktiv werden können, bevor sie es Morgen auf Umwegen müssen.
änd v. 01.10.2023
BMG-Halbzeitbilanz: Einiges angefasst, nur wenig zu Ende gebracht
BMVZ-Vortrags-Dokumentation v. 22.09.2023
Zeitenwende in der ambulanten Versorgung? Analyse & Überblick zur aktuellen Gesundheitspolitik (PDF)
BMVZ v. 17.09.2023
Elevator Pitch Teil 2: Zwischenbericht zum Krankenhausstrukturgesetz und Transparenzgesetz
Abdruck als Volltext nachfolgend:
Elevator Pitch Teil 2: Zwischenbericht zum Krankenhausstrukturgesetz und Transparenzgesetz
Seit unserem letzten Artikel zur Krankenhausreform (~ PRAXIS.KOMPAKT KW.15) hat sich an der Relevanz der Krankenhausreform wenig geändert. Denn das Mammutprojekt bindet sowohl personelle als auch monetäre Kapazitäten im BMG. Ebenso zeigt sich bei den Verhandlungen, wie sich die Akteure im stationären Sektor eine Wende im Gesundheitswesen vorstellen. Um eine kurze Übersicht über die Geschehnisse um die Krankenhausreform zu geben, haben wir die relevanten Punkte erneut eingeordnet. Das Bild eines Elevator Pitches, also einer Zusammenfassung, die innerhalb einer Fahrstuhlfahrt zu berichten wäre, passte schon beim letzten Artikel, wegen der Komplexität des Themas, nur leidlich. Was diesmal folgt, ist ein ‚Paternoster Pitch‘, denn wie bereits andere Gesundheitsminister:innen vor ihm, fährt Lauterbach mit seinen Vorhaben zur Krankenhausreform momentan im Kreis.
Mit dem Eckpunktepapier, welches am 10.07.2023 verabschiedet wurde, hatten sich die Länder auf das weitere Vorgehen geeinigt und unterm Strich gegen die ursprünglichen Reformvorhaben Lauterbachs entschieden (~ Eckpunktepapier als PDF) Rauskommen soll nun ein Reförmchen: Eine Krankenhausreform der Länder, gesteuert von den Ländern, wie die ÄrzteZeitung die Agenda des NRW-Gesundheitsministers Laumann beschreibt (~ ÄZ v. 23.06.2023). Bayern hatte dem als einziges Bundesland nicht zugestimmt und auch im Vorfeld schon ausdrücklich Position bezogen (~„Bayern mit Ablehnung nicht allein“, ÄZ v. 16.07.2023). Es sei allerdings erwähnt, dass es auf Länderebene ganz klar auch ums politische Taktieren geht. Es ist kein Geheimnis, dass die Länder ihrem Anteil der Krankenhausfinanzierung nur beiläufig nachkommen. Ein relevanter Verhandlungspunkt sind demnach Mittel des Bundes. Mittel, die an anderer Stelle der Gesundheitsfürsorge fehlen werden.
Die ursprüngliche bundesländerübergreifende einheitliche Level-Einteilung der Krankenhäuser ist vom Tisch. Zu groß war die Befürchtung in Gemeinden und Kommunen – und damit in den Ländern – ein einheitlicher Kriterienkatalog würde die eigenen Krankenhäuser schlecht dastehen lassen. Somit verbleibt die Deutungshoheit über die Versorgungsstufe und das Leistungsspektrum bei den Ländern. Das gilt auch für die Level 1i Krankenhäuser, deren sektorübergreifendes Konzept auch für den ambulanten Bereich interessant ist. Zum einen könnten mit dem Level 1i Kooperationen und Synergien entstehen. Zum anderen scheint das bisherige Konzept dieser Krankenhäuser durchaus Konkurrenzpotential für MVZ zu haben. Die geringe Bettenzahl und die Ausrichtung, mit der geplanten Kooperation ambulanter Ärzte im Haus, geben den Level 1i Einrichtungen womöglich einen „Touch von Praxis“ der insbesondere bei der Personalbeschaffung für MVZ zum Wettkampf werden könnte. Allerdings scheint bisher nicht absehbar, wie sich die Leistungsvergütung in den Einrichtungen in der Realität darstellt. Wird hier nicht mit Augenmaß von der Politik gesteuert, setzt sich die ‚gegenseitige Kannibalisierung von Krankenhäusern und Praxen‘ womöglich fort, wie es ein Berliner Facharzt treffend ausdrückt (~ ÄZ v. 13.09.2023). Welche Einrichtungen am Ende zu Level 1i Krankenhäusern werden, lässt sich durch die Länderhoheit nun nicht mehr abschätzen. Neuigkeiten zur Krankenhausreform sind Ende September aus der Länderarbeitsgruppe zu erwarten, die nach eigener Aussage ‚im Großen und Ganzen im Zeitplan liegt‘ (änd v. 14.09.2023).
Vor dem Ende dieser Paternoster“rundfahrt“ ist noch anzumerken, dass Lauterbach indessen über das Krankenhaustransparenzgesetz versucht, einen einheitlichen bundesweiten Standard zu etablieren. Im vorgesehenen Transparenzverzeichnis sollen Kliniken Daten zum Leistungsspektrum, zur Personalausstattung, zur Versorgungsstufe und zur Qualitätssicherung bereitstellen. Das Ganze wäre dann im sogenannten Krankenhausatlas öffentlich online zugänglich. Der Plan ist also, die Patienten mit ihren Füßen abstimmen zu lassen. Reflexartig haben sich die diversen Interessenvertretungen dagegen ausgesprochen. Von einem „Trojanischen Pferd“ sprach die deutsche Krankenhausgesellschaft, „Leistungsgruppen würden nichts über die Qualität aussagen“ monierte der Bund deutscher Privatkliniken (~ bibliomed v. 22.08.2023). Just vor Redaktionsschluss, hat das Bundeskabinett dem Entwurf zum Transparenzgesetz zugestimmt. In der 38. KW wird der Entwurf dann Thema im Bundestag. Als Quintessenz ist es in Hinblick auf die kommenden Gesetzgebungen im ambulanten Bereich erst einmal begrüßenswert, dass sich hier der stationäre Sektor um die Ausfüllung des Begriffes ‚Versorgungsqualität‘ bemüht und evaluiert, welche Art der Transparenz es dafür zielführend braucht.
ÄrzteZeitung v. 23.08.2023
Privatkliniken stemmen sich gegen „Karl Lauterbachs Klinikreform“
ÄrzteZeitung v. 16.08.2023
BMG veröffentlicht Entwurf für „Krankenhaus-Transparenzgesetz“
Ärzteblatt v. 16.06.2023
Krankenhausreform: Einteilung in Level ohne rechtliche Verbindlichkeit