Reaktion auf die Ankündigungen von Prof. Lauterbach vom 24.12.2022 bezüglich MVZ und ihrer Regulierung

MEINUNG | VOM 09.01.2023

Dipl. pol. Susanne Müller
Geschäftsführerin des BMVZ e.V.

Susanne Müller: „Minister Lauterbach erkennt bei MVZ einen „fatalen Trend“ zu „absurden Profitzielen“ und „unnützer Behandlung in schlechter Qualität.“  Auf gerade 150 Wörtern seines BAMS-Weihnachtsinterviews kommen dabei zwölf Superlative (maximaler Gewinn) oder abwertende Begriffe (Discountermedizin, Heuschrecke) – ein ministerielles Paradebeispiel dafür, wie sehr die MVZ-Debatte seit einiger Zeit emotional und inhaltlich überfrachtet wird.”

Fast ließe sich von einem MVZ-Mobbing reden, dessen erstes Opfer fatalerweise vor allem verunsicherte MVZ-Patienten sind, wenn ihnen jetzt auch der Bundesgesundheitsminister via Bild-Zeitung erklärt, dass sie ‚unnütz‘ und ‚schlecht‘ behandelt werden. Als Belege reichen in der Regel die anekdotische, bzw. gefühlte Evidenz oder – aktuell gern herangezogen – die durch die KV Bayerns im Kontext ihrer ‚Versorgungsanalyse zu MVZ im Eigentum von Finanzinvestoren‘ in die Welt gesetzte Behauptung, dass „in investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren …  die abgerechneten Honorarvolumina deutlich über denen in anderen MVZ [liegen].“ (Quelle: Pressemitteilung der KVB v. 7. April) – während eben diese Versorgungsanalyse an mehreren Stellen belegt, dass „der Träger, der am ehesten mit konstant höheren Honorarvolumina assoziiert ist, … die Vertragsärzte“ seien. (IGES-Gutachten vom April 2022 für die KV Bayerns (Kurzfassung) – Seite 18).

Aber was kümmern schon komplexe Fakten und differenzierte Betrachtungsweisen bei einer Debatte, die vor allem davon lebt, dass grundlegende Angsttrigger angesprochen werden. […] Einfach alles an der Debattenführung zu MVZ als Politikum weist auf die emotionale und inhaltliche Überfrachtung eines Themas hin, dessen grundlegende Sorgen dagegen durchaus berechtigt sind. Natürlich müssen wir uns als Gesellschaft regelmäßig neu die Frage stellen, ob es Fehlentwicklungen gibt oder ob regulative Bremsen eingezogen werden müssen, um solche für die Zukunft zu verhindern.  Und ja, auch mehr Strukturtransparenz wäre wichtig. Aber die Art und Weise, wie die Debatte gerade um MVZ geführt wird, belegt vor allem die starken Abwehrmechanismen des Ärzteverbandswesens, die von der Politik aufgegriffen werden, die aber tatsächlich deutlich vom Verhalten der Ärzte als Individuen abweichen. […]

Und so ist die Kernfrage nicht, wie man ‚das Kapital‘ möglichst aus dem Versorgungsmarkt raushalten kann, sondern wie die Qualität und Effizienz der Breitenversorgung unabhängig von der Trägerschaft kontrolliert und sichergestellt werden kann. In dieser Debatte besteht allerdings eine gewisse Scheinheiligkeit.[…] Vielleicht wäre daher gerade jetzt ein guter Zeitpunkt, einmal grundsätzlich und strukturübergreifend über Qualitätssicherung, Flächenversorgung und Effizienzreserven in der ambulanten Versorgung zu reden?

Eventuell entpuppte sich die Fokussierung der Debatte auf die mit weniger als ein Prozent Versorgungsanteil eher kleine Gruppe der ‚investorengetragenen MVZ‘ dann als das, was eingangs schon beschrieben wurde: Die emotional gesteuerte Abwehr einer Gestaltungvariante, die aufgrund ihrer Besonderheiten einfach greifbar macht, was aus Prinzip in jeder Arztpraxis angelegt ist: Der beständige und grundsätzlich in jeder Arztpraxis angelegte Widerspruch zwischen Ethik und Monetik?