Neu ab 1. Juli: Blanko-Verordnung für die Pflege | Neues Muster 12
Ab der zweiten Jahreshälfte kommen nun auch die Blanko-Verordnungen für die Häusliche-Krankenpflege. Ab 1. Juli sollen die neuen Muster 12 auf den PVS-Systemen aufgespielt worden sein. Das neue Muster unterscheidet sich in einer zusätzlichen Spalte auf der rechten Seite. Für das alte Muster 12 gilt eine Stichtagsregelung, wonach diese ab dem 1. Juli 2024 nicht mehr verwendet werden darf. Die KV RLP weist darauf hin, dass die alten Muster zu vernichten sind. Zumindest für Rheinland-Pfalz gilt zudem: „Praxen, die in der Vergangenheit Muster 12-Formulare über die KV RLP bezogen haben, bekommen diese automatisch zugeschickt. Zudem können sie bei der KV RLP angefordert werden.“ (~ Link) Hier ist zu vermuten, dass alle KVen ähnlich vorgehen werden – fragen Sie gegebenenfalls bei Ihrer KV nach.
Die neu hinzugekommene Variante der Blanko-Verordnung ist nur bei ausgewählten Leistungen möglich. Für diese können die Pflegefachkräfte dann den Umfang und die Dauer bestimmen. Eine Liste mit den 34 Leistungen haben wir, zusammen mit einer guten PDF-Übersicht der KV Thüringen, unter diesem Text verlinkt. Bei der Ausstellung der Pflegeverordnung wird zukünftig in drei Varianten unterschieden. A) Die neue Blanko-Verordnung: Möchte die Praxis eine der möglichen Leistungen blanko verschreiben, erfolgt keine Angabe des Gesamtverordnungszeitraumes im Feld „Nur bei Ärztlicher Festlegung“. Dafür muss ein Kreuz unter „Häufigkeit/Dauer von Pflegefachkraft” gesetzt werden. Somit kann der Pflegedienst, respektive die Pflegefachkraft, die Häufigkeit und Dauer der Maßnahme selbst festgelegt. Mitunter werden die PVS-Systeme die möglichen Leistungen, die eine Blanko-Verordnung erlauben, auch automatisch erkennen und die Blanko-Option als Standard eintragen. Hier ist systemabhängig also Umsicht geboten.
Als weitere Option gilt die B) Hybrid-Verordnung: Wie der Name vermuten lässt, werden hier Erstens von der Praxis verordnete Leistungen nach Dauer und Maßnahme festgelegt. Der Gesamtverordnungszeitraum bezieht sich aber nur auf diese, von der Praxis beschriebenen Leistung. Zweitens wird eine zusätzliche Leistung verordnet, bei der die Pflegefachkraft Maßnahme und Dauer festlegt. Und zu guter Letzt – ganz klassisch – C) Keine Blankoverordnung. „Hier gibt die verordnende Person selbst die Häufigkeit und Dauer der Maßnahmen sowie den Gesamtverordnungszeitraum auf Muster 12 an.“ (~ KV RLP v. 14.05.2024) Der Medical Tribune weist darauf hin, dass aus Platzgründen manche HKP-Maßnahmen nicht mit aufgeführt sind. „Es gibt sie aber weiterhin, sie müssen nun im Freitextfeld ‚Sonstige Maßnahmen der Behandlungspflege‘ aufgeführt werden. Dazu gehört z. B. die Nr. 12 Positionswechsel bei Dekubitusbehandlung“ (~ Quelle).
Eigentlich sollten die Blankoverordnungen schon ab Jahresbeginn Verwendung finden. Der GKV-Spitzenverband und Vertreter der Pflegeverbände mussten zur Klärung ihrer Unstimmigkeiten allerdings erst den Vermittlungsausschuss anrufen. Der Gesetzgeber verspricht sich von der Öffnung der Gestaltungkompetenzen für die Pflegefachkräfte eine verbesserte Versorgung. Kürzlich erst hatten wir das ‚Pendant‘ beleuchtet: „Blanko-Verordnung für Ergotherapie sei 1. April am Start | Was bedeutet das für die Physiotherapie?“ (~ PRAXIS.KOMPAKT | KW 18)
Apropos Neuregelungen:
Wir möchten an der Stelle auch noch einmal mit Nachdruck auf die Pflicht zur Empfangsbereitschaft des eArztbriefes ab dem 30. Juni hinweisen. Mehr zum Thema: ~ Praxiswissen eArztbrief vs. eNachricht | Auf die Form kommt es an.
Themenseite der KV Rheinland-Pfalz v. 14. Mai 2024
Häusliche Krankenpflege: neues Verordnungsformular
Gute Übersicht der KV Thüringen v. April 2024 (öffnet als PDF)
Muster 12: Verordnung häuslicher Krankenpflege
Medical Tribune v. 17.04.2024
Geändertes Formular wird ab Juli in der Praxissoftware verfügbar sein
Praxiswissen: Ausländische Patienten & andere Sonderfälle rund um die eGK | Für jede Regel eine Ausnahme
Die Urlaubssaison steht bevor. Damit stehen womöglich auch Urlauber vor dem Praxistresen. Anlass für eine kurze Übersicht zum Umgang mit im Ausland versicherten Patienten und für einen allgemeinen Reminder zur Handhabung bei Patienten mit fehlenden oder ungültigen eGKs. Bekanntermaßen gilt der Grundsatz, dass die Anspruchsberechtigung von Patienten für eine Behandlung auch die Grundlage für die Vergütung der Praxis über die KVen und Kassen ist. Diese Anspruchsberechtigung muss daher – auch im Eigeninteresse des Arztes – nachgewiesen, bzw. kontrolliert werden. Hier gibt es allerdings Ausnahmen, wie eine vergessene eGK. Im Falle ausländischer Patienten ist zudem auf den Leistungsumfang zu achten. Die KBV hat zusammenfassend eine ausführliche Arbeitshilfe zum versicherungsrechtlichen Umgang mit ausländischen Patienten bereitgestellt (~ PDF | 11 Seiten). Darüber hinaus können die beiden Übersichts-PDFs der KZBV auch für alle anderen Fachrichtungen nützliche Anhaltspunkte liefern, um herauszufinden, welche Dokumentations- und Nachweispflichten im konkreten Einzelfall gelten: Patienten des EWR-Raumes | Patienten aus Abkommensstaaten.
Die KBV weist ausdrücklich darauf hin, dass von EU-Bürgern: „die Europäische Krankenversichertenkarte (EHIC) oder Global Health Insurance Card (GHIC) als physische Karte vorgelegt werden muss.“ Die digitalen Varianten, die einige europäische Länder ihren Bürgern ausstellen, sind in Deutschland bislang nicht zulässig! (~ Link zur Themenseite der KBV). Die KVBW führt zudem aus, dass der Anspruchsnachweis in 2-facher Ausführung zu kopieren ist. Außerdem ist die Kopie mindestens 3 Jahre aufzubewahren. Der Leistungsanspruch von einem der drei europäischen Krankenversicherungen (EHIC; GHIC; PEB) ist in Verbindung mit dem Identitätsnachweis und dem Formular „Patientenerklärung europäisches Ausland“ aufzunehmen.
Im Falle britischer Bürger gilt Folgendes: „Es sind vorläufig alle Europäischen Krankenversicherungskarten (EHICs), die neu eingeführte Global Health Insurance Card (GHIC) sowie Provisorische Ersatzbescheinigungen (PEBs) aus dem Vereinigten Königreich zu akzeptieren“. Eine ausführliche PDF-Handreichung ist unter diesem Link abrufbar: Die GKV & der Brexit.
Besteht im Fall von nicht EWR-Staaten ein bilaterales Abkommen mit dem Herkunftsland, wie z.B. im Fall von China, Kanada, Serbien oder Australien (~ Schnellübersicht bspw. bei der TK), muss der Patient im Vorfeld einen Anspruchsnachweis bei einer deutschen Krankenkasse beantragen und diesen Nachweis dann in der Praxis vorlegen. Ggf. hilft hier die DVKA – die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (~ direkt zu).
Aber auch außerhalb von Urlaubszeit und Auslandstourismus gibt es zahlreiche Sonderfälle, die die Tresenkräfte kennen sollten:
Im Normalfall wird die Anspruchsberechtigung vom Patienten mittels eGK, samt Foto nachgewiesen. Ausnahmen gelten für Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren, sowie Pflegebedürftige, die ‚nicht am Prozess der Lichtbilderstellung teilhaben können‘. Im Kontext der Identitätsprüfung der Patienten mit eGK ohne Lichtbild schreibt die KBV: „Es besteht keine Rechtsgrundlage für die Praxis, auf deren Grundlage die Vorlage eines Ausweises verlangt werden kann.“ Die Identitätsprüfung beschränkt sich also auf das Alter und Geschlecht, via Geburtsdatum und Vorname. CAVE! Es gibt einen rechtlich signifikanten Unterschied zu den oben beschriebenen Maßgaben zur Identitätsprüfung. Personalausweise und Reisepässe dürfen nur in den von Normen beschriebenen Situationen eingefordert werden. Ein prophylaktisches Einfordern ist nicht zulässig. ‚Fun Fact‘ für Personaler: „Der deutsche Reisepass und Personalausweis sind kein Nachweis für die deutsche Staatsangehörigkeit“ (~ Quelle). Die Staatsangehörigkeit leitete sich nur über den Staatsangehörigkeitsausweis ab, der wiederum nicht als Identitätsnachweis gilt. (~ Quelle) ‚Fun Fact‘ Ende – zurück zum Praxisalltag.
Selbstredend ist beim ersten Arzt-Patienten-Kontakt des Quartals stets die Anspruchsberechtigung der gesetzlich Versicherten über das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) zu klären. Ist das Einlesen der Karte nicht möglich, kann unter Umständen das Ersatzverfahren mit dem Vordruckmuster 5 angewendet werden. Gemäß dem BMV-Ä (Anlage 4a) ist dies möglich, wenn A) TI-Komponente oder Karte defekt sind. B) Sich die Krankenkasse oder Versicherungsart geändert hat, allerdings noch nicht auf die Karte übertragen ist. Hier müsste der Patient den Umstand glaubhaft versichern. C) Hausbesuche: Es steht kein Gerät für Hausbesuche zur Verfügung. Abseits davon gilt das Ersatzverfahren für Kinder bis drei Monate, für die noch kein Anspruchsnachweis vorliegt.
Wird im Notfall keine eGK vorgelegt, darf direkt das Ersatzverfahren mit dem Muster 19 angewendet und auch darüber abgerechnet werden. Findet allerdings die Versorgung außerhalb des organisierten Notfalldienstes statt, so muss der Patient auch beim Muster 19 die Richtigkeit der Angaben mit seiner Unterschrift bestätigen! Wenn ein Patient die Karte vergessen hat, oder sie vom PVS als ungültig angezeigt wird, der Patient allerdings bekannt ist oder sich ausweisen kann, so verbleiben dem Patienten ab dem Behandlungstag zunächst 10 Tage, um die Karte nachzureichen. Bleibt der Patient den Nachweis innerhalb dieser Frist schuldig, so kann die Praxis eine Privatvergütung verlangen. Reicht der Patient dann allerdings die eGK bis Quartalsende nach, so muss die Praxis die Zahlung erstatten. „Es wird zudem empfohlen, den Patienten schriftlich darüber zu informieren, dass bei Nichtvorlage eines gültigen Versichertennachweises bis zum Ende des Quartals eine Privatliquidation erfolgt. Wir raten Ihnen in solchen Fällen, die Identität des Patienten für die etwaige Erstellung der Privatliquidation zu überprüfen und zu dokumentieren.“ (~ FAQ KV Hamburg | Kein gültiger Anspruchsnachweis zu Quartalsbeginn)
Die Gematik hat für den Fall, dass Patienten die eGK vergessen haben, eine neue Möglichkeit beschrieben. So „kann sie oder er die Versichertendaten mit der elektronischen Ersatzbescheinigung (eEB) übermitteln lassen. Dafür fordert sie oder er die eEB, etwa über die App der Krankenkasse auf dem Smartphone, selbst bei der Krankenkasse an, indem sie bzw. er den QR-Code der Praxis einscannt.“ Praxen könnten dafür auch Informationen in der Praxis bereitstellen. Mehr dazu auf der Themenseite im letzten Absatz (~ Link Gematik) Somit verbleibt der mögliche Fall, dass weder ein Anspruchsnachweis noch ein Identitätsnachweis dargelegt werden können. Dann dürfte unmittelbar nach GOÄ abgerechnet werden. Wird der Nachweis im laufenden Quartal jedoch nachgereicht, ist diese Vergütung zurückzuzahlen.
Übersicht-Seite von GKV-SV | KBV |KZBV
Ausländische Patienten: Informationen für Leistungserbringer
So funktioniert die Behandlung von im Ausland krankenversicherten Patienten
Behandlung ausländischer Patienten im Rahmen der GKV
Rundschreiben der KV Baden-Württemberg | Ausgabe März 2024
Inländische Patienten: Keine oder ungültige eGK (im PDF Seiten 3 – 6)
KBV-Info v. 23.12.2023
Im Ausland krankenversicherte Patienten: Formular vereinfacht und weitere Änderungen
Lauterbach, das GVSG & die MVZ: Wie weiter? Pressekonferenz des Ministers mit Breitseite zur MVZ-Regulierung
„MVZ: Lauterbach will Investoren verbieten“ – so titelte am 22. Mai die ÄrzteZeitung, und lag damit, zumindest als Zitat, völlig richtig. Auch wir hatten die Ansage, die auf eine explizite Journalistennachfrage erfolgte, dass nämlich ‘Investoren-MVZ zum Schluss verboten werden,’ sofort aufgegriffen (~ LinkedIn-Post | BMVZ-Account). Man werde, führte der Minister weiter aus, der ‘ausufernden Kommerzialisierung’ im parlamentarischen Verfahren begegnen. Die aktuelle Koalition habe schon in so viele andere Gesetze relevante Punkte nachträglich eingebracht, da würde es ihn wundern, wenn das bei der MVZ-Thematik nicht so käme. Insgesamt kaum eine Minute Redezeit, aber die Überschriften waren gesetzt. Die Frage ist also – wie eigentlich immer in den letzten 17 Monaten: Was hat dieses Intermezzo zu bedeuten? Steckt da mehr als heiße Luft dahinter?
Als erstes fällt auch hier erneut die unsachliche, tendenziell faktenbefreite Sprache ins Auge, die sich nahtlos in eine Reihe mit dem initialen Weihnachtsinterview von Dezember 2022 einreiht: „Es gibt den fatalen Trend, dass Investoren MVZ mit unterschiedlichen Facharztpraxen aufkaufen, um sie anschließend mit maximalem Gewinn zu betreiben. … Die Praxen müssen denen gehören, die dort tatsächlich arbeiten. Dann ist auch Schluss damit, … absurde Profitziele zu erreichen.” Die aber auch zur inhaltlich zusätzlich recht absurden Ärztetagsrede vom Mai 2023 passt: “Die investorengetriebenen MVZ haben eine negative Entwicklung für die Versorgung in Gang gesetzt. (…) hier muss man auch ganz klare negative Konsequenzen für die Weiterbildung beobachten. Denn es kann nicht sein, dass unsere Spitzenkliniken erstklassige Oberärztinnen und Oberärzte verlieren, die dann ein paar Meter von der Klinik entfernt, simple Eingriffe am Fließband machen, weil das top bezahlt wird und sie fehlen für die Weiterbildung und die Top-Versorgung in diesen Kliniken. Das ist eine Plünderung unseres Systems, die wir nicht hinnehmen werden.“
Im Ergebnis dieser drei kurzen Passagen sowie der diversen weiteren Auftritte ist es legitim zu schlussfolgern, dass Karl Lauterbach bei dem Thema konsequent und ohne Abstriche persönlich engagiert ist. Aber reicht diese individuelle Überzeugung des Ministers, um die Gesetzgebung zu erzwingen? Fakt ist, dass die Regierung mit dem am 22. Mai erfolgten Kabinettsbeschluss, in dem die MVZ – das muss noch mal betont werden – als Regulierungsobjekt nicht vorkommen – das Heft des Handelns aus der Hand gegeben hat. Jetzt ist der Bundesrat mit einer Stellungnahme dran und dann vor allem das Parlament. Und dabei können natürlich in den für Herbst anstehenden Fachberatungen jederzeit und auch gravierende Änderungen eingearbeitet werden. Ob das aber gerade beim MVZ-Thema realistisch ist, ist eine ganz andere Frage. Mehrfach hatten wir in diesem Kontext bereits auf die offiziell gegenläufige Haltung der FDP verwiesen, die dem Koalitionspartner bezüglich der Regulierung von Investoren-MVZ eine offiziell niedergelegte Abfuhr erteilt hat, und erklärte: „Trägervielfalt in der ambulanten Versorgung erhalten“ zu wollen. (~ Volltext öffnen | PDF 2 Seiten).
Man könnte hierzu noch viele weitere Spekulationen ausführen. Aber am Ende bleibt die Erkenntnis, dass sich mit dem neuen ‘Ausbruch’ des Ministers an der Gesamtsituation eigentlich gar nichts geändert hat. Sie ist dadurch weder schlimmer noch besser geworden (welche Perspektive zutrifft, sollte jeder selbst für sich wählen). Deshalb klauen wir am besten einmal bei einem unserer eigenen, alten Texte – hier vom 30. Dezember 2022 (~ Quelle) – nur den Veranstaltungshinweis am Ende haben wir aktualisiert: Der Minister ist der Minister – d.h., er hat durchaus Macht und Kompetenz, eigene Themen zu setzen und zu forcieren. Andererseits muss er dabei zwingend auch seine Koalitionspartner mitnehmen. Und natürlich muss er sich an seinem eigenen, mantraartig vorgetragenen Anspruch bezüglich evidenzbasierter Entscheidungen messen lassen. Die aktuellen Äußerungen sind entsprechend weit entfernt von seriöser Politik. Aber: Nix genaues weiß man nicht. Ohne Frage wird das Bundesgesundheitsministerium auf die Ankündigungen seines Chefs reagieren müssen. Von daher nutzen Sie gern die Chance auf dem Laufenden zu bleiben: Zeitlich passend lädt der BMVZ am 20. September zu seinem jährlichen Praktikerkongress nach Berlin unter der (übrigens bereits im Januar formulierten) Überschrift: Lauter Bach oder ruhiges (Fahr)Wasser? – Strategische Herausforderungen für MVZ & BAG. | ~ Veranstaltungskalender des BMVZ öffnen.
BMVZ-Pressemitteilung v. 23.05.2024
Den Fokus neu setzen: Impulse für eine konstruktive MVZ-Debatte
Reaktion auf die BMG-Pressekonferenz vom 22. Mai
ZM Online v. 23.05.2024
BMVZ klinkt sich in Debatte um iMVZ ein: „Bekanntermaßen sieht der BMVZ die Frage anders!“
Ärzteblatt v. 23.05.2024
Lauterbach-Vorstoß befeuert Debatte über investorengetragene MVZ
GVSG – Kabinettsentwurf | Was nach dem ‚Karl’schlag übrig bleibt
Am 22. Mai stellte Karl Lauterbach den Kabinettsentwurf des GVSG vor. Seiner dabei getätigten Aussage über die Zukunft der ‚iMVZ‘ haben wir in dieser Ausgabe einen eigenen Artikel gewidmet. Aber auch abseits der entgleisten MVZ-Debatte ist ein Blick auf das GVSG durchaus relevant. Zumindest auf all das, was in der Spur geblieben ist, nachdem schon beim Referentenentwurf zahlreiche Vorhaben gestrichen worden waren, die – nach Aussage des Ministers – später wieder hineinkommen sollen. Es ist jedoch ganz klar herauszustellen, dass der Bundesgesundheitsminister hier einen sehr ungewöhnlichen Weg der Gesetzgebung wählt, indem er davon ausgeht, hoch relevante Projekte wie die Gesundheitskioske im Laufe des parlamentarischen Verfahrens wieder in das Gesetz hinzuzuschreiben. Wie angekündigt, hat es die Hausärzteentbudgetierung in den Kabinettsentwurf geschafft. Im Großen und Ganzen wird deren Ausformulierung auch vom Verband der Hausärztinnen und Hausärzte (haev) begrüßt. Allerdings ist es hier zwischen Referentenentwurf und Kabinettsfassung zu Änderungen im Detail gekommen.
Zusammenfassend gilt aus Hausärztesicht: GVSG abgesegnet: Mehr Schatten, aber immer noch etwas Licht. Ähnlich formulierte es der Hausärzteverband: „Zwar sind einige Böcke wie die Samstagssprechstunden abgeräumt worden, dafür hat man an anderer Stelle wieder neue gebaut.“ (~ haev v. 22.05.2024) Das betrifft primär die neue Vorhaltepauschale, die wegen der Anbindung an bestimmte Leistungen der Praxis stark unter Kritik stand. Um diese Pauschale zu erhalten, müssten Praxen auch weiterhin konkrete Kriterien erfüllen: eine „bedarfsgerechte Versorgung mit Haus- und Pflegeheimbesuchen, bedarfsgerechte Praxisöffnungszeiten, die vorrangige Erbringung von Leistungen aus dem hausärztlichen Fachgebiet, eine Mindestanzahl an zu versorgenden Versicherten sowie die regelmäßige Nutzung von Anwendungen der Telematikinfrastruktur”. (GVSG Kabinettsentwurf |im PDF S. 13 (Änderung) + Seiten 47ff). Aber der Punkt mit der Samstagssprechstunde wurde gestichen, dafür könnte die Befüllung und Pflege der ePA mit als Kriterium für die Vorhaltepauschale aufgenommen werden. Außerdem wurden expliziter in den Entwurf formuliert, dass die Höhe der Vorhaltepauschale vom Bewertungsausschuss in unterschiedlichen Stufen festgelegt werden soll, und dass nicht mehr alle Kategorien gleichzeitig erfüllt sein müssen. Der änd deutete die neue Gesetzesformulierung folgerichtig als ein Entgegenkommen für die Praxen. (~ änd v. 21.05.2024). Da das Gesetzgebungsverfahren aber gerade erst begonnen hat, bleibt naturgemäß im Moment offen, welche Kriterien der Bewertungsausschuss am Ende anlegen wird.
Im Vorfeld gab es daneben massive Diskussionen um die neue Chronikerpauschale, für die ebenfalls von der Quartalslogik abgewichen werden soll. Die dann kontextabhängig als Versorgungspauschale bezeichnete Vergütung soll je Patient und Jahr nur von einer Praxis angesetzt werden können, woran sich Ärztevertreter massiv gerieben haben (~ Quelle). Die Konsequenz dieser Proteste sind Änderungen im Detail. Der änd schreibt hierzu: „Auch die Frage, was mit einer jährlich gezahlten Chronikerpauschale passiert, wenn der Patient mehrere Praxen einem Jahr aufsucht, scheint beim Gesetzgeber angekommen: Die Regelungen über die Versorgungspauschale haben vorzusehen, dass sie je Versicherten unabhängig von der Anzahl und Art der Kontakte des Versicherten mit der jeweiligen Arztpraxis innerhalb eines bestimmten Zeitraums nur einmal durch eine einzige, die jeweilige Erkrankung behandelnde Arztpraxis abzurechnen ist, beauftragt das Haus Lauterbach nun die Selbstverwaltung mit einer Lösungsfindung.“ Nützliches Hintergrundwissen zu beiden Pauschalen erhalten Sie in unserer ausführlichen Analyse, die dem Stand von Mitte April Rechnung trägt: Neue Pauschalen für die Hausärzte gemäß GVSG-Entwurf.
Aus Sicht des Hausärzteverbandes bedauerlich ist die quasi-Streichung der Prämie, die Patienten erhalten sollten, wenn sie sich in einen HZV-Bertrag einschreiben.. Noch im Referentenentwurf war hier eine Muss-Bestimmung für eine Prämie von mindestens 30 Euro per anno vorgesehen, die von den Krankenkassen gezahlt werden sollte. Jetzt ist nur noch eine Soll-Bestimmung ohne Angabe einer Summe übrig. Die Vertretung der Hausärzte sieht darin eine verpasste Chance zur Patientensteuerung und den Wegfall einer eklatanten Stütze des Reformvorhabens Lauterbachs. Der GKV-Spitzenverband begrüßt dagegen erwartungsgemäß die Streichung und stellt – nachvollziehbar – den Aufwand-Nutzen-Faktor in Frage. Der vdek schreibt dazu: „Die geplanten Bonuszahlungen von 30 Euro pro Patient für die Teilnahme an der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) erweisen sich als redundant.“ (~ Quelle)
Für alle Fachrichtungen ist die weiter vorgesehene Einführung der neuen Geringfügigkeitsgrenzen bei den Regressen interessant. Diese haben den ‚Karl’schlag des Referentenentwurfes überlebt, dem zuvor die Gesundheitskioske, die Primärversorgungszentren swie die Gesundheitsregionen zum Opfer gefallen waren. In Zukunft soll also eine Bagatellhöhe von 300 Euro gelten. Zuweilen ist zu lesen, dass die Neuregelung nachteilig für Ärzte und insbesondere MVZ sein wird, da die Bagatellgrenze pro BSNR gilt (~ Virchow Bund v. 24.04.2024). Die Einschätzung, dass hier ein nachteiliger Effekt eintritt, beruht auf der Annahme, dass die Kassen zukünftig kleine Regresse sammeln könnten, bevor sie aktiv werden. Diese dramatisierte Darstellung der Folgen lässt sich – nach dem jetzigen Wissenstand – nicht teilen, zumindest stellte ein solches Vorgehen nach unserer Kenntnis keinen Unterschied zum Ist-Zustand dar. Korrekt ist aber, dass Lauterbach noch im Januar zu Protokoll gab, die Kumulation von Regressen durch Kassen unterbinden zu wollen „Wir brauchen keine Kultur des Misstrauens“ (~ Link), was allerdings bisher keinen Einzug in das Gesetz gefunden hat.
Gemischte Stimmen waren nach der Veröffentlichung des Kabinettsentwurfes auch vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) zu vernehmen. So begrüße man zwar die Unterstützung der Weiterbildung. Allerdings sehe das Gesetz diese Unterstützung bedauerlicher Weise nur für Weiterbildungsambulanzen vor. Und auch bei dieser Förderung sieht der Berufsverband Schwachstellen. Denn „bei der Verhandlung der Ambulanzen mit den Krankenkassen über die Höhe der Vergütung für diese Versorgungsleistungen sollten notwendige Betriebskosten der Ambulanzen für die Durchführung der Weiterbildung aber ausdrücklich nicht berücksichtigt werden dürfen.“ (~ Quelle) Somit ließen sich weder die Gehälter noch die Unkosten für Weiterbildungselemente hinreichend decken.
Ein Perspektivwechsel auf die Kassenseite birgt wenig Überraschungen. Erwartungsgemäß werden nahezu alle Punkte abgelehnt, die Mehrkosten verursachen. Der Wegfall der Medizinstudienplatzförderung wird ausdrücklich begrüßt, mit der Begründung, dass „eine Finanzierung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgaben über die GKV ordnungspolitisch falsch ist.“ (~ GKV Pressemeldung) Die oben erwähnten neu formulierten Pauschalen der Hausärzte sind dagegen dediziert so im Gesetz formuliert, dass sie kostenneutral zu sein haben. Die Selbstverwaltungspartner und alle an der Umsetzung Beteiligten haben also nur ein sehr schmales Fenster, um zu agieren.
Abseits der MVZ-Thematik, bleibt es – ähnlich wie beim Krankenhausgesetz – also auch beim GVSG insgesamt spannend. ‚Spannend‘ allerdings nicht im Sinne eines guten Krimis, sondern einer nervenzehrenden Zerreißprobe. Am 5. Juli, so heißt es, ist der erste Durchgang im Bundesrat vorgesehen, allerdings gibt es aktuell dazu noch keine Tagungsordnung (~ Sitzungsklaender Bundesrat). Für den Bundestag steht noch kein Termin fest, als Wunschoption angekündigt, ist dieser allerdings für den Monatswechsel vom Juni auf den Juli. Sollte dieser Termin nicht zu halten sein, wird es die erste parlamentarische Lesung – aufgrund der ab der zweiten Juliwoche anstehenden Sommerpause – erst im Herbst geben.
Ärzteblatt v. 22.05.2024
Kabinettsbeschluss zum Versorgungsgesetz: Enttäuschte Reaktionen
Pressemitteilung des BMG v. 22.05.2024
Hausarztberuf wird gestärkt, Versorgung verbessert: Bundeskabinett beschließt Versorgungsstärkungsgesetz
änd v. 21.05.2024
Vor Kabinettsbeschluss: Lauterbach entschärft GVSG
Reminder zum MoPeG | Über das neue Gesellschaftsregister der GbRs
Im Oktober 2023 hatten wir eine Arbeitshilfe zur Einführung des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechtes – kurz MoPeG – veröffentlicht. Da dieses Gesetz seit Januar 2024 für GbRs aller Brancen eine mittelbare Relevanz entfaltet und dennoch relativ unbekannt ist, veröffentlichen wir nun, ein halbes Jahr nach Inkrafttreten, diesen Reminder. Obwohl das Thema also für alle BAG und MVZ, die als GbR auftreten, wichtig ist, haben sich – unseres Wissens als einzige der 17 KVen – die Sachsen des Themas angenommen, und weisen korrekterweise darauf hin, dass für die BAG und MVZ GbRs „die Überprüfung von Altverträgen und die rechtliche Hilfe bei der Gestaltung von Neuverträgen ein „Muss“ im Interesse klarer gesellschaftsrechtlicher Regelungen sei.“ (~ Quelle)
Davon unabhängig sollte jeder Geschäftsführer oder Verantwortliche wissen, auch jene, die als GmbH-Vertreter nicht primär betroffen sind, dass es aufgrund des MoPeG ein neues Gesellschaftsregister (GsR) gibt. Über das gemeinsame Registerportal der Länder sind damit nun auch Praxis-eGbRs findbar – sofern sie firmiert sind. Eine schnelle Suche ergab hier zum zeitpunkt des Verfassens dieses Textes unter den naheliegenden Suchworten MVZ, bzw. BAG (inkl. Variationen) bisher 19 eingetragene MVZ GbRs und 5 solche BAG GbRs. Die Umfirmierung ist im Wesentlichen freiwillig. Im Kontext von Grundstücks(ver-)käufen ist sie allerdings Pflicht. Wenn die GbR bereits über ein Grundstück verfügt, besagt das s.g. Voreintragungsrecht: „dass [die Gesellschaft] über ihre Grundstücksrechte erst wieder verfügen kann, wenn sie sich zuvor in das Gesellschaftsregister hat eintragen lassen.“ (~ Link) Zudem bietet sich durch die Firmierung auch die Möglichkeit einer vereinfachten Rechtsformumwandlung. So kann eine MVZ-eGbR ohne den Umweg über eine Partnergesellschaft in eine GmbH umgewandelt, oder in ein solche integriert werden. Allein aus diesen genannten Gründen sollten sich alle betroffenen GbRs tatsächlich einmal mit dem neuen Gesellschaftsregister auseinandersetzen und individuell eine aktive Entscheidung für oder gegen die Eintragung treffen.
Für den schnellen Einstieg finden Sie nachfolgend einen (ganz) kurzen Inhaltsüberblick des insgesamt sehr komplexen Gesetzes. Für weitere Infos verweisen wir auf unsere Lesetipps | MoPeG allgemein & Lesetipps | MoPeG + Vertragsarztrecht aus unserem Oktober-Artikel, in dem Sie sich auch die BMVZ-Arbeitshilfe in Form eines 6-seitiges Handouts downloaden können.
Kurzfassung: Was man vom MoPeG wissen sollte.
Das MoPeG berührt viele verschiedene Bereiche des Gesellschaftsrechtes. So wurde unter anderem die Möglichkeit geschaffen, Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) zu firmieren, sie also im Gesellschafterregister eintragen zu lassen. Sie werden dann zu s.g. eingetragenen GbR (eGbR). Da der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, dass möglichst viele GbRs sich eintragen lassen, hat er Umstände geschaffen, die eine Eintragung erzwingen, oder wodurch sich Vorzüge für die GbR ergeben können. Zur Einordnung sei erwähnt, dass das MoPeG in vielerlei Hinsicht die Spruchpraxis der Gerichte und damit den Status-Quo der letzten Jahre nachzeichnet. Der Wille des Gesetzgebers, dass GbRs firmieren sollen, leitet sich im Übrigen daraus ab, dass viele ‚GbRs von heute‘ ohnehin als dauerhafte Gesellschaften angelegt sind, die im Grunde erzwungenermaßen am Rechtsverkehr teilnehmen müssten. Die Rechtsfähigkeit selbst wird durch den Gesellschafterbeschluss bestimmt. Durch die Eintragung soll dann mehr Transparenz bei den Rechtsgeschäften erreicht werden. Daher ist es nur folgerichtig, dass die eGbR, mit der Eintragung in das Gesellschaftsregister, auch zur Mitteilung ihrer (fiktiv) wirtschaftlich Berechtigten im Transparenzregister verpflichtet ist.
KV Sachsen v. April 2024
Das neue Personengesellschaftsrecht – wichtig auch für Heilberufe
Mazars Mandanteninformation
Die Modernisierung des Personengesellschaftsrechts und ihre Auswirkungen auf MVZ-Transaktionen
BMVZ-Arbeitshilfe v. Oktober 2023
Handlungsbedarf für MVZ + BAG durch das neue Gesellschaftsrecht
Lauter Bach oder ruhiges (Fahr)Wasser? | Einladung zum 18. (B)MVZ Praktikerkongress
Nach zwei Jahren Ankündigungspolitik des BMG steht aktuell die große Frage, welche Reformpläne wirklich umgesetzt werden und, vor allem: Was davon für die Praxis der ambulanten Versorgung unmittelbar und praktisch relevant sein wird. Es geht also um die unbekannte Größe der Weichenstellungen in der ambulanten Versorgung. Stichworte sind – neben der dauerpräsenten MVZ-Regulierungsdebatte z.B. auch die neu vorgesehenen sektorübergreifenden Einrichtungen, die Hybrid-DRG und die Konsequenzen, die sich aus der geplanten Einführung der hausärztlichen Jahrespauschalen ergeben. Parallel tut sich auch in der KV-Welt einiges zwischen Rechtsprechung, Spruchpraxis der ZAs und angekündigter Modernisierung der ZV-Ärzte. Nicht zu vergessen die Pläne des BMG in Richtung Entbürokratisierung und Regressvermeidung.
Wie viel von diesen Vorhaben reine Theorie bleibt, bzw. wo sich für die MVZ-Leitung schwieriges Fahrwasser abzeichnet und wie darauf reagiert werden kann, wird einer der großen Schwerpunkte des diesjährigen BMVZ PRAKTIKERKONGRESS sein. Zweites Programmstandbein ist die Befassung mit ganz praktischen Aspekten des Praxisbetriebs, bzw. die Konfrontation mit neuen Ansätzen, wie sich bekannte Herausforderungen angehen oder effizienter, bzw. patientenfreundlicher gestalten lassen.
Mit diesem praxisorientierten Programm möchten wir vor allem den zahlreichen Akteuren der kooperativen Versorgung eine Netzwerk- und Austauschplattform bieten. Denn, ärztliche Kooperation ist – davon sind wir überzeugt – gleichsam Notwendigkeit und Mehrwert, und nützt dabei Patien:innen, Ärzt:innen und Gesellschaft gleichermaßen. Einen Rückblick zum Politik-Block des Vorjahres, bei dem u.a. Dirk-Ulrich Mende, Parteikollege von Lauterbach und in der SPD-Bundestagsfraktion zuständiger Berichterstatter für die ambulante Versorgung, sagte, dass er sich ‘juristisch tragfähige Lösungen, die ein Verbot von MVZ-Trägern vorsähen, nicht vorstellen könne,‘ können Sie über diesen Link aufrufen.
Homepage zum BMVZ PRAKTIKERKONGRESS am 20.09.2024
Informationen, Anmeldung, Programm
Hinweise zum BMVZ-VerbandsTAG am 19.09.2024
2Tage – 2Events | Organisationsflyer zu Verbands- & KongressTag (PDF)