Der pauschale Ausschluss von Arztpraxen vom Kurzarbeitergeld ist nicht sachgerecht, da es eine Reihe von atypischen Praxisstrukturen gibt, die nicht oder kaum unter den ambulantem Schutzschirm fallen. Hintergrund sind die sehr komplexen Abrechnungsmechanismen und der Umstand, dass ärztliche Honorare sich aus verschiedenen Quellen speisen, von den nur der Teil der MGV sicher ausgeglichen wird.
Der BMVZ fordert daher, die pauschal gegen Ärzte, BAG und MVZ gerichtete Anweisung an die Bundesagentur für Arbeit (BA), Kurzarbeitergeld-Anträge abzulehnen unverzüglich zurückzunehmen.
Hinweise für die Praxis:
BMVZ Arbeitshilfe zur Kurzarbeit (Stand 7. April 2020)
praxisrelevante Analyse zur Funktionsweise des ambulanten Schutzschirms (Stand 2. April 2020)
Berichterstattung:
“BA handelt „zynisch oder ahnungslos“ beim Thema Kurzarbeitergeld für Arztpraxen”
Artikel aus der ÄrzteZeitung vom 28.04.2020
Pressemeldung vom 27.4.2020 als PDf öffnen
Pauschaler Ausschluss von Arztpraxen vom Kurzarbeitgeld ist nicht sachgerecht
Nicht alle Praxen stehen unter dem Schutzschirm
Insbesondere Praxen und MVZ, die nicht den Hauptteil ihrer Leistungen im Bereich der klassischen MGV-Leistungen (Fallpauschalen nach EBM) erbringen, haben derzeit teils massive Probleme, weil sie vom ambulanten Schutzschirm gerade nicht erfasst werden. Das sind z.B. Ärzte mit sehr hohem PKV-Anteil, D-Arzt-Praxen oder Ärzte, die hauptsächlich im Bereich des ambulanten Operierens, einer EGV-Leistung, tätig sind.
Hier zu argumentieren, dass diese Praxen kein Kurzarbeitergeld (KUG) beantragen oder erhalten dürften, weil sie unter dem Schutzschirm stünden, ist deshalb entweder zynisch oder zeugt von Ahnungslosigkeit der Verantwortlichen. Die Grundannahme, auf der die BA-Anweisung erstellt wurde, ist schlichtweg falsch.
Es ist wichtig, die mißbräuchliche Nutzung
von Hilfen zu verhindern, aber ….
Grundsätzlich ist es richtig, dass die verschiedenen Hilfen nicht dazu führen dürfen, dass Ärzte, die derzeit ihre Praxen nicht oder nur eingeschränkt offen halten, besser gestellt werden, als die vielen engagierten Kollegen, die fortgesetzt ihre Sprechstunden anbieten. Daraus jedoch die Anweisung an die BA abzuleiten, dass Arztpraxen prinzipiell kein Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen können, basiert auf einer fatalen Fehlinterpretation des mit dem Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz geänderten SGB V.
Man geht – wie dem Originaltext der Anweisung an der BA zu entnehmen ist – fälschlich davon aus, dass alle Praxen Anspruch auf Ausgleich ihrer Honorarverluste haben, so dass kein Raum für Kurzarbeitergeld bestünde.
Der Schutzschirm ist gut, aber ….
Anspruch besteht jedoch allein darauf, dass KVen und Kassen einer Region, den für die MGV sämtlicher Praxen bereitgestellten Gesamtbetrag nicht kürzen dürfen, sondern ausschütten und dafür regionale Verteilungsmechanismen entwickeln müssen. PKV-Einnahmen und sonstige Sonderfälle bleiben ganz außen vor. Und der Ausgleich bei EGV-Einnahmen, was u. A. alle Leistungen des ambulanten Operierens betrifft, ist eine bloße Kann-Regelung, die die KVen nicht nutzen müssen. Berlin bspw. erklärt auf seiner Homepage klar, dass EGV-Leistungen nicht ausgeglichen werden können. (Quelle KV Berlin)
Fakt ist, der ambulante Schutzschirm ist dem Grunde nach eine wirklich gute Sache. Dennoch bietet er momentan nur eine kollektive Sicherheit, lässt aber belastbare Aussagen über die Honorarzahlungen für einzelne besonders betroffene Praxen nicht zu. Und schon gar nicht wird diesen individuell ein Anspruch auf Ausgleich zugesprochen.
Die Grundlage, auf der die pauschale BA-Anweisung erstellt wurde, ist deshalb schlichtweg falsch.
Denn es ist nachvollziehbar, dass niedergelassene Ärzte und MVZ jetzt und heute Sicherheit brauchen und daher teilweise auch Kurzarbeitergeld beantragen, wenn z.B. in Fächern, wo viel operiert wird, momentan einfach keine Patienten kommen, während gleichzeitig völlig unklar ist, was gerade diese Ärzte vom Schutzschirm erwarten dürfen.
Praxen brauchen Verbindlichkeit
Kurzfristige Abhilfe schafft zum Einen, wenn die KVen zeitnah ihren Ausgleichs-HVM beschließen und veröffentlichen, wie Sachsen und Sachsen-Anhalt das bereits getan haben – beide übrigens mit einem Ausgleich auch von EGV-Leistungen. Denn erst dann können Praxen, BAG und MVZ überhaupt erst anfangen zu planen, auf welche Zahlungen sie sich einstellen können.
Bis dahin müssen Ärzte und MVZ – und einige nicht dem GKV-Standard entsprechende Praxen auch darüber hinaus – KUG beantragen und erhalten können, um eine Möglichkeit zu haben, sich von den fortlaufenden Fixkosten zu entlasten. Andernfalls kann die ambulante Infrastruktur für viele besonders aufgestellte Versorger mangels Perspektive gerade nicht überall voll aufrecht erhalten werden.
Ähnliches gilt im Übrigen für Zahnarztpraxen, für die ein Schutzschirm noch nicht einmal beschlossen und dann auch nur als reine Liquiditätshilfe vorgesehen ist.
Von daher muss die pauschal gegen Ärzte, BAG und MVZ gerichtete Anweisung an die BA, KUG-Anträge abzulehnen unverzüglich zurückgenommen und zur Einzelfallprüfung in den Ämtern vor Ort zurückgekehrt werden.