Während bei den Abkürzungen KHVVG und GVSG wohl inzwischen klar ist, dass sich dahinter Lauterbachs zentrale Reformvorhaben für den ambulanten und den stationären Sektor verbergen, dürfte vielen eher unbekannt sein, was das BMG in seinem Vor-Sommer-Pausen-Endspurt noch alles vorhat. Tatsächlich listet eine interne Vorhabenplanung des BMG – datiert auf den 22. April – ganze zehn laufende Gesetzgebungsprojekte auf, die in den nächsten zwei Monaten mindestens das Kabinett passieren, teils aber direkt auch in die erste Lesung im Bundestag gehen sollen. Darunter die Physiotherapie-Berufereform, das Gesunde-Herz-Gesetz (auch Volkskrankheiten-Detektionsgesetz), die Apothekenreform und sowohl ein Pflegekompetenz- als auch ein Pflegeassistenzeinführungsgesetz. Nicht zu vergessen ein Gesetz zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitswesens und die angekündigte Reform zur Lebendorganspende. Und gerade eben erst hat der Minister auch noch eine nationale Suizidpräventionsstrategie angekündigt.
Kurz gesagt: Es gibt wohl kein strittiges Thema, das Karl Lauterbach auslässt. Viele der Projekte sind allerdings bereits im Koalitionsvertrag verabredet oder zumindest angedeutet worden. Was die Frage aufwirft, wie sich die Koalitionspartner –abseits von Lindners de-Facto-Haushaltssperre – zu den Plänen des BMG verhalten. Und in dem Punkt ist zu konstatieren, dass man sich im Großen und Ganzen einig scheint. So sagte FDP-Gesundheitspolitiker Ullmann als Warnung an den Widerstand der Länder kürzlich: „Eine Einigung auf eine entökonomisierte Finanzierung bei gleichbleibenden Strukturen werden wir nicht mittragen … Die Länder müssten sich klar zum Abbau von Krankenhausbetten bekennen.“ (~ Quelle). Nicht von ungefähr hat sich Minister Lauterbach auch für die Pressekonferenz am 17. April – kurz vor den jüngsten Ländergesprächen zur Klinikreform – sowohl den FDP-Mann, als auch Janosch Dahmen, das grüne Pendant zu Ullmann, und seine SPD-Parteikollegin Heike Baehrens als sichtbare Unterstützung mit auf die Bühne geholt.
Ohne Frage hat die derzeitige Regierungskoalition viele Streitpunkte – hier aber agieren sie gemeinsam. Eine grundlegende Einigkeit muss man auch für das abgespeckte Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) annehmen, jetzt, da die von der FDP ungeliebten kommunalen Strukturreformen weitgehend raus sind. Auch wenn Janosch Dahmen von den Grünen sich ganz sicher ist, dass „dass man im anstehenden parlamentarischen Verfahren über Vorschläge, die in der Ressortabstimmung schon auf dem Tisch lagen [und dann bekanntermaßen gestrichen wurden], werde reden müssen.“
Die spannende Frage ist ja immer, wie wahrscheinlich die ganzen Ankündigungen dann auch eine finale Umsetzung finden werden. Und hier gilt derzeit ehrlich gesagt, dass – wenn nicht vorher die ganze Koalition auseinanderbricht – sehr wohl mit der Inkraftsetzung einer Krankenhausreform als auch mit den absichtsvoll Steuerwirkung entfaltenden Reformmaßnahmen rund um die Hausarztvergütung gerechnet werden sollte. Zwar drohen sowohl die Länder (formaler Verfassungsverstoß wg. Nicht-Beteiligung) als auch die KBV (Aushebelung des Gleichbehandlungsgebotes wg. Steuerfinanzierung der sektorenübergreifenden Einrichtungen) juristisch gegen die Klinikreform vorzugehen. Aber offenkundig scheint Lauterbach bereit, derart nachgelagerte Herausforderungen in Kauf zu nehmen. Auf schon erwähnter Pressekonferenz betonte er: „Es gibt keine andere Reform.“ Man sei zum Erfolg verdammt. Er glaube nicht, dass die Reform noch scheitere, dafür sei sie zu bedeutsam. Die Zeit schreibt ergänzend: „Die gesundheitspolitischen Sprecher der Ampel-Koalition, Heike Baehrens (SPD), Janosch Dahmen (Grüne) und Andrew Ullmann (FDP), äußerten sich zuversichtlich, dass es zu zügigen Beratungen für die Reform im Bundestag kommt.“ (~ Quelle)
Am 30. April hat es zum KHVVG eine dreieinhalbstündige Anhörung der Fachverbände gegeben, bei der alle relevanten Player ihre Kritik noch einmal vorgebracht haben – das aber vergleichsweise zurückhaltend. So stand im Zentrum der von der DKG hierbei vorgetragenen Kritik, dass die nach dem Gesetz vorgesehenen Ermächtigungen der Kliniken für die ambulante Regelversorgung von KV- und ZA-Beschlüssen abhängig sein solle. Wegen der bekannten Unzuverlässigkeit dieser würde man aber eher befürworten, die Ermächtigungen der Kliniken nicht über das klassische Zulassungsprozedere zu führen. Die Hausärzte kritisierten dagegen primär, dass eben jene Ermächtigungen bedingungslos und unbefristet erteilt werden sollen und sahen darin bereits eine Aushebelung der zulassungsrechtlichen Vorschriften. In dasselbe Horn stieß der KBV-Vertreter, der meinte, diese Klinikermächtigungen für die vertragsärztliche Versorgung „wirklich wild zu finden.“
Selbst wenn man unterstellt, dass sich all diese Vertreter lediglich an den wiederholten Aufruf des die Konferenz leitenden BGM-Mannes gehalten haben, in der knappen Zeit bloß nicht das schon in den Stellungnahmen niedergelegte zu wiederholen: Fundamentalopposition sieht anders aus. Eher ließe sich das als aufkommende Resignation deuten. Vielleicht auch als Einsicht in die Geltungsmacht von Lauterbachs Mantra – hier in der Fassung vom 6. Dezember 2022: „Die Verbände des Gesundheitswesens sollen keinen politischen Einfluss auf die geplante große Krankenhausreform haben. (…) Wenn Verbände gute inhaltliche Argumente hätten, würde diese berücksichtigt. Lobbygruppen „werden aber definitiv keinen Einfluss auf die politische Umsetzung haben“, so der SPD-Politiker. „Mein Eindruck ist einfach, dass sie in der Vergangenheit zu viel Einfluss hatten. Und dem möchte ich begegnen.“ Auch Parteipolitik dürfe keine Rolle spielen. „Die Länder wissen, dass eine solche Reform notwendig ist.“
Die Anhörung zum GVSG ist für Montag, den 6. Mai angesetzt. Mal sehen, wie das läuft … wir werden in der nächsten Ausgabe berichten.