PRAXISFRAGE

In der KV-Zeitung stand, dass – anders als bisher und bezugnehmend auf die Rechtsprechung – im Fall von angestellten Ärzten, die ihre Fortbildungspunkte nicht fristgerecht nachweisen, das ganze MVZ beim Honorar abgestraft wird. Stimmt das? Und auf welcher Grundlage?

Viele der Anfragen, die den BMVZ erreichen, sind auch für andere Mitglieder relevant. Aus diesem Grund finden Sie hier solche ausgewählten “Praxisfragen” und ihre Antworten in anonymisierter Form wiedergegeben – oftmals mit weiteren Verlinkungen und Dokumenten zum jeweiligen Thema.

HINWEIS: Die Geschäftsstelle des BMVZ bietet keine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes an; der hier übernommene Dialog beinhaltet daher lediglich auf Erfahrungen und Recherchen beruhende Auskünfte und Meinungen ohne Anspruch auf Fehlerfreiheit oder Vollständigkeit.

ANTWORT

Die Pflicht zur permanenten Fortbildung, die über den Erwerb von sogenannten CME-Punkten nachzuweisen ist, trifft natürlich unmittelbar den vertragsärztlich tätigen Arzt. Geregelt ist dies § 95 d Absatz 1 SGB V.

„Der Vertragsarzt ist verpflichtet, sich in dem Umfang fachlich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Fortentwicklung der zu seiner Berufsausübung in der vertragsärztlichen Versorgung erforderlichen Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten notwendig ist. Die Fortbildungsinhalte müssen dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Medizin, Zahnmedizin oder Psychotherapie entsprechen. Sie müssen frei von wirtschaftlichen Interessen sein.“

Darüber hinaus wird aber in Absatz 3 des Paragraphen die eigentliche Fortbildungsverpflichtung um die Verpflichtung, die wahrgenommenen Fortbildungen auch nachzuweisen, ergänzt. Für angestellte Ärzte existiert diesbezüglich eine spezielle Regelung. Diese sieht ausdrücklich vor, dass es die Aufgabe des Arbeitgebers ist, den Fortbildungsnachweis zu führen und diesen dann auch der KV zur Verfügung zu stellen (Vgl. § 95d Abs. 5 Satz 2 SGB V).

Hinzu kommt, dass Sanktionstatbestand nicht allein die fehlende Fortbildung ist. Nein, auch wenn Fortbildungen wahrgenommen und allein die auferlegten Nachweispflichten verletzt wurden, löst dies qua Gesetz die in Absatz 3 beschriebene Honorarkürzungen um 10 bzw. 25 % aus. Den KVen kommt hierbei kein Spielraum zu.

Im Wortlaut des Gesetzes heißt dies bezogen auf angestellte Ärzte: „Absatz 3 Satz 2 bis 5 und 7 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass das Honorar des medizinischen Versorgungszentrums, des Vertragsarztes oder der Einrichtung nach § 105 Absatz 1 Satz 2, Absatz 5 oder nach § 119b gekürzt wird.“

Die konkrete Auslegung dieses Satzes wiederum wird in den KVen unterschiedlich gehandhabt; ist aber – wie im Frühjahr 2016 vom LSG in Celle ausgeführt – im Grunde gar nicht strittig.

Insbesondere das Gefühl, dass zwischen Verstoß und Strafmaß eine gewisse Äquivalenz herrschen sollte, spricht zwar dafür, dass diese Kürzungen jeweils nur den LANR-bezogenen Honoraranteil desjenigen Arztes, der seiner Fortbildungsverpflichtung nicht nachgekommen ist, betreffen sollten.

Jedoch gibt es eine Reihe von Juristen, die dies anders sehen. Dies vor allem deshalb, weil der Gesetzgeber bei Einführung dieser Vorschrift (GKV-GMG, in Kraft seit 1.1.2004) in der amtlichen Begründung keinerlei Zweifel an seinem Willen gelassen hat. Den entsprechenden Auszug (Ausschnitt von Seite 111) der Bundestagsdrucksache 15/1525 vom September 2003 finden Sie nachfolgend.

Eine treffende Einschätzung zur Frage der Rechtmäßigkeit einer solchen, sich aus dem nebenstehenden Text ergebenden  ‚Sippenhaftung‘ gibt Dr. Ingo Pflugmacher (RA-Kanzlei Busse & Miessen), der in einem Mandatenrundbrief zum Thema schon vor einiger Zeit schrieb:

„Die Honorarkürzung ist eine Sanktion, das heißt eine Strafe. Bei der Festsetzung der Höhe der Strafe steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu. Es spricht nichts dafür, dass der vorliegend überschritten wäre. Das Bundessozialgericht würde dies eventuell so ausdrücken: Wer die in der Mitarbeit eines angestellten Arztes liegenden Chancen nutzen möchte, muss auch die hiermit einhergehenden Risiken übernehmen.“

Ausschnitt von Seite 111, Klicken zum Vergrößern des Bildes

FAZIT

Der Umstand, dass manche KVen bis dato als Sanktion lediglich den betreffenden Arztanteil kürzen, ist vermutlich dem Umstand geschuldet, dass in letzter Zeit kaum einer Mal in der originären Gesetzesbegründung von 2003 nachgeschlagen hat. Und dass diese dem ’normalen‘ Gerechtigkeitsempfinden widerspricht.

Nichtsdestotrotz ist der gesetzgeberische Wille hier glasklar formuliert worden und das LSG-Urteil von 2016 hat darauf noch einmal den Fokus gelenkt, d.h. Öffentlichkeit geschaffen. Deshalb ist damit zu rechnen, dass die KVen künftig zunehmend streng nach Gesetz das ganze MVZ sanktionieren werden.

Im Umkehrschluss ist dringend zu empfehlen, in den MVZ die organisatorischen Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass alle angestellten Ärzte ihrer Fortbildungs- und Nachweispflicht nachkommen, dringlich zu prüfen und gegebenenfalls zu verbessern.

Daneben sollte auch ausdrücklich in den Arbeitsverträgen die Fortbildungsverpflichtung nach § 95d SGB V gesondert aufgenommen werden, um tatsächlich fortbildungsunwillige Ärzte arbeitsrechtlich sanktionieren zu können.